Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Befinden sich die Geschäftsanteile einer GmbH zum Teil im Besitz der Gesellschaft, so liegt die Vereinigung aller Anteile in einer Hand schon dann vor, wenn die nicht im Besitz der Gesellschaft befindlichen Anteile in einer Hand vereinigt werden.

Das gilt aber nicht, wenn in dem maßgeblichen Zeitpunkt das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft schwebt.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 3

 

Tatbestand

An dem Stammkapital einer GmbH von 200.000 DM war die Beschwerdeführerin (Bfin.) mit 50.000 DM, ihr Mann mit 150.000 DM beteiligt. Der GmbH gehörte ein inländisches Grundstück.

Durch Vertrag vom 27. Februar 1950 veräußerten die Eheleute die GmbH-Anteile an die D.-GmbH (im nachfolgenden: D.). In einem zweiten Vertrag von demselben Tage wurde vereinbart, daß die D. einen Teil des Kaufpreises durch übereignung des der GmbH gehörenden Grundstücks zahlt. Im Anschluß daran ließ die GmbH das Grundstück an die Eheleute auf.

Am 20. März 1950 veräußerte die D. den Anteil von 150.000 DM an die GmbH selbst, über deren Vermögen am 17. Juli 1950 das Vergleichsverfahren und am 16. August 1950 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Am 11. Juli 1950 hatten die Eheleute auf ihre Rechte aus dem Vertrage vom 27. Februar 1950 auf übereigung des Grundstücks verzichtet.

Schließlich übertrug die D. am 24. März 1951 den von der Bfin. erworbenen Anteil von von 50.000 DM an die Bfin. zurück.

Der Streit geht um die Grunderwerbsteuer, die das Finanzamt zu dem letzten Vorgang durch Bescheid vom 5. Juni 1952 mit der Begründung erhoben hat, die Bfin. habe durch den Erwerb sämtlicher Anteile mit Ausnahme der in Besitz der GmbH selbst befindlichen Anteile alle Anteile der GmbH in ihrer Hand vereinigt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) gegen die die Steuerforderung billigende Vorentscheidung hat Erfolg.

Die Bfin. macht wie bisher geltend, die Steuerforderung sei im Hinblick auf § 222 der Reichsabgabenordnung (AO) unzulässig, weil schon der Bescheid vom 4. Dezember 1950 ergangen gewesen sei. Dem steht entgegen, daß das Finanzamt nicht etwa eine Berichtigungsveranlagung vorgenommen, sondern zwei Steuerbescheide zu zwei verschiedenen Erwerbsvorgängen erlassen hat. Der Bescheid vom 4. Dezember 1950 betraf die Veräußerung aller Anteile an die D., der Bescheid vom 5. Juni 1952 die übertragung des Anteils von 50.000 DM auf die Bfin. Daß die Erwerbsvorgänge durch den beabsichtigten, aber verhinderten Austausch der Anteile gegen das Grundstück in einem gewissen Zusammenhang gestanden haben, beeinflußt die getrennte steuerliche Behandlung der beiden Vorgänge nicht.

Die Vorinstanz beruft sich für ihre Auffassung, daß die Bfin. durch den Erwerb des Anteils von 50.000 DM alle Anteile der GmbH im Sinne des § 1 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in ihrer Hand vereinigt habe, auf das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 485/29 vom 23. Oktober 1929, Slg. Bd. 26 S. 100. In diesem Urteil hat der Reichsfinanzhof eine Anteilsvereinigung im Sinne des § 3 GrEStG 1919 auch dann als gegeben angesehen, wenn jemand alle Anteile der Gesellschaft mit Ausnahme derjenigen erwirbt, die sich im Besitz der Gesellschaft selbst befinden. Der Senat tritt dieser Entscheidung grundsätzlich bei; gleichwohl ist die Vorentscheidung mit Rücksicht auf das zur Zeit des oben erwähnten Anteilserwerbs schwebende Konkursverfahren nicht gerechtfertigt.

Der Reichsfinanzhof geht in seinem Urteil zwar davon aus, daß eine bürgerlich-rechtliche Vereinigung sämtlicher Anteile Voraussetzung der Steuerpflicht aus dem damaligen § 3 GrEStG ist, und hebt hervor, daß der neben der Gesellschaft selbst nur noch vorhandene einzige Gesellschafter das Vermögen der Gesellschaft in gleicher Weise beherrscht, wie wenn der Gesellschaft selbst keine Geschäftsanteile zuständen. Nach außen sei zwar der Geschäftsführer zum Handeln berechtigt und verpflichtet. Dieser sei aber weiter nichts als das Werkzeug des Gesellschafters, der im Notfall jederzeit - ggf. bei einem Notar - eine Gesellschafterversammlung abhalten und so in aller Form den Willen des Geschäftsführers bestimmen könne. Eine solche Beherrschung des Vermögens der Gesellschaft durch den Gesellschafter ist nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr gegeben. Nach § 6 Abs. 1 der Konkursordnung (KO) verliert der Gemeinschuldner (hier: GmbH bzw. deren Geschäftsführer) die Befugnis, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen, das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird nach Abs. 2 daselbst durch den Konkursverwalter ausgeübt. Den Willen dieses kraft seines Amtes handelnden Konkursverwalters kann auch der Gesellschafter (hier: Bfin.) in keiner Weise bestimmen. Die Gesellschaftsorgane bleiben zwar bestehen, der Konkursverwalter schließt aber im Bereich seiner Befugnisse alle Organe aus (vgl. u. a. Baumbach-Hueck, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschr. Haftung - GmbH - 6. Auflage, Bemerkung 5 A zu § 60). Im Streitfall hat dann auch der Konkursverwalter auf Grund seines Verwaltungs- und Verfügungsrechts das der Gesellschaft gehörige Grundstück am 13. Mai 1952 verkauft.

Das GrEStG 1940 trägt wirtschaftlichen Gesichtspunkten in weiterem Umfang Rechnung als das Gesetz 1919; insbesondere stellt sein § 1 Abs. 2 in verstärktem Maße die wirtschaftliche Verfügungsmacht der rechtlichen Verfügungsmacht gleich. Deshalb hat auch schon der Reichsfinanzhof für das Gesetz 1940 entschieden, daß unter der Vereinigung aller Anteile nach § 1 Abs. 3 des neuen Gesetzes auch die wirtschaftliche Vereinigung aller Anteile zu verstehen ist. Als eine solche sieht der Senat grundsätzlich den Erwerb aller Anteile mit Ausnahme derjenigen, die sich im Besitz der Gesellschaft selbst befinden, an. Es muß dann auch dem Umstand Rechnung getragen werden, daß der Gesellschafter (hier: Bfin.) wegen des zur Zeit des Anteilserwerbs schwebenden Konkursverfahrens, wie oben dargelegt wurde, keinen Einfluß auf die Verwaltung usw. des Gesellschaftsvermögens auszuüben in der Lage ist. Der Senat sieht mithin im Streitfall eine Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht als gegeben an. Wie zu entscheiden wäre, wenn die Bfin. rechtlich sämtliche 100 % Anteile der im Konkurs befindlichen Gesellschaft erworben hätte, kann dahingestellt bleiben.

Da schon die Nichtanwendbarkeit des § 1 Abs. 3 GrEStG dazu führt, die Bfin. von der Steuer freizustellen, war auf den hilfsweise auf § 17 Abs. 2 Ziff. 1 a. a. O. gestützten Antrag nicht mehr einzugehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407858

BStBl III 1954, 83

BFHE 1954, 451

BFHE 58, 451

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