Leitsatz (amtlich)

1. Die Einheitsbewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren ist eine Bewertung auf der Grundlage des nachhaltig erzielbaren Reinertrags (BFHE 102, 563). Der in der Jahresrohmiete enthaltene Anteil für Fremdkapitalkosten mindert den für die Einheitsbewertung maßgebenden objektiven Reinertrag nicht.

2. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, daß zur Kapitalisierung des Reinertrags bei der Berechnung der Vervielfältiger die Zinssätze mit typischen, aus den Gepflogenheiten der Grundstückswirtschaft abgeleiteten Verhältnissen angenommen wurden.

2. Bei der Feststellung von Einheitswerten des Grundvermögens sind Billigkeitsmaßnahmen nicht möglich.

 

Normenkette

GG Art. 3; BewG 1965 §§ 79-80, 82

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eigentümer eines bebauten Grundstücks. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) stellte durch Hauptfeststellung 1964 für dieses Grundstück die Grundstücksart "Mietwohngrundstück" und einen Einheitswert von 144 000 DM fest. Da die Kläger eine Grundstücksbeschreibung nach dem Stand vom 1. Januar 1964 nicht abgaben, schätzte das FA die Jahresrohmiete und erhöhte die geschätzte Miete wegen Übernahme der Schönheitsreparaturen durch die Mieter um 5 v. H. und für einen Teil der Wohnungen wegen Grundsteuervergünstigung um weitere 12 v. H.

Der Einspruch war erfolglos.

Das FG hat die Klage abgewiesen.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung von Grundrechten, unrichtige Anwendung. bestehenden Rechts und mangelnde Sachaufklärung durch das FG.

Sie tragen vor, daß sie zum Wiederaufbau des Gebäudes erhebliche Schulden aufgenommen hätten. Eine Bewertung nach dem Reinertrag müsse unter den Bewirtschaftungskosten auch die Belastung mit Fremdzinsen berücksichtigen. Die Pauschalierung der Bewirtschaftungskosten in den Vervielfältigern verstoße gegen den Gleichheitssatz des GG. Die Kläger machen weiter geltend, aus dem Aufwand für die Beseitigung von Kriegsschäden an ihrem Grundstück von 250 000 DM ergebe sich, daß das Gebäude eine Wertminderung von wesentlich mehr als 30 v. H. erlitten habe, wie sie § 82 BewG höchstens zulasse. Im übrigen stelle der Wegfall von acht Wohnräumen im Zug der Beseitigung der Kriegsschäden einen empfindlichen Substanzverlust dar, der nach Treu und Glauben zu einer angemessenen Ermäßigung des Einheitswertes führen müsse. Ferner sei die Erhöhung der Miete für die Hauswartswohnung nicht gerechtfertigt, weil der Hauswart kein Mieter sei. Außerdem sei die Übernahme der Kosten für Schönheitsreparaturen durch die Mieter kein Umstand, der zu einer Erhöhung der Miete führen könne. Schließlich sind die Kläger der Auffassung, der Zuschlag von 12 v. H. wegen Grundsteuervergünstigung sei mangels unterbliebener Sachaufklärung durch das FG über den Umfang der Grundsteuerbegünstigung fehlerhaft.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einheitswert unter Berücksichtigung ihrer Ausführungen festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger hat keinen Erfolg.

1. Der Senat kann einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes durch die Bewertung eines bebauten Grundstücks im Ertragswertverfahren nach dem BewG 1965 aufgrund der von den Klägern gegebenen Begründung nicht erkennen. Aus diesem Grund kommt die Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das BVerfG nicht in Betracht.

Die Kläger gehen zutreffend davon aus, daß das Ertragswertverfahren für die Bewertung bebauter Grundstücke, wie es in den §§ 78 bis 82 BewG geregelt ist, ein Reinertragsverfahren ist (vgl. Entscheidung des BFH vom 2. Juni 1971 III R 105/70, BFHE 102, 563, BStBl II 1971, 675). Ausgangspunkt der Wertermittlung im Ertragswertverfahren ist der nachhaltig erzielbare Reinertrag des Grundstücks. Er ergibt sich in der Weise, daß von der Jahresrohmiete die Bewirtschaftungskosten abgesetzt werden. Der Reinertrag dient der Verzinsung des Kapitals, das in dem bebauten Grundstück seinen Ausdruck findet. Er entspricht damit den in der Miete enthaltenen Kapitalkosten.

Zur Durchführung einer Massenbewertung, wie sie die steuerliche Einheitsbewertung ist, war es erforderlich, den Berechnungsgang für die Bewertung im Ertragswertverfahren weitestgehend zu schematisieren. Wie Probebewertungen zur Vorbereitung der Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundvermögens 1964 gezeigt haben, würden die sich ergebenden Werte durch die Pauschalierung der Bewirtschaftungskosten zur Ermittlung des Reinertrags nicht so stark beeinflußt werden, daß dies nicht im Interesse einer Vereinfachung hingenommen werden könnte (vgl. Begründung der Regierungsvorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 1. Oktober 1963, Bundestags-Drucksache IV/1488 S. 59 linke Spalte). Außerdem wurden bei Berechnung der Vervielfältiger die Zinssätze für die Kapitalisierung des Reinertrags nach Grundstücksart und Gemeindegrößenklasse unter Berücksichtigung der Gepflogenheit der Grundstückswirtschaft mit typischen Verhältnissen angenommen (vgl. Bundestags-Drucksache IV/1488 S. 57). Der Senat hat mit Urteil vom 12. Juni 1974 III R 49/73 (BFHE 112, 520, BStBl II 1974, 602) entschieden, daß die Bewertung der Masse der bebauten Grundstücke bei der Hauptfeststellung 1964 im Wege dieses pauschalierten Ertragswertverfahrens nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes verstößt.

Der Einwand der Kläger, die Bewertung im Wege dieses Verfahrens führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichmäßigkeit, weil die unterschiedliche Finanzierungsart nicht berücksichtigt werde, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Zunächst ist richtigzustellen, daß entgegen der Auffassung der Kläger die Zinsen für Fremdkapitel, das zum Bau verwendet wurde, nicht zu den Bewirtschaftungskosten, sondern zu den Kapitalkosten gehören (vgl. § 18 der Zweiten Berechnungsverordnung in der für die Hauptfeststellung 1964 maßgebenden Fassung vom 1. August 1963, BGBl I 1963, 594 - II. BVO -). Die Pauschalierung der Bewirtschaftungskosten kann sich deshalb für die Kläger nicht nachteilig auswirken. Die Kläger haben allerdings damit recht, daß auch die Kapitalkosten, und zwar sowohl die Kosten für Eigenkapital als auch für Fremdkapital, sich auf die Höhe der Miete auswirken, wenn ein Grundstück nur zu einer Miete vermietet werden darf, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist (Kostenmiete). Für Fremdkapital müssen bei Bildung der Kostenmiete möglicherweise andere Kapitalkosten angesetzt werden als für Eigenkapital (vgl. §§ 19 ff. der II. BVO). Allerdings wirkte sich der Unterschied nach den Verhältnissen vom 1. Januar 1964 nicht erheblich aus. Der Umstand, daß ein Grundstück auch mit Fremdkapital finanziert wurde, kann indessen bei der Kapitalisierung des Reinertrags zur Ermittlung des Grundstückswerts in dem typisierten und pauschalierten Ertragswertverfahren des BewG 1965 aus den oben angeführten Gründen nicht berücksichtigt werden. Soweit das Gebäude aber zur Kostenmiete vermietet ist, wirkt sich die Fremdfinanzierung mittelbar über die Höhe der maßgebenden Jahresrohmiete auf die Bewertung aus. Jedoch wird auch in diesem Fall nicht die Belastung des Grundstücks mit Fremdkapital als solche, sondern nur die Auswirkung auf die Miete berücksichtigt. Dies ist dadurch begründet, daß die für das Grundvermögen festzustellenden Einheitswerte objektive Werte sein sollen, so daß die Belastung mit Schulden im Einzelfall außer Betracht bleiben muß. Deshalb kann der in der Miete enthaltene Anteil an Fremdkapitalkosten nicht aus dem Reinertrag ausgeschieden werden. Lediglich der Umstand, daß ein Grundstück aufgrund von Belastungen mit Fremdmitteln, die zu preisrechtlichen Begrenzungen der Miethöhe führen, ertragsschwächer ist als ein frei finanziertes Grundstück, kann es unter dem Blickwinkel des Reinertrags rechtfertigen, dieses Grundstück niedriger zu bewerten als ein frei finanziertes Grundstück.

2. Das FG hat mit zutreffender Begründung für die an den Hauswart überlassene Wohnung die übliche Miete angesetzt. Dabei kann es unentschieden bleiben, ob diese Wohnung zu einer von der üblichen Miete um mehr als 20 v. H. abweichenden Miete vermietet oder, wie die Kläger meinen, aufgrund eines Dienstverhältnisses mit dem Hauswart unentgeltich überlassen wurde. Denn in beiden Fällen müßte nach § 79 Abs. 2 BewG die übliche Miete für diese Wohnung angesetzt werden. Das FG hat festgestellt, daß die übliche Miete für diese Wohnung um mehr als 20 v. H. über der Nutzungsentschädigung liegt, die dem Hauswart auf sein Gehalt angerechnet wird. Damit sind auch im Falle der Annahme einer Vermietung die Voraussetzungen für den Ansatz der üblichen Miete gegeben. Die Behauptung der Kläger, die Miete müßte mit dem von ihnen benannten niedrigeren Betrag angesetzt werden, ist weder substantiiert noch könnte sie berücksichtigt werden, weil sie neues tatsächliches Vorbringen darstellt, das vom Revisionsgericht nicht beachtet werden kann (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

3. Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG die Miete für Wohnräume, für die die Mieter die Kosten der Schönheitsreparaturen tragen, um 5 v. H. erhöht hat. Denn die für die Einheitsbewertung maßgebende Jahresrohmiete erschöpft sich entgegen der Meinung der Kläger nicht in der Barmiete, sondern sie umfaßt auch "sonstige Leistungen" des Mieters (§ 79 Abs. 1 Satz 2 BewG). Der Senat hat in seiner Entscheidung III R 105/70 im einzelnen begründet, weshalb die übernahme der Schönheitsreparaturen durch die Mieter eine sonstige Leistung in diesem Sinn ist und verweist, da die Kläger keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte vorgetragen haben, auf die Gründe dieser Entscheidung.

Auch die Höhe des Zuschlags von 5 v. H. auf die Miete ist bei Wohnräumen nicht zu beanstanden. Sie beruht, wie in dem Urteil III R 105/70 ebenfalls schon dargelegt wurde, auf praktischen Erfahrungen über das durchschnittliche Verhältnis der üblichen Kosten der Schönheitsreparaturen zur Miete, umgerechnet auf ein Jahr. Die von den Klägern geltend gemachten Besonderheiten der örtlichen Verhältnisse und ihres Einzelfalles, mit denen sie die Höhe des Zuschlags angreifen, können im Hinblick auf die Unterstellung typischer Verhältnisse bei der Ausgestaltung des Ertragswertverfahrens nach dem BewG nicht berücksichtigt werden (vgl. auch BFH-Entscheidungen vom 28. Juni 1974 III R 62/73, BFHE 112, 569, BStBl II 1974, 670, und vom 14. Januar 1972 III R 64/71, BFHE 104, 469 [471], BStBl II 1972, 376).

4. Das FG hat mit zutreffenden Gründen die Miete für die Wohnräume, die im Zuge der Beseitigung der Kriegsschäden neu geschaffen worden sind, um 12 v. H. erhöht. Die Rechtsgrundlage für diese Erhöhung ergibt sich aus § 79 Abs. 3 BewG. Die Kläger können gegen diese Erhöhung nicht mit der Rüge der mangelnden Sachaufklärung durchdringen mit der Begründung, das FG hätte ermitteln und feststellen müssen, daß sich bei ihrem Grundstück die Grundsteuervergünstigung für die neu geschaffenen Wohnräume nicht ausgewirkt habe.

Eine vom Revisionsgericht zu beachtende Rüge der mangelnden Sachaufklärung erfordert, daß der Revisionskläger die Tatsachen bezeichnet, aus denen sich der Mangel ergibt (§ 120 Abs. 2 FGO). Dazu wäre es erforderlich gewesen, daß die Kläger dargelegt hätten, aufgrund welcher Tatsachen, welchen Vorbringens oder welcher Beweisangebote sich dem FG eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Entscheidung vom 24. Oktober 1972 VIII R 8/69, BFHE 108, 143, BStBl II 1973, 275). Dieses zwingende Formerfordernis erfüllt die Verfahrensrüge der Kläger nicht. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob die Kläger mit ihrer Sachaufklärungsrüge auch deshalb keinen Erfolg haben könnten, weil sie ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Sachaufklärung nicht hinreichend nachgekommen sind.

5. Das FG hat ohne Rechtsirrtum eine Ermäßigung des Grundstückswerts wegen baulicher Mängel oder Schäden abgelehnt.

a) Nach § 82 Abs. 1 BewG können wertmindernde Umstände nur dann durch eine Ermäßigung des Vielfachen der Jahresrohmiete berücksichtigt werden, wenn sie weder in der Höhe der Jahresrohmiete noch in der Höhe der Vervielfältiger zum Ausdruck kommen. Der Wegfall von acht Wohnräumen gegenüber dem Bauzustand vor der Kriegsbeschädigung hat sich aber, wie das FG mit zutreffender Begründung ausführte, in der Höhe der Jahresrohmiete schon ausgewirkt. Hierin liegt entgegen der Meinung der Kläger nicht eine unzulässige Verquickung von Miete und Sachschaden, sondern eine systemgerechte Lösung des Gesetzes auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens. Denn nicht mehr vorhandene Bausubstanz kann einen Mietertrag nicht erbringen. Sie kann deshalb auch in dem auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens ermittelten Wert nicht enthalten sein. Damit ist es aber ausgeschlossen, den Verlust dieser Bausubstanz noch durch eine Ermäßigung des Vielfachen der Jahresrohmiete zu berücksichtigen. Dies ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht nach Treu und Glauben möglich. Denn die Einheitsbewertung hat, wie oben schon ausgeführt, das Ziel, objektive Werte für bebaute Grundstücke zu ermitteln, und zwar nach den Verhältnissen, wie sie sich an dem maßgebenden Feststellungszeitpunkt darstellen. Der Gedanke eines Ausgleichs für erlittene, aber inzwischen wieder beseitigte Kriegschäden ist der Einheitsbewertung fremd.

b) Nach § 21 Abs. 2 BewG sind der Hauptfeststellung die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahrs zugrunde zu legen, auf das die Hauptfeststellung stattfindet, im Entscheidungsfall die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahrs 1964. Würden im Einzelfall Verhältnisse eines anderen Zeitpunkts für maßgebend angesehen, so würde die Gleichmäßigkeit der Bewertung in einer verfassungsrechtlich bedenklichen Weise beeinträchtigt. Die Kläger tragen selbst vor, daß ihr Grundstück im Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 nicht mit nennenswerten baulichen Schäden behaftet gewesen sei. Damit scheidet eine Ermäßigung wegen baulicher Mängel oder Schäden aus. Billigkeitsmaßnahmen sind aber bei der Feststellung von Einheitswerten des Grundvermögens im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Grundsteuer nicht möglich (vgl. BFH-Entscheidung vom 9. Januar 1962 I 101/60 S, BFHE 74, 641 [646], BStBl III 1962, 238). Auch der Umstand, daß der zum 1. Januar 1964 festgestellte Einheitswert trotz geringerer Wohn- und Nutzfläche höher sei als der Einheitswert vor Eintritt des Kriegsschadens, kann eine Ermäßigung nicht rechtfertigen. Denn die Kläger verkennen, daß der vor Eintritt des Kriegsschadens maßgebende Einheitswert nach Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 festgestellt worden ist (vgl. § 3a der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz 1935), während für die Hauptfeststellung 1964 die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964 maßgebend sind (vgl. § 21 Abs. 2 in Verbindung mit § 27 BewG).

6. Unbegründet ist schließlich die Einwendung der Kläger gegen die Kostenentscheidung des FG. Die Berechtigung, die Kosten des Verfahrens einer aus mehreren Personen bestehenden unterlegenen Partei nach Maßgabe der Beteiligung der einzelnen Person am Streitgegenstand aufzuerlegen, ergibt sich aus § 135 Abs. 5 Satz 2 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71180

BStBl II 1975, 106

BFHE 1975, 108

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