Leitsatz (amtlich)

Bei Catch-Turnieren mitwirkende Berufsringer (Catcher) sind nichtselbständig tätig. Gleiches gilt in der Regel für die Ringrichter und Turnierleiter.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 3 Nrn. 2, 4, § 15 Nr. 1, § 19 Abs. 1, § 50a; LStDV § 1 Abs. 2-3

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 28.03.1979; Aktenzeichen 1 BvR 185/79)

 

Tatbestand

Streitig ist die Haftung nach § 50 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei einem Veranstalter von Catch-Turnieren wegen nicht einbehaltener Lohnsteuer, Einkommensteuer und Lohnsummensteuer bei beschränkt steuerpflichtigen Catchern (§ 113 der Reichsabgabenordnung - AO -, § 50 a EStG, § 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -).

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) veranstaltete in den Jahren 1973 und 1974, teils zusammen mit einem Ausländer in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), teils als Einzelunternehmer, mehrere Freistil-Ringkämpfe, sog. Catch-Turniere. An den Turnieren nahmen inländische unbeschränkt steuerpflichtige und ausländische beschränkt steuerpflichtige Ringkämpfer, Ringrichter und Turnierleiter teil. Die Turniere dauerten jeweils mehrere Wochen. Die Ringkämpfer erhielten vom Veranstalter Tagesgagen von unterschiedlicher Höhe und einen beschränkten Auslagenersatz. In den Verträgen mit den Ringkämpfern ist festgelegt, daß jeder Ringer auf eigene Gefahr kämpft. Der Veranstalter hat dem Ringer, der im Ring einen Unfall hatte, drei Tagesgagen weiterzuzahlen, falls er aus dem Turnier ausscheiden muß. Der engagierte Ringer verpflichtet sich, jeden Gegner zu akzeptieren. Nach fünf Niederlagen kann der Ringer "aus der Konkurrenz genommen" werden. Für die Einhaltung des Vertrages sind jeweils Konventionalstrafen bestimmt. Ähnliche Verträge sind mit den jeweiligen Turnierleitern und Ringrichtern abgeschlossen worden.

Bei einer Steuerfahndungsprüfung im Jahr 1974, welche die GbR betraf, sowie bei einer Lohnsteueraußenprüfung im Jahr 1975 ergab sich bei dem Kläger, daß in allen Fällen von den an die Berufsringer, die Turnierleiter und die Ringrichter gezahlten Gagen keine Steuerabzüge vorgenommen worden waren. Die Veranstalter waren der Meinung, daß die Ringer usw. selbständige Gewerbetreibende seien.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ Lohnsteuerhaftungsbescheide, durch welche der Kläger als Gesellschafter der GbR und Gesamtschuldner neben dem Mitgesellschafter für die Lohnsteuer in Anspruch genommen wurde, die auf die im Jahr 1973 an die unbeschränkt steuerpflichtigen Turnierteilnehmer gezahlten Gagen entfiel, ferner einen Lohnsteuerhaftungsbescheid, der sich gegen den Kläger als Arbeitgeber wegen der Lohnsteuer richtete, die auf die im Jahr 1974 an die unbeschränkt steuerpflichtigen Turnierteilnehmer gezahlten Gagen entfiel, außerdem Haftungsbescheide, durch welche der Kläger wegen der sich aus den Veranstaltungen in den Jahren 1973 und 1974 ergebenden Verpflichtungen zur Einbehaltung und Abführung von Abzugsteuern nach § 50 a EStG bezüglich der beschränkt steuerpflichtigen Turnierteilnehmer in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der GbR sowie als Einzelunternehmer (Arbeitgeber) in Anspruch genommen wurde, sowie einen Haftungsbescheid wegen der Lohnsummensteuerschuld der GbR. Die Einsprüche des Klägers blieben ohne Erfolg.

Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) einzelne Haftungsbeträge herab. Es bejahte indes dem Grunde nach, daß es sich bei den beteiligten Ringern, Ringrichtern und Turnierleitern um nichtselbständig Beschäftigte gehandelt habe. Die Ringer hätten in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Veranstalters der Ringkämpfe gestanden und seien in dessen Geschäftsbetrieb eingegliedert gewesen. Sie hätten die Durchführung der Kämpfe nicht selbst organisiert, sondern diese dem Veranstalter überlassen.

In seiner Revision beantragt der Kläger sinngemäß, die Vorentscheidung und die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Der Kläger rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Einstufung der Berufsringer, Ringrichter und Turnierleiter als nichtselbständige Arbeitnehmer des Klägers verletze die Vorschriften der § 1 Abs. 2 und 3, §§ 30, 40 und 41 LStDV und § 50 a Abs. 4 und 5 EStG. Das FG habe nicht berücksichtigt, daß nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch darauf abzustellen sei, ob eine Sozialversicherung zugunsten der Ringer bestehe, wie der Gesamteindruck sei und welcher Parteiwille vorliege (Hinweis auf die Urteile vom 24. November 1961 VI 208/61 U, BFHE 74, 327, BStBl III 1962, 125; vom 24. November 1961 VI 183/59 S. BFHE 74, 97, BStBl III 1962, 37; vom 3. Dezember 1965 VI 167/63 U, BFHE 84, 426, BStBl III 1966, 153). In der Rechtsprechung des BFH sei die Frage noch nicht berücksichtigt, wie die Tätigkeit eines Berufsringers im Hinblick auf die Vereinbarung von Vertragsstrafen, die Möglichkeit der Bestrafung eines Ringers, des Abschlusses von Lebensversicherungen usw. zu beurteilen sei. Unzutreffend sei die Auffassung, daß der Ringer seine Arbeitskraft schulde. Vielmehr kämpfe er ausschließlich im eigenen Interesse um den Erfolg. Der Umstand, daß der Kläger der Unternehmer der Veranstaltungen sei, schließe nicht aus, daß die Ringer, Ringrichter und Turnierleiter gleichfalls selbständig seien, und zwar als gleichberechtigte Partner der mit dem Kläger geschlossenen Verträge. Als solche hätten die genannten Personen ihr eigenes Risiko zu tragen gehabt, so die Ringer, weil sie hätten besorgen müssen, daß sie entweder wegen mehrfachen Verlustes von Kämpfen aus dem Turnier genommen würden oder weil sie schlechte Ergebnisse erzielten oder weil sie wegen Verletzungen aufgeben müßten. Das FG habe die Vorschriften der §§ 616 BGB und 63 HGB nicht berücksichtigt. Danach sei für den Unselbständigen trotz Verhinderung ein Gehaltsanspruch vorgesehen. Dieser sei aber für den Ringer in den vorliegenden Fällen nicht gegeben gewesen. Es bestehe ein unternehmerisches Interesse der Berufsringer daran, möglichst viele Kämpfe erfolgreich zu bestreiten, um entsprechend hohe Gagenansprüche gegenüber dem Kläger stellen zu können. Wesentlich sei auch, welchen Willen die Parteien des Vertrages hinsichtlich der Selbständigkeit oder Unselbständigkeit geäußert hätten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß der Berufsringer sich selbst als Unternehmer betrachte. Der Ringer gehe in der Regel tagsüber einem Beruf nach und trete erst am Abend bei den Veranstaltungen der Klägers auf. Er sei nur den Regeln des Ringkampfes unterworfen, im übrigen aber selbst frei und unabhängig. Er erhalte auch nicht, wie ein Arbeitnehmer, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Auch stünden ihm keine Ansprüche auf Altersversorgung zu. Es sei auch nicht vereinbar mit dem Begriff des unselbständigen Arbeitnehmers, daß ein Ringer vom Ringrichter oder Turnierleiter mit einer Strafe belegt werden könne. - Die Verletzung formellen Rechts (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) werde darin erblickt, daß das FG von Amts wegen hätte aufklären müssen, welche Ringer ihre Gagen bereits versteuert hätten, oder es hätte die Partei zumindest auf diesen Umstand hinweisen und dadurch zur Aufklärung beitragen müssen. Wäre dies geschehen, so hätten die Parteien Nachforschungen angestellt. In diesem Falle wäre das Ergebnis der Entscheidung des FG über die Frage, ob sich das FA mit Recht an den Kläger als Haftenden halte, anders ausgefallen.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Es ist davon auszugehen, daß die Rechtslage für Ringer, Ringrichter und Turnierleiter einheitlich zu beurteilen ist. Das FG hat festgestellt, daß für diese drei beschäftigten Kreise die Verträge nach demselben Muster geschlossen worden sind. Auch nach dem Vortrag des Klägers selbst gelten für Ringrichter und Turnierleiter keine wesentlichen rechtlichen Besonderheiten.

2. Ein Steuerpflichtiger bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wenn er als Arbeitnehmer aus einem Dienstverhältnis Arbeitslohn erhält (§ 2 Abs. 3 Nr. 4, § 19 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG, § 1 Abs. 2 LStDV). Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Das ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 1 Abs. 3 LStDV). Das FG hat zutreffend dargelegt, daß diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind. Es brauchte nicht zu prüfen, ob die von dem Kläger beschäftigten Ringer usw. auch in arbeits- und sozialversicherungsrechtlichem Sinne Arbeitnehmer sind. In der Rechtsprechung ist wiederholt betont worden, daß der Begriff der Nichtselbständigkeit nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 19 EStG, Anm. 16, S. E 22). Die Entscheidung darüber, ob eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ist, muß nach dem Gesamtbild des Beschäftigungsverhältnisses getroffen werden. Dabei kann zwar auch dre arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung im Einzelfall eine Rolle spielen. Arbeitnehmereigenschaft im steuerrechtlichen Sinn ist aber jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Beschäftigte kein eigenes Unternehmerrisiko trägt und er in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers eingegliedert ist. In beiden Hinsichten hat das FG den Sachverhalt zutreffend gewürdigt.

a) Ein Unternehmerrisiko trägt, wer sich auf eigene Rechnung und Gefahr betätigt (vgl. BFH-Urteile vom 23. Januar 1974 I R 206/69, BFHE 112, 254, BStBl II 1974, 480; vom 9. August 1974 VI R 40/72, BFHE 113, 235, BStBl II 1974, 720; vom 10. September 1976 VI R 80/74, BFHE 120, 465, BStBl II 1977, 178). Ein Berufssportler kann neben dem Veranstalter ein eigenes Unternehmerrisiko tragen, so z. B. ein Berufsboxer, besonders im Hinblick auf dessen hohe Eigenaufwendungen und das schon dadurch gegebene finanzielle Risiko (vgl. BFH-Urteil vom 22. Januar 1964 I 398/60 U, BFHE 78, 543, BStBl III 1964, 207). Im Streitfall bestand unter Berücksichtigung des Inhalts der vom Veranstalter geschlossenen Verträge und des tatsächlichen Einsatzes der Berufsringer usw. kein eigenes Unternehmerrisiko dieser Personen.

Das vertraglich festgelegte spezifische Risiko der Ringer - bei den Ringrichtern und Turnierleitern fehlt sogar dieses - ergibt sich aus der Art des Einsatzes dieser Beschäftigten. Das FG hat ohne Rechtsfehler ausgeführt, daß das geschäftliche Risiko der Veranstaltungen allein bei dem Kläger lag. Das Unfallrisiko, welches die Berufssportler usw. eingehen, ist kein unternehmerisches Risiko. Diese Beschäftigten haben eine genau geregelte Tätigkeit auszuüben und erhalten dafür eine feste Bezahlung. An dem Gewinn oder Verlust der Veranstaltungen im ganzen sind sie nicht beteiligt. Die Gefahr, daß ein Ringer unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Turnier ausscheiden muß und dann außer einer Dreitagesgage keine weiteren Zahlungen mehr erhält, stellt sich als ein Arbeitnehmerrisiko besonderer Art dar, das sich aus der Eigenart der übernommenen Arbeit ergibt. Von dieser vertraglichen Sonderregelung abgesehen, sind die genannten Beschäftigungsverhältnisse dahin zu kennzeichnen, daß dem Veranstalter offenbar nicht ein bestimmter Arbeitserfolg, sondern der Einsatz der Arbeitskraft geschuldet wurde (§ 1 Abs. 3 LStDV).

b) Nach den Feststellungen des FG waren die Beschäftigten auch in den geschäftlichen Organismus des Veranstalters eingegliedert. Sie standen hinsichtlich ihres Einsatzes unter der Leitung des Veranstalters und waren insoweit auch dessen Weisungen zu folgen verpflichtet. Diese Eingliederung ergab sich vor allem aus dem vom FG festgestellten Umstande, daß die Berufsringer usw. ihre Arbeitskraft praktisch ausschließlich dem Veranstalter für einen längeren Zeitraum zur Verfügung stellten (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 1. Dezember 1926 VI A 572/26, RStBl 1927, 77, betreffend Artisten; BFH-Urteil vom 16. März 1951 IV 197/50 U, BFHE 55, 255, BStBl III 1951, 97, betreffend Berufsringer). In der letztgenannten Entscheidung ist ausgeführt, es sei gleichgültig, ob Berufsringkämpfer für die Dauer des Ringens oder je nachdem, ob sie siegen oder unterliegen, bezahlt würden. Es komme im wesentlichen darauf an, ob der zu den Leistungen Verpflichtete nach den Verhältnissen seines Berufes durch den Vertrag im wesentlichen über seine Arbeitskraft verfügt habe oder nicht. Auch wenn es sich nur um eine Tätigkeit innerhalb gewisser Stunden handle, liege eine wesentliche Verfügung über die Arbeitskraft dann vor, wenn es gerade um diejenigen Stunden gehe, in denen die Arbeitskraft im allgemeinen ausgenützt werde (vgl. auch BFH-Urteil vom 17. Februar 1955 IV 77/53 S, BFHE 60, 257, BStBl III 1955, 100). Die Sache liegt deshalb bei Berufsringern anders als bei Berufsboxern (vgl. dazu BFH-Urteil I 398/60 U). Schließlich kann eine Tätigkeit auch dann nichtselbständig sein, wenn sie nebenberuflich ausgeübt wird (vgl. BFH-Urteil VI R 80/74).

3. Nach alledem haben FA und FG die Arbeitnehmereigenschaft der vom Kläger beschäftigten Berufsringer, Ringrichter und Turnierleiter zutreffend bejaht. Daher sind die angefochtenen Bescheide dem Grunde nach rechtmäßig ergangen. Unbegründet sind die Einwendungen des Klägers auch hinsichtlich der Höhe der vom FG festgestellten Haftungsbeträge.

Die vom Kläger hierzu erhobene Rüge der mangelnden Sachaufklärung geht fehl. Diese Rüge kann sich sinngemäß nur auf die Lohnsteuerhaftung für unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer beziehen. Denn hinsichtlich der beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer findet der Abzug gemäß § 50 a EStG ohnehin - aufgrund der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 49 EStG - statt, unabhängig von einer Versteuerung der Bezüge im Wohnsitzstaat des Empfängers.

Es wäre Sache des Klägers gewesen, dem FA gegenüber im Haftungsverfahren darzutun, daß die Beträge, derentwegen er als Haftender in Anspruch genommen wird, zum Teil von den Beziehern bereits versteuert worden seien. Das FA ist im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht ohne weiteres dazu verpflichtet, zu prüfen, ob der einzelne Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird oder veranlagt worden ist. Der Arbeitgeber, der sich auf die Möglichkeit der Veranlagung oder auf eine rechtskräftige Veranlagung des Arbeitnehmers beruft, muß die erforderlichen Angaben von sich aus dem FA machen (vgl. Herrmann-Heuer, a. a. O., § 38 EStG, Anm. 32 b, S. E 30).

 

Fundstellen

Haufe-Index 73016

BStBl II 1979, 182

BFHE 1979, 457

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge