Leitsatz (amtlich)

1. Zur Rechtsgültigkeit des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG.

2. Zum Begriff "Grund und Boden" in § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG.

2. Räumt ein Landwirt einer Gemeinde das Recht ein, ein Quellengrundstück gegen ein nach der entnommenen Wassermenge berechnetes Entgelt auszunutzen, so gehört das Entgelt zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG), auch wenn der Vertrag als Kaufvertrag bezeichnet ist und der Landwirt der Gemeinde für die Dauer der Nutzung das Eigentum am Quellengrundstück überträgt.

2. Wird ein Quellengrundstück verpachtet, so hat der Verpächter regelmäßig keinen Anspruch auf Absetzung wegen Substanzverlustes wegen der Wasserentnahme.

 

Normenkette

EStG 1958 § 4 Abs. 1 letzter Satz, § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 9 Nr. 6, § 7 Abs. 4

 

Tatbestand

A. Sachverhalt

Der Stpfl., ein nicht buchführender Landwirt, schloß im Jahr 1949 mit einer Gemeinde über ein Quellengrundstück einen Vertrag, in dem die Gemeinde das Grundstück zur Anlage einer Wasserleitung kaufte. Als Kaufpreis hatte die Gemeinde 0,01 DM je cbm entnommenen Wassers zu zahlen; wenn der Kaufpreis in dieser Weise bezahlt war, sollte der Stpfl. weiterhin 0,01 DM je cbm entnommenen Wassers erhalten. Der Stpfl. durfte seinen Wasserbedarf weiter aus dem Grundstück über eine von der Gemeinde anzulegende Wasserleitung entnehmen. Nutzte die Gemeinde die Quellen nicht mehr, mußte sie das Grundstück an den Stpfl. zurückübertragen. Als die geplante Wasserleitung nicht gestattet wurde und die Gemeinde sich einem Wasserbeschaffungsverband anschließen mußte, wurde der Vertrag dahin geändert, daß die Gemeinde ab 1. Januar 1956 ohne Rücksicht auf die entnommene Wassermenge pauschal 4 000 DM jährlich zu zahlen hatte; der Betrag sollte sich erhöhen, falls der Wasserpreis für die Endabnehmer höher wurde.

Im Streitjahr 1958 erhielt der Stpfl. auf Grund dieses Vertrages von der Gemeinde 4 333 DM. Das FA schlug bei der Veranlagung diesem Betrag 200 DM für die eigene Wasserentnahme des Stpfl. zu. Es sah in den Abreden einen Verkauf gegen Rente, die für das Streitjahr 1958 ganz auf das Wasser entfalle, weil der Kaufpreis für den Boden bereits bei der Veranlagung 1957 voll abgerechnet gewesen sei. Die 4 533 DM seien den landwirtschaftlichen Einkünften zuzurechnen, weil der Stpfl. vor der Veräußerung den Wasserbedarf für Haushalt und Betrieb dem Quellengrundstück entnommen habe.

Das FG stellte die 4 533 DM von der Steuer frei. Mit dem FA verneinte es einen Pachtvertrag; der Stpfl. habe das Grundstück mit der Quelle gegen eine Rente verkauft. Die Gemeinde sei auch Eigentümerin des Quellengrundstücks geworden, das sie allerdings später u. U. auf Verlangen des Stpfl. an ihn zurückübertragen müsse. Der Bodenschatz "Wasser" habe zum Privatvermögen des Stpfl. gehört; denn der Stpfl. verwende das Wasser in seinem Betrieb nur begrenzt; er entnehme jährlich etwa 438 cbm gegenüber einer nachhaltigen Schüttmenge von etwa 700 000 cbm. Die im Jahre 1958 gezahlte Rente könne man auch nicht mehr nach § 17a EStG 1955/1957 zur Einkommensteuer heranziehen. Eine Besteuerung als wiederkehrende Bezüge nach § 22 EStG komme gleichfalls nicht in Frage, weil die bisherigen Zahlungen den Wert der Gegenleistung des Stpfl. noch nicht überstiegen hätten.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von Bundesrecht.

B. Beitrittsersuchen des Senats an den Bundesminister der Finanzen (BdF)

Im Schreiben vom 26. Juli 1966 bat der Senat den BdF, wegen der grundsätzlichen Bedeutung dem Verfahren beizutreten (§ 122 Abs. 2 FGO). In dem Schreiben war im wesentlichen ausgeführt:

1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft

Die verkaufte Parzelle mit der Quelle lag innerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs des Stpfl. Wenn das FG die Parzelle trotzdem zum Privatvermögen des Stpfl. rechnet, so ist zweifelhaft, ob seine Erwägung, daß das vorhandene Wasser nur zum kleinsten Teil im landwirtschaftlichen Betrieb und im Haushalt des Stpfl. Verwendung finde, diese Entscheidung trägt.

Für die Frage, ob das Quellengrundstück zum Betriebsvermögen des Stpfl. gehört, dürfte vielmehr ausschlaggebend sein, ob man aus § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG, der den Grund und Boden eines landwirtschaftlichen Betriebs vom Vermögensvergleich ausnimmt, folgern muß, daß der Grund und Boden grundsätzlich nicht zum Betriebsvermögen eines Landwirts gehört. Die Rechtsprechung hat den § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG nicht so ausgelegt, sondern rechnet den Grund und Boden grundsätzlich zum Betriebsvermögen des Landwirts (Entscheidungen des BFH IV 299/53 U vom 30. September 1954, BFH 59, 407, BStBl III 1954, 367; VI 82/61 U vom 29. Juni 1962, BFH 75, 330, BStBl III 1962, 387).

Gehörte aber die Parzelle zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen, so kann man daran denken, den Gewinn, den der Stpfl. bei der Veräußerung der Parzelle erzielte, zum landwirtschaftlichen Gewinn zu rechnen und bei dem Stpfl., der den landwirtschaftlichen Gewinn nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) ermittelt, deswegen einen Zuschlag zum Grundbetrag zu machen.

Nach der bisherigen Rechtsprechung können solche Veräußerungsgewinne nicht in dieser Weise steuerlich erfaßt werden, weil sie als Gewinn aus dem Grund und Boden angesehen werden, der nach § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG aus dem Vermögensvergleich auszunehmen ist. Die Rechtsprechung hat bisher gegen die Rechtswirksamkeit dieser Vorschrift keine Bedenken erhoben.

Die Auslegung des Begriffs "Grund und Boden" in § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG hat die Rechtsprechung mehrfach beschäftigt. Der Begriff ist dabei nicht mit dem Begriff "Eigentum am Grund und Boden im Sinne des bürgerlichen Rechts" gleichgesetzt worden. Die Rechtsprechung hat vielmehr den Begriff wesentlich enger gefaßt. Sie zieht z. B. das stehende Holz bei einem Forstwirt in den Vermögensvergleich ein; ebenso bei Landwirten die Sonderkulturen und Einbauten sowie die Gebäude, obwohl alle diese Gegenstände nach bürgerlichem Recht wesentliche Bestandteile des Bodens sind. Die Rechtsprechung nimmt nur den "nackten" Boden aus dem Vermögensvergleich aus. So RFH-Urteil VI A 350/27 vom 11. Juli 1928, RFH 24, 37, RStBl 1928, 311, und BFH-Urteil I 17/60 S vom 14. März 1961, BFH 73, 359, BStBl III 1961, 398.

Aber auch der Begriff des "nackten Bodens" ist unbestimmt. Die im Boden ruhenden Schätze sind bisher wohl als Teil des Bodens im Sinne des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG betrachtet und vom Vermögensvergleich ausgenommen worden. Indessen kann man diese Beurteilung in Zweifel ziehen.

Zur grundsätzlichen Beurteilung des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG kann man die folgenden Überlegungen anstellen: Die Vorschrift ist ein alter Bestandteil des Einkommensteuerrechts. Sie gilt theoretisch nicht nur für Landund Forstwirte, sondern auch für Gewerbetreibende, die ihren Gewinn nicht nach § 5 EStG ermitteln. Praktische Bedeutung hat sie indessen nur für Land- und Forstwirte, weil Gewerbetreibende, zu deren Anlagevermögen Grund und Boden gehört, fast ausnahmslos den Gewinn nach § 5 EStG zu ermitteln haben oder ermitteln. Daß bei der Gewinnermittlung nach § 4 EStG der Grund und Boden vom Vermögensvergleich ausgenommen wird, beruht wohl auf der Vorstellung, daß der Grund und Boden, der zum Anlagevermögen gehört, eine konstante Größe ist, die im allgemeinen weder durch Zugänge oder Abgänge ihren Bestand verändert noch beträchtlichen Wertschwankungen unterliegt. Das gilt in besonderem Maße für die Land- und Forstwirtschaft. Diese "patriarchalische" Betrachtung, die dem überkommenen bäuerlichen Hof- und Sippendenken entspricht, ist aber durch die Entwicklung der Verhältnisse weithin überholt. Die Rechtsprechung des BFH hat zunehmend auch die landwirtschaftlichen Betriebe als Erwerbsbetriebe bezeichnet und hat auf Grund der Entwicklung der Verhältnisse die "patriarchalischen Grundsätze", die nach der Rechtsprechung des RFH die Landwirtschaft angeblich bestimmten, in mehrfacher Hinsicht als überholt erklärt, z. B. bei der Anerkennung von Arbeits- und Gesellschaftsverhältnissen (Entscheidungen des BFH IV 520/53 U vom 17. Februar 1955, BFH 60, 262, BStBl III 1955, 102; I 26/55 U vom 29. Mai 1956, BFH 63, 126, BStBl III 1956, 246; I 32/58 S vom 26. Mai 1959, BFH 69, 157, BStBl III 1959, 322; I 14/60 U vom 10. Mai 1960, BFH 71, 206, BStBl III 1960, 326; siehe auch IV 114/61 S vom 18. März 1964, BFH 79, 195, BStBl III 1964, 303). Landwirtschaftliche Betriebe sind in der steuerlichen Beurteilung Gewerbebetrieben nahegerückt. Das entspricht dem tiefgreifenden Strukturwandel, dem die Landwirtschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Bundesrepublik und in ganz Europa unterworfen war.

Man kann fragen, ob unter diesen Umständen die Sonderregelung des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG noch einen zureichenden sachlichen Grund hat, oder ob nicht die Entwicklung der Verhältnisse gebietet, diese Vorschrift als überholt zu betrachten, und zwar sowohl für Gewerbetreibende, die ihren Gewinn nach § 4 EStG ermitteln, als besonders auch für Land- und Forstwirte. An eine solche geänderte Betrachtung könnte man vor allem für die Fälle denken, in denen Landwirte Teile ihres Bodens nicht zur weiteren landwirtschaftlichen Nutzung veräußern, sondern den Boden seiner bisherigen Zweckbestimmung entziehen und als Baugrund verkaufen, ein Vorgang, der in der Gegenwart besonders in der Nähe der schnell wachsenden Städte von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist. Diese Überlegungen kann man in der Frage zusammenfassen, ob § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG unter den derzeitigen Verhältnissen noch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

Hält man die Vorschrift für unverändert rechtswirksam, so erhebt sich die Frage, ob der "nackte" Boden, der vom Vermögensvergleich auszunehmen ist, der Boden mitsamt den in ihm ruhenden Bodenschätzen ist, oder ob es nicht nur der Boden ist, der unmittelbar landwirtschaftlichen Zwecken dient, d. h. die Ackerkrume. Bodenschätze dienen dem landwirtschaftlichen Betrieb nicht unmittelbar. Legt man § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG in diesem Sinn einengend aus, so könnte man Bodenschätze, die im Boden, der landwirtschaftlichen Zwecken dient, ruhen, in den Vermögensvergleich einbeziehen und etwaige Veräußerungsgewinne steuerlich erfassen.

Die §§ 13 und 14 EStG zählen allerdings auf, welche Bezüge zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft rechnen. Gewinne aus der Veräußerung von Bodenschätzen hat man bisher nicht darunter gebracht. Sie können nach der Wortfassung dieser Vorschriften auch wohl kaum darunter gebracht werden. Es ist aber auch hier zu prüfen, ob nicht infolge der Veränderung der landwirtschaftlichen Betriebsstruktur der Begriff Einkünfte aus "Land- und Forstwirtschaft" in § 13 EStG zu eng geworden ist. Wenn ein Gewerbetreibender, der seinen Gewinn nach § 5 EStG ermittelt, ein Grundstück mit Bodenschätzen, das zu seinem Betriebsvermögen gehört, veräußert, so ist jedenfalls der Veräußerungsgewinn ein Betriebsgewinn. Es bedarf der Überlegung, welche sachlichen Gründe dafür sprechen, Grundstücke bei Land- und Forstwirten anders zu behandeln.

§ 17a EStG 1955/57 beruhte wohl auf der Vorstellung, daß Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken mit Bodenschätzen nach den allgemeinen Vorschriften einkommensteuerlich nicht erfaßt werden könnten, auch nicht bei Landwirten, und daß es zu ihrer Erfassung einer besonderen Vorschrift bedürfe. Es ist dem Senat nicht bekannt, aus welchen Gründen § 17a EStG, der eine Lücke im EStG schließen sollte, so bald wieder aufgehoben wurde.

Rechnet man den Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstücks mit Bodenschätzen bei Land- und Forstwirten zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, so bleibt allerdings noch die schwierige Frage zu lösen, mit welchen (fiktiven) Anschaffungskosten das veräußerte Grundstück einschließlich Bodenschätzen zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns angesetzt werden soll.

2. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

Die Rechtsprechung hat bisher Einkünfte aus der Überlassung von Bodenschätzen - auch bei Land- und Forstwirten - im allgemeinen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelt. Die Auffassung, daß in solchen Fällen die Bodenschätze als zu gewinnende Früchte des Bodens selbständig verkauft würden, ist abgelehnt worden.

Diese Konstruktion versagt, wenn Bodenschätze zusammen mit dem Boden verkauft werden. Dann kann man nicht mehr sagen, daß der Stpfl. dem Berechtigten den Boden nur pachtweise zum Abbau der Bodenschätze überlassen habe.

Nach der Aufhebung des § 17a EStG 1955/57 bietet das EStG, wenn man die unter Ziffer 1 behandelte Möglichkeit ablehnt, keine Grundlage, die Fälle, in denen ein Landwirt ein Stück Boden mit Bodenschätzen gegen eine einmalige Summe verkauft, steuerlich zu erfassen, auch wenn der Kaufpreis nach dem Wert der Bodenschätze bemessen worden ist.

Für den Streitfall zieht das FA allerdings in Zweifel, daß ein "Kaufvertrag" vorliegt; es nimmt ein Pachtverhältnis an. Es hebt hervor, daß der Boden zwar bürgerlich-rechtlich dem Wasserverband übereignet sei - wahrscheinlich um ihm das Eigentum an der Quellenfassung und den erforderlichen Aufbauten zu garantieren -, daß aber das Eigentum nur auf Zeit übertragen worden sei und nach der Beendigung der Wassernutzung das Grundstück an den Stpfl. zurückübertragen werden müßte.

3. Wiederkehrende Bezüge

Der Streitfall zeigt die Besonderheit, daß das Grundstück mit der Quelle nicht gegen eine einmalige feste Summe verkauft wurde, sondern gegen einen jährlichen Pauschbetrag für die Dauer der Nutzung der Quelle. Da wahrscheinlich die Quelle unerschöpflich ist, kann die Nutzung zeitlich unbeschränkt dauern. Möglich wäre allerdings, daß man durch eine Änderung der Wasserversorgung auf die Nutzung der Quelle verzichtete.

Dem äußeren Erscheinungsbild nach sind die jährlichen Pauschzahlungen wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 EStG. Die Vorschrift des § 22 EStG kann aber nur subsidiär angewandt werden.

Nimmt man einen Verkauf der Parzelle gegen wiederkehrende Bezüge im Sinne von § 22 EStG an, so taucht die Frage auf, wie hoch der Wert der verkauften Substanz zur Zeit des Verkaufs war. Das FG hat angenommen, daß die wiederkehrenden Bezüge nach § 22 EStG einkommensteuerlich erst erfaßt werden könnten, wenn und soweit sie den Wert der verkauften Bodensubstanz übersteigen. Es hat ohne nähere Begründung angenommen, daß diese Wertgrenze durch die bisherigen Zahlungen noch nicht überschritten sei.

Wie man den Wert der Quelle und das auf unabsehbare Zeit aus ihr zu schöpfende Wasser zur Zeit des Verkaufs der Parzelle bewerten könnte, ist schwer zu sagen. Der Bodenschatz "Wasser" ist sicher von anderer Art als etwa der Bodenschatz "Mineralien". Normale Bodenschätze sind nämlich in ihrer Menge bestimmbar und unveränderlich. Der Bodenschatz "Wasser" entsteht dagegen ständig neu. Die kleine Parzelle, die im Streitfall verkauft wurde, birgt überdies nicht den Bodenschatz "Wasser", sondern ist nur die Stelle, an der das Wasser, das aus einem weiten Bereich zusammenfließt, aus dem Boden tritt.

C. Stellungnahme des BdF

Auf die fünf Fragen, die der Senat an den BdF stellte, gab der BdF im wesentlichen die folgende Antwort:

1. Frage:

Enthält die Vorschrift des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG noch heute wirksames Recht oder ist die Vorschrift durch die Entwicklung der Verhältnisse überholt?

Die Regelung des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG, die insbesondere für die Gewinnermittlung aus Land- und Forstwirtschaft bedeutsam ist, besteht materiell bereits seit dem EStG 1920. Sie beruht auf dem Gedanken, daß es der Grundauffassung eines Land- und Forstwirts (und der anderen Steuerpflichtigen, bei deren Gewinnermittlung der Wert des Grund und Bodens außer Ansatz bleibt) entspreche, den Grund und Boden nicht als Handelsobjekt zur Gewinnerzielung einzusetzen. Der Grund und Boden sei in diesem Bereich im allgemeinen eine nach Bestand und Wert konstante Größe, die von Generation zu Generation weitergereicht werde.

Aus dieser Begründung könnte man folgern, daß Wertveränderungen des Grund und Bodens nur solange unberücksichtigt bleiben, solange der Grund und Boden nicht veräußert oder entnommen wird, daß Wertveränderungen aber bei einer Veräußerung oder Entnahme des Grund und Bodens der Einkommensteuer unterworfen werden müßten. Eine derart restriktive Auslegung würde jedoch im Gegensatz zum klaren Wortlaut des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG stehen. § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG ergänzt den Gewinnbegriff ddes § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG und besagt, daß der Wert des Grund und Bodens "bei der Gewinnermittlung" außer Ansatz bleibt. Der Wert des Grund und Bodens zeigt sich aber regelmäßig erst im Veräußerungsfall, so daß insbesondere die durch Veräußerung realisierten Wertsteigerungen des Grund und Bodens nach § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG steuerlich unberücksichtigt bleiben. Das entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers; denn in der Begründung zum EStG 1934 (vgl. RStBl 1935, 37 linke Spalte) wird folgendes ausgeführt:

"Der Wert des Grund und Bodens, der zum Anlagevermögen gehört, bleibt, wie bisher, beim Bestandsvergleich außer Ansatz. Daraus folgt, daß auch Betriebseinnahmen anläßlich der Veräußerung von Grund und Boden und Betriebsausgaben anläßlich des Erwerbs von Grund und Boden den Bestandsvergleich nicht beeinflussen können."

Auch damals gab es bereits zahlreiche Fälle, in denen Land- und Forstwirte, insbesondere in Randzonen der Großstädte, Grund und Boden veräußerten und dabei Preise erzielten, die erheblich über den Beträgen lagen, die sonst für land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundbesitz gezahlt wurden. Vgl. die RFH-Urteile VI A 200/31 vom 28. Januar 1931 (RStBl 1931, 257), VI A 1914/31 vom 16. März 1932 (RStBl 1932, 515) und V A 137/33 vom 12. Mai 1933 (RStBl 1933, 1263). Trotz dieser klar erkennbaren Situation hat der Gesetzgeber sich für die Regelung des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG entschlossen. Es ist zwar richtig, daß die derzeitige Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft, die zu einer weitgehenden Angleichung an die Verhältnisse im gewerblichen Bereich führt, auch einkommensteuerlich berücksichtigt werden muß (BFH-Urteil IV 67/61 S vom 16. September 1965, BFH 83, 568, BStBl III 1965, 706). Die Verhältnisse haben sich aber bis heute noch nicht so grundlegend gewandelt, daß die im EStG vorgenommene Differenzierung beim Grund und Boden als willkürliche, auf keinem sachlichen Grund beruhende und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Regelung gewertet werden müßte.

Es ist Aufgabe des Gesetzgebers zu prüfen, ob auf Grund dieser Entwicklung die Vorschrift des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG eingeengt werden sollte. Dabei wird der Gesetzgeber auch folgende Fragen zu prüfen haben: Soll die Anwendung dieser Vorschrift auf Land- und Forstwirte beschränkt werden (vgl. hierzu auch "Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht" - Bericht der Einkommensteuerkommission - Heft 7 der Schriftenreihe des Bundesfinanzministeriums S. 83)? Ist es bei diesem Personenkreis vertretbar, jeden Gewinn aus der Veräußerung des zum land- und forstwirtschaftlichen Anlagevermögen gehörenden Grund und Bodens von einer Besteuerung auszuschließen oder soll dies z. B. nur für den Gewinn gelten, der bei einer Veräußerung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke entstanden ist oder entstanden wäre, so daß Gewinne, die bei einer Veräußerung oder Entnahme des Grund und Bodens für anderweite Zwecke erzielt werden und die in der Regel wesentlich höher sind, der Besteuerung unterworfen werden? Es dürfte nicht zu den Aufgaben der Rechtsprechung gehören, zu diesen Fragen, abweichend vom Wortlaut des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG Stellung zu nehmen.

Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG enthält daher noch wirksames Recht.

2. Frage:

Wie ist bei den gewandelten Verhältnissen in der Landwirtschaft, besonders unter Berücksichtigung der tiefgreifenden Strukturwandlungen, der Begriff "Grund und Boden" dieser Vorschrift auszulegen? Gehören zum Grund und Boden auch Bodenschätze oder nur die Ackerkrume?

Der steuerrechtliche Begriff des "Grund und Bodens" ist - unbeschadet des Begriffs "Wirtschaftsgut", der nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszulegen ist und dementsprechend die wirtschaftliche Einheit "Grundstück" erfaßt - nicht identisch mit dem bürgerlich-rechtlichen Begriff "Grundstück". Er ist erheblich enger (RFH-Urteil VI A 350/27, a. a. O., sowie BFH-Urteile I 17/60 S vom 14. März 1961, BFH 73, 359, BStBl III 1961, 398, und IV 341/64 U vom 28. Januar 1965, BFH 81, 23, BStBl III 1965, 255). Insbesondere werden weder die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, die bürgerlich-rechtlich wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind (§ 94 BGB), noch die Rechte, die mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden sind und als Bestandteile des Grundstücks gelten (§ 96 BGB), von dem steuerrechtlichen Begriff "Grund und Boden" erfaßt. Grund und Boden im Sinn des Steuerrechts ist damit nur der "nackte" Grund und Boden, die Ackerkrume. Bodenschätze stellen dagegen steuerlich selbständig zu behandelnde Wirtschaftsgüter dar.

3. Frage:

Ist es systematisch gerechtfertigt, die Einkünfte eines Landwirts aus der Überlassung von Bodenschätzen weiterhin zu den Einkünften im Sinne von § 21 EStG zu rechnen oder gehören solche Einkünfte zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne von § 13 EStG?

Nach § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG bleibt zwar der "Wert" des zum Anlagevermögen gehörenden Grund und Bodens bei der Gewinnermittlung außer Ansatz. Eine zwingende Schlußfolgerung, daß deshalb bei Land- und Forstwirten, bei selbständig Tätigen und bei Gewerbetreibenden, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, der Grund und Boden als nicht zum Betriebsvermögen gehörend anzusehen ist (RFH-Urteil VI A 851/32 vom 26. Juli 1933, RStBl 1933, 1144; BFH-Urteile IV 194/52 U vom 11. Dezember 1952, BFH 57, 126, BStBl III 1953, 50; IV 299/53 U, a. a. O., und VI 82/61 U vom 29. Juni 1962, BFH 75, 330, BStBl III 1962, 387), ergibt sich jedoch weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn der Vorschrift. Ob der Grund und Boden zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen gehört, ist deshalb nach den hierfür geltenden allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden. Danach gehört Grund und Boden dann zum Betriebsvermögen, wenn er ausschließlich und unmittelbar für Zwecke des eigenen Betriebs genutzt wird. Zu diesem Ergebnis kommt auch das BFH-Urteil IV R 28/66 vom 10. November 1966 (BFH 87, 213, BStBl III 1967, 89), wenn es in der Begründung ausführt, daß es anerkannt ist, daß der Grund und Boden des Landwirts zum Betriebsvermögen gehört.

Nach denselben Grundsätzen ist auch die Frage zu entscheiden, ob die Bodenschätze zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen gehören. Bei Land- und Forstwirten rechnen Bodenschätze im allgemeinen nur dann zum Betriebsvermögen, wenn sie zu einem land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieb gehören. Sie rechnen zum gewerblichen Betriebsvermögen, wenn sie in Form eines Gewerbebetriebes ausgebeutet werden (überwiegend Verkauf an Fremde). Gewährt dagegen ein Landwirt einem Dritten gegen laufendes Entgelt die Ausbeute von Bodenschätzen in der Weise, daß das Grundstück sein Eigentum bleibt, so liegt nach ständiger Rechtsprechung ein Pachtvertrag vor mit der Folge, daß die Einkünfte beim Landwirt als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu behandeln sind.

§ 17a EstG 1955/57, der die Besteuerung des Gewinns von nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Bodenschätzen regelte, ist durch das Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 (BGBl I 1958, 473, BStBl I 1958, 412) gestrichen worden. Die Streichung erfolgte auf Vorschlag der Bundesregierung. Für ihren Vorschlag hat die Bundesregierung folgende Gründe angeführt (vgl. die Begründung zu Art. 1 Ziff. 16 des Entwurfs des oben bezeichneten Gesetzes - Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode/Drucksache 260):

1. § 17a EStG 1955/57, der eine Ausnahme von dem Grundsatz darstellte, daß Vermögensänderungen in der privaten Sphäre nicht der Besteuerung unterliegen, ist in verhältnismäßig wenigen Fällen zur Anwendung gelangt, hat jedoch in diesen Fällen zu Härten geführt. Diese Härten haben sich u. a. daraus ergeben, daß in Fällen, in denen die Bodenschätze unentgeltlich oder vor sehr langer Zeit erworben worden waren, nach dem Gesetzeswortlaut als Veräußerungsgewinn der volle Wert der Bodenschätze der Besteuerung zu unterwerfen war.

2. Bei Zugrundelegung des zu § 17a EStG 1955/57 ergangenen § 54 EStDV haben sich außerdem erhebliche Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung der Bodenschätze ergeben.

Für den Fall, daß die Bodenschätze zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören, werden die Bedenken des Senates, der Wortlaut der §§ 13 und 14 EStG lasse es nicht zu, Gewinne aus deren Veräußerung zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu rechnen, nicht geteilt. Wenn z. B. der Gewinn aus der Veräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebsgebäudes bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu erfassen ist, ohne daß es hierzu einer besonderen gesetzlichen Bestimmung bedarf, so ist kein Grund zu erkennen, weshalb dies nicht auch hinsichtlich der Veräußerung von Bodenschätzen gelten soll. Schließlich gehört auch bei einem gewerblichen Unternehmen der bei der Veräußerung von Bodenschätzen entstehende Gewinn zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (RFH-Urteil VI 774/38 vom 18. Oktober 1939, RStBl 1940, 238).

4. Frage:

Ist der im Streitfall zu beurteilende "Kaufvertrag" steuerlich ein Kaufvertrag oder steht er wegen seiner Besonderheiten einem Pachtvertrag nahe?

Abbauverträge über Bodenschätze, die weder zu einem landwirtschaftlichen noch zu einem gewerblichen Betriebsvermögen gehören und zeitlich gegen laufendes Entgelt abgeschlossen werden, sind in Übereinstimmung mit dem bürgerlichen Recht auch steuerlich als Pachtverträge zu behandeln (RFH-Urteil VI A 691/36 vom 26. Mai 1937, RStBl 1937, 987, und BFH-Urteil IV 186/56 U vom 9. Mai 1957, BFH 65, 32, BStBl III 1957, 246). Ich neige deshalb zu der Ansicht, daß auch der im Streitfall zu beurteilende Vertrag wegen seiner Besonderheiten wirtschaftlich als Pachtvertrag und nicht als Kaufvertrag zu beurteilen ist.

Schon die von den Vertragspartnern vereinbarte Verpflichtung der Gemeinde, das Grundstück an den Steuerpflichtigen zurückzuübereignen, wenn die Quelle nicht mehr genutzt wird, weist darauf hin, daß es den Vertragspartnern nach ihrer Interessenlage nur auf eine zeitlich begrenzte Überlassung des Grundstücks zur Nutzung des Quellenwassers ankommt. Auch die Tatsache, daß die Rückübereignung unentgeltlich erfolgen soll, spricht dafür, daß der Steuerpflichtige das Eigentum an der Quelle nicht für immer aufgeben wollte und daß die Gemeinde an dem Grundstück als solchem kein Interesse hat. Schließlich ist auch das vereinbarte Entgelt wie bei einem normalen Ausbeutevertrag nur nach dem Wert des Bodenschatzes und nicht nach dem Wert des Grund und Bodens bemessen worden. Daß durch eine spätere Vertragsänderung anstelle des ursprünglich vereinbarten Wasserzinses von 0,01 DM je cbm entnommenen Wassers ein Betrag von 4 000 DM getreten ist, der jährlich ohne Rücksicht auf die entnommene Wassermenge an den Steuerpflichtigen gezahlt werden muß, steht dem nicht entgegen; denn mit dieser Änderung haben die Vertragspartner lediglich eine andere Bemessungsgrundlage für das zu zahlende Nutzungsentgelt gewählt, wie sie bei Pachtverträgen allgemein üblich ist, nämlich einen festen Betrag. In diesem Zusammenhang muß auch berücksichtigt werden, daß die Zahlungsverpflichtung der Gemeinde endet, wenn die Quelle nicht mehr genutzt wird. Schließlich ist noch von Bedeutung, daß in den Änderungsverträgen von 1956 und 1957 festgestellt wurde, daß die Entschädigung von jährlich 4 000 DM allein für die Wasserentnahme aus dem Quellgrundstück gezahlt werde.

Bei dieser vertraglichen Gestaltung dürfte somit der Übereignung des Quellgrundstücks an die Gemeinde nur die Bedeutung einer förmlichen Eigentumsübertragung zukommen, so daß das Quellengrundstück nach wie vor wirtschaftlich dem Steuerpflichtigen zuzurechnen ist.

5. Frage:

Sind im Streitfall die Voraussetzungen des § 22 EStG erfüllt? Wie sollen, wenn man diese Frage bejaht, die Einkünfte berechnet werden?

Wenn ein Pachtvertrag angenommen wird, kann § 22 EStG keine Anwendung finden.

 

Entscheidungsgründe

D. Entscheidung des Senats

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Der IV. Senat des BFH hat durch den Beschluß IV 47/65 vom 3. August 1967 (BFH 89, 264, BStBl III 1967, 601) gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. §§ 80 ff. BVerfGG dem BVerfG die Frage zur Prüfung vorgelegt, ob § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG noch rechtsgültig ist, oder ob nicht infolge der Entwicklung der Verhältnisse diese Vorschrift mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar geworden und darum nichtig ist. Zu der vom IV. Senat aufgeworfenen Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG, die der erkennende Senat ebenfalls in dem Beitrittsersuchen an den BdF angeschnitten hatte, braucht aber im Streitfall nicht Stellung genommen zu werden. Die Frage würde entscheidungserheblich sein, wenn der vom Stpfl. geschlossene Vertrag ein echter Kaufvertrag gegen Rente wäre, wie es das FG angenommen hat. In diesem Fall könnten die Beträge, die dem Stpfl. laufend zufließen, steuerlich nur erfaßt werden, wenn - entgegen § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG - bei Landwirten auch die Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden steuerlich anzusetzen wären oder wenn die Veräußerung von Bodenbestandteilen bei Landwirten allgemein ein Betriebsvorgang wäre. Zu diesen Fragen braucht aber der Senat keine Stellung zu nehmen, weil er den Vertrag nicht als Kaufvertrag, sondern als Pachtvertrag und die dem Stpfl. zugeflossenen Beträge dementsprechend als Pachtzins im Sinne von § 21 EStG betrachtet.

Allerdings haben die Beteiligten selbst den Vertrag als Kaufvertrag bezeichnet und dementsprechend von Kaufgrundstück und Kaufpreis gesprochen. Das ist aber nicht entscheidend. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen nicht am Wortlaut zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen. Es kommt auf den wirtschaftlichen Gehalt eines Vorgangs an und es ist jeweils festzustellen, ob die bürgerlich-rechtliche Bezeichnung das, was die Beteiligten gewollt und vollzogen haben, wirklich zutreffend wiedergibt (siehe die Entscheidungen des Senats VI 178/62 U vom 22. November 1963, BFH 78, 184, BStBl III 1964, 74, und VI 288/63 U vom 30. Juli 1965, BFH 83, 311, BStBl III 1965, 613).

Das, was die Beteiligten hier vereinbart und durchgeführt haben, entspricht nicht dem Typus "Kaufvertrag", wie er in § 433 BGB umschrieben ist. Durch einen Kaufvertrag wird der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und sie ihm zu Eigentum zu übertragen, der Käufer hat den Kaufpreis zu zahlen. Durch die Vollziehung des Kaufvertrags trennt sich der Verkäufer von dem Kaufgegenstand und überführt ihn in den freien Verfügungsbereich des Käufers. Einen solchen Erfolg wollten die Beteiligten nicht und haben ihn bewußt vermieden. Zwar hat der Stpfl., wie vereinbart, der Gemeinde das Eigentum an dem Quellgrundstück übertragen. Diese Übertragung sollte aber nicht endgültig sein und verschaffte der Gemeinde nicht das Recht, über das Grundstück frei zu verfügen. Die Gemeinde muß nach dem Vertrag das Grundstück an den Stpfl. zurückübertragen, wenn sie die Quelle nicht mehr nutzt. Sie hat das Eigentum an dem Quellgrundstück nur zu dem beschränkten Zweck, die Wasserentnahme sicherzustellen. Sie mußte für die Fassung der Quelle und ihre Ausnutzung wasserwirtschaftliche Anlagen von beträchtlichem Wert in das Grundstück einbauen. Hätte sie nicht das bürgerlich-rechtliche Eigentum an der Parzelle erworben, so wären diese Anlagen mit dem Einbau als wesentliche Bestandteile (§ 94 BGB) in das Eigentum des Stpfl. als Bodeneigentümers gefallen. Offenbar wollte die Gemeinde mit dem Grundstückserwerb diese bürgerlichrechtliche Folge ausschließen. Dieses ernstliche und wirtschaftlich vernünftige Ziel der Beteiligten schlißt indessen nicht aus, daß der eigentliche Zweck des Vertrags die Wasserentnahme war und die Eigentumsübertragung am Grundstück nur den Nebenzweck verfolgte, für die Dauer des Wasserbezugs der Gemeinde die Verfügungsmacht über die von ihr eingebauten Anlagen zu verschaffen. Dafür spricht, daß die Gemeinde das Grundstück an den Stpfl. zurückzuübereignen hat, wenn die Wasserentnahme endet. An dieser Rückübertragung hatte der Stpfl. ein ausgesprochenes Interesse. Er wollte sich, wie er wiederholt vorgetragen hat, die veräußerte Parzelle seinem Hof als mögliche landwirtschaftliche Nutzfläche erhalten. Sie sollte nicht in fremde Hände gelangen und sollte nicht auf die Dauer dem Betrieb des Stpfl. entzogen werden. Im Vertrag von 1949 ist von einem Vorkaufsrecht, wie der Stpfl. meint, keine Rede. Vielmehr muß die Gemeinde nach der Beendigung der Wassernutzung ohne weiteres das Grundstück an den Stpfl. zurückübertragen, ohne daß der Stpfl. dafür etwas aufzuwenden braucht. Aus welchen Gründen die Wassernutzung endet, spielt nach dem Vertrag keine Rolle. Der wirtschaftliche Kern des Vertrags besteht darin, daß der Stpfl. das Grundstück, solange die Quellen genutzt werden, der Gemeinde zu überlassen hat, damit die Gemeinde das Wasser frei verwerten kann. Als Gegenleistung erhält der Stpfl., solange die Gemeinde das Grundstück hat, eine jährliche Entschädigung, die vom Wert des übereigneten Grundstücks selbst unabhängig ist.

Sieht man den Schwerpunkt des Vertrags darin, daß der Stpfl. der Gemeinde das Recht verschaffte, die Quellen auf dem Grundstück auszunutzen, so steht der Vertrag dem Typus "Pachtvertrag" in § 581 BGB viel näher als dem Typus "Kaufvertrag". Nach § 581 BGB ist nämlich der Verpächter verpflichtet, dem Pächter den Gebrauch des verpachteten Gegenstands und den Genuß der Früchte während der Pachtzeit zu gestatten. In der Rechtsprechung des BFH werden dann auch Verträge über die entgeltliche und zeitlich begrenzte Überlassung eines Grundstücks zur Aneignung von Bodenschätzen (sog. Ausbeuteverträge) als Pachtverträge behandelt, vor allem auch bei Land- und Forstwirten (vgl. z. B. die Entscheidungen des BFH IV 186/56 U, a. a. O.; VI 131/58 U vom 23. Oktober 1959, BFH 70, 5, BStBl III 1960, 3; VI 324/61 U vom 12. Juli 1963, BFH 77, 315, BStBl III 1963, 435).

Allerdings ist zweifelhaft, ob eine Wasserquelle ein "Bodenschatz" im Sinne der bisherigen Rechtsprechung ist. Als Bodenschätze werden gewöhnlich Sachen bezeichnet, die im Boden als Bestandteile enthalten ("geborgen") sind und unter Anstrengungen aus dem Boden gewonnen werden. Eine Wasserquelle läßt nur die aus verschiedenen Richtungen und vielleicht von weither kommenden unterirdischen Wasserströme zutage treten. Das Wasser wird nicht aus dem Boden "gewonnen", sondern tritt von selbst zutage und braucht nur in wirtschaftlich geeigneter Form abgeleitet zu werden.

Diese wirtschaftliche Möglichkeit der Wassergewinnung aus seinem Quellgrundstück hat hier der Stpfl. der Gemeinde übertragen. Er hat damit im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 1, 1. Halbsatz EStG aus der befristeten Überlassung seines Grundstücks zur Wassergewinnung an die Gemeinde Einnahmen erzielt.

Der Stpfl. und das FG halten für wesentlich, daß § 17a EStG 1955/1957 nach seiner Aufhebung für das Streitjahr 1958 nicht mehr angewandt werden könne. Dem ist nicht zuzustimmen. Die Vorschrift galt von vornherein nicht für die Fälle, in denen ein Grundstück auf Zeit zur Nutzung zung seiner Wasserquelle überlassen wurde (vgl. z. B. Entscheidung des Senats VI 208/63 vom 13. November 1964, HFR 1965, 209). Unter diesen Umständen können aus der Streichung des § 17a EStG ab 1. Januar 1958 für den Streitfall keine Folgerungen gezogen werden.

Das Rechtsverhältnis ist auf die Nutzung der Quelle durch die Gemeinde gerichtet. Soweit der Stpfl. dafür ein Entgelt bezieht, ist es, wie gesagt, eine Einnahme aus Vermietung und Verpachtung im Sinne von § 21 EStG. Soweit der Stpfl. die Quelle selbst nutzt, bezieht er aber keine Einnahmen. Zu Unrecht hat daher das FA dem von der Gemeinde gezahlten Betrag noch 200 DM wegen der Eigennutzung der Quelle zugerechnet. Es können nur die tatsächlich vereinnahmten 4 333 DM als Einnahmen im Sinne von § 21 EStG behandelt werden.

Nach § 9 Nr. 6 i. V. m. § 7 Abs. 4 EStG 1958 sind bei Ausbeuteverträgen Absetzungen für Substanzverringerung als Werbungskosten zu verrechnen (vgl. zuletzt die Entscheidungen des Senats VI R 295/66 vom 21. Februar 1967, BFH 88, 316, BStBl III 1967, 386; VI R 145/66 vom 21. Februar 1967, BFH 88, 448, BStBl III 1967, 460). Solche Absetzungen sind aber, wenn es sich bei der Bodenausbeute um ausströmendes Wasser handelt, anders als bei Mineralien, Steinen, Erden usw. nicht möglich. Bei Mineralien usw. wird die Bodensubstanz endgültig dem Boden entnommen; der Boden erleidet dadurch im Wirtschaftsverkehr einen Wertverlust. Die Wassermengen eines Quellengrundstücks ergänzen sich laufend wieder. Die Entnahme des Wassers, das zutage tritt, bringt die Quelle nicht zum Versiegen. Würde das Wasser nicht geordnet abgeleitet, so würde es doch hervorbrechen. Versiegt eine Quelle, so beruht das im allgemeinen nicht auf der Wasserentnahme, sondern auf geologischen Einflüssen, z. B. weil die Grundwasserströme einen anderen Verlauf nehmen. § 7 Abs. 4 EStG spricht von Einrichtungen, "die einen Verbrauch der Substanz mit sich bringen", von einem "Substanzverzehr". Ein solcher Verzehr vorhandener Substanz tritt aber, wie gesagt, bei Quellwassern nicht ein, so daß eine Absetzung wegen Substanzverringerung nicht möglich ist.

Das Urteil des FG, das auf anderer Rechtsauffassung beruht, und die Einspruchsentscheidung des FA werden aufgehoben. Das FA wird angewiesen, die Steuer in der Weise zu berechnen, daß es einen Betrag von 4 333 DM als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ansetzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412821

BStBl II 1968, 30

BFHE 1968, 215

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