Leitsatz (amtlich)

Unter der Geltung der Reichsabgabenordnung war der von der Rechtsprechung geforderte und mit der Unerfahrenheit der Land- und Forstwirte auf steuerlichem Gebiet begründete Hinweis auf den Beginn der Buchführungspflicht dann nicht erforderlich, wenn der betreffende Land- und Forstwirt durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe steuerlich beraten wurde und dies dem FA bekannt war.

 

Orientierungssatz

Landwirtseheleute begründen steuerlich eine Mitunternehmerschaft, wenn sie im Rahmen eines Siedlungsverfahrens vom Staat einen landwirtschaftlichen Hof je zur Hälfte als Miteigentümer zu Bruchteilen erwerben und die zum Hof gehörende Landwirtschaft in der Weise betreiben, daß der Ehemann den Betrieb führt und die Ehefrau im Betrieb mitarbeitet (vgl. BFH-Urteil vom 30.6.1983 IV R 206/80). Aus der Tatsache, daß der Ehemann gegenüber dem FA als Alleinunternehmer aufgetreten ist, was auch bei gemeinsamem Eigentum bis zum Bekanntwerden der o.g. BFH-Entscheidung allgemein üblich war, kann nicht gefolgert werden, daß er entgegen der materiellen Rechtslage steuerlich als Alleinunternehmer behandelt werden muß.

 

Normenkette

EStG 1975 §§ 13, 13a; AO § 161; AO 1977 § 141; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Landwirtseheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In den sechziger Jahren erwarben sie einen neugegründeten Aussiedlerhof. Die Ländereien des Hofes hatten früher im wesentlichen dem Vater des Klägers gehört und waren von diesem ohne die Hofstelle an eine Siedlungsgesellschaft übertragen worden. Die Siedlungsgesellschaft errichtete eine neue Hofstelle mit Wohn- und Betriebsgebäuden und veräußerte sie nebst Ländereien (Größe: 33,81 ha) zum Kaufpreis von 304 000 DM an die Kläger je zur ideellen Hälfte zu Miteigentum. Gleichzeitig erhielten die Kläger zur Begleichung des Restkaufgeldes einen Siedlungskredit von 259 400 DM bewilligt. Der Hof wird von den Klägern nach ihrem unbestrittenen Vortrag gemeinsam bewirtschaftet.

Dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) gegenüber zeigte nur der Kläger am 1.Januar 1964 die Eröffnung eines Unternehmens der Land- und Forstwirtschaft an. Die Rechtsform des Unternehmens wurde mit Einzelunternehmen gekennzeichnet. In den den Einkommensteuererklärungen der Folgejahre beigefügten Anlagen zur Gewinnermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft führte der ab 1965 steuerlich beratene Kläger nur seinen Namen auf. Das FA sah dementsprechend den Kläger als Inhaber des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes an und rechnete ihm allein die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für 1973 ergaben sich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft von über 16 000 DM. Das FA forderte daher den Kläger auf, ab 1.Juli 1976 Bücher zu führen. Das Schreiben erging am 25.Juni 1975. Hiergegen legte der Steuerberater des Klägers Beschwerde ein; zugleich focht er den Einkommensteuerbescheid 1973 vom 16.September 1975 an. Die gegen den Einkommensteuerbescheid 1973 geführte Klage, mit der die Höhe des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft beanstandet wurde, blieb ohne Erfolg. Darauf nahm der Kläger auch die Beschwerde am 20.Juli 1979 zurück. Da der Kläger ab 1.Juli 1976 keine Bücher führte, schätzte das FA die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach Maßgabe des § 162 der Abgabenordnung (AO 1977). Gegen die Einkommensteuerbescheide 1976 und 1977 legte der Kläger Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens wechselte der steuerliche Berater des Klägers.

Der neue Berater machte erstmals geltend, zwischen den Klägern habe seit Jahren eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bestanden. Die Aufforderung zur Buchführung sei aber allein an den Kläger gerichtet gewesen und deshalb nicht wirksam geworden. Die Kläger beantragten, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Rahmen einheitlicher und gesonderter Gewinnfeststellungen zu ermitteln und je zur Hälfte den Eheleuten zuzurechnen.

Durch Bescheid vom 13.Mai 1981 lehnte das FA die Durchführung von einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen für die Jahre 1976 bis 1978 ab. Das FA ging im Einspruchsbescheid davon aus, daß die Kläger die Land- und Forstwirtschaft in den Streitjahren nicht gemeinsam im Rahmen einer GbR betrieben hätten.

Hiergegen wandten sich die Kläger mit der Klage. Sie vertraten die Auffassung, daß sie als Mitunternehmer des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes anzusehen seien. Sie hätten die Landwirtschaft seit Jahren in Form einer GbR betrieben; denn sie seien beide zur ideellen Hälfte Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens und damit auch an den stillen Reserven beteiligt. Die Klägerin betreue selbständig die für den Betrieb besonders bedeutsame Milchkuhhaltung (60 Tiere) einschließlich Ein- und Verkauf, tierärztliche Behandlung und Besamung. Aufgabe des Klägers sei der ackerbauliche Teil des Betriebes. Vereinbart sei angesichts der gleichen Vermögens- und Arbeitsleistungsanteile eine hälftige Gewinnbeteiligung.

Die Kläger beantragten, das FA zu verpflichten, für die Streitjahre 1976 bis 1978 einheitliche Gewinnfeststellungen durchzuführen und jeweils den Gesamtgewinn gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf 13 000 DM festzustellen und ihnen davon je 50 v.H. zuzurechnen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie tragen vor, wegen der unzureichenden Tatsachenermittlung habe das FG das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft verneint. Außerdem weiche das FG von einer Reihe von Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der Streitfrage ab.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für die Streitjahre 1976 bis 1978 für nichtbuchführungspflichtige Landwirte gemäß § 13a EStG durchzuführen; hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben, damit das FG die erforderlichen Tatsachenfeststellungen nachholen und erneut in der Sache entscheiden kann.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es räumt ein, aufgrund der abgegebenen Steuererklärungen in Verbindung mit dem Urteil des BFH vom 7.Oktober 1982 IV R 186/79 (BFHE 136, 537, BStBl II 1983, 73) sei für die Zukunft zwischen den Klägern ein Gesellschaftsverhältnis anerkannt worden. Dagegen hätten die bisher jahrelang abgegebenen Steuererklärungen nur den Schluß zugelassen, daß der Ehemann Alleinunternehmer gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Nach dem Urteil des Senats vom 30.Juni 1983 IV R 206/80 (BFHE 138, 561, BStBl II 1983, 636) begründen Landwirtseheleute steuerlich eine Mitunternehmerschaft, wenn sie im Rahmen eines Siedlungsverfahrens vom Staat einen landwirtschaftlichen Hof je zur Hälfte als Miteigentümer zu Bruchteilen erwerben und die zum Hof gehörende Landwirtschaft in der Weise betreiben, daß der Ehemann den Betrieb führt und die Ehefrau im Betrieb mitarbeitet. Diese Voraussetzungen liegen auch im Streitfall vor. Die Kläger sind zu gleichen Teilen Miteigentümer des von ihnen von der Siedlungsgesellschaft erworbenen landwirtschaftlichen Anwesens mit den dazugehörigen Liegenschaften und Gesamtschuldner der ihnen von der Siedlungsgesellschaft eingeräumten Kredite geworden. Wie das Amt für Agrarstruktur in Niedersachsen im Verfahren IV R 206/80 (a.a.O.) mitgeteilt hat, ist es nach den siedlungsrechtlichen Bestimmungen erforderlich, daß beide Ehegatten Gesamtschuldner der gewährten Siedlungskredite und zu gleichen Teilen Miteigentümer der Siedlerstelle werden. Es steht außerdem fest, daß einerseits der Kläger nach außen als Leiter des landwirtschaftlichen Betriebes auftritt und die Äcker des Betriebes bewirtschaftet, andererseits aber die Klägerin durch die selbständige Betreuung der 60 Milchkühe in erheblichem Maße im Betrieb mitarbeitet. Da zwischen den Klägern auch keine nachweisbaren Vereinbarungen bestanden, nach denen die Klägerin die Nutzung ihres Anteils am landwirtschaftlich genutzten Vermögen unentgeltlich oder entgeltlich dem Kläger überlassen hat, bestand schon in den Streitjahren zwischen den Klägern eine Mitunternehmerschaft, auch wenn der Kläger unrichtigerweise gegenüber dem FA als Alleinunternehmer aufgetreten ist. Das Auftreten des Ehemannes als Alleininhaber des landwirtschaftlichen Betriebes, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen, war auch bei gemeinsamem Eigentum bis zum Bekanntwerden der einschlägigen Rechtsprechung des BFH allgemein üblich. Daraus kann nicht gefolgert werden, daß der Ehemann entgegen der materiellen Rechtslage steuerlich auch als Alleinunternehmer behandelt werden muß.

Als Mitunternehmer waren daher die beiden Kläger gemeinsam an den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft beteiligt. Diese Einkünfte sind daher gemäß § 180 Abs.1 Nr.2 a AO 1977 im gesonderten Feststellungsverfahren festzustellen und den Klägern entsprechend ihren Anteilen am landwirtschaftlichen Vermögen je zur Hälfte zuzurechnen. § 180 Abs.3 AO 1977 findet keine Anwendung.

Danach ist die Verpflichtungsklage der Kläger, für die Streitjahre 1976 bis 1978 einheitliche und gesonderte Feststellungsbescheide über ihre Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erlassen, dem Grunde nach begründet. Die Vorentscheidung muß daher aufgehoben werden.

2. Was die Höhe der den einheitlichen und gesonderten Feststellungen zugrunde zu legenden Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft betrifft, so muß sie gemäß § 162 AO 1977 im Wege der Schätzung ermittelt werden, wie es das FA für die Einkommensteuerveranlagungen 1976 und 1977 schon unter der Annahme getan hat, daß der Kläger Alleininhaber des Betriebes war. Denn die Kläger waren ab 1.Juli 1976 buchführungspflichtige Landwirte, deren Gewinne nicht mehr gemäß § 13a EStG nach Durchschnittsätzen ermittelt werden konnten.

a) Der Einwand der Kläger, sie seien nicht buchführungspflichtig geworden, weil die Aufforderung zur Buchführung nicht an sie beide, sondern nur an den Kläger allein ergangen sei, ist schon deshalb unbegründet, weil dieser als Aufforderung zur Buchführung bezeichnete Hinweis auf den Beginn der Buchführungspflicht im Falle der Kläger nicht erforderlich war. Der unter der Geltung der Reichsabgabenordnung --AO-- (§161 AO) von der Rechtsprechung geforderte Hinweis auf den Beginn der Buchführungspflicht wurde auf Treu und Glauben gestützt und damit begründet, daß er eine Rücksichtnahme auf die Unerfahrenheit der in Buchführungs- und Steuerfragen nicht bewanderten Land- und Forstwirte darstelle, durch die diese vor einem überraschenden Beginn der Buchführungspflicht mit seinen weitreichenden Folgen geschützt werden sollten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22.September 1960 IV 249/59 U, BFHE 71, 716, BStBl III 1960, 516). Daraus ergibt sich, daß ein solcher mit der Unerfahrenheit der Land- und Forstwirte begründeter Hinweis nicht erforderlich sein konnte, wenn der betreffende Land- und Forstwirt durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe steuerlich beraten wurde (so auch BFH-Urteil vom 29.Oktober 1981 IV R 214/79, BFHE 134, 347, BStBl II 1982, 161). So aber verhält es sich im Streitfall. Schon 1975 lief der gesamte Schriftverkehr der Kläger mit dem FA über ihren steuerlichen Berater. Im übrigen wäre einem solchen eine Schutzfunktion erfüllenden Hinweis, der von der Sache her an keine formellen Voraussetzungen gebunden sein kann, bei einer auf einer Ehegatten-Gemeinschaft beruhenden Mitunternehmerschaft immer dann genügt, wenn er den Ehegatten in Kenntnis setzt, der mit Billigung des anderen nach außen als Unternehmer auftritt.

Die in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Meinung des Prozeßbevollmächtigten der Kläger, die Buchführungspflicht habe am 1.Juli 1976 auch deshalb nicht beginnen können, weil die bei der letzten Veranlagung getroffenen Feststellungen, nach denen der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft die Buchführungsgrenze des § 161 Abs.1 Nr.1 Buchst.e AO überschritten hat, nur im Einkommensteuerbescheid der zusammenveranlagten Ehegatten und nicht in einem einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid erfolgt sei, verkennt, daß die Frage der Mitunternehmerschaft von der der Buchführungspflicht für das betreffende Unternehmen zu trennen und ggf. auch unabhängig von der Buchführungspflicht gesondert zu entscheiden ist, und außerdem nach § 215 Abs.4 AO in Fällen von geringerer Bedeutung von einer einheitlichen Gewinnfeststellung abgesehen werden kann. Im übrigen spricht § 161 Abs.1 Nr.1 AO ganz allgemein von "den bei der letzten Veranlagung getroffenen Feststellungen".

b) Da die Kläger als buchführungspflichtige Landwirte keine Bücher führten, müssen ihre Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft ab dem Wirtschaftsjahr 1976/77 für die Streitjahre 1976 bis 1978 nach Art eines Bestandsvergleichs geschätzt und den einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen für diese Jahre zugrunde gelegt werden. Bei diesen Schätzungen ist das FA an die Schätzungen bei der Einkommensteuerveranlagung 1976 und 1977 nicht gebunden. Vielmehr sind diese gemäß § 175 Abs.1 Nr.1 AO 1977 den Gewinnfeststellungen in den Feststellungsbescheiden durch Änderung anzupassen.

Unter Aufhebung der Vorentscheidung und des ablehnenden Bescheides des FA vom 13.Mai 1981 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.November 1981 wird daher das FA verpflichtet, die nach § 162 AO 1977 zu schätzenden Gewinne der Kläger aus Land- und Forstwirtschaft für die Veranlagungszeiträume 1976 bis 1978 im gesonderten Verfahren (§ 180 Abs.1 Nr.2 a AO 1977) festzustellen und je zur Hälfte den beiden Klägern zuzurechnen. Hinsichtlich des Antrages, den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13a EStG zu ermitteln, war die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61003

BStBl II 1985, 486

BFHE 143, 404

BFHE 1985, 404

BB 1985, 1514-1514 (ST)

DB 1985, 2081-2081 (ST)

HFR 1986, 550-551 (ST)

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