Leitsatz (amtlich)

Eine mit dem Betriebsübergang auf die Tochter als Alleinerbin und Alleinunternehmerin begründete Nießbrauchslast zugunsten der von der Erbfolge ausgeschlossenen Mutter ist keine Betriebsschuld. Ihr Wegfall infolge Todes der Berechtigten führt daher nicht zu einer Gewinnerhöhung.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1970 der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), der Alleininhaberin einer Schreinerei, die den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4, 5 EStG) ermittelt, ob eine aui dem Betriebsvermögen ruhende Nießbrauchslast betrieblicher Natur war und ob deshalb infolge Wegfalls des Nießbrauchs eine Gewinnerhöhung eintrat (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG).

Die Klägerin hatte das Betriebsgrundstück und die Maschinen als Erbin ihres im Jahre 1961 verstorbenen Vaters zu Buchwerten übernommen. Ihrer Mutter stand aufgrund Ehe- und Erbvertrags ein lebenslänglicher Nießbrauch an dem Anlagevermögen zu. Die Klägerin sah den Nießbrauch als private Last an und wies ihn deshalb in den Bilanzen nicht aus. Sie nutzte das ihr überlassene, mit dem Nießbrauch belastete Anlagevermögen aufgrund eines Pachtvertrages, den sie mit ihrer Mutter geschlossen hatte.

Aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung veranlaßte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die erfolgsneutrale Einbuchung der kapitalisierten Nießbrauchslast für die Zwecke der Gewinnermittlung vom Jahre 1964 an. In den Folgejahren führte die jeweilige Verringerung der Last nach Maßgabe der geminderten Lebenserwartung der Berechtigten zur entsprechenden gewinnerhöhenden Auflösung des Passivpostens. Andererseits ließ das FA den Abzug der Pachtzahlungen an die Nießbrauchsberechtigte (monatlich 420 DM) als Betriebsausgaben zu. Nach dem Tode der Mutter am 5. Mai 1970 buchte die Klägerin die Nießbrauchslast gewinneutral über das Kapitalkonto aus. Das FA vertrat hingegen nach einer weiteren Betriebsprüfung den Standpunkt, daß die Nießbrauchslast gewinnerhöhend aufzulösen sei. Es erließ demgemäß einen berichtigten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1970.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (vgl. EFG 1974, 513). Das FG ging davon aus, daß das nach § 7 Abs. 1 EStDV übergegangene Betriebsvermögen um die Nießbrauchslast vermindert gewesen sei. Der Wegfall der Last habe zu einer Werterhöhung des Betriebsvermögens geführt, welche als außerordentlicher Ertrag zu erfassen sei. Auch nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung müsse eine Nießbrauchslast, wie sie im Streitfall bestanden habe, passiviert werden, da andernfalls die Gläubiger infolge des zu hohen Ausweises des Betriebsvermögens getäuscht würden.

Mit der Revision wird beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1970 unter Anerkennung der gewinneutralen Ausbuchung der Nießbrauchslast (24 300 DM) festzusetzen, sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Die Klägerin führt aus, daß dem Nießbrauch nicht die Bedeutung eines Entgelts zukomme. Sie habe das Betriebsvermögen unentgeltlich übernommen. Die Nießbrauchslast sei privater Natur gewesen. Der Wegfall dürfe daher den Gewinn nicht beeinflussen. Die Last sei folglich gewinneutral auszubuchen gewesen (Hinweis auf Seithel, DStR 1971, 647, mit weiteren nachweisen).

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Der Erwerb einzelner Wirtschaftsgüter wie eines ganzen Betriebes durch Erbfolge bewirkt, daß der Erbe in die Rechtsstellung des Erblassers tritt (§ 1922 BGB). Das gilt auch in steuerrechtlicher Beziehung. Der Erbe hat daher die Buchwerte des Erblassers fortzuführen. Der Vermögensübergang selbst ist nicht betrieblicher Natur. Er vollzieht sich auf der privaten Vermögensebene der Beteiligten (vgl. Urteile des BFH vom 29. Mai 1969 IV R 238/66, BFHE 96, 182, BStBl II 1969, 614, mit Übersicht der Rechtsprechung, sowie vom 8. September 1971 I R 191/69, BFHE 103, 175, BStBl II 1972, 12; Seithel, a. a. O., 647 ff.).

Ein im Zusammenhang mit dem Erbfalle entstandener, aufgrund Erbvertrags an die Stelle eines gesetzlichen Erbteils getretener Nießbrauch am Nachlaß, welcher das übergegangene Betriebsvermögen belastet, ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz keine betriebliche, sondern eine außerbetriebliche Last, die schon aus diesem Grund nicht bilanzierungsfähig ist. Der Senat braucht nicht auf die Frage einzugehen, inwieweit ein Nießbrauch als solcher überhaupt passivierungsfähig ist und ob - betrieblichen Charakter vorausgesetzt - eine Passivierung nur bezüglich bestimmter Verpflichtungen in Betracht kommt, welche sich aus einem Nießbrauchsverhältnis ergeben. Jedenfalls bewirkt der Umstand, daß der Nießbrauch auf dem Betriebsvermögen ruht, nicht, daß er bilanziert werden müßte. Der abweichenden Ansicht von Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 38 b zu § 6 EStG, S. E 110, auf welche das FA sich beruft, stimmt der Senat nicht zu. Der Gläubigerschutzgedanke greift hier nicht durch. Denn auch nach Handelsrecht sind nur betriebliche Verbindlichkeiten zu passivieren (vgl. § 5 Abs. 3. § 13 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen - Publizitätsgesetz - vom 15. August 1969, BGBl I S. 1189; dazu Wirtschaftsprüfer-Handbuch 1973 S. 708 ff., 859). Eine andere, hier nicht interessierende Frage ist, ob handelsrechtliche Grundsätze es gebieten können, Privatvermögen - auch Privatschulden - eines Kaufmanns "unter dem Strich" zu vermerken. Steuerrechtlich liegt die Sache nicht anders als bei dem Ausweis von Betriebsvermögen, welches mit privaten Erbabfindungshypotheken oder mit beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten oder Reallasten zur Sicherung von Versorgungsansprüchen des Betriebsübergebers oder sonstiger außerbetrieblicher Verbindlichkeiten belastet ist.

Das FG ging mit dem FA davon aus, daß die Klägerin nur das um den Nießbrauch verminderte Betriebsvermögen erworben habe, da der Nießbrauch als "negatives Wirtschaftsgut" gewissermaßen zurückbehalten worden sei. Damit begründete das FG seine Auffassung, daß der Wegfall des Nießbrauchs zu einer Werterhöhung des Betriebsvermögens i. S. eines betrieblichen Vorgangs geführt habe. Die Vorinstanz hat indes nicht berücksichtigt, daß der Vermögensübergang auf den Erben und die damit zusammenhängende Entstehung des Nießbrauchs einen einheitlichen, auf den Erblasser unmittelbar zurückzuführenden Vorgang darstellten, der sich in der privaten Vermögenssphäre der Beteiligten abspielte (ähnlich zur Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt BFH-Urteil vom 28. Februar 1974 IV R 60/69, BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481).

Da die Nießbrauchslast zum notwendigen Privatvermögen gehörte, hätte sie nicht bilanziert werden dürfen. Die Bilanz war daher zu berichtigen. Da sich die unrichtige Bilanzierung steuerlich bereits ausgewirkt hatte, konnte die Berichtigung nicht in der Anfangsbilanz des Streitjahres, sondern erst in der Schlußbilanz vorgenommen werden. Die Berichtigung hat in der Weise zu geschehen, daß die Nießbrauchslast gewinneutral ausgebucht wird. Es gelten sinngemäß die Grundsätze, die der erkennende Senat für die Berichtigung einer Bilanz durch Ausbuchung positiver Wirtschaftsgüter aufgestellt hat (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juni 1972 I R 189/69, BFHE 106, 422, BStBl II 1972, 874; vom 3. November 1972 I R 208/70, BFHE 107, 498, BStBl II 1973, 194).

2. FA und FG haben die Mietzinsen, welche die Klägerin an die Nießbrauchsberechtigte zahlte, als Betriebsausgaben zum Abzug zugelassen. Bei dieser Sachbehandlung bewendet es, obschon die Nießbrauchslast entgegen der Ansicht der Vorinstanz außerbetrieblicher Art war. Denn sowohl der Nießbrauch als auch das auf seiner Grundlage vereinbarte Mietverhältnis sind steuerrechtlich anzuerkennen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die getroffene Vereinbarung ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach als familiäre Versorgungsabrede zu beurteilen wäre (vgl. BFH-Urteile vom 30. November 1967 IV 39/65, BFHE 91, 86, BStBl II 1968, 265; vom 8. August 1969 VI R 299/67, BFHE 96, 473, BStBl II 1969, 683). Andererseits bewendet es auch bei der auf den Zeitraum bis zum 5. Mai 1970 im Streitjahr eingetretenen Gewinnerhöhung durch die laufende Auflösung des zu Unrecht gebildeten Passivums Nießbrauchslast. Denn die Klägerin hat einen entsprechenden weitergehenden Revisionsantrag nicht gestellt (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

3. Die Einkommensteuer 1970 ist demgemäß wie folgt festzusetzen: ...

 

Fundstellen

Haufe-Index 71819

BStBl II 1976, 378

BFHE 1976, 337

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