Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Bedeutung unsinniger Zeitangaben im Hinweis auf den Beginn der Buchführungspflicht

 

Leitsatz (NV)

Der Umstand, daß der Hinweis des FA auf den Beginn der Buchführungspflicht als Zeitpunkt ,,ab 0. 1900" angibt, ist schon deshalb bedeutungslos, weil diese sinnlose Zeitangabe ohne weiteres als technischer Schreibfehler erkennbar war. Hält der steuerliche Berater der Stpfl. eine Rückfrage beim FA trotzdem nicht für erforderlich, kann davon ausgegangen werden, es sei ihm klar gewesen, daß das FA zur Führung von Büchern ab dem nächsten Wirschaftsjahr auffordern wollte.

 

Normenkette

AO § 161; AO 1977 § 141 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und leben im Güterstand der Gütergemeinschaft. Sie wurden in den Streitjahren zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie bewirtschaften einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von rd. 35 ha (Einheitswert zum 1. Januar 1964: 74 500 DM). Die Kläger führten für ihren Betrieb keine Bücher. Auf Verlangen des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) gaben sie neben ihren Einkommensteuererklärungen, in denen sie die Zeile ,,Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft" in den Streitjahren und auch in den Vorjahren bis einschließlich 1969 unausgefüllt ließen, jeweils den ausgefüllten Erklärungsvordruck ,,Anlage L zur Einkommensteuererklärung für nichtbuchführungspflichtige oder nichtbuchführende Land- und Forstwirte" ab. Laut den Angaben in den Einkommensteuererklärungen hat seit 1969 bei der Anfertigung dieser Steuererklärungen und der Anlagen dazu ständig ein Vertreter des Bayerischen Bauernverbandes mitgewirkt.

Das FA ermittelte die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft seit 1969 nach den Schätzungsrichtlinien der Oberfinanzdirektion (OFD), die auf § 217 der Reichsabgabenordnung (AO) bzw. § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) beruhen und von Schätzungsgrundbeträgen je Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche ausgehen (sog. Bayerisches Schätzungsverfahren). Die so ermittelten Gewinne legte es den Einkommensteuerveranlagungen zugrunde, wobei es die Schätzungsgrundlagen den Klägern jeweils in einer Anlage zum Einkommensteuerbescheid mitteilte. Auf der Grundlage des Bayerischen Schätzungsverfahrens ergab sich für die Kalenderjahre ab 1969 jeweils ein Gewinn von mehr als 12 000 DM. Die Einkommensteuerbescheide enthielten folgende Erläuterungen:

Einkommensteuerbescheid 1969 vom 18. Februar 1971: ,,Nach § 161 Abs. 1 AO sind Sie verpflichtet, ab 0. 1900 Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahme regelmäßig Abschlüsse zu machen."

Einkommensteuerbescheid 1972 vom 12. April 1974: ,,Nach § 161 Abs. 1 AO sind Sie verpflichtet, ab 0. 1900 Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahme regelmäßig Abschlüsse zu machen."

Einkommensteuerbescheid 1973 vom 21. Juli 1975: ,,Nach § 161 Abs. 1 AO sind Sie verpflichtet, weiterhin Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahme regelmäßig Abschlüsse zu machen."

Einkommensteuerbescheid 1974 vom 25. März 1976: ,,Nach § 161 Abs. 1 AO sind Sie verpflichtet, ab 1. Januar 1974 Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahme regelmäßig Abschlüsse zu machen."

Die Einkommensteuerveranlagungen 1972 bis 1975 wurden endgültig durchgeführt und sind bestandskräftig.

Nach einer bei den Klägern durchgeführten Betriebsprüfung (Hinweis auf den Prüfungsbericht vom 13. März 1978) ermittelte das FA die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft nunmehr durch eine den Zeitraum 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1977 umfassende Vermögenszuwachsrechnung (Gesamtvermögensvergleich). Dabei verteilte es den Mehrgewinn laut Betriebsprüfung in Höhe von insgesamt 102 800 DM in gleichen Jahresbeträgen auf die einzelnen Wirtschaftsjahre: . . .

Sodann erließ das FA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1972 bis 1975 und für 1976 einen Erstbescheid.

Die dagegen erhobenen Einsprüche blieben erfolglos.

Mit der Klage machten die Kläger geltend, daß sie nicht buchführungspflichtig gewesen seien, weil das FA sie nicht ordnungsgemäß auf den Beginn der Buchführungspflicht hingewiesen habe. Auch sei aus keiner der Mitteilungen ersichtlich gewesen, welche der drei Grenzwerte des § 161 Abs. 1 AO nach den Feststellungen des FA überschritten worden seien.

Davon abgesehen seien für den Ackerschlepper . . . 100 PS (Anschaffung am 28. August 1974) nur Anschaffungskosten in Höhe von 28 793 DM und für den Mähdrescher (Anschaffung am 31. Juli 1974) Anschaffungskosten in Höhe von 34 684 DM zu aktivieren. Ferner sei für die Streitjahre 1974 bis 1976 eine Sonderabschreibung nach § 76 der EinkommensteuerDurchführungsverordnung (EStDV) entsprechend dem vorgelegten Verzeichnis zu gewähren.

Die Kläger beantragten, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 1979 und Änderung des Einkommensteuerbescheids 1972 vom 29. August 1978 sowie der Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1975 vom 4. August 1978 die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in diesen Bescheiden in der gleichen Höhe anzusetzen, wie sie bereits in den ursprünglichen Einkommensteuerbescheiden angesetzt waren, sowie unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1976 vom 4. August 1978 die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für 1976 nach § 13a Abs. 2 bis 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermitteln und die Einkommensteuer 1972 bis 1976 entsprechend herabzusetzen.

Hinsichtlich der Einkommensteuer 1974 bis 1976 beantragten sie hilfsweise, bei der Berechnung der Steuern die Anschaffungskosten für den Ackerschlepper . . . 100 PS mit 28 793 DM und für den Mähdrescher mit 34 684 DM sowie Sonderabschreibungen nach § 76 EStDV gemäß dem vorgelegten Verzeichnis zu berücksichtigen.

Die Klage hatte hinsichtlich der Streitjahre 1972 bis 1975 vollen und hinsichtlich des Streitjahres 1976 teilweise Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Einkommensteuerbescheide 1972 bis 1975 seien dahingehend zu ändern, daß die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in diesen Bescheiden in der gleichen Höhe anzusetzen sind wie in den ursprünglichen Einkommensteuerbescheiden 1972 bis 1975. Hinsichtlich der Jahre 1972 bis 1975 könne als nichtentscheidungserheblich dahingestellt bleiben, ob die Kläger mangels einer entsprechenden Aufforderung durch das FA zur Buchführung verpflichtet gewesen seien oder ob bei ihnen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die Aufforderung des FA zur Buchführung habe unterbleiben können. Laut Steuerakten seien die Kläger zumindest seit 1969 ständig vom Bayerischen Bauernverband bei der Anfertigung der Steuererklärungen beraten worden, hätten jahrelang ständig die Schätzungen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach dem sog. Bayerischen Schätzungsverfahren trotz entsprechender Hinweise in den Steuererklärungen widerspruchslos hingenommen und in einigen Jahren sogar selbst die nach dem Bayerischen Schätzungsverfahren sich ergebenden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in den Einkommensteuererklärungen angegeben. Die Klage habe hinsichtlich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für die Streitjahre 1972 bis 1975 aber deshalb Erfolg, weil es zum Erlaß der Änderungsbescheide von den Veranlagungszeiträumen 1972 bis 1975 an den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gefehlt habe.

Mit der Revision, die auf die Streitjahre 1972 bis 1975 beschränkt ist, rügt das FA die Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet:

1. Die Kläger waren in den Streitjahren 1972 bis 1975 buchführungspflichtige Landwirte. Nach § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e AO waren Land- und Forstwirte, bei denen nach den bei der letzten Veranlagung getroffenen Feststellungen der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft mehr als 12 000 DM betrug, verpflichtet, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahme regelmäßig Abschlüsse zu machen. § 1 der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 (RGBl I 1935, 908, RStBl 1935, 975) ergänzte diese Vorschrift dahin, daß die Buchführungspflicht mit dem Wirtschaftsjahr beginnt, vor dem das FA die Feststellungen für das Überschreiten der Buchführungsgrenze getroffen hatte. Danach waren die Voraussetzungen für die Buchführungspflicht der Kläger zumindest ab dem Wirtschaftsjahr 1971/72 erfüllt. Wegen der Höhe ihrer Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft sind die Kläger auch in den folgenden Wirtschaftsjahren immer buchführungspflichtig gewesen; denn ihre Gewinne haben jeweils mehr als 12 000 DM betragen.

Die Übergangsregelung des Art. 97 § 19 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 - (BGBl I 1976, 3341) findet im Streitfall keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift tritt die Verpflichtung, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, in den Fällen, in denen der nach § 13a EStG ermittelte Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft in einem Wirtschaftsjahr, das nach dem 31. Dezember 1973 beginnt, für den Einzelbetrieb mehr als 12 000 DM beträgt, nur dann ein, wenn die Voraussetzungen des § 141 AO 1977 vorliegen. Im Streitfall lag der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft schon in dem vor dem 31. Dezember 1973 beginnenden Wirtschaftjahr 1972/73 über 15 000 DM. Er ist in dieser Höhe durch den Einkommensteuerbescheid 1972 vom 12. April 1974 festgestellt worden. Dieser Gewinn des Wirtschaftjahres 1972/73 ist außerdem auch nicht nach § 13a EStG, sondern nach dem sog. Bayerischen Schätzungsverfahren ermittelt worden.

Der Einwand der Kläger, die Buchführungspflicht habe gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 1e AO durch den in dem Einkommensteuerbescheid 1972 bestandskräftig festgestellten Gewinn deshalb nicht ausgelöst werden können, weil sie, die Kläger, vom FA auf den Beginn der Buchführungspflicht nicht durch eine entsprechende Mitteilung hingewiesen worden seien bzw. die Mitteilungen in den Einkommensteuerbescheiden für 1969 und 1972 wegen des Hinweises auf den Beginn der Buchführungspflicht ab ,,0. 1900" unverständlich und deshalb nichtig seien, greift nicht durch. Die Rechtsprechung hat unter der Geltung des § 161 AO das zusätzliche Erfordernis der Mitteilung an einen Land- und Forstwirt aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abgeleitet und damit begründet, daß auf die Unerfahrenheit der Land- und Forstwirte in derartigen Fragen Rücksicht genommen werden müsse. Der von der Rechtsprechung geforderte Hinweis bezweckt nichts anderes als eine Rücksichtnahme auf die Unerfahrenheit bisher nicht buchführungspflichtiger Land- und Forstwirte in Buchführungs- und Steuerfragen. An diesen Voraussetzungen fehlt es bei den Klägern. Auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben war bei den Klägern ein besonderer Hinweis auf den Beginn der Buchführungspflicht nicht erforderlich, weil sie zumindest seit 1969 ständig von mit Buchführungsfragen der Landwirtschaft vertrauten Fachleuten, nämlich einem Vertreter des Bayerischen Bauernverbandes, steuerlich beraten waren. Die Kläger bzw. ihre steuerlichen Berater wußten deshalb, daß wegen des Überschreitens der Gewinngrenze von 12 000 DM spätestens ab dem Wirtschaftsjahr 1971/72 Buchführungspflicht bestanden hat. Dafür spricht insbesondere, daß die Kläger bzw. deren steuerliche Berater nach den dem Gericht vorliegenden Steuerakten ab der Einkommensteuerveranlagung 1969 ständig die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach dem sog. Bayerischen Schätzungsverfahren wiederspruchlos hingenommen haben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. April 1985 IV R 92/82, BFHE 143, 409, BStBl II 1985, 486).

Der Umstand, daß der dem Einkommensteuerbescheid für 1969 und den Einkommensteuerbescheiden für 1972 und 1973 beigefügte Hinweis auf den Beginn der Buchführungspflicht infolge eines offenbar technischen Schreibfehlers als Zeitpunkt ,,ab 0. 1900" angibt, ist schon deshalb bedeutungslos, weil diese nicht mögliche und daher sinnlose Zeitangabe ohne weiteres als technischer Schreibfehler für die Kläger bzw. ihren steuerlichen Berater erkennbar war. Wenn die Kläger trotzdem beim FA nicht rückgefragt haben, so läßt das den Schluß zu, es sei ihnen klar gewesen, daß das FA sie für buchführungspflichtig hielt und zur Führung von Büchern ab Beginn des nächsten Wirtschaftjahres auffordern wollte.

2. Das FA war - entgegen der Meinung des FG - auch berechtigt, die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide für 1972 bis 1975 aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu ändern.a) b) Von einer Wiedergabe der Gründe zu diesem Streitpunkt wird abgesehen, da sie fast wörtlich der Begründung des Urteils vom 24. Oktober 1985 IV R 75/84 in BFHE 145, 302, BStBl II 1986, 233 entsprechen.c) Auch die Einwände der Kläger gegen die Zulässigkeit der angefochtenen Änderungsbescheide, die sich auf Treu und Glauben beziehen, greifen schon im Hinblick auf den Umstand nicht durch, daß Ausgangspunkt und alleinige Ursache der nochmaligen Schätzungen durch den Betriebsprüfer und der darauf gegründeten Änderungsbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 die Pflichtverletzungen der Kläger bei der Erfüllung der Buchführungspflichten waren, durch die dem FA die Grundlagen für die Ermittlung ihrer tatsächlichen Gewinne fehlten. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu auf die Ausführungen des Senats im Beschluß in BFHE 135, 45, BStBl II 1982, 273 unter II Abschn. 4 verwiesen.

Da auch der Hilfsantrag der Kläger im Klageverfahren, die Sonderabschreibung nach § 76 EStDV zu gewähren, vom FA mit Recht abgelehnt wurde, weil sie ihren Gewinn nicht nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt haben, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen. (Die Änderung der AfA-Sätze für den Ackerschlepper . . . 100 PS und den Mähdrescher allein würde zu einer unzulässigen Gewinnerhöhung führen.)

 

Fundstellen

Haufe-Index 60856

BFH/NV 1987, 547

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge