Leitsatz (amtlich)

In der Regel steht die Zurückbehaltung eines Wirtschaftsgutes einer steuerbegünstigten Teilbetriebsveräußerung schon dann entgegen, wenn in dem zurückbehaltenen Wirtschaftsgut erhebliche stille Reserven enthalten sind.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1969, ob die Voraussetzungen einer steuerbegünstigten Teilbetriebsveräußerung i. S. der §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt sind.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft, betreibt ein Textilunternehmen, das auf die Herstellung, die Be- und Verarbeitung von Textilien sowie auf den Vertrieb von Textilerzeugnissen gerichtet ist. Im Rahmen ihres Unternehmens führte sie eine Tischdecken- und Geschenkartikelabteilung, die sie am 1. August 1969 an die Firma X-GmbH veräußerte.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung verweigerte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) in dem Änderungsbescheid vom 29. Mai 1974 die Feststellung, daß es sich bei dem aus dem Verkauf der Tischdecken- und Geschenkartikelabteilung resultierenden Gewinn in Höhe von ... DM um einen steuerbegünstigten Gewinn aus der Veräußerung eines Teilbetriebs handele.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) erfolgten die Fertigung und der Vertrieb der Tischdeckenartikel in dem räumlich von den übrigen Betriebsteilen getrennten Werk II; dort wurden die entsprechenden Fertigwaren auch gelagert. Die Fertigung der Tischdecken bestand in dem sog. Konfektionieren, d. h. dem Zuschneiden der bezogenen Tischdecken- und Platzdeckenmeterware. Ein Teil der im Werk II bearbeiteten Ware wurde als gefärbte Ware von Webern bezogen, ein anderer Teil zuvor im Werk I der Klägerin auf Maschinen bedruckt, die dem übrigen Unternehmensbereich dienten. Von dem Umsatz der Tischdecken- und Geschenkartikelabteilung entfielen rund 15 v. H. auf den Vertrieb der im Werk I bedruckten Ware.

Von den Umsätzen entfielen je 50 v. H. auf den Vertrieb von Tischdecken einerseits und den Vertrieb von Geschenkartikeln andererseits. Nach außen hin trat die Abteilung, deren Buchführung im Rahmen der Gesamtbuchführung getrennt geführt wurde, selbständig unter der Bezeichnung "A" und unter dem Warenzeichen "B" auf.

Auf die Erwerberin wurden neben dem Inventar und der Büroeinrichtung das Fertigwarenlager, die Halberzeugnisse, die Rohware sowie die Zubehörartikel und das Warenzeichen übertragen. Die bislang in dieser Abteilung beschäftigten Arbeiter und Angestellten einschließlich des im Außendienst tätigen Personals wurden von der Erwerberin übernommen. Diese trat auch in die bestehenden Ein- und Verkaufsverpflichtungen der Klägerin ein. Die Klägerin und die Erwerberin schlossen ferner einen Rahmenvertrag, nach dem die Klägerin verpflichtet ist, mit ihren Maschinen für die Erwerberin im Wege des Lohndruckes tätig zu werden. Gleichzeitig wurde bezüglich des Gebäudes "Werk II" ein Mietvertrag abgeschlossen.

Das FG gab der nach § 45 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhobenen Klage statt. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Die Tischdecken- und Geschenkartikelabteilung sei im Rahmen des Gesamtunternehmens der Klägerin als Teilbetrieb geführt worden; denn sie habe sich als selbständiger und lebensfähiger Teilorganismus des Gesamtunternehmens dargestellt. Die Abteilung habe auf einem eigenen Fertigungs- und Vertriebsprogramm basiert. Sie habe personell ein Eigenleben geführt und sei nach außen unabhängig von dem Firmennamen unter besonderer Bezeichnung und eigenem Warenzeichen aufgetreten. Das Eigenleben habe auch in der Buchführung sowie darin Ausdruck gefunden, daß die Fertigung in dem räumlich von dem übrigen Betrieb getrennten Werk II erfolgt sei. Der Annahme eines Teilbetriebes stehe nicht entgegen, daß ein Teil der Tischdeckenmeterware zuvor in einem anderen Unternehmensbereich der Klägerin bedruckt worden sei. Zwar sei nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. September 1971 I R 66/68 (BFHE 103, 173, BStBl II 1972, 118) eine Aufteilung eines Fertigungsbetriebs mit mehreren Produktionszweigen in Teilbetriebe grundsätzlich dann nicht möglich, wenn für die einzelne Produktion wesentliche Maschinen nur für alle Produktionsabteilungen zur Verfügung stünden. Vorliegend handele es sich aber nicht um einen reinen Herstellungsbetrieb. Ferner hätten die Erlöse aus dem Vertrieb der im Werk I bedruckten Tischdecken lediglich 15 v. H. des Umsatzes der gesamten Tischdecken- und Geschenkartikelabteilung ausgemacht. Unter diesen Umständen könnten die Druckmaschinen nicht als wesentlich für die veräußerte Abteilung angesehen werden. Hinzu komme, daß in Betrieben der von der Klägerin veräußerten Art dem Druckvorgang bei der Herstellung von Tischdecken im Gegensatz zur Dessinierung nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen werde.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 16, 34 EStG. Zur Begründung trägt es vor, das FG habe nicht beachtet, daß die Klägerin den Grund und Boden mit dem aufstehenden Gebäude (Werk II) nicht mitveräußert habe. Die Zurückbehaltung dieses Betriebsvermögens stehe einer steuerbegünstigten Teilbetriebsveräußerung entgegen; denn es seien nicht alle wesentlichen Grundlagen des Teilbetriebes veräußert und damit nicht sämtliche stillen Reserven aufgelöst worden. Nach der Rechtsprechung des BFH seien Grundstücke immer dann als wesentliche Grundlage eines Betriebes anzusehen, wenn sie ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung besitzen. Dies sei im Streitfall wegen der im Werk II vorgenommenen Arbeitsvorgänge und der Lagerung der Fertigwaren zu bejahen.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist ein Teilbetrieb i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes, der für sich allein lebensfähig ist. Das den Teilbetrieb bestimmende Merkmal der Selbständigkeit erfordert, daß die veräußerten Wirtschaftsgüter in ihrer Zusammenfassung einer Betätigung dienen, die sich im Rahmen des Gesamtunternehmens von der übrigen gewerblichen Tätigkeit deutlich abhebt (vgl. z. B. Urteile des BFH vom 5. Oktober 1976 VIII R 62/72, BFHE 120, 257, BStBl II 1977, 42; vom 19. Februar 1976 IV R 179/72, BFHE 118, 323, BStBl II 1976, 415, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Diese Voraussetzungen hat die Vorinstanz zutreffend bejaht. Nach den bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) war die veräußerte Abteilung im Sinne eines Teilbetriebes organisatorisch verselbständigt. Für die Abteilung war nicht nur eigenes Inventar und sonstiges Anlagevermögen sowie eine eigene Buchführung vorhanden. Sie führte auch personell ein Eigenleben innerhalb des Gesamtbetriebes und trat nach außen mit eigenem Verkaufsprogramm wie ein selbständiger Zweigbetrieb auf. Auch die Ausführungen des FG, die Druckmaschinen stellten sich für die veräußerte Abteilung wegen des geringen Umsatzanteils der auf ihnen bedruckten Tischdecken und wegen der Besonderheiten der Branche nicht als wesentlich dar, beinhalten eine mögliche und damit den Senat bindende Wertung. Diese Entscheidung steht nicht im Widerspruch zum Urteil I R 66/68; denn die Frage, welche Wirtschaftsgüter für einen Teilbetrieb wesentlich sind, liegt auf tatsächlichem Gebiet und hängt jeweils von den Besonderheiten des Einzelfalles ab.

2. Die steuerbegünstigte Veräußerung eines Teilbetriebes setzt voraus, daß alle wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert und dadurch die in dem veräußerten Teilbetrieb gebildeten stillen Reserven von Bedeutung durch den einheitlichen Veräußerungsvorgang grundsätzlich aufgelöst werden (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1974 I R 40/72, BFHE 114, 85, BStBl II 1975, 232).

Die Vorinstanz hat festgestellt, daß das Gebäude des Werkes II von der Klägerin an die Erwerberin vermietet worden ist. Sie hat aber diesen Umstand bei ihrer Entscheidung nicht weiter verfolgt, obwohl sich die Frage aufdrängen mußte, ob das zurückbehaltene Gebäudegrundstück des Werkes II nicht wesentliche Betriebsgrundlage des Teilbetriebes war. Dies ist ein Mangel in der Urteilsfindung, der zur Aufhebung der Vorentscheidung führen muß.

Nach der Rechtsprechung des BFH sind Betriebsgrundstücke in der Regel keine Wirtschaftsgüter von untergeordneter Bedeutung, sondern gehören zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen. Die Beurteilung dieser Frage liegt jedoch weitgehend auf tatsächlichem Gebiet (BFH-Urteile vom 28. Oktober 1964 IV 102/64 U, BFHE 81, 240, BStBl III 1965, 88; vom 26. September 1968 IV 22/64, BFHE 94, 10, BStBl II 1969, 69; I R 40/72, jeweils mit weiteren Nachweisen). Da das FG der Frage nicht nachgegangen ist, ob das Gebäudegrundstück des Werkes II wesentliche Betriebsgrundlage der veräußerten Abteilung war und infolgedessen erforderliche Feststellungen fehlen, kann der Senat über die Sache nicht abschließend entscheiden. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben und an das FG zurückzuverweisen.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG die Frage, ob das Gebäudegrundstück, auf dem sich das Werk II befand, wesentliche Betriebsgrundlage des Teilbetriebes war, unter Beachtung von Sinn und Zweck der Vorschriften der §§ 16 Abs. 1 Nr. 1, 34 Abs. 1 und 2 Nr. 1 EStG zu beantworten haben. Der Grund für die Gewährung eines ermäßigten Steuersatzes liegt darin, daß bei der Veräußerung eines Betriebes oder Teilbetriebes infolge der zusammengeballten Realisierung von im Laufe der Jahre angesammelten stillen Reserven ein Gewinn anfällt, der im laufenden Geschäftsbetrieb typischerweise nicht auftritt. Von dieser Zwecksetzung her ist ein dem Betrieb oder Teilbetrieb dienendes Wirtschaftsgut in der Regel schon dann als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen, wenn in ihm erhebliche stille Reserven ruhen. Die Zurückbehaltung eines solchen Wirtschaftsgutes im Betriebsvermögen steht damit einer begünstigten Teilbetriebsveräußerung in der Regel entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 1976 IV R 200/72, BFHE 119, 430, BStBl II 1976, 672, unter Ziff. 1 a der Entscheidungsgründe). Sollten im Zeitpunkt der Veräußerung der Abteilung in dem Gebäudegrundstück "Werk II" nicht nur unerhebliche stille Reserven vorhanden gewesen sein, so stünde die Zurückbehaltung dieses Grundstücks schon aus diesem Grunde einer steuerbegünstigten Teilbetriebsveräußerung entgegen. Erst dann, wenn sich erhebliche stille Reserven nicht feststellen lassen sollten, käme es auf die Frage an, ob das Gebäudegrundstück für das Werk II aus anderen wirtschaftlichen Gesichtspunkten (aufgrund seiner Lage, seines Zuschnittes oder Umfanges der Nutzung usw.) als für den Teilbetrieb wesentlich angesehen werden muß.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73179

BStBl II 1979, 557

BFHE 1979, 54

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