Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbbauzinsanspruch ist nicht Teil des Erbbaugrundstücks

 

Leitsatz (amtlich)

Der mit einem Erbbaugrundstück verbundene Erbbauzinsanspruch ist grunderwerbsteuerrechtlich nicht Teil dieses Grundstückes, obwohl er bürgerlich-rechtlich dessen Bestandteil ist.

 

Normenkette

BGB § 96; GrEStG § 2 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1940-03-29; ErbbauVO § 9 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

I. 1. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und zwei weitere Personen (B und P) hatten 1965 zu je 1/3 Miteigentum umfangreichen Grundbesitz in Nordrhein-Westfalen erworben und darauf in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) 300 Ferienhäuser sowie Gebäude und Anlagen für Sport-, Kur- und Erholungszwecke errichtet. Nach der Parzellierung wurde ein Teil der Grundstücke verkauft und ein Teil mit Erbbaurechten belastet.

a) Am 15.Juni 1971 schlossen der Kläger und die beiden übrigen Miteigentümer eine "Auseinandersetzungsvereinbarung" (Vertrag I). Sie war, wie sämtliche nachgenannten Verträge, notariell beurkundet. Nach dieser Auseinandersetzungsvereinbarung sollte der bis zum 31.Dezember 1972 nicht veräußerte Grundbesitz unter den Miteigentümern in der Weise aufgeteilt werden, daß der Kläger und Herr B jeweils 50 mit einem Erbbaurecht belastete Grundstücke zu Alleineigentum bekamen und Herr P die restlichen Grundstücke zu Alleineigentum erhielt. Die Grundstücke wurden mit Rücksicht auf den angestrebten Verkauf weiterer Parzellen an Ferienhausinteressenten noch nicht bezeichnet. Es wurde lediglich vereinbart, daß die jedem Miteigentümer zu Alleineigentum zugeteilten Grundstücke nach Lage und Höhe des Erbbauzinses insgesamt gleichwertig sein sollten.

b) Am 3.Februar 1973 übertrug Herr B alle seine Rechte aus dem Vertrag I auf Herrn P gegen Zusage einer monatlichen Rente von 4 000 DM (Vertrag II).

c) Mit Vertrag vom 26.Februar 1973 (Vertrag III) und sechs Ergänzungsverträgen der Jahre 1974 bis 1977 setzten sich der Kläger und die beiden übrigen Miteigentümer entsprechend dem Vertrag I auseinander. Der Kläger erwarb die Miteigentumsanteile der Herren B und P an insgesamt 73 Grundstücken. Er übertrug dafür seine Miteigentumsanteile an allen übrigen Grundstücken auf Herrn P.

d) In einer "Vertragsänderung" vom 21.Januar 1975 (Vertrag IV) erklärten der Kläger, Herr P sowie der an Stelle des Herrn B in die GbR eingetretene Herr G, daß sie den Vertrag III teilweise wieder aufheben. Die Aufhebung betraf 33 Flurstücke (Haus- bzw. Garagengrundstücke), die der Kläger durch die Auseinandersetzung zu Alleineigentum erhalten hatte und für die inzwischen Kaufinteressenten gefunden worden waren. Der Kläger erwarb stattdessen jetzt von Herrn P die restlichen 2/3 Miteigentumsanteile an 32 Parzellen, als deren Miteigentümer im Grundbuch noch der Kläger und Herr P eingetragen waren.

Die Vertragspartner erklärten in dem Vertrag IV, der in den Jahren ab 1965 vom Kläger und den Herren B und P erworbene Grundbesitz sei Gesamthandsvermögen einer GbR, bestehend aus den drei Miteigentümern der Grundstücke. Das Grundbuch, welches ideelle Bruchteile ausgewiesen habe, sei unrichtig gewesen. Im Jahre 1971 sei beschlossen worden, daß der Kläger aus der GbR ausscheide, seine Beteiligung auf Herrn P übertrage und als Abfindung 50 der Gesellschaft gehörende Grundstücke erhalten solle. Mit dem Ausscheiden des Klägers aus der GbR sei Herr G eingetreten.

2. Mit gemäß § 165 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufigem Bescheid vom 22.Dezember 1978 besteuerte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) den Grundstückserwerb des Klägers durch den Vertrag III. Es setzte 30 940 DM Grunderwerbsteuer fest. Die Gegenleistung bezifferte es auf 663 000 DM; das ist der geschätzte Wert der Grundstücke, welche der Kläger durch die Auseinandersetzung zu Alleineigentum erhalten sollte. In dem Bescheid ist vermerkt, daß die Steuer gemäß § 6 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zu 1/3 nicht erhoben werde.

Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, der Steueranspruch sei verjährt; zumindest sei der Grundstückserwerb gemäß § 7 GrEStG steuerfrei.

Das FA wies den Einspruch zurück. In den Gründen der Einspruchsentscheidung heißt es, die Festsetzung der Steuer sei gemäß § 165 Abs.2 AO 1977 endgültig.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) gemäß § 100 Abs.2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung auf, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.

Der Erwerbsvorgang des Klägers unterliege gemäß § 1 Abs.4 GrEStG NW der Steuer. Mit dem Vertrag III seien Miteigentumsanteile getauscht worden. Der Kläger habe also nicht Grundstücke aus dem Vermögen einer GbR erworben. Die Erklärungen in dem Vertrag IV, die Grundstücke seien Gesamthandsvermögen, widersprächen den übrigen vertraglichen Regelungen und der im Grundbuch ausgewiesenen Rechtslage.

Der Steueranspruch sei bei Erlaß des Steuerbescheides vom 22.Dezember 1978 nicht verjährt gewesen. Denn er sei erst 1973 durch den Vertrag III und nicht schon 1971 durch den Vertrag I entstanden. Letzterer habe die Grundstücke und die auf den Kläger zu übertragenden Miteigentumsanteile nicht bezeichnet.

Steuerbefreiung nach § 7 Abs.1 GrEStG könne der Kläger nicht beanspruchen. Sie setze die Teilung eines Grundstückes, also einer wirtschaftlichen Einheit, voraus (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 23.Januar 1985 II R 35/82, BFHE 143, 152, BStBl II 1985, 336). Der aufgeteilte Grundbesitz sei aber keine wirtschaftliche Einheit gewesen. Diese sei spätestens mit der Bestellung der Erbbaurechte aufgehoben worden. Von diesem Zeitpunkt ab habe jedes einzelne Baugrundstück eine gesonderte wirtschaftliche Einheit gebildet.

Die Gegenleistung müsse auf die erworbenen Grundstücksmiteigentumsanteile und die damit verbundenen Erbbauzinsansprüche aufgeteilt werden. Denn der Erwerb dieser Erbbauzinsansprüche unterliege nicht der Grunderwerbsteuer.

Um die Steuer festsetzen zu können, sei eine weitere Aufklärung mit erheblichem Aufwand an Kosten und Zeit erforderlich. Das FA habe nicht ermittelt, welche Miteigentumsanteile der Kläger als Tauschleistung hingegeben habe und welchen Wert diese Leistung hat. Ebensowenig habe es geprüft, ob der Kläger zusätzliche Leistungen (Übertragung seines Gesellschaftsanteils, Abtretung von Übereignungsansprüchen) erbracht habe und inwieweit der Erwerbsvorgang rückgängig gemacht worden sei. Das FG sehe hierin insgesamt wesentliche Verfahrensmängel i.S. des § 100 Abs.2 Satz 2 FGO.

Das FG hat die Revision zugelassen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 2 Abs.1 Satz 1 GrEStG. Es wendet sich gegen die Ansicht des FG, der Erwerb der (mit den Grundstücksanteilen verbundenen) Erbbauzinsansprüche unterliege nicht der Grunderwerbsteuer und die Gegenleistung sei daher entsprechend aufzuteilen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Erwerb der Erbbauzinsansprüche durch den Kläger nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt.

Die Absätze 1 und 4 (Abs.5 GrEStG 1983) des § 1 GrEStG erfassen Rechtsvorgänge, die sich auf (inländische) Grundstücke beziehen. Dabei knüpft das Gesetz an den Grundstücksbegriff des bürgerlichen Rechts an (§ 2 Abs.1 Satz 1 GrEStG).

Bürgerlich-rechtlich ist auch der Erbbauzinsanspruch gemäß § 96 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ein Bestandteil des erbbaubelasteten Grundstücks. Denn das Zinsstammrecht und die noch nicht fälligen Ansprüche auf die Zinszahlung können nicht vom Grundstückseigentum getrennt werden (§ 9 Abs.2 Satz 2 der Verordnung über das Erbbaurecht ―ErbbauV). Jedoch läßt sich die Regel des § 96 BGB nicht uneingeschränkt für das Grunderwerbsteuerrecht übernehmen. Zwar mag auch hier beispielsweise bei bestehender Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) zum herrschenden Grundstück das Recht am dienenden Grundstück gehören (vgl. dazu den Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz von Boruttau/Egly/Sigloch, 12.Aufl., § 2 Rdnr.51). Der Erbbauzinsanspruch als bloße Geldforderung liegt dagegen außerhalb dieses Rahmens. Denn die Grunderwerbsteuer soll nach Sinn und Zweck den Umsatz von Grundstücken, nicht aber von Geldforderungen, erfassen. Dementsprechend hat der Senat bereits mit Urteil vom 23.Oktober 1985 II R 111/83 (BFHE 145, 238, BStBl II 1986, 189) entschieden, daß der nach Landesrecht als Grundstücksbestandteil ausgestattete Anspruch auf Brandentschädigung entgegen der Regel des § 96 BGB grunderwerbsteuerrechtlich nicht zu dem brandgeschädigten Grundstück gehört. Dasselbe gilt für den Erbbauzinsanspruch.

Der Erbbauzinsanspruch zählt überdies bei der Bestellung und Übertragung des Erbbaurechts grunderwerbsteuerrechtlich zur Gegenleistung. Denn er gilt nach § 11 Abs.2 Satz 3 GrEStG (§ 9 Abs.2 Nr.2 Satz 3 GrEStG 1983) nicht als dauernde Last. Wollte man daneben den Erbbauzinsanspruch außerdem als Bestandteil des erbbaubelasteten Grundstückes behandeln, so würde er sich grunderwerbsteuerrechtlich doppelt auswirken. Darauf weist das FG zu Recht hin.

Hierzu meint das FA zwar, diese Doppelbesteuerung habe der Gesetzgeber gewollt. Denn er habe keine dem § 2 Abs.1 Nr.2 des früheren

 

Fundstellen

Haufe-Index 63827

BFH/NV 1991, 27

BStBl II 1991, 271

BFHE 163, 251

BFHE 1991, 251

BB 1991, 1034

BB 1991, 1034 (LT)

DB 1991, 1431 (KT)

DStR 1991, 416 (KT)

HFR 1991, 290 (LT)

StE 1991, 106 (K)

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