Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitliche und gesonderte Feststellung bei Vermietungseinkünften von Eigentümer und Nießbraucher

 

Leitsatz (NV)

1. Hat der Eigentümer eines vermieteten Grundstücks an einem ideellen Miteigentumsanteil rechtswirksam einen Nießbrauch bestellt, beziehen er und die Nießbraucher gemeinschaftlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die einheitlich und gesondert festgestellt werden müssen.

2. Ist streitig, ob der Nießbrauch rechtswirksam bestellt ist, ist das Klageverfahren gegen den die Rechtswirksamkeit des Nießbrauchs verneinenden Einkommensteuerbescheid auszusetzen, bis das zuständige FA entweder eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchgeführt oder einen negativen Feststellungsbescheid erlassen hat.

 

Normenkette

AO 1977 § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a

 

Tatbestand

Durch notariellen Vertrag vom 20. Dezember 1974 bestellte der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) seinen in den Jahren 1961, 1964 und 1966 geborenen Kindern schenkweise ein auf 10 Jahre befristetes Nießbrauchsrecht an je einem (unabgeteilten) 2/13-Miteigentumsanteil des zu seinem Betriebsvermögen gehörenden bebauten Grundstücks. Beim Abschluß des Vertrages handelte der als Hausverwalter vorgesehene Steuerberater D als ,,Vertreter ohne Vertretungsmacht für den gerichtlich noch zu bestellenden Pfleger der minderjährigen Kinder". Zuvor hatte der amtierende Notar bei dem Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - den Antrag gestellt, den Steuerberater D zum Ergänzungspfleger der Kinder zu bestellen. Durch Schreiben vom 20. Februar 1975 teilte das Amtsgericht mit, es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grunde eine Pflegschaft eingeleitet werden solle. Alle drei Kinder seien über sieben Jahre alt und somit in der Lage, eine Schenkung anzunehmen. Daraufhin nahmen die Kinder selbst die Schenkung am 11. März 1975 an.

Am 4. Januar 1975 schlossen die durch ihre Eltern vertretenen nießbrauchsberechtigten Kinder mit dem Steuerberater D einen schriftlichen Hausverwaltervertrag. Darin heißt es u. a., daß sich der Verwalter gegen Zahlung einer jährlich neu zu vereinbarenden Vergütung verpflichtet, die Verwaltung des Hauses gewissenhaft auszuführen und die den Nießbrauchern zustehenden Gelder auf gesonderte, für die Kinder eingerichtete Konten einzuzahlen. Die Mieter des Hauses wurden von der Nießbrauchsbestellung benachrichtigt.

Die Nießbrauchsrechte der Kinder wurden am 16. März 1975 im Grundbuch eingetragen.

In der Folgezeit wurden die den Kindern für die Streitjahre zustehenden Nießbrauchseinkünfte . . . in der Form von a-conto-Zahlungen und jeweils zum Jahresende ermittelten Spitzenbeträgen auf Konten der Kinder überwiesen.

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß der Nießbrauch mangels Mitwirkung eines Ergänzungspflegers steuerrechtlich nicht anerkannt werden könne.

Das FA ermittelte die Gewinne des Klägers für die Jahre 1975 bis 1981 unter Einbeziehung der den nießbrauchsberechtigten Kindern zugeflossenen Nießbrauchserträge. Die Einsprüche blieben in diesem Punkte ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt:

Zwar hätte bei der Nießbrauchsbestellung ein Ergänzungspfleger mitwirken müssen. Es sei grundsätzlich mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) davon auszugehen, daß Verträge zwischen nahen Angehörigen abweichend von § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) bürgerlich-rechtlich wirksam zustande gekommen sein müßten. Eine Ausnahme sei indes für den hier vorliegenden Fall zu machen, daß der Rechtspfleger ein ,,Negativattest" erteilt habe. Hier sei allein maßgeblich, daß sich die Kläger ernsthaft darum bemüht hätten, allen bürgerlich-rechtlichen Formerfordernissen nachzukommen, und daß die Nießbrauchsvereinbarung auch tatsächlich - mit allen Konsequenzen - durchgeführt worden sei.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 4 Abs. 4, 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. a) Nach Lage der Dinge ist in Betracht zu ziehen, daß die Besteuerungsgrundlagen, um welche die Beteiligten streiten, nach § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 gesondert und einheitlich festzustellen sind. Eine solche Feststellung ist u. a. auch dann erforderlich, wenn zweifelhaft ist, ob einkommensteuerpflichtige Einkünfte vorliegen, an denen mehrere Personen beteiligt bzw. die mehreren Personen zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 12. November 1985 IX R 85/82, BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239). Das FG muß in einem solchen Fall das Klageverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid aussetzen, bis das zuständige FA entweder eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchgeführt oder einen negativen Feststellungsbescheid erlassen hat.

War der Nießbrauch zugunsten der Kinder steuerrechtlich wirksam bestellt, bezogen diese und der Kläger gemeinschaftlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Dies würde eine einheitliche und gesonderte Feststellung erfordern (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1961 VI 5/61, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 215, Rechtsspruch 36), unbeschadet der Tatsache, daß die vom Kläger selbst bezogenen Einkünfte anteilig in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren und gegebenenfalls umzurechnen sind (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 17. Januar 1985 IV R 106/81, BFHE 143, 68, BStBl II 1985, 291).

b) Ob ausnahmsweise der Erlaß eines positiven oder negativen Feststellungsbescheids unterbleiben kann, wenn die Voraussetzungen des § 180 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 i. d. F. des StBereinG 1986 offensichtlich sind, kann dahingestellt bleiben. Im vorliegenden Fall ist das Erfordernis einer gesonderten und einheitlichen Feststellung nicht offensichtlich ausgeschlossen. Insbesondere liegt kein Fall von geringer Bedeutung i. S. des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 n. F. vor. Es handelt sich hier nicht um einen Sachverhalt, bei dem die Zurechnung der Einkünfte verhältnismäßig einfach ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. September 1987 IX R 83/83, BFH/NV 1988, 205).

2. Die Vorentscheidung, die die Vorgreiflichkeit eines Feststellungsverfahrens übersehen hat, war aufzuheben. Die Sache geht an das FG zurück, das sein Verfahren nach § 74 FGO aussetzen und den Abschluß eines Verfahrens der gesonderten und einheitlichen Feststellung abwarten muß (vgl. Urteil des Senats vom 19. April 1989 X R 3/86, BFHE 156, 383, BStBl II 1989, 596, m. w. N.).

3. Zur weiteren Förderung des Verfahrens wird darauf hingewiesen, daß der IX. Senat durch Urteil vom 31. Oktober 1989 IX R 216/84 (BFHE 159, 319) über einen dem vorliegenden Fall vergleichbaren Sachverhalt entschieden hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417049

BFH/NV 1991, 11

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