Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Schriftliche gesellschaftsrechtliche Verträge, die sich eine rückwirkende Geltung beimessen, sind anzuerkennen, wenn sie lediglich früher rechtswirksam abgeschlossene mündliche Vereinbarungen bestätigen.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 2; StAnpG § 6

 

Tatbestand

(Tatbestand verkürzt wiedergegeben) Streitig ist die Verteilung des Gewinns einer Personengesellschaft auf die einzelnen Mitunternehmer.

An einer Kommanditgesellschaft sind A als persönlich haftender Gesellschafter und Frau B als Kommanditistin beteiligt. Durch Vertrag vom 10. September 1955 wurde die Ehefrau des persönlich haftenden Gesellschafters A nunmehr ebenfalls als Kommanditistin in die Gesellschaft aufgenommen. Nach Angabe der Kommanditgesellschaft hat sie bereits seit Jahren in dem Unternehmen der Gesellschaft mitgearbeitet. Ihre Einlage ist aus dem bisherigen Kapitalkonto ihres Ehemannes, des Komplementärs A, buchmäßig zum 1. Januar 1955 abgezweigt worden.

Abweichend von der schriftlichen vertraglichen Regelung vereinbarten die Gesellschafter, den Reingewinn mit je 37,5 % auf das Ehepaar A und mit 25 % auf die Kommanditistin B zu verteilen. Nach diesem Verhältnis hat die Gesellschaft die Gewinne ab 1. Januar 1955 für das Jahr 1955 und für die folgenden Geschäftsjahre verteilt. Das Finanzamt lehnte diese Gewinnverteilung für das Jahr 1955 mit der Begründung ab, die Ehefrau A sei erst im September 1955 Gesellschafterin geworden und es dürfe deshalb nur der auf die Zeit nach ihrem Eintritt in die Gesellschaft entfallende Gewinn nach dem vereinbarten Verhältnis aufgestellt werden. Die Gesellschaft vertrat im Rechtsmittelverfahren die Auffassung, daß in Vollzug der Früheren mündlichen Vereinbarungen der Gewinn bereits ab 1. Januar 1955 anteilmäßig auch auf die Ehefrau A aufzuteilen sei. Wie sich aus der buchmäßigen Behandlung ergebe, habe der Gesellschaftsvertrag vom 10. September 1955 nur noch die früheren mündlichen Vereinbarungen schriftlich bestätigt.

Das Finanzgericht hat die Gewinnverteilung der Kommanditgesellschaft anerkannt, weil die Gesellschafter den Jahresgewinn grundsätzlich nach ihrem freien Belieben verteilen dürften, und die Voraussetzungen des § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) nicht gegeben seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Eine Gesellschaft entsteht durch den Abschluß des Gesellschaftsvertrags. Daher kann eine Rückbeziehung des Zeitpunkts der Entstehung einer Gesellschaft auf ein vor dem Abschluß des Gesellschaftsvertrages liegendes Datum keine steuerlichen Wirkungen ausüben, und zwar auch dann nicht, wenn die Zurückbeziehung keinen Umgehungstatbestand im Sinne des § 6 StAnpG erfüllt. Das Finanzgericht durfte es infolgedessen bei seiner Entscheidung nicht dahingestellt lassen, ob der Eintritt der Ehefrau des Gesellschafters A als Kommanditistin erst am 10. September oder bereits am 1. Januar 1955 erfolgte.

Für Gesellschaftsverträge sieht das Gesetz keine bestimmte Form vor. Sie können auch mündlich geschlossen werden. Unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß die beteiligten Familienangehörigen sich über den Eintritt der Ehefrau des Gesellschafters A als Kommanditistin in die Gesellschaft zum 1. Januar 1955 bereits vor diesem Zeitpunkt formlos geeinigt haben und der nachfolgende schriftliche Vertrag lediglich eine Wiedergabe der mündlich bereits beschlossenen und durchgeführten Vereinbarungen enthält. Das Finanzgericht hätte daher ermitteln müssen, ob Frau A auf Grund formloser Vereinbarung schon vom 1. Januar 1955 ab an dem Unternehmen beteiligt worden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424250

BStBl III 1961, 94

BFHE 1961, 249

BFHE 72, 249

BB 1961, 1000

DB 1961, 361

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