Leitsatz (amtlich)

1. Hat das FA in einem Steuerbescheid eine Rechtsauffassung geäußert, die sich nicht auf die Veranlagung des laufenden Jahres auswirkt und auch nicht in sonstiger Weise bindend ist, so kann diese Meinungsäußerung weder durch Anfechtungs- noch durch Feststellungsklage angegriffen werden.

2. Hat das FG dennoch über eine solche Klage sachlich zuungunsten des FA entschieden, so ist das FA durch diese Entscheidung beschwert.

 

Normenkette

FGO §§ 40, 128

 

Tatbestand

Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1964, ob und mit welchem Wert die den Gesellschaftern einer Besitzpersonengesellschaft gehörenden Anteile an einer Betriebs-GmbH dem Betriebsvermögen der Besitzpersonengesellschaft zuzurechnen sind. Streitig ist ferner, ob für eine sich gegen diese Zurechnung wendende Klage ein Rechtsschutzinteresse besteht, obgleich sich die Zurechnung auf den Gewinn des Streitjahres nicht auswirkt.

Revisionsbeklagte sind eine Kommanditgesellschaft (KG) sowie deren Gesellschafter.

Im Zuge einer im Jahre 1966 bei der KG durchgeführten Betriebsprüfung rechnete der Prüfer den GmbH-Anteil des Komplementärs in Höhe von 50 000 DM sowie den GmbH-Anteil der Kommanditistin in Höhe von 3 000 DM unter Hinweis auf das Urteil des BFH I 131/59 S vom 8. November 1960 (BFH 71, 706, BStBl III 1960, 513) erstmals für das Jahr 1964 dem Betriebsvermögen der KG zu und erhöhte die Einlagen um insgesamt 53 000 DM (Nominalwert der GmbH-Anteile). Eine Auswirkung auf den Gewinn 1964 der KG trat durch diese Hinzurechnung nicht ein. Das FA erließ aufgrund der Betriebsprüfung einen endgültigen Feststellungsbescheid.

Der Bescheid enthielt folgende Erläuterung:

"Unter Bezugnahme auf die im Prüfungsbericht vom 21.11.1966 dargestellten Prüfungsfeststellungen wurde die einheitliche Gewinnfeststellung 1964 gemäß § 225 AO hiermit als endgültig durchgeführt. Hierbei konnten Ihre mit Schreiben vom 22.6.1967 gemachten Einwendungen bezüglich der Aktivierung der GmbH-Anteile der Mitunternehmer an der Firma X-GmbH leider nicht berücksichtigt werden. Auf die vom Prüfer in Tz. 32 des oben erwähnten Prüfungsberichts gemachten Ausführungen nehme ich Bezug."

Der Einspruch der KG und der Gesellschafter, mit denen sich diese gegen die Hinzurechnung der GmbH-Anteile zum Betriebsvermögen der KG, hilfsweise gegen den zu geringen Wertansatz wendeten, blieb erfolglos. Auf deren Klagen entschied das FG:

"Ohne Änderung des im einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1964 vom 17.7.1967 festgestellten Gewinns aus Gewerbebetrieb werden die Anteile des am 16.4.1967 verstorbenen Komplementärs und der Klägerin Ziffer 4 an der GmbH mit 2 950 000 DM und 177 000 DM dem Betriebsvermögen der Klägerin Ziffer 1 [KG] zum 31.12.1964 zugerechnet."

Zur Begründung führte das FG aus, die Klagen der KG und der Gesellschafter seien zulässig, obgleich nicht die Änderung des im einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid festgestellten Gewinns, sondern nur ein anderer Ansatz in der Steuerbilanz begehrt werde.

In ständiger Rechtsprechung werde eine Beschwer des Steuerpflichtigen auch dann angenommen, wenn das FA von einer vom Steuerpflichtigen gewählten bilanzmäßigen Behandlung abweiche und sich dadurch in späteren Veranlagungszeiträumen für den Steuerpflichtigen ein steuerlicher Nachteil ergeben könne.

Mit der Revision beantragt das FA, die Anteile des Komplementärs an der GmbH mit den Anschaffungskosten in die Steuerbilanz einzustellen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist zulässig. Das FA hat ein Rechtsschutzinteresse an ihrer Durchführung. Zwar wurde durch das mit der Revision angegriffene FG-Urteil die Höhe des vom FA festgestellten Gewinns nicht verändert. Der Tenor der Entscheidung enthält jedoch bei der gewinnunabhängigen Festlegung von Bilanzansätzen einen Ausspruch, durch den das FA beschwert wird. Denn er widerspricht der von diesem behaupteten Rechtsauffassung über die Höhe der Bilanzansätze. Dem steht nicht entgegen, daß der Ausspruch des FG - wie noch darzulegen sein wird - nicht ergehen durfte und keine Bindungswirkung hat. Denn auch ein ohne Bindungswirkung mit der Autorität eines gerichtlichen Urteils versehener richterlicher Ausspruch ist geeignet, die Interessen der am Verfahren Beteiligten zu berühren, sei es auch nur in der Weise, daß im Hinblick auf eine vermutete Bindungswirkung in einem nachfolgenden Veranlagungszeitraum von einem der Beteiligten bestimmte Rechtsbehauptungen aufgestellt werden und deren gerichtliche Durchsetzung versucht wird.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Verwerfung des Einspruchs als unzulässig; denn weder die KG noch die Gesellschafter hatten ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den angefochtenen Bescheid.

Voraussetzung für die Zulässigkeit des Einspruchs gegen einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid ist, daß der Betroffene durch den im Bescheid festgestellten Gewinn beschwert ist und er mit dem Einspruch die Beseitigung dieser Beschwer durch Änderung der Höhe des festgestellten Gewinns erstrebt. Hieran fehlt es im vorliegenden Falle. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist und wie auch das FG in der Vorentscheidung mehrfach hervorhebt, wird die Höhe des für das Streitjahr festgestellten Gewinns der KG durch die Zurechnung oder Nichtzurechnung der GmbH-Anteile zu deren Betriebsvermögen nicht beeinflußt. Die KG wendete sich mit dem Einspruch lediglich gegen den Inhalt der Erläuterungen zum angefochtenen Bescheid und damit gleichzeitig gegen die im Betriebsprüfungsbericht vertretene Rechtsauffassung. Sowohl die Erläuterungen zum Bescheid als auch der Betriebsprüfungsbericht stellen aber, da sie sich auf die Höhe des festgestellten Gewinns nicht auswirkten, nicht rechtserhebliche Meinungsäußerungen des FA dar, die nicht als Verwaltungsakte zu beurteilen und daher weder mit dem Einspruch noch mit einem anderen Rechtsbehelf angreifbar sind.

Zu Unrecht wird in der Vorentscheidung die Auffassung vertreten, eine Beschwer sei deshalb zu bejahen, weil sich die Beurteilung der GmbH-Anteile als Betriebsvermögen in späteren Jahren für die KG als nachteilig erweisen könnte. Das FG übersieht dabei, daß die in den Erläuterungen zum angefochtenen Bescheid und im Betriebsprüfungsbericht vom FA vertretene Rechtsauffassung nicht Bestandteil des Tenors des Bescheids wurden, folglich auch nicht in Rechtskraft erwachsen und daher auch keine Bindungswirkung entfalten konnten. Die Frage, ob und in welcher Höhe später bei einer Veräußerung der GmbH-Anteile eine Gewinnrealisierung bei der KG eintreten wird, ist erst in dem Veranlagungszeitraum zu beurteilen, in welchem der Veräußerungsvorgang eintritt.

Daß die Erläuterungen im Feststellungsbescheid etwa für andere Rechtsbeziehungen der KG verbindliche Wirkungen entfalten könnten (vgl. Urteile des RFH VI A 59/25 vom 11. März 1929, RFH 16, 77, und VI 49/43 vom 21. Juli 1943, RStBl 1943, 709), ist nicht erkennbar.

Auch im Rahmen eines Feststellungverfahrens gemäß § 41 der Finanzgerichtsordnung durfte das FG die angefochtene Entscheidung nicht treffen. Denn es bestand weder Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses noch über die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413127

BStBl II 1972, 465

BFHE 1972, 1

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