Leitsatz (amtlich)

1. Die Sollvorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 kann nicht dahin verstanden werden, daß die Behörde auch bei der Ermittlung der Person des Beteiligten auf die Inanspruchnahme einer anderen Person so lange verzichten müßte, bis sie alle Möglichkeiten, den Beteiligten selbst zur Auskunft über seine Person zu veranlassen, ausgeschöpft hat.

2. Die in § 164 a StBerG angeordnete allgemeine Anwendung der Abgabenordnung umfaßt auch die Vorschriften der §§ 328 ff. AO 1977 über die Vollstreckung wegen Handlungen, Duldungen und Unterlassungen.

2. Auch einer GmbH gegenüber kann nach den Vorschriften der §§ 328 ff. AO 1977 ein Zwangsgeld angedroht und festgesetzt werden.

 

Normenkette

StBerG § 164a; AO 1977 § 93 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 328 ff.

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Verlegerin einer Fachzeitschrift, in der am 27. Februar 1978 folgende Anzeige erschien:

"Gehilfin in steuerber. Berufen, sucht Heimarbeit (Abschl., Steuererkl.) im Raum: GE/RE u. Umgeb. Angebote u. Ziffer G 5142 an ...".

Die Steuerberaterkammer trat am 10. März an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) heran mit der Bitte, die Aufgeberin der Anzeige wegen unerlaubter Hilfeleistung in Steuersachen und unzulässiger Werbung zu verfolgen. Am 22. März 1978 forderte das FA die Klägerin auf, Namen und Anschrift der Aufgeberin mitzuteilen. Nachdem die Klägerin dies abgelehnt hatte und eine weitere Aufforderung erfolglos geblieben war, forderte das FA am 10. Mai 1978 die Klägerin erneut zur Auskunft auf und drohte zugleich ein Zwangsgeld in Höhe von 100 DM an; hiergegen legte die Klägerin am 22. Mai 1978 Beschwerde ein. Am 18. September 1978 setzte das FA das Zwangsgeld fest; hiergegen legte die Klägerin am 27. September 1978 Beschwerde ein. Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerden durch Entscheidung vom 7. November 1978 zurück. Mit der sodann erhobenen Klage beantragte die Klägerin, die Beschwerdeentscheidung der OFD aufzuheben und den Beschwerden gegen die Androhung und die Festsetzung des Erzwingungsgeldes stattzugeben. Das Finanzgericht (FG) entsprach dem Antrag durch Urteil vom 20. September 1979 mit folgender Begründung:

Zwar möge § 93 der Abgabenordnung (AO 1977) mit einer Maßnahme nach § 7 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) als Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens nach § 164 a StBerG zu einem Auskunftsersuchen ermächtigen und dies über §§ 328 f. AO 1977 mit Zwang durchsetzbar sein (vgl. Urteil des FG Münster vom 20. September 1979 III 376/79 AO, Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 148 - EFG 1980, 148 -). Gleichwohl habe die Auskunft nicht verlangt und das Zwangsverfahren nicht betrieben werden dürfen, denn diese Maßnahmen verletzten Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG).

Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Pressefreiheit umfasse auch den Anzeigenteil (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 4. April 1967 1 BvR 414/64, BVerfGE 21, 271, 278). Zwar seien das Steuerberatungsgesetz und die Abgabenordnung allgemeine Gesetze i. S. von Art. 5 Abs. 2 GG, in denen das Grundrecht der Pressefreiheit seine Schranken finde; dies rechtfertige hier aber noch nicht die getroffenen Maßnahmen. Die Gesetze, die die Schranke des Grundrechts bildeten, müßten wiederum im Lichte der Bedeutung des Grundgesetzes gesehen werden. Es finde eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß bei allen Maßnahmen gegen die Presse abgewogen werde zwischen den durch die allgemeinen Gesetze verfolgten Interessen und denen der freien Presse.

Die hier anzustellende Güterabwägung ergebe, daß die getroffenen Maßnahmen gegen die Pressefreiheit verstießen.

Es liege nämlich nicht auf der Hand, daß die Aufgeberin der Anzeige gegen § 5 StBerG verstoße. Die Anzeige sei vielmehr durchaus so zu verstehen, daß die Aufgeberin eine nichtselbständige Tätigkeit bei einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe anstrebe. Das FG verkenne nicht, daß sich hinter der Anzeige gleichwohl eine verbotene Tätigkeit oder die Absicht zu einer solchen verbergen könnte. Die bloße Möglichkeit reiche aber nicht aus; es müsse sich vielmehr der ernsthafte Verdacht einer solchen aufdrängen, wenn ein Eingriff in den von Art. 5 GG geschützten Bereich statthaft sein solle.

Gegen diese Entscheidung hat das FA mit folgender Begründung Revision eingelegt:

Das Auskunftsersuchen und die Festsetzung des Zwangsgeldes verstießen nicht gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Das FG habe verkannt, daß bei seiner Art der Abwägung die Rechtssicherheit nicht mehr gewährleistet sei. Es begegne nämlich sehr erheblichen Bedenken, die Güterabwägung hier so vorzunehmen, daß ausschließlich auf den Wortlaut einer Anzeige abgestellt werde, um allein danach zu entscheiden, ob der Schutz der ratsuchenden Bürger und der Allgemeinheit nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes oder das Grundrecht der Pressefreiheit im Vordergrund stehe. Das FG habe selbst die Möglichkeit erkannt und erwähnt, daß sich hinter der hier in Rede stehenden Kennziffern-Anzeige das Angebot einer unbefugten, verbotenen Steuerberatung verbergen könne.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, und führt aus:

Die angefochtenen Bescheide des FA seien schon deshalb rechtswidrig, weil das FA zu ihrem Erlaß örtlich nicht zuständig gewesen sei. Da es um die Untersagung einer Hilfeleistung in Steuersachen im Raume der Städte R. und G. sowie ihrer Umgebung gehe, komme eine Zuständigkeit nach § 7 Abs. 3 StBerG nur für FÄ in R. und in G. in Betracht, zu denen jedoch das beklagte FA nicht gehöre. Die Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit sei hier nach § 127 AO 1977 wesentlich, da es sich bei der Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen nach § 7 Abs. 1 StBerG um eine Ermessensentscheidung handele, somit also das örtlich zuständige FA in der Sache eine andere Entscheidung hätte treffen können. Das FG hätte also dem Klagebegehren schon nach § 127 AO 1977, § 7 Abs. 3 StBerG und § 25 AO 1977 stattgeben dürfen.

Die Bescheide vom 10. Mai und 27. September 1978 seien ohne weiteren Zusatz an den "Verlag ... GmbH" gerichtet worden. Eine GmbH könne aber nicht Adressat eines Zwangsverfahrens sein, da sie nur durch ihre Organe handlungsfähig sei und ihre steuerlichen Pflichten nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 durch ihre Geschäftsführer zu erfüllen seien. Nur sie seien kompetent, darüber zu entscheiden, ob dem Auskunftsbegehren entsprochen werden solle oder nicht. Der "Verlag ... GmbH", gegen den sich die Androhung und die Festsetzung des Zwangsgeldes gerichtet habe, sei überhaupt nicht in der Lage gewesen, dem Auskunftsbegehren zu entsprechen; sein Wille habe nur in den Willen seiner Geschäftsführer gebeugt werden können. Diese (oder einer von ihnen) hätten deshalb mit Zwangsmitteln (§§ 328 f. AO 1977) zur Erfüllung der ihnen auferlegten Pflicht angehalten werden können. Adressaten der Androhung und der Festsetzung eines Zwangsmittels hätten somit nur die Geschäftsführer sein können. Das entspreche der im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Juni 1961 VII 126/59 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961 S. 277 - HFR 1961, 277 -) und im Urteil des Niedersächsischen FG vom 20. Dezember 1960 V 141-142/60 (EFG 1961, 319) vertretenen Auffassung sowie dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG).

Zwar bestimme § 164 a StBerG, daß sich die Durchführung des Verwaltungsverfahrens in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil des Gesetzes, also insbesondere auch durch § 7 StBerG geregelt würden, nach der Abgabenordnung richte. Es sei jedoch nicht zu übersehen, daß im Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatungsgesetzes die Vollstreckung wegen Handlungen und Unterlassungen ausdrücklich und abschließend geregelt sei, und zwar nur für die Fälle der Untersagung der Hilfeleistung (§ 7 StBerG) und die Durchführung der Aufsichtsmaßnahme i. S. des § 28 StBerG. Sei damit abschließend geregelt, in welchen Fällen Zwangsmaßnahmen allein zulässig sein sollten, so könne die Festsetzung von Zwangsgeld in anderen Fällen, etwa wegen Verweigerung der Auskunft eines Dritten, nicht durch Rückgriff auf § 164 a StBerG gedeckt sein. Habe aber der Gesetzgeber mit § 159 StBerG bewußt auf Zwangsmaßnahmen gegenüber unbeteiligten Dritten verzichtet, so könne mit der Generalverweisung in § 164 a StBerG der "für die Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts" dienende § 93 AO 1977 nicht für die Einbeziehung unbeteiligter Dritter in ein Ermittlungsverfahren zwecks Einleitung einer Untersagungsanordnung nach § 7 StBerG nutzbar gemacht werden.

Gehe man aber davon aus, daß aufgrund des § 164 a StBerG die Vorschriften des § 93 AO 1977 auch auf ein Ermittlungsverfahren anwendbar seien, in dem die Voraussetzungen für den Erlaß einer Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen nach § 7 StBerG geprüft würden, so stelle sich das Problem, ob nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 eine andere Person als der Beteiligte auch dann zur Auskunft angehalten werden könne, wenn der Beteiligte der Behörde noch nicht bekannt sei. Der erkennende Senat habe im Urteil vom 26. August 1980 VII R 42/80 (BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699) eine sinngemäße Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 auf einen solchen Fall einer Chiffre-Anzeige mit der Begründung bejaht, Aufklärungsmaßnahmen unter Zuhilfenahme des Beteiligten seien hier nicht durchführbar gewesen. Darin liege eine unzulässige tatsächliche Unterstellung. Denn in einem solchen Fall könne die Behörde wie jede andere Person mit dem seinen Namen verbergenden Inserenten in Verbindung treten, indem sie unter der betreffenden Chiffre ihn anschreibe und dieses Schreiben durch den Verlag ihm zuleiten lasse. Der Inserent werde daraufhin in der Regel der Behörde seinen Namen nennen.

Dieser unmittelbare Weg der Anfrage beim Beteiligten, nicht aber der Umweg über die Auskunft eines Dritten sei die für eine Behörde angemessene Lösung. Die damit verbundene Verzögerung sei gering und könne es nicht rechtfertigen, den Umweg zu wählen. Mit seinem Urteil vom 23. Dezember 1980 VII R 91/79 (BFHE 132, 385, BStBl II 1981, 392) über die Pflicht der Behörde, einen nach § 93 AO 1977 zur Erteilung einer Auskunft herangezogenen Dritten zu entschädigen, habe der erkennende Senat bereits die unmittelbare Ansprache des Beteiligten als den angemessenen Weg bestätigt.

Eine Güterabwägung zwischen den Erfordernissen einer freien Presse einerseits und dem Interesse an der Erlangung der konkret erbetenen Auskunft andererseits könne nicht deshalb abgelehnt werden, weil der Gesetzgeber mit der Beschränkung des Auskunftsverweigerungsrechts der Presse auf den Textteil in § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 bereits eine Wertentscheidung zwischen dem Textteil und dem Anzeigenteil getroffen habe.

Auch da, wo der Gesetzgeber einen Eingriff in die Freiheitssphäre zulasse, stelle sich bei der Anwendung des Gesetzes die Frage nach der Verhältnismäßigkeit zwischen Zweck und Mittel. Im vorliegenden Fall sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, weil von der Erteilung der verlangten Auskunft für das FA keinerlei Nutzen zu erwarten sei. Nach der den BFH bindenden Würdigung der Chiffre-Anzeige durch das FG sei ein Verdacht, daß die Inserentin unerlaubte Hilfe in Steuersachen leisten wolle, nicht begründet. Das ergebe sich schon daraus, daß die Anzeige in einer Fachzeitschrift erschienen sei, die sich ganz überwiegend an Angehörige der steuerberatenden Berufe richte.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.

Wenn das FA aufgrund einer Chiffre-Anzeige in einer Zeitschrift den Verdacht schöpft, daß der Aufgeber der Anzeige eine unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen anbietet oder bereits ausübt, und es deshalb tätig wird, um den Aufgeber der Anzeige zu ermitteln und ihm gegebenenfalls die Hilfeleistung nach § 7 Abs. 1 StBerG zu untersagen, so liegt bereits ein Verwaltungsverfahren i. S. des § 164 a StBerG vor, das sich gemäß dieser Vorschrift schlechthin "nach der Abgabenordnung" richtet. Auf diese Ermittlungstätigkeit sind die Vorschriften des § 93 Abs. 1 AO 1977 sinngemäß anzuwenden, wonach die Beteiligten und andere Personen der Finanzbehörde "die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen" haben, andere Personen als die Beteiligten jedoch erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziele führt oder keinen Erfolg verspricht. Bei einem Verwaltungsverfahren, in dem die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StBerG für die Untersagung einer unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen geprüft werden sollen, besteht die sinngemäße Anwendung des § 93 Abs. 1 AO 1977 darin, daß die zur Feststellung eines für die Untersagung der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen sind (vgl. BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699). Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 sollen allerdings andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziele führt oder keinen Erfolg verspricht. Diese Einschränkung der grundsätzlichen Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 setzt voraus, daß zumindest ein Beteiligter und eine andere Person vorhanden und bekannt sind, also der Beteiligte selbst für Auskünfte zur Verfügung steht. Als "Soll"-Vorschrift bringt § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 zum Ausdruck, daß die Behörde zwar in der Regel nach ihr verfahren muß, jedoch in atypischen Fällen von ihr abweichen darf; ob ein atypischer Fall vorliegt, ist am Zweck der Vorschrift zu messen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 10. Aufl., § 93 AO 1977 Rdnr. 5). Ein für § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 atypischer Fall liegt vor, wenn der Beteiligte unbekannt ist und deshalb schon eine Auskunft über seine Person erforderlich ist. Denn hier kann nicht mehr der Zweck dieser Ausnahmevorschrift erfüllt werden, einer anderen Person die mit der Erteilung einer Auskunft in der Regel verbundenen Unannehmlichkeiten so lange zu ersparen, als nicht geklärt ist, daß der Beteiligte selbst den Sachverhalt aufklären kann, und die steuerlichen Verhältnisse des Beteiligten nicht einer anderen Person erkennbar zu machen. Eine Auskunft über die Person des Beteiligten ist nicht ohne weiteres mit Unannehmlichkeiten verbunden, und ihre Anforderung sagt über die steuerlichen Verhältnisse des Beteiligten nichts aus. Die "Soll"-Vorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 kann also nicht dahin verstanden werden, daß die Behörde auch bei der Ermittlung der Person des Beteiligten auf die Inanspruchnahme einer anderen Person so lange verzichten müsse, bis sie alle Möglichkeiten, den Beteiligten selbst zur Auskunft über seine Person zu veranlassen, ausgeschöpft habe.

Eine solche Auslegung würde besonders dann zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen, wenn der Dritte ohne weiteres und ohne Mühe Auskunft über die Person des Beteiligten geben kann, während die Einholung der Auskunft beim Beteiligten selbst nicht durchführbar ist (vgl. BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699). Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall - wie die Klägerin meint - die Einholung einer Auskunft über die Person der Inserentin der Chiffre-Anzeige bei dieser Beteiligten selbst in der Weise durchführbar gewesen wäre, daß das FA die Beteiligte unter der Chiffre anschreibt und ihr das Schreiben durch die Klägerin zuleiten läßt. Denn eine solche am Verhalten von Privatpersonen bei der Wahrnehmung ihrer privaten Belange orientierte Maßnahme ist im Rahmen der durch die Vorschriften des § 93 AO 1977 geregelten hoheitlichen Aufklärungstätigkeit der Behörde nicht zumutbar. § 93 AO 1977 räumt der Behörde bei der Ausübung ihrer hoheitlichen Aufklärungstätigkeit einen gewissen Spielraum ein.

Es ist nicht zu beanstanden, daß das FA davon abgesehen hat, mit einem von der Klägerin weiterzuleitenden Schreiben die Inserentin um die Angabe ihres Namens zu bitten. Es ist nämlich nicht einzusehen, weshalb die Behörde eine solche umständliche, von der Mitwirkung der nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 grundsätzlich selbst auskunftspflichtigen Klägerin abhängige Maßnahme ergreifen sollte, deren Erfolg vom guten Willen der Inserentin abgehangen hätte, nachdem von vornherein eine einfache Anfrage bei der Klägerin einen sicheren Erfolg versprach. Der von der Klägerin dem FA angesonnene "unmittelbare" Weg der Anfrage bei der Inserentin ist gegenüber dem an die Klägerin gerichteten Auskunftsersuchen in Wirklichkeit ein Umweg.

Die von der Klägerin erwähnte Entscheidung des Senats in BFHE 132, 385, BStBl II 1981, 392, über die Pflicht der Behörde, einen nach § 93 AO 1977 zur Erteilung einer Auskunft herangezogenen Dritten zu entschädigen, berührt nicht die hier zu entscheidende Frage, ob der nach der Grundsatzregelung des § 93 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 zulässigen unmittelbaren Heranziehung des Dritten die Ausnahmeregelung des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 entgegensteht.

Die Klägerin konnte die Auskunft über die Person der Inserentin der Chiffre-Anzeige nicht durch Berufung auf die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Pressefreiheit verweigern, da das Auskunftsverweigerungsrecht des § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 dem Auskunftsersuchen nicht entgegensteht (vgl. BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699).

Der erkennende Senat ist an die vom Gesetzgeber durch § 164 a StBerG i. V. m. § 93 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 getroffene Regelung gebunden, wonach das FA vom Verleger eines periodischen Druckwerkes Auskunft über die Person des Aufgebers einer die Hilfeleistung in Steuersachen anbietenden Chiffre-Anzeige verlangen kann. Diese verfassungsrechtlich unbedenkliche Regelung beruht auf einer vom Gesetzgeber selbst vorgenommenen Abwägung zwischen der Schutzbedürftigkeit des Anzeigenteils eines periodischen Druckwerkes und dem Interesse der Öffentlichkeit daran, daß die Behörden bei der Durchführung der Besteuerung oder Erledigung der sonst ihnen übertragenen Aufgaben auch auf Auskünfte Dritter zurückgreifen können. Diese bereits vom Gesetzgeber vorgenommene Güterabwägung schließt entgegen der Auffassung des FG die Möglichkeit aus, im konkreten Fall eines Auskunftsersuchens erneut die sich aus dem Grundsatz der Pressefreiheit ergebende Schutzbedürftigkeit des Anzeigenteils eines periodischen Druckwerkes abzuwägen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erlangung von Auskünften über den Anzeigenteil betreffende Tatsachen (vgl. BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699). Auf die vom Gesetzgeber durch die Regelung des § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 getroffene Wertentscheidung zwischen dem Textteil und dem Anzeigenteil kommt es hier nicht an.

Das an die Klägerin gerichtete Verlangen des FA nach Auskunft über die Person der Aufgeberin der Chiffre-Anzeige entsprach auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es war das angemessene Mittel zur Erreichung eines gesetzlich gebilligten Zwecks. Die Anzeige konnte beim FA den Verdacht begründen, daß die Aufgeberin eine verbotene Hilfeleistung in Steuersachen anbietet. Sie wendet sich an alle Leser der Zeitschrift und bringt zum Ausdruck, daß die Inserentin als Gehilfin in steuerberatenden Berufen bereit ist, für jedermann Abschlüsse und Steuererklärungen als Heimarbeit zu erstellen. Sie ist zwar in einer Fachzeitschrift erschienen, die sich auch an die steuerberatenden Berufe wendet, bringt aber nicht den Willen zum Ausdruck, nur im Dienste eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe tätig zu werden. Das FG meint zwar, die Anzeige sei durchaus so zu verstehen, daß die Aufgeberin eine nichtselbständige Tätigkeit bei einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe anstrebe. Es räumt aber ein, daß sich hinter der Anzeige gleichwohl eine verbotene Tätigkeit oder die Absicht zu einer solchen verbergen kann. Es liegt also über den sachlichen Inhalt der Anzeige keine eindeutige tatsächliche Feststellung vor, die den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) binden könnte. Für das FA war die Klägerin diejenige Person, die ihm am ehesten und unmittelbar Auskunft über die Identität der Aufgeberin der Anzeige geben konnte. Es ist nichts zu erkennen, was zu der Annahme berechtigen könnte, daß die Erteilung der Auskunft für die Klägerin mit besonderen Bemühungen verbunden gewesen sei.

Die sich aus § 164 a StBerG i. V. m. § 93 Abs. 1 Sätze 1 und 3 und § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 ergebende öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht des Verlegers über die Person des Aufgebers einer Chiffre-Anzeige kann nicht durch die vom Oberlandesgericht (OLG) Koblenz im Urteil vom 18. Januar 1980 2 U 76/78 (Archiv für Presserecht 1980 S. 40) bejahte bürgerlich-rechtliche Pflicht des Verlegers als Vertragspartner des Aufgebers beeinträchtigt werden, seine Person einem Dritten gegenüber nicht preiszugeben (vgl. BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699).

Die auf § 164 a StBerG i. V. m. §§ 328 ff. AO 1977 beruhende Befugnis des FA, sein Verlangen nach Auskunft über den Aufgeber einer Chiffre-Anzeige gegenüber dem Verleger mit Zwangsmitteln durchzusetzen, kann nicht deshalb in Zweifel gezogen werden, weil der Gesetzgeber des Steuerberatungsgesetzes in § 159 dieses Gesetzes die Anwendung eines Zwangsmittels nur für die Durchsetzung eines Verwaltungsakts vorgesehen hat, der die Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen nach § 7 StBerG oder die Durchführung von Aufsichtsmaßnahmen i. S. des § 28 StBerG zum Gegenstand hat, und weil diese Regelung des Ersten Abschnitts des Dritten Teils des Steuerberatungsgesetzes in § 164 a dieses Gesetzes ausdrücklich erwähnt ist. Aus dem Umstand, daß in § 159 StBerG für einen Spezialfall das Zwangsgeld besonders geregelt worden ist, ergibt sich nicht, daß dadurch die in § 164 a StBerG allgemein angeordnete Anwendung der Abgabenordnung entgegen ihrem Wortlaut nicht auch die Vorschriften der §§ 328 ff. AO 1977 über die Vollstrekkung wegen Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen umfassen soll, zumal nicht einzusehen ist, weshalb Anordnungen des FA, die nicht unter die Spezialregelung des § 159 StBerG fallen, einer zwangsweisen Durchsetzung entzogen sein sollten.

Das beklagte FA war für die an die Klägerin mit dem Bescheid vom 10. Mai 1978 gerichtete Aufforderung, Name und Anschrift der Aufgeberin der Chiftre-Anzeige vom 27. Februar 1978 mitzuteilen, nach § 164 a StBerG i. V. m. §§ 24 und 25 AO 1977 örtlich zuständig, weil in seinem Bezirk der Anlaß für den Erlaß des Bescheides hervortrat, eine örtliche Zuständigkeit sich nicht aus anderen Vorschriften ergab und das beklagte FA zuerst mit der Sache befaßt wurde. Die Vorschrift des § 7 Abs. 3 StBerG über die örtliche Zuständigkeit für einen Verwaltungsakt, durch den eine unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen untersagt wird, konnte für den Bescheid vom 10. Mai 1978 noch nicht gelten, da sich die getroffene Maßnahme notwendigerweise noch nicht auf die Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen oder deren unmittelbare Vorbereitung beziehen konnte, sondern sich darauf beschränken mußte, zunächst die Person zu ermitteln, der gegenüber möglicherweise eine Untersagung der Hilfeleistung noch auszusprechen sein würde.

Das FA war berechtigt, die Bescheide vom 10. Mai und 18. September 1978, mit denen es das Auskunftsbegehren vom 22. März 1978 wiederholte, ein Zwangsgeld androhte und dieses festsetzte, nur an die Klägerin als GmbH zu richten. Zu den nach § 164 a StBerG i. V. m. § 93 Abs. 1 AO 1977 gegenüber der Finanzbehörde auskunftspflichtigen Personen gehört auch die Klägerin als GmbH. Auch einer GmbH gegenüber kann nach den Vorschriften der §§ 328 ff. AO 1977 ein Zwangsgeld angedroht und festgesetzt werden. Diese machen einen Unterschied zwischen einer natürlichen und einer juristischen Person nur in der Frage der Anordnung einer Zwangshaft (vgl. § 334 AO 1977); Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 328 AO 1977 Rdnr. 26; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung (AO 1977)/Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 328 AO 1977 Anm. 3 Abs. 3; zweifelnd: Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 328 AO 1977 Rdnr. 18). Eine juristische Person ist zur Erteilung von Auskünften gegenüber der Finanzbehörde schließlich auch fähig, da für sie natürliche Personen als ihre Organe tätig werden.

Die Hinweise der Klägerin auf das BFH-Urteil in HFR 1961, 277, auf das Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 1961, 319 und auf § 11 Abs. 1 VwVfG gehen fehl. Denn im vorliegenden Fall kommt es für die Entscheidung der Frage, ob ein Zwangsgeld auch gegenüber einer GmbH angedroht und festgesetzt werden kann, nur auf die gemäß § 164 a StBerG anzuwendenden Vorschriften der §§ 328 ff. AO 1977 an.

Das FG hat somit der Klage gegen die beiden Bescheide vom 10. Mai und 18. September 1978 zu Unrecht stattgegeben. Daher war sein Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74160

BStBl II 1982, 141

BFHE 1981, 231

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