Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesellschaftsteuer bei Gewinnabführung zwischen Schwestergesellschaften

 

Leitsatz (NV)

Eine Gewinnabführung zwischen Schwestergesellschaften unterliegt nur dann der Gesellschaftsteuer, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles eine Zahlung des gemeinsamen Gesellschafters über die eine Gesellschaft an die andere ist. Daran fehlt es, wenn zwischen den beiden Gesellschaften ein selbständiges Rechtsverhältnis besteht, das rechtlich gesehen die causa für die Zahlung bildet.

 

Normenkette

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a; Richtlinie 69/335/EWG Art. 4 Abs. 2 Buchst. b

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, an der H und R als Kommanditisten beteiligt waren. Persönlich haftender Gesellschafter war die V-GmbH. Daneben bestand die S-GmbH, deren Geschäftsanteile nur von H und R gehalten wurden.

Am 4.2. 1983 schlossen die Klägerin und die S-GmbH einen Ergebnisabführungsvertrag, auf Grund dessen die S-GmbH ihre Gewinne aus den Geschäftsjahren 1983/84 bis 1985/86 an die Klägerin abführte. Hierin sah das Finanzamt (FA) gesellschaftsteuerbare Leistungen von H und R an die Klägerin. Es setzte Gesellschaftsteuer durch Bescheid vom 22.4. 1988 fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Auf die Revision der Klägerin hob der Bundesfinanzhof (BFH) die Vorentscheidung, den Gesellschaftsteuerbescheid vom 22.4. 1988 und die Einspruchsentscheidung ersatzlos auf.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, des angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheides und der dazugehörigen Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 unterliegen Zuschüsse als freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer, wenn sie geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Ergänzend dazu regeln die §§ 5 und 6 KVStG 1972, was unter einer inländischen Kapitalgesellschaft und was unter ihrem Gesellschafter zu verstehen ist. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 gelten Kommanditgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland u.a. dann als inländische Kapitalgesellschaft, wenn zu ihren persönlich haftenden Gesellschaftern eine GmbH gehört. Die Kommanditisten einer derartigen GmbH & Co. KG sind gemäß § 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 deren Gesellschafter.

Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß die Klägerin in den Jahren 1983 bis 1986 eine GmbH & Co. KG mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland war. Sie war deshalb Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 2 KVStG 1972. Kommanditisten der Klägerin waren H und R. Sie waren deshalb die Gesellschafter der Klägerin i.S. des § 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972.

2. Ein Zuschuß i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 setzt eine freiwillige Leistung eines Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an diese voraus. Daran fehlt es im Streitfall. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), war die Klägerin ab dem Jahre 1983 auf Grund eines Ergebnisabführungsvertrages Organträger im Verhältnis zur S-GmbH. Gesellschafter der S-GmbH waren H und R. Die S-GmbH führte die Gewinne der Geschäftsjahre 1983/84 bis 1985/86 an die Klägerin ab. Die Gewinnabführung hatte ihren Rechtsgrund in dem Ergebnisabführungsvertrag vom 4. Februar 1983. Sie war zivilrechtlich eine Leistung der S-GmbH an die Klägerin. Da die Gesellschaftsteuer als Verkehrsteuer an die Zivilrechtslage anknüpft, ergibt sich eine gesellschaftsteuerpflichtige Kapitalzufuhr nur dann, wenn die Leistung der S-GmbH an die Klägerin zugleich eine Leistung von H und R (Kommanditisten der Klägerin) wäre. Dies ist jedoch auf der Grundlage des vom FG festgestellten Sachverhaltes nicht der Fall.

3. Allerdings wird nach § 4 KVStG 1972 die Steuerpflicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Zuschuß nicht von den Gesellschaftern, sondern von einer Personenvereinigung bewirkt wird, an der die Gesellschafter der Klägerin (H und R) als Gesellschafter beteiligt sind. Bei der Auslegung des § 4 KVStG 1972 ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Richtlinie 69/335/ EWG keine entsrpechende Regelung enthält. Eine Anwendung des § 4 KVStG 1972 kommt deshalb nur in Betracht, wenn die Leistung der Personenvereinigung auch unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335/EWG als steuerpflichtige Leistung angesehen werden kann. Zu dieser Rechtsfrage hat der erkennende Senat durch Beschluß vom 31. Oktober 1990 I R 90/88, BFHE 162, 574, BStBl II 1991, 371, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) eingeholt. Das Urteil des EuGH vom 13. Oktober 1992 Rs. C-49/91 ist den Beteiligten bekannt und in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 47, sowie in EuZW 1992, 736, veröffentlicht. Soweit die Entscheidung die Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335/ EWG betrifft, ist der erkennende Senat an sie gebunden.

Das Urteil des EuGH ist allerdings auslegungsbedürftig. Dessen Rechtsaussage, daß eine Gewinnabführung dann nicht der Gesellschaftsteuer unterliegt, wenn ihr Empfänger Gesellschafter der den Gewinn abführenden Gesellschaft ist, trifft den Streitfall nicht, weil die Klägerin gesellschaftsrechtlich an der den Gewinn abführenden S-GmbH nicht beteiligt war. Die Entscheidung des erkennenden Senats muß sich deshalb auf die Rechtsaussage des EuGH stützen, daß die Gewinnabführung nur dann der Gesellschaftsteuer unterliegt, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles eindeutig eine Zahlung des gemeinsamen Gesellschafters über die eine Gesellschaft an die andere ist. Daran fehlt es, wenn zwischen den beiden Gesellschaften ein selbständiges Rechtsverhältnis besteht, das rechtlich gesehen die alleinige causa der Zahlung bildet. Diese Auslegung entspricht den Schlußanträgen des Generalanwalts F.G. Jacobs, wie er sie in der Sitzung vom 14. Mai 1992 in der Rechtssache C-49/91 vorgetragen hat. Die Begründung des Urteils läßt nicht erkennen, daß der EuGH von den Schlußanträgen des Generalanwalts wesentlich abweichen wollte. Die Auslegung steht zwar im Widerspruch zu der Stellungnahme der Kommission im Schriftsatz vom 21. Mai 1991 in der Rechtssache C-49/91. Dazu ergibt sich jedoch aus dem Tenor des Urteils des EuGH, daß dieser der Rechtsauffassung der Kommission nicht gefolgt ist.

Da das KVStG 1972 der Umsetzung der Richtlinie 69/335/EWG in deutsches Recht dient, ist davon auszugehen, daß § 4 KVStG 1972 nur in dem Umfang anwendbar ist, wie der Bundesrepublik Deutschland eine Besteuerung nach der Richtlinie möglich ist. Dazu ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG einerseits und auf der Grundlage der vorgenommenen Auslegung des EuGH-Urteils vom 13. Oktober 1992 Rs. C-49/91 andererseits, daß im Streitfall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 KVStG 1972 nicht verwirklicht sind. H und R hatten zwar als Gesellschafter der S-GmbH durch ihre Zustimmung zu dem Ergebnisabführungsvertrag vom 4. Februar 1983 auf ihr allgemeines Gewinnbezugsrecht verzichtet. Die Klägerin bezog jedoch deshalb den Gewinn der S-GmbH nicht von H und R, sondern aus eigenem Recht unmittelbar von der S-GmbH. Die Gewinnabführung war keine Zahlung von H und R, die sie durch die S-GmbH hatten ausführen lassen.

4. Wurden aber im Streitfall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 KVStG 1972 nicht verwirklicht, so fehlt es an dem Bewirken einer gesellschaftsteuerbaren Leistung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972. Damit haben die Vorentscheidung und der angefochtene Gesellschaftsteuerbescheid materiellrechtlich keine Grundlage. Sie waren aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419182

BFH/NV 1994, 261

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