Leitsatz (amtlich)

Ein Bauunternehmer, der innerhalb eines Zeitraums von 5 1/2 Jahren vier Grundstücke zum Teil bebaut, zum Teil unbebaut veräußert, nachdem er sie zunächst zwei bis drei Jahre im Besitz hatte, überschreitet in der Regel den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung und übt, wenn die Voraussetzungen des § 1 GewStDV vorliegen, eine gewerbliche Betätigung aus.

 

Normenkette

EStG § 15; GewStG § 2; GewStDV §§ 1, 8-9

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Bauunternehmer und befaßt sich mit Hochbau-, Maurer- und Stahlbetonarbeiten. Seit dem Jahre 1950 erwarb er mehrere Grundstücke, zumeist Ruinen- oder beschädigte Mietwohngrundstücke. Von den insgesamt 11 in der Zeit bis 1963 teils zu Alleineigentum, teils zu Miteigentum erworbenen Grundstücken verkaufte er in den Jahren 1955 bis 1961 vier Grundstücke mit Gewinn weiter. Seine Tätigkeit entwickelte sich folgendermaßen:

zwischenzeitl.

Lage Erwerb Anteil Verkauf Maßnahme Gewinn

Grundst.

R. 28.7.1952 1/2 15.12.1955 - ca. 8 500

Grundst.

Kl. 8.6.1954 1/1 11.2.1957 - ca. 4 300

Grundst.

B. 25.8.1950 1/1 - Wiederaufbau 1954 -

Grundst.

Kn. 15.12.1955 1/2 - Wiederaufbau 1959 -

Grundst.

W. 24.1.1957 1/2 4.2.1960 Wiederaufbau 1958 25 639

Grundst.

S. 19.6.1958 1/1 3.2.1961 - 36 093

Grundst.

A. 20.2.1960 1/1 - - -

Grundst.

N. 16.5.1960 1/2 - Instandsetzung -

Grundst.

H. 14.2.1962 1/1 - - -

Grundst.

M. 5.12.1963 1/1 - - -

Grundst.

L. 16.5.1958 1/1 - Bau eines Wochenendhauses -

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung im Jahre 1964 betrachtete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) die Grundstücke W., S., A., N. und H. als zum Betriebsvermögen des Klägers gehörend. Die Gewinne aus der Veräußerung des Anteils des Klägers am Grundstück W. und des Grundstücks S. schlug das FA den gewerblichen Gewinnen des Klägers hinzu. Aufgrund dieses Sachverhalts erließ es für die Streitjahre, gestützt auf § 222 AO, berichtigende Bescheide.

Einspruch und Klage des Klägers blieben erfolglos. Das FG führte zur Begründung seiner Entscheidung aus:

Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 GewStDV seien im Streitfall erfüllt. Der Kläger habe insbesondere auch nachhaltig und in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Er sei von vornherein entschlossen gewesen, günstige An- und Verkaufsmöglichkeiten von Grundstücken auszunutzen und sich daraus eine zusätzliche Erwerbsquelle zu verschaffen. Zwar bestreite er eine solche Absicht und behaupte, die Grundstücke lediglich im Rahmen einer rein privaten Vermögensverwaltung ge- und verkauft zu haben. Die äußeren Umstände, denen angesichts der nur schwer nachweisbaren subjektiven Willensrichtung besondere Bedeutung zukomme, sprächen aber gegen ihn. Der Kläger habe die in den Jahren 1955 bis 1961 veräußerten Grundstücke jeweils schon etwa 2 1/2 bis drei Jahre nach ihrem Erwerb verkauft. Nach der Überzeugung des Senats sei dieser Zeitraum gewählt worden, um die Grundstücksverkäufe nicht mehr als Spekulationsgeschäfte im Sinne des § 23 EStG erscheinen zu lassen. Dafür spreche der weitere Zeitablauf. Auf die Veräußerung des Grundstücks R. habe der Kläger am selben Tag das Grundstück Kn. erworben. Am 11. Februar 1957 habe der Kläger das Grundstück Kl. verkauft, am 24. Januar 1957 habe er die ideelle Hälfte am Grundstück W. erworben. Dieses Grundstück sei am 4. Februar 1960 veräußert worden; am 20. Februar 1960 habe der Kläger wiederum das Grundstück A. und am 16. Mai 1960 die ideelle Hälfte am Grundstück N. erworben. Diese zeitlichen Zusammenhänge bewiesen, daß der Kläger die von ihm erworbenen Grundstücke jeweils als mindestens potentielle Veräußerungsobjekte angesehen habe und daß die von ihm angegebenen, im wesentlichen nicht erwiesenen Gründe für die Verkäufe der einzelnen Grundstücke allenfalls mitentscheidend gewesen seien. Die für Grundeigentum ungewöhnlich kurze Besitzzeit spreche gegen die vom Kläger behauptete dauernde Vermögensanlage und Altersversorgung und für die Absicht auf Ausnützung der Situation auf dem Grundstücksmarkt und günstige An- und Verkaufsgelegenheiten im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels. Der Kläger habe dabei seine Erfahrungen aus dem Baugewerbe verwerten können und zusätzlich die Möglichkeit gehabt, unter Einsatz seines eigenen Bauunternehmens billige Bau- und Instandsetzungsarbeiten an den Grundstücken vornehmen zu lassen. Somit habe er durch den Aufbau oder die Verbesserung und den Verkauf doppelten Gewinn realisieren können.

Beim An- und Verkauf mehrerer Grundstücke spreche von vornherein die Vermutung nicht für eine Vermögensverwaltung, sondern für einen Gewerbebetrieb. Der Kläger habe die sich aus den äußeren Umständen ergebende Vermutung nicht zu widerlegen vermocht. Seine Angaben über die Veräußerungsgründe, die er im Jahre 1964 anläßlich der Betriebsprüfung, im Jahre 1969 vor dem FG und am 14. April 1971 in der mündlichen Verhandlung benannt habe, wichen zum Teil in wesentlichen Punkten voneinander ab.

Zu Recht seien danach auch die Grundstücke A., N. und H. zum Betriebsvermögen des Klägers gerechnet worden, da der Kläger durch den in den Jahren 1955 bis 1961 betriebenen Grundstückshandel Anlaß zu der Annahme gegeben habe, daß auch die übrigen in seinem Besitz befindlichen Grundstücke zum Weiterverkauf bestimmt seien. Dagegen sprächen bei den Grundstücken B., Kn. und L. besondere Umstände für eine rein private Nutzung. Das Grundstück B. habe der Kläger 1964 bereits seit 14 Jahren besessen, außerdem befinde sich in diesem Haus seine Privatwohnung. Eine Verkaufsabsicht sei somit nicht zu vermuten. Entsprechendes gelte für das Grundstück Kn., das sich zur Zeit der Betriebsprüfung 1964 bereits seit neun Jahren im Eigentum des Klägers befunden habe. Auch hinsichtlich des Wochenendhauses des Klägers in L. sei eine Verkaufsabsicht nicht anzunehmen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Zurechnung von "Mietwohngrundstücken zum notwendigen Betriebsvermögen" und die Feststellung des FG, er habe aufgrund seiner Kenntnisse als Bauunternehmer einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben.

Der Kläger beantragt, die berichtigenden Bescheide des FA dahin abzuändern, daß die Einkommensteuer für 1960 von 13 358 DM auf 4 814 DM und für 1961 von 24 028 DM auf 9 898 DM herabgesetzt werde.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er ist der Ansicht, daß der Kläger keine Rechtsverletzung des FG vortrage und die Entscheidung des FG auf einer möglichen Tatsachenwürdigung beruhe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG.

1. Ein gewerbliches Unternehmen (§ 15 Nr. 1 EStG) liegt vor, wenn die Voraussetzungen des Gewerbebetriebs nach § 1 GewStDV erfüllt sind und die zu beurteilende Tätigkeit den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 17. Januar 1973 I R 191/72 (BFHE 108, 190, BStBl II 1973, 260). Im Streitfall hat die Vorinstanz - abgesehen von den unten zu 2. behandelten Vorgängen - zu Recht angenommen, daß die Voraussetzungen des § 1 GewStDV gegeben seien und der Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschritten sei.

a) Nach § 1 Abs. 1 GewStDV ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts anzusehen ist. Die Gewinnabsicht (das Streben nach Gewinn) braucht nicht der Hauptzweck der Betätigung zu sein. Ein Gewerbebetrieb liegt, wenn seine Voraussetzungen im übrigen gegeben sind, auch dann vor, wenn das Streben nach Gewinn (die Gewinnabsicht) nur ein Nebenzweck ist.

Da der Kläger bei der Veräußerung der Grundstücke auf einen wirtschaftlichen Vorteil ausgegangen ist, hat er in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr hat sich der Kläger dadurch beteiligt, daß er sich mit seiner Veräußerungsabsicht an den allgemeinen Markt gewandt und Leistungen gegen Entgelt der Allgemeinheit angeboten hat. Das FG ist auch im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß die Tätigkeit des Klägers eine nachhaltige war, d. h. auf Wiederholung angelegt gewesen ist. Dazu reicht es aus, daß der Kläger den allgemeinen Entschluß gefaßt hatte, Grundstücke bei sich bietender Gelegenheit zu veräußern. Daß dieser Entschluß des Klägers im Streitfall vorgelegen hat, konnte das FG zu Recht annehmen. Diese Schlußfolgerung der Vorinstanz wird allein schon durch den Umstand getragen, daß der Kläger die vier Grundstücke in einem Zeitraum von rd. 5 1/2 Jahren veräußert hat, nachdem er sie zunächst jeweils nur ca. zwei bis drei Jahre besessen hatte. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Gründe zutreffen, die nach der Darstellung des Klägers zur Veräußerung der Grundstücke geführt haben, und ob die Erwägungen, die die Vorinstanz hierzu angestellt hat, im einzelnen frei von Rechtsirrtum sind. Der erkennende Senat folgt dem FG schon aufgrund des objektiven zeitlichen Zusammenhangs der jeweiligen An- und Verkäufe im Ergebnis darin, daß die vom Kläger vorgetragenen Gründe allenfalls für die Veräußerung mitbestimmend waren, daß sie aber den allgemeinen Entschluß, die Grundstücke bei sich bietender Gelegenheit zu veräußern, unberührt ließen.

b) Was unter Vermögensverwaltung zu verstehen ist, ist im Gesetz nicht abschließend bestimmt. Nach § 9 in Verbindung mit § 8 GewStDV liegt Vermögensverwaltung "in der Regel vor, wenn Vermögen genutzt, z. B. Kapitalvermögen verzinslich angelegt, unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird". In diesen beispielhaft aufgeführten Arten der Vermögensnutzung erschöpft sich der Bedeutungsgehalt des Begriffes Vermögensverwaltung indes nicht. Ob noch Vermögensverwaltung anzunehmen ist, kann nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles bestimmt werden. Zur privaten Vermögensverwaltung kann auch die Anschaffung und die Veräußerung von Vermögensgegenständen gehören (Urteil des BFH vom 7. April 1967 VI 199/65, BFHE 88, 450, BStBl III 1967, 467). Entscheidend ist jedoch, ob der Verkauf und die Veräußerung lediglich der Beginn und das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellen, oder ob die Umschichtung von Vermögenswerten und die Verwertung der Vermögenssubstanz entscheidend in den Vordergrund tritt. Für Grundstücke gilt insbesondere, daß sie "nicht wie Wertpapiere gehandelt und ihre Veräußerung zwecks Erwerbs anderer Grundstücke nicht als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung anzusehen ist" (BFH-Urteil vom 24. September 1970 I R 21/70, BFHE 100, 210, BStBl II 1970, 871). Eine mehrfache Umschichtung von Grundstücken innerhalb des verhältnismäßig kurzen Zeitraums von 5 1/2 Jahren - wie sie im Streitfall stattgefunden hat - kann nicht mehr als private Vermögensverwaltung gewertet werden, vor allem dann, wenn der Steuerpflichtige - wie der Kläger - das durch seine übrige gewerbliche Tätigkeit gewonnene Wissen um günstige Gelegenheiten für den An- und Verkauf von Grundstücken nutzen konnte. Es mag sein, daß der Kläger letztlich die Sicherung seiner Altersversorgung angestrebt hat. Dies steht der Annahme, daß er dieses Ziel durch seine gewerbliche Tätigkeit verfolgt hat, nicht entgegen.

2. Allerdings vermag der Senat dem FG insoweit nicht zu folgen, als dieses nicht nur die in den Jahren 1955 bis 1961 vom Kläger veräußerten Grundstücke, sondern auch die Grundstücke A., N. und H. dem gewerblichen Betriebsvermögen des Klägers zugerechnet hat. Daß der Kläger diese in den Jahren 1960 bis 1962 gekauften, aber bis zur Entscheidung durch das FG am 14. April 1971 noch nicht weiterveräußerten Grundstücke ebenfalls zum Verkauf bestimmt hat, ist bisher nicht festgestellt. Das FG selbst hat für das Grundstück Kn. die Vermutung der Verkaufsabsicht mit der Begründung verneint, dieses Grundstück habe sich zur Zeit der Betriebsprüfung im Jahre 1964 bereits seit neun Jahren im Eigentum des Klägers befunden. Folgerichtig muß Entsprechendes auch für die in den Jahren 1960 bis 1962 gekauften Grundstücke gelten, die zur Zeit der finanzgerichtlichen Entscheidung bereits neun bis elf Jahre Eigentum des Klägers gewesen sind.

Da tatsächliche Feststellungen, wie sich das Ausscheiden dieser Grundstücke aus dem Betriebsvermögen des Klägers auf die Gewinnermittlung der Streitjahre 1960 und 1961 auswirkt, bisher fehlen, muß die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70509

BStBl II 1973, 661

BFHE 1973, 431

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