Leitsatz (amtlich)

Verkauft eine Kapitalgesellschaft ein Grundstück an ihre Gesellschafter zu einem unter dem gemeinen Wert liegenden Preis, so liegt in Höhe der körperschaftsteuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung behandelten Differenz zwischen Kaufpreis und gemeinem Wert keine Gegenleistung des kaufenden Gesellschafters an die Gesellschaft vor, um die die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer (der Kaufpreis) zu erhöhen wäre.

 

Normenkette

GrEStG §§ 10, 11 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und sein Bruder waren alleinige Gesellschafter der inzwischen gelöschten C-GmbH. Am 22. Dezember 1959 schlossen sie mit der GmbH einen Kaufvertrag über ein der GmbH gehörendes Grundstück, aufgrund dessen sie je 1/2 Anteile an diesem Grundstück erwarben.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) setzte - entsprechend dem im Kaufvertrag angegebenen Kaufpreis - mit Bescheiden vom 5. Mai 1960 Grunderwerbsteuer fest. Die Erwerber wurden am 26. August 1960 im Grundbuch eingetragen.

Anläßlich einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß der von den Erwerbern gezahlte Preis nicht dem gemeinen Wert des Grundstücks entsprochen hatte. Die verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH an die Gesellschafter wurde auf ...DM beziffert und entsprechend den Ertragsteuern unterworfen.

Mit Bescheiden vom 31. Mai 1966 berichtigte das FA auch die Grunderwerbsteuerfestsetzungen, indem es von einer um ...DM höheren Bemessungsgrundlage ausging. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG sah die Zahlung des Kaufpreises als Gegenleistung an, über die hinaus keine weitere Gegenleistung feststellbar sei. Selbst wenn es richtig sei - was dem Grunde nach wohl auch vom Kläger nicht bestritten werde -, daß das Grundstück unter Wert verkauft sei und in Höhe der Differenz eine verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH an die Gesellschafter vorliege, habe der Kläger neben dem Kaufpreis weder eine weitere Leistung erbracht, noch habe die Verkäuferin eine solche erhalten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Die Steuer für den gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgang ist vom Wert der Gegenleistung zu berechnen (§ 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß als Gegenleistung jede Leistung gilt, die der Erwerber - hier der Kläger - als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks bzw. des Hälfteanteils am Grundstück gewährt oder der Veräußerer - hier die GmbH - für die Veräußerung des Grundstücks bzw. des Hälfteanteils am Grundstück empfangen hat (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG; vgl. auch Boruttau-Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 11 Rdnr. 7).

Unstreitig gehört zur Gegenleistung der tatsächlich gezahlte Kaufpreis.

Neben dem Kaufpreis hat der Kläger - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - eine weitere Leistung weder erbracht, noch die GmbH eine solche erhalten, und zwar auch nicht in Höhe des Unterschieds zwischen dem gemeinen Wert des Grundstücks und der tatsächlichen Zahlung.

Der Verkauf des Grundstücks unter einem Preis, der von Dritten gezahlt werden würde, hat zwar die Wirkung, daß der Jahresgewinn der GmbH um eben diesen Unterschied gemindert entsteht. Darin liegt jedoch keine Leistung des Klägers oder eines Dritten an die GmbH.

a) Der Kläger hat durch die Vereinbarung eines unter dem gemeinen Wert liegenden Kaufpreises auch nicht etwa eine Leistung dadurch erbracht, daß er auf einen Gewinnanspruch verzichtet hätte.

Die Gesellschafter einer GmbH haben zwar Anspruch auf den nach der jährlichen Bilanz sich ergebenden Reingewinn (§ 29 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Die Entstehung dieses Anspruchs setzt aber voraus, daß die Geschäftsführung der GmbH für das verflossene Jahr die Bilanz (und eine Gewinn- und Verlustrechnung) aufgestellt hat (§ 41 Abs. 2 GmbHG), diese Bilanz von den Gesellschaftern festgestellt (§ 46 Nr. 1 GmbHG) und danach die Gewinnverteilung beschlossen worden ist.

Erst der Gewinnverteilungsbeschluß löst den Gewinnanspruch aus (vgl. Urteil des RG vom 17. November 1915 II 361/15, RGZ 87, 383, 386 Steuerrechtsprechung; Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 7. Aufl., § 29, Rdnr. 40; Baumbach-Hueck, GmbH-Gesetz, 13. Aufl., § 46 Anm. 2 B) und läßt mit anderen Worten das für den einzelnen Gesellschafter unentziehbare und klagbare Recht auf Ausschüttung des seinem Geschäftsanteil (bzw. bei anderweitig im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Verteilungsmaßstab des diesem Maßstab) entsprechenden Teiles dieses Gewinnes entstehen.

b) Der Anspruch auf den Jahresgewinn kann zwar schon zuvor Gegenstand des Rechtsverkehrs sein, ist aber dann zunächst nur ein bedingtes Recht. Jedoch hegt vor Ablauf des Jahres der Gesellschafter einer GmbH dieser gegenüber allenfalls eine Gewinnerwartung, hat aber keinen Gewinnanspruch und kann damit der Gesellschaft gegenüber insoweit auch rechtlich keinen zugunsten der GmbH wirkenden Verzicht leisten.

c) Der Verkauf eines Wirtschaftsgutes durch eine GmbH an ihre Gesellschafter zu einem unter dem im Wirtschaftsleben erzielbaren Preis führt zwar zwangsläufig dazu, daß der Jahresgewinn rechnerisch entsprechend diesem Unterschied beeinflußt wird, das Einverständnis mit dieser Folge ist aber weder rechtlich noch wirtschaftlich eine "Leistung" des Gesellschafters oder der Gesellschafter an die GmbH. Ob etwas anderes dann gilt, wenn nur ein Gesellschafter durch einen günstigen Kauf von der Kapitalgesellschaft einen Vorteil erlangt, die anderen Gesellschafter dafür aber einen Anspruch auf Geldersatz haben (vgl. Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Der Betriebs-Berater 1972 S. 894) kann hier dahinstehen. Nur eine Leistung, die der Gesellschafter an die Gesellschaft oder Dritte erbringt, oder eine Leistung, die die Gesellschaft erhält, gilt als Gegenleistung i. S. von § 11 GrEStG. Leistungen der Verkäuferin an den Käufer gehören jedenfalls nicht zur Gegenleistung i. S. von §§ 10, 11 GrEStG (vgl. dazu auch Urteil des BFH vom 10. Juni 1969 II 172/64, BFHE 96, 429, BStBl II 1969, 668, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Grunderwerbsteuergesetz, § 10, Rechtsspruch 32).

d) Die Gesellschaft hat auch keine Vermögensmehrung dadurch erfahren, daß die Gesellschafter durch ihr Einverständnis mit dem "Unterpreisgeschäft" eine Minderung des inneren Wertes ihrer Geschäftsanteile hingenommen haben. Die Vorschriften über die Besteuerungsgrundlage enthalten keine Bestimmung, daß zur Gegenleistung auch eine auf den Kauf des Grundstücks folgende Minderung dieses Wertes zu rechnen ist.

Dafür, daß ein Fall des früheren § 6 des Steueranpassungsgesetzes vorliegen könnte, gibt es keine Anhaltspunkte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72666

BStBl II 1978, 201

BFHE 1978, 237

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