Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung sämtlicher Anteile an einer nur Grundbesitz haltenden Personengesellschaft unterliegt der Grunderwerbsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Wechsel im Personenstand einer nur Grundbesitz haltenden Personengesellschaft unterliegt nur dann der Grunderwerbsteuer gemäß § 42 AO 1977 i.V.m. § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG 1983, wenn sämtliche Mitgliedschaftsrechte an der Gesellschaft übertragen werden. Das gilt auch dann, wenn nur ein Gesellschafter in der Gesellschaft verbleibt, der --im Innenverhältnis-- am Gesellschaftsvermögen wertmäßig nicht beteiligt ist.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 42; BGB § 718

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, war durch Vertrag vom 25.Februar 1981 zum Zweck der Bebauung, Vermietung und Verpachtung eines von ihr am selben Tag erworbenen Grundstücks gegründet worden. Gesellschafter waren A mit einer Beteiligung von 99 v.H. und die B-GmbH mit einer Beteiligung von 1 v.H.; der GmbH war die Führung der Geschäfte übertragen.

Am 9.November 1981 traten acht neue Gesellschafter mit einer Gesamtbeteiligung von 99 v.H. in die Gesellschaft ein, gleichzeitig schied A aus der Gesellschaft aus. Die B-GmbH blieb mit einer Beteiligung von 1 v.H. geschäftsführende Gesellschafterin. Das Gesellschaftskapital in Höhe von 1 050 000 DM wurde von den neueintretenden Gesellschaftern eingebracht; die GmbH hatte ihre Einlage durch die Übernahme der Geschäftsführung zu erbringen. Für die Geschäftsführung sollte sie als Gewinnvorab 3 v.H. der jeweiligen Mieteinnahmen als pauschalierten Auslagenersatz erhalten. Das verbleibende Jahresergebnis war auf die übrigen acht Gesellschafter im Verhältnis ihrer Einlagen zu verteilen. Auf den Grundbuchberichtigungsantrag vom 9.November 1981 wurden die acht neueingetretenen Gesellschafter und die B-GmbH in Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Grundbuch eingetragen. Das Finanzamt (FA), der Beklagte und Revisionskläger, setzte gegen die Klägerin durch vorläufigen Bescheid vom 14.Oktober 1983 Grunderwerbsteuer einschließlich Zuschlag fest. In der Anlage zum Grunderwerbsteuerbescheid führte es dazu aus: Die B-GmbH sei weder vor noch nach dem Gesellschafterwechsel am Vermögen und am Ertrag der Gesellschaft beteiligt gewesen. Die Grunderwerbsteuerpflicht ergebe sich aus § 1 Abs.1 Ziffer 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Bayern i.V.m. § 42 der Abgabenordnung (AO 1977), da einziger Zweck der Vertragsgestaltung sei, den neuen Gesellschaftern die gesamthänderische Berechtigung am Grundstück zu verschaffen. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile habe lediglich den Verkauf der Grundstücke an die neuen Gesellschafter verdecken sollen und sei deshalb als unangemessene bürgerlich-rechtliche Gestaltung nicht zu beachten.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Bescheid vom 14.Oktober 1983 sowie die Einspruchsentscheidung des FA vom 8.August 1984 auf. Das FA habe zu Unrecht den Gesellschafterwechsel vom 9.November 1981 als grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang beurteilt, denn es seien nicht, wie von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gefordert, sämtliche Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgewechselt worden, weil die B-GmbH auch nach dem 9.November 1981 Gesellschafterin der GdbR geblieben sei. An diesem Ergebnis ändere auch nichts, daß die B-GmbH ihre vermögensmäßige Beteiligung an der GbR durch den Gesellschaftsvertrag vom 9.November 1981 verloren habe. Zwar komme grunderwerbsteuerrechtlich der vermögensmäßigen Beteiligung bei einem Wechsel sämtlicher Gesellschafter hinsichtlich des Grundstücks durchaus Bedeutung zu, zumal das GrEStG in den steuerpflichtigen Grundtatbeständen (auch § 1 Abs.1 Nr.1, § 1 Abs.2, § 1 Abs.3 GrEStG) im Ergebnis jeweils auf den Vermögensübergang am Grundstück abstelle. Doch bestünden im Streitfall beachtenswerte wirtschaftliche Gründe dafür, daß die B-GmbH in der GbR auch ohne vermögensmäßige Beteiligung verblieben sei, die es verböten, darin eine bürgerlich-rechtlich unangemessene Gestaltung i.S. von § 42 AO 1977 zu sehen.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

Im Ergebnis hat das FG den Grunderwerbsteuerbescheid vom 14.Oktober 1983 sowie die Einspruchsentscheidung vom 8.August 1984 zu Recht aufgehoben.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Entscheidungen vom 4.Dezember 1985 II R 142/84, BFHE 145, 242, BStBl II 1986, 190; vom 4.März 1987 II R 150/83, BFHE 149, 75, BStBl II 1987, 394, und vom 7.Juni 1989 II B 111/88, BFHE 156, 527, BStBl II 1989, 803), daß die Übertragung sämtlicher Anteile an einer nur Grundbesitz haltenden Personengesellschaft gemäß § 42 AO 1977 i.V.m. § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG Bayern (*= § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG 1983) der Grunderwerbsteuer unterliegen kann, weil durch den vollständigen Wechsel im Personenstand einer Personengesellschaft, der als solcher nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt (vgl. BFH-Urteil vom 30.Oktober 1979 II R 70/75, BFHE 129, 88, BStBl II 1980, 28), dasselbe Ergebnis erreicht wird, wie durch den Abschluß eines auf die Übereignung des Grundstücks gerichteten Kaufvertrages zwischen Alt- und Neugesellschaftern in ihrer jeweiligen gesamthänderischen Verbundenheit, der den Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG erfüllen würde. Maßgebend ist danach, daß sich die Rechts-zuständigkeit in Gestalt des Gesamthandseigentums der Gesellschafter an dem Grundstück ändert. Diese Folge tritt aber nur ein, wenn sämtliche Mitgliedschaftsrechte an der Gesellschaft übertragen werden. Verbleibt, wie im Streitfall, ein Gesellschafter in der Gesellschaft, so kommt es nicht zu einer dem Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG vergleichbaren, auf die Übertragung des gesamten Grundstücks gerichteten Gestaltung (BFH-Beschluß vom 29.Juli 1987 II B 57/87, BFHE 150, 366, BStBl II 1987, 722).

Entgegen der vom FG wie vom FA vertretenen Auffassung ist es nicht bereits dann gerechtfertigt, die Übertragung der Mitgliedschaftsrechte an einer Personengesellschaft gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG i.V.m. § 42 AO 1977 der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, wenn die Veränderung im Gesellschafterbestand zur Folge hat, daß --im Innenverhältnis-- ausschließlich die Neugesellschafter (wertmäßig) am Vermögen der Gesellschaft beteiligt sind, der verbleibende Gesellschafter seine vermögensmäßige Beteiligung aufgibt, oder, wie das FA bezogen auf den Streitfall angenommen hat, von vornherein im Innenverhältnis nicht am Vermögen der Gesellschaft (wertmäßig) beteiligt war. Denn der entscheidende Gesichtspunkt --vollständige Änderung der Zuordnung der Gesamthandsberechtigung-- ist dann nicht erfüllt, weil auch dem am Gesellschaftsvermögen d.h. wertmäßig nicht beteiligten Gesellschafter in seiner Verbundenheit mit den anderen Gesellschaftern (sachenrechtlich, §§ 903, 718 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) die Eigentumsrechte an dem den Gesellschaftern zur gesamten Hand gehörenden Grundstück zusteht. Anders als im Geltungsbereich des § 5 GrEStG Bayern (*= § 5 GrEStG 1983; siehe hierzu Urteile vom 16.Januar 1991 II R 38/87 und II R 78/88, BFHE 163, 246 und 249, BStBl II 1991, 374 und 376) kommt der Beteiligung der Gesellschafter am Grundstückswert bei der Anwendung des § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG keine Bedeutung zu. Anhaltspunkte dafür, daß hinsichtlich der Vereinbarung über die Stellung der geschäftsführenden Gesellschafterin, der B-GmbH, ein Scheingeschäft vorgelegen habe oder daß der Anteil der B-GmbH einem der übrigen Gesellschafter zuzurechnen sei, sind nicht ersichtlich; Sachverhaltsrügen (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) hat das FA insoweit nicht erhoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63818

BFH/NV 1991, 75

BStBl II 1991, 891

BFHE 165, 297

BFHE 1992, 297

BB 1992, 623

BB 1992, 623-624 (LT)

DB 1991, 2526 (LT)

DStR 1991, 1489 (KT)

HFR 1992, 71 (LT)

StE 1991, 384 (K)

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