Leitsatz (amtlich)

Der Begriff "Anteile an Handelsschiffen" i. S. von § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w EStG 1965 und § 82 f Abs. 3 EStDV 1965 umfaßt jedenfalls auch Kommanditanteile (Mitunternehmeranteile) an einer KG, deren einziger Gegenstand des Anlagevermögens ein Handelsschiff ist. Eine Veräußerung eines Kommanditanteils innerhalb der Sperrfrist des § 82 f EStDV 1965 führt deshalb zu einem rückwirkenden Wegfall der anteiligen Sonderabschreibungen.

 

Normenkette

EStG 1965 § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w; EStDV 1965 § 82f Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Veräußerung eines Kommanditanteils innerhalb der Sperrfrist des § 82 f EStDV 1965 eine Veräußerung eines Anteils an einem Handelsschiff darstellt und deshalb zu einem rückwirkenden Wegfall der anteiligen Sonderabschreibungen führt, die auf den veräußerten Kommanditanteil entfallen.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Kommanditist der Kommanditgesellschaft X, der Beigeladenen (im folgenden KG).

Die KG war Ende 1965 gegründet worden. Laut Gesellschaftsvertrag war Gegenstand des Unternehmens der Erwerb und der Betrieb von Seeschiffen, insbesondere von Passagierschiffen. Die KG gab ... den Bau des ... BRT großen Schiffes TS "A" in Auftrag. Das Schiff wurde 1969 fertiggestellt. Seit diesem Zeitpunkt betrieb die KG mit dem Schiff die Passagierschiffahrt.

Die KG war in den Streitjahren außerdem als Vertragsreeder für das TS "B" tätig, das der C-Gesellschait gehörte. Die KG bereederte dieses Schiff für Rechnung der Eigentümerin gegen Erstattung der aufgewendeten Kosten. Weitere Schiffe unterhielt die KG in den Streitjahren nicht.

An der KG waren in den Streitjahren zahlreiche Personen als Kommanditisten beteiligt.

Der im Zuge der Gründung der KG übernommene Kommanditanteil des Klägers betrug nominell 49 000 DM. An dem Kommanditanteil war eine Frau Z zu 50 v. H. offen unterbeteiligt. Mit Wirkung vom 1. Januar 1970 veräußerte der Kläger seinen Kommanditanteil, und zwar an die Unterbeteiligte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hatte mit einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheiden vom 20. März 1972 für die Streitjahre 1966 bis 1969 jeweils Verluste der KG festgestellt, die u. a. aus der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach § 82 f EStDV 1965 auf die Anzahlungen und auf die herstellungskosten des TS "A" herrührten. Das FA hatte dem Kläger in den Feststellungsbescheiden jeweils entsprechende Verlustanteile zugerechnet, in denen sich auch die Sonderabschreibungen niedergeschlagen hatten.

Mit Bescheid vom 31. Mai 1974 berichtigte das FA die Verlustfeststellungen der KG für die Streitjahre 1966 bis 1969, soweit sie den Kläger betrafen, in der Weise, daß es den Anteil des Klägers an den Sonderabschreibungen nach § 82 f EStDV 1965 stornierte und für den Kläger entsprechend niedrigere Verlustanteile feststellte, weil der Kläger vor Ablauf der Sperrfrist des § 82 f Abs. 3 EStDV 1965 seinen Anteil an der KG veräußert habe.

Der Kläger erhob nach erfolglosem Einspruch Klage. Er machte insbesondere geltend, die Veräußerung eines Kommanditanteils, insbesondere an einen anderen Mitunternehmer, sei entsprechend dem Sinn und Zweck der Sperrfrist des § 82 f EStDV 1965 keine Veräußerung eines Anteils an einem Handelsschiff, also nicht steuerschädlich. Das FG wies die Klage ab. Das FA habe die Feststellungsbescheide 1966 bis 1969 zu Recht gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 StAnpG berichtigt, weil der Kläger durch die Veräußerung seines Kommanditanteils vor Ablauf der vierjährigen Sperrfrist seinen Anspruch auf die anteiligen Sonderabschreibungen rückwirkend verloren habe.

Mit der Revision beantragt der Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verurteilen, die berichtigten Gewinnfeststellungsbescheide 1966 bis 1969 vom 31. Mai 1974 ersatzlos aufzuheben. Der Kläger rügt sinngemäß unrichtige Anwendung des § 82 f Abs. 3 EStDV 1965 und des § 11 Nr. 5 StAnpG.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w Satz 1 EStG 1965 war die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über Sonderabschreibungen bei Handelsschiffen. Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w Satz 6 EStG 1965 waren die Sonderabschreibungen "nur unter der Bedingung zuzulassen, daß die Handelsschiffe innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren nach ihrer Anschaffung oder Herstellung nicht veräußert werden; für Anteile an einem Handelsschiff gilt dies entsprechend". Von dieser Ermächtigung machte die Bundesregierung in § 82 f EStDV 1965 Gebrauch. Nach § 82 f Abs. 1 Satz 1 EStDV 1965 können Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 5 EStG ermitteln, bei Handelsschiffen, die in einem inländischen Schiffsregister eingetragen sind, neben den nach § 7 EStG zu bemessenden AfA bis zu insgesamt 30 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abschreiben. Nach § 82 f Abs. 3 EStDV 1965 ist die Inanspruchnahme der Abschreibungen nach Abs. 1 "nur unter der Bedingung zulässig, daß die Handelsschiffe innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren nach ihrer Anschaffung oder Herstellung nicht veräußert werden. Für Anteile an Handelsschiffen gilt dies entsprechend."

2. Im steuerrechtlichen Schrifttum, das sich allerdings nur ausnahmsweise mit Einzelheiten zur Anwendung der oben genannten Vorschriften befaßt, wird einmütig die Auffassung vertreten, daß der Begriff "Anteile an Handelsschiffen" i. S. von § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w EStG und § 82 f Abs. 3 EStDV auch Kommanditanteile (Mitunternehmeranteile) an einer Kommanditgesellschaft umfaßt, zu deren Gesellschaftsvermögen ein oder mehrere Handelsschiffe gehören (s. insbesondere Killius in Rädler/Raupach, Handbuch der steuerbegünstigten Kapitalanlagen, 1973, S. 245 ff., 261 mit weiteren Nachweisen in Fußnote 49; Fleischmann/Röschinger/Meyerhoff, Steuern, die Vermögen werden? S. 107-108).

3. Die Vorentscheidung ist der Auffassung, daß der Begriff "Anteile an Handelsschiffen" i. S. von § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w EStG und § 82 f Abs. 3 EStDV jedenfalls Kommanditanteile an solchen Kommanditgesellschaften umfaßt, deren einziger Gegenstand des Anlagevermögens ein Handelsschiff ist. Die Vorentscheidung führt insoweit aus, die Veräußerung eines Anteils an einem Handelsschiff liege sicher vor, wenn das Schiff einer Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) gehöre und ein Miteigentümer seinen Anteil veräußere. Wirtschaftlich geschehe nichts anderes, wenn das Handelsschiff als einziges Vermögen einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) gehöre und ein Mitgesellschafter seinen Gesellschaftsanteil veräußere. Der Gesellschaftsanteil sei in einem solchen Falle vermögensmäßig und wirtschaftlich dem gesamthänderisch gebundenen Anteil am Schiff gleichzusetzen. Dies werde durch die Vorschrift des § 11 Nr. 5 StAnpG (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) unterstützt. Das gleiche würde im Falle einer Partenreederei zu gelten haben, bei der der Mitreeder gesamthänderisch gebundener Mitunternehmer sei. Das TS "A" sei einziger Gegenstand des Anlagevermögens einer Kommanditgesellschaft. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Veräußerung eines Kommanditanteils an einer solchen KG nicht als Veräußerung eines Anteils an einem Handelsschiff anzusehen sein solle. Der Senat pflichtet diesen Ausführungen bei, und zwar unabhängig von der vom FG angesprochenen, für den Streitfall jedoch unerheblichen sachenrechtlichen Problematik der Partenreederei (dazu z. B. Abraham, Das Seerecht, 4. Aufl., S. 84 ff.).

Die Richtigkeit der Ausführungen des FG wird durch folgende Erwägungen bestätigt:

Wie der BFH mehrfach ausgesprochen hat, ist in der Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft auf einen oder alle der bisherigen Gesellschafter oder auf einen neueintretenden Gesellschafter gegen Entgelt für den ausscheidenden Gesellschafter eine Veräußerung und für den übernehmenden Gesellschafter eine Anschaffung zu sehen. Dabei ist zivilrechtlich Gegenstand der Übertragung der Gesellschaftsanteil als solcher, d. h. die Mitgliedschaft und der in dieser enthaltene Anteil am gesamten Gesellschaftsvermögen, weil, wie die Revision zu Recht hervorhebt, bei Personengesellschaften mit Gesamthandvermögen nach herrschender zuvilrechtlicher Lehre die Annahme einer Übertragung eines Anteils an den einzelnen Gegenständen des Gesellschaftsvermögens dem Wesen der Gesamthand widersprechen würde (vgl. z. B. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 37. Aufl., § 719 Anm. 2 c). Einkommensteuerrechtlich ist die Rechtslage jedoch anders, wobei offenbleiben kann, ob dies aus der Systematik des Einkommensteuergesetzes, insbesondere dem Wesen der Einkommensbesteuerung der Personengesellschaften und ihrer Gesellschafter oder aus § 11 Nr. 5 StAnpG (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977) abzuleiten ist. Einkommensteuerrechtlich ist Gegenstand der Anschaffung des übernehmenden Gesellschafters nicht etwa ein in der Steuerbilanz grundsätzlich nicht bilanzierungsfähiger Anteil an einer Personengesellschaft; es sind dies vielmehr die Anteile des ausscheidenden Gesellschafters an den einzelnen Wirtschaftsgütern, die zum Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft gehören; demgemäß sind die Aufwendungen des übernehmenden Gesellschafters für den Erwerb des Gesellschaftsanteils, soweit sie die Buchwerte der Anteile des ausscheidenden Gesellschafters an den einzelnen Wirtschaftsgütern übersteigen (und damit in der Bilanz der Gesellschaft als solcher fortgeführt werden), in einer Ergänzungsbilanz als Anschaffungskosten für die erworbenen Anteile an den einzelnen Wirtschaftsgütern den Gesellschaftsvermögens zu aktivieren (s. z. B. BFH-Urteile vom 12. Juni 1975 IV R 129/71, BFHE 116, 335 [338] BStBl II 1975, 807; vom 30. Januar 1974 IV R 109/73, BFHE 111, 483, BStBl II 1974, 352; vom 24. Mai 1973 IV R 64/70, BFHE 109, 438, BStBl II 1973, 655; vom 11. Juli 1973 I R 126/71, BFHE 110, 402, BStBl II 1974, 50). Dieser einkommensteuerrechtlichen Wertung des Erwerbs eines Anteils an einer Personengesellschaft beim Erwerber entspricht es notwendigerweise, daß auch beim Veräußerer als Gegenstand der Veräußerung grundsätzlich die Anteile an den einzelnen Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens anzusehen sind, und zwar unabhängig davon, daß das Einkommensteuergesetz die Veräußerung der Anteile eines Gesellschafters an sämtlichen zum Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft gehörigen Wirtschaftsgütern (eventuell in Verbindung mit Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens) tarifbegünstigt und zu diesem Zwecke in § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Veräußerung eines Mitunternehmeranteils besonders erwähnt.

Wenn aber bei der Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft, insbesondere eines Kommanditanteils, einkommensteuerrechtlich grundsätzlich allgemein von einer Veräußerung und Anschaffung von Anteilen des ausscheidenden Gesellschafters an den einzelnen Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens auszugehen ist, so erscheint es zwingend, jedenfalls die Veräußerung eines Kommanditanteils an einer Kommanditgesellschaft, deren einziger Gegenstand des Anlagevermögens ein Handelsschiff ist, als Veräußerung eines Anteils an Handelsschiffen i. S. von § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w EStG und § 82 f Abs. 3 EStDV zu werten.

4. Die Einwände der Revision können nicht überzeugen.

a) Es trifft nicht zu, daß vom Sinn und Zweck des § 82 f EStDV her gesehen kein Grund vorhanden sei, bei Veräußerung eines Gesellschaftsanteils an einer Personengesellschaft innernalb der Sperrfrist des § 82 f Abs. 3 EStDV die Sonderabschreibungen anteilig rückgängig zu machen. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade weil die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils an einer Personengesellschaft, zu deren Gesellschaftsvermögen ein Handelsschiff gehört, gemäß §§ 16, 34 EStG tarifbegünstigt ist und die Höhe des tarifbegünstigten Veräußerungsgewinns vielfach wesentlich von den anteiligen Sonderabschreibungen mitbestimmt wird, erscheint es sachgerecht, wenigstens die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils innerhalb der Sperrfrist als Tatbestand zu normieren, der zum rückwirkenden Wegfall der anteiligen Sonderabschreibungen (und damit zu einer Minderung des buchmäßigen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinns) führt (s. auch Quast, Steuerbegünstigte Kapitalanlagen, 2. Aufl. 1975 S. 123). Dabei ist unerheblich, ob der Kommanditanteil an einen Dritten oder an einen anderen Mitunternehmer veräußert wird, weil dieser Unterschied auch für die Tarifvergünstigung der §§ 16, 34 EStG belanglos ist.

Im übrigen bedarf es bei der Anwendung typisierender Mißbrauchsvorschriften nicht des Nachweises, daß der im Einzelfall verwirklichte Sachverhalt für sich betrachtet als mißbräuchlich zu werten ist.

b) Mit dem Einwand, das FG habe sich nicht damit auseinandergesetzt, daß die übrigen Ermächtigungsvorschriften des § 51 EStG (z. B. Sonderabschreibungen für Anlagen zur Verhinderung von Schädigungen durch Abwässer oder zur Verhinderung von Lärm) keinen rückwirkenden Fortfall der Sonderabschreibungen bei vorzeitigem Ausscheiden eines Mitunternehmers vorsehen, will die Revision offenbar unausgesprochen eine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Gleichheitssatzes geltend machen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes liegt jedoch offensichtlich nicht vor. Die normierten Sachverhalte sind so wesensverschieden, daß ihre unterschiedliche einkommensteuerrechtliche Wertung bereits dadurch hinreichend gerechtfertigt erscheint, daß im Normalfall zwar Handelsschiffe, nicht aber z. B. Anlagen zur Verhinderung von Schädigung durch Abwässer oder zur Verhinderung von Lärm die wesentliche Grundlage eines gewerblichen Unternehmens bilden werden, und daß zwar die Höhe tarifbegünstigter Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften, zu deren Gesellschaftsvermögen Handelsschiffe gehören, durch Sonderabschreibungen in erheblichem Umfange beeinflußt wird, nicht hingegen der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften, zu deren Gesellschaftsvermögen z. B. Anlagen zur Verhinderung von Schädigung durch Abwässer oder zur Verhinderung von Lärm gehören. Auch sind im allgemeinen zwar Handelsschiffe typischer Gegenstand von Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäften, nicht hingegen z. B. Anlagen zur Verhinderung von Schädigungen durch Abwässer oder zur Verhinderung von Lärm.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72745

BStBl II 1978, 368

BFHE 1978, 516

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