Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn infolge der zeitlichen überschneidung der jeweils für die Produktion einer bestimmten Saison aufgenommenen und aus den Erlösen der Saisonproduktion zu tilgenden Kredite ein Mindestkredit in bestimmter Höhe längere Zeit bestehen bleibt, so liegt insoweit in der Regel eine Dauerschuld vor.

 

Normenkette

GewStG § 8 Ziff. 1, § 12 Abs. 2 Ziff. 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Feststellung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags für 1954, ob die der beschwerdeführenden AG gewährten Saisonkredite als Dauerschulden (ß 8 Ziff. 1, § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG) anzusehen sind.

Die Bfin. betreibt eine Konservenfabrik, die laufend bei einer Großbank in zwei verschiedenen Städten auf Grund getrennter Kreditvereinbarungen sogenannte Saisonkredite aufnahm, die vereinbarungsgemäß jeweils den für die Saison notwendigen Rohstoffeinkauf finanzieren und aus dem Verkauf der in der Saison hergestellten Konserven abgedeckt werden sollten und auch abgedeckt wurden. Bevor jedoch der einzelne unter diesen Bedingungen für eine Kampagne gewährte Saisonkredit vereinbarungsgemäß abgedeckt werden könnte, macht der Beginn der folgenden Kampagne die Aufnahme neuer Saisonkredite bei derselben Bank notwendig, so daß bei Zusammenfassung aller Kreditaufnahmen bei dieser Bank jeweils jährlich Schuldverbindlichkeiten in bestimmter Höhe bestehenblieben.

Finanzamt und Finanzgericht behandelten diese Mindestbeträge als Dauerschulden. Die Bfin. war der Auffassung, daß die einzelnen jeweils der Rohstoff-Finanzierung dienenden typischen Saison- und Kampagnekredite für sich betrachtet werden müßten und jedenfalls dann nicht als Dauerschulden angesehen werden könnten, wenn sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der laufenden Produktion und den Veräußerungsvorgängen einer bestimmten Saison stünden und aus den Verkaufserlösen dieser Saison in verhältnismäßig kurzer Zeit abgedeckt würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Bfin. ist nicht begründet.

Die Ausführungen des Finanzgerichts, mit denen es der Auffassung der Bfin. entgegentritt, daß die von der Bank gewährten einzelnen, sich aber überschneidenden Saisonkredite nicht zusammengefaßt und nicht als Dauerschulden beurteilt werden dürften, weil jeder einzelne Saisonkredit mit den diese Saison betreffenden Produktions- und Veräußerungsvorgängen in engem wirtschaftlichen Zusammenhang stünde, stimmen mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs überein und lassen keinen Rechtsirrtum erkennen. Zutreffend geht das Finanzgericht davon aus, daß die Zulässigkeit der Zusammenfassung mehrerer Kreditgeschäfte mit demselben Gläubiger für die Beurteilung, ob ein einheitliches Dauerschuldverhältnis vorliegt, von den Umständen des einzelnen Falles abhängt (Urteil des Reichsfinanzhofs I 441/38 vom 9. Januar 1940, RStBl 1940 S. 666). Die Gleichartigkeit, die Regelmäßigkeit und die gleichbleibende Zweckbestimmung der einzelnen Kreditverträge mit derselben Bank rechtfertigen die zusammenfassende Beurteilung.

Daß es sich um Saison- und Kampagnekredite handelte, führt zu keiner von den allgemeinen Grundsätzen abweichenden rechtlichen Beurteilung (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 589/38 vom 26. Oktober 1938, RStBl 1938 S. 1117). Saisonkredite sind allerdings in der Regel deshalb keine Dauerschulden, weil sie nach Ablauf der Saison zurückgezahlt werden und weil sie deshalb nicht als Mindestkredite in bestimmter Höhe die Betriebsmittel verstärken. Kann aber der einzelne Saisonkredit vor Aufnahme des nächstjährigen Saisonkredits nicht zurückgezahlt werden, so daß immer ein bestimmter Mindestkredit bestehenbleibt, so richtet sich die gewerbesteuerliche Beurteilung solcher laufender Kredite nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung allgemein für Kontokorrentverhältnisse entwickelt hat. Die Anwendung dieser Grundsätze beruht auf der zusammenfassenden und einheitlichen Betrachtung der laufenden Kreditgewährung.

Eine Auflösung der laufenden Kreditgewährung in einzelne steuerliche für sich zu beurteilende Kreditgeschäfte läßt, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, die Rechtsprechung insbesondere dann zu, wenn ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Kreditgewährung und den einzelnen Warengeschäften oder sonstigen typischen Geschäftsvorfällen festgestellt werden kann. Die Voraussetzungen für eine solche Betrachtung hat der Senat zuletzt unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung im Urteil I 172/58 U vom 1. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 51, Slg. Bd. 70 S. 137) dargestellt. Danach muß der enge wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Kreditgewährung und den einzelnen Warengeschäften oder den einzelnen typischen Geschäftsvorfällen vertraglich vereinbart und bei der Abwicklung der Geschäfte auch tatsächlich nachprüfbar sein. Daß der laufende Bankkredit nach der Vereinbarung und nach der tatsächlichen Handhabung allgemein der laufenden Produktion und der Abwicklung des Warengeschäfts einer bestimmten Zeitperiode dient, reicht zur Zerlegung in einzelne für sich zu betrachtende Kreditgeschäfte nicht aus, weil es an der notwendigen engen Verknüpfung mit einzelnen laufenden Geschäftsvorfällen fehlt.

Der Senat kann sich der Auffassung der Bfin. nicht anschließen, daß die gleichen Grundsätze auch für einen Kredit angewendet werden müßten, der vereinbarungsgemäß und tatsächlich der Produktion und dem Warengeschäft einer bestimmten Saison dient und aus den Verkaufserlösen der Produktion dieser Saison abzudecken ist. Wie sich aus der Begründung der obenbezeichneten Entscheidung des Senats I 172/58 U und aus dem ebenfalls einen Saisonkredit behandelnden Urteil des Bundesfinanzhofs I 87/55 vom 11. September 1956, Steuerrechtsprechung in Karteiform, § 8 Ziff. 1 GewStG, Rechtsspruch 3, ergibt, ist es nicht vertretbar, die Voraussetzungen, unter denen abweichend von den für den laufenden Kontokorrentkredit entwickelten Grundsätzen ein laufender Bankkredit in einzelne gesondert zu betrachtende Kreditgeschäfte zerlegt werden darf, noch weiter auszudehnen. Würde man dies dem Wunsch der Bfin. entsprechend tun und die nachweisbare Verwendung eines laufenden Kredits zur Finanzierung des laufenden Warengeschäfts eines bestimmten Zeitraums als ausreichend für die gesonderte Betrachtung und Behandlung dieses Kredits ansehen, so käme man im Ergebnis dazu, normale Betriebskredite, die der Finanzierung der laufenden Produktion und des Warengeschäfts dienen, weitgehend nicht mehr als Dauerschulden anzusehen. Das wäre mit dem Wortlaut und dem Sinn des § 8 Ziff. 1 GewStG insofern nicht vereinbar, als unter "Betriebskapital" weder steuerlich noch wirtschaftlich nur das Anlagevermögen verstanden werden kann. Der Senat muß daran festhalten, daß die allgemeine Sicherungsübereignung der Warenvorräte ebensowenig wie die laufende Abtretung aller Außenstände den notwendigen Zusammenhang der Kreditgewährung mit einzelnen Warengeschäften begründet. Es muß vielmehr vereinbart und nachprüfbar sichergestellt sein, daß der sich aus der Abwicklung jedes einzelnen Warengeschäfts ergebende Erlös dem kreditgebenden Gläubiger zusteht, zur Abwicklung des einzelnen Kreditgeschäfts verwendet wird und damit der freien Verfügung des Schuldners entzogen ist.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Saisonkredit unterscheidet sich von dem für die Durchführung eines einzelnen Filmvorhabens gewährten Kredit (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 137/58 U vom 18. August 1959, BStBl 1959 III S. 430, Slg. Bd. 69 S. 453) besonders dadurch, daß der Saisonkredit mit einer großen Zahl lediglich durch das Zeitmoment zusammengefaßter einzelner Geschäftsvorfälle in losem wirtschaftlichen Zusammenhang steht, die Herstellung eines Films aber als ein einzelner für den Filmhersteller typischer Geschäftsvorfall angesehen werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410164

BStBl III 1961, 422

BFHE 1962, 427

BFHE 73, 427

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