Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonstiges Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der begrifflichen Abgrenzung der sogenannten Umtauschgeschäfte von den Tauschgeschäften.

 

Normenkette

UStDB §§ 8-9; UStG § 3/9; UStG § 3/12

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.) betreibt eine Silberwarenfabrik und gibt Silberwaren an ihre Kunden, die Juweliere, ab. Voraussetzung für die Abgabe von Silberwaren in der Zeit, als die Stpfl. Silber anderweit nicht beschaffen konnte, war die Zurverfügungstellung von so viel Silber als für die abzugebenden Silberwaren benötigt wurde. Gestritten wird um die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung dieser Vorgänge. Das Finanzgericht hält die Abgabe der Silberwaren für Werklieferungen und daher den Preis für die Silberwaren für das der Berechnung der Umsatzsteuer zugrunde zu legende Entgelt. Es berechnet das Entgelt nach den in Rechnung gestellten Markbeträgen ohne Rücksicht auf den Wert des hingegebenen Silbers. Die Stpfl. und der Vorsteher des Finanzamts haben Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt. Die Stpfl. begehrt Festsetzung der Umsatzsteuer nur von dem Teil des Rechnungsbetrages, der Werklohn darstellt. Der Vorsteher des Finanzamts beantragt Wiederherstellung der berichtigten Veranlagung, welche die Umsatzsteuer von gemeinen Wert des hingegebenen Silbers zuzüglich des in Mark zu begleichenden Teiles des Rechnungsbetrages erhob.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Stpfl. ist begründet, der des Vorstehers des Finanzamts war der Erfolg zu versagen.

Die Vorentscheidung kommt aus zwei Gründen dazu, das Vorliegen von Werkleistungen im Sinne des § 8 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) zu verneinen. Sie führt aus, die in dieser Bestimmung enthaltene Formvorschrift der Berechnung des Entgelts für die Leistung nach Art eines Werklohns sei nicht eingehalten worden. Es trifft zu, daß die Beschwerdeführerin (Bfin.) ihren Kunden nicht den Werklohn, sondern den Preis der fertigen Waren berechnete. Die Bfin. führte für ihre Kunden außer den Markkonten sogenannte Silbergewichtskonten, auf denen die Kunden mit den beigebrachten Silbermengen in Gramm des Feinsilbergehalts erkannt und bei der Abgabe von Silberwaren entsprechend in Gramm belastet wurden. Auf den Geldkonten wurden die Kunden für beigebrachtes Silber unter Zugrundelegung der amtlichen Höchstpreise erkannt, wobei die Bfin. auch nach Erhöhung der amtlichen Höchstpreise weiter zu den bisherigen Höchstpreisen rechnete. Bei Abgabe der Silberwaren wurde der Kunde mit dem Listenpreise belastet, hatte also den Unterschied zwischen diesem Preise und dem ihm bei Zurverfügungstellung des Silbers gutgebrachten Markbetrag zu bezahlen. Die Rechnungen enthielten ferner einen Stempelaufdruck, aus dessen Ausfüllung das bisherige Silbergewichtsguthaben, dessen Belastung mit dem Silbergehalt der abgegebenen Silberwaren und der sich aus diesen beiden Beträgen ergebende Silbergewichtssaldo zu Gunsten oder zu Lasten des Kunden hervorging.

Es trifft also zu, daß die Rechnungen ihrem Wortlaut nach nicht über den Werklohn ausgestellt waren. Hierauf kann es aber nicht ankommen. Die Bestimmung des § 8 UStDB ist keine Formvorschrift. Sie war bestimmt, die in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs entwickelte Lehre zum Ausdruck zu bringen, nach welcher für das Umsatzsteuerrecht in Abweichung von der bürgerlich-rechtlichen Einordnung der Hingabe von Waren aus einem vom Besteller zur Verfügung gestellten Stoff unter bestimmten Voraussetzungen die Fälle gleichzusetzen sind, in denen der Unternehmer den bestellten Gegenstand nicht aus dem vom Besteller hingegebenen Stoff herstellt, sondern ihm einen aus gleichem Stoff hergestellten Gegenstand überläßt.

Aus dieser Entstehungsgeschichte ergibt sich, daß es nicht Zweck der Bestimmung war, die Annahme einer Werkleistung vom Innehalten einer bestimmten Form der Rechnung abhängig zu machen, sondern daß es darauf ankommt, was die Beteiligten wirtschaftlich wollten. So hat der Reichsfinanzhof in der Entscheidung V 48/38 vom 3. November 1939, Reichssteuerblatt 1940 S. 22, Werkleistung angenommen, obwohl mit dem Bauunternehmer ein Gesamtpreis vereinbart war, von dem der Berechnungspreis für die zur Verfügung gestellten Baustoffe abgesetzt wurde.

Daß die Silberwaren nicht gerade aus dem von dem betreffenden Kunden selbst beigebrachten Silber hergestellt waren, schließt nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht die Möglichkeit aus, umsatzsteuerrechtlich eine Werkleistung anzunehmen. Auch darauf kann es nicht ankommen, ob das benötigte Silber in jedem Falle vor Abgabe der Silberwaren zur Verfügung gestellt wurde. Es ist unbestritten, daß jeder Kunde verpflichtet war, das erforderliche Silber zur Verfügung zu stellen und diese Verpflichtung auch erfüllte.

Die Tatsache, daß zu der in Rede stehenden Zeit Silber in der früher üblichen Art nicht zu beschaffen war, gibt den zu beurteilenden Geschäften ihr wirtschaftliches Gepräge. In der Zeit, als Silber normal beschafft werden konnte, mußte man fragen, ob es dem Silber zur Verfügung stellenden Besteller von Silberwaren überwiegend darauf ankam, dem von ihm selbst hingegebenen Silber durch den Unternehmer eine bestimmte Form geben zulassen. War dies zu verneinen, so war auch umsatzsteuerrechtlich keine Werkleistung anzunehmen. Der Besteller wollte dann Silberwaren kaufen, und an der Natur des Geschäftes änderte der zusätzliche Umstand, daß auch der Besteller etwas hingab, nur insofern etwas, als er möglicherweise aus dem Kauf einen Tausch machte. Daß der vom Besteller hingegebene Stoff der gleiche war wie der, aus dem die gekaufte Ware hergestellt war, war nur ein die wirtschaftliche Beurteilung nicht beeinflussender Zufall, er hätte genau so gut bei der Bestellung von Silberwaren Gold hergeben können. Anders liegt es, wenn der Unternehmer den Stoff, aus dem die abzugebende Ware besteht, braucht, wobei es keinen Unterschied machen kann, ob der Unternehmer keinen Warenvorrat mehr hat und daher mit der Anfertigung bestellter Waren erst nach Abgabe des Materials beginnen kann, oder ob er zwar noch einige Waren vorrätig hat, die er auch ohne Gestellung des Materials abgeben könnte, aber ohne solche die Fabrikation nicht fortsetzen könnte.

Wenn § 8 UStDB vorschreibt, daß das Entgelt "nach Art eines Werklohns" berechnet werden müsse, so kann damit nicht gemeint sein, daß die Rechnung ihrem Wortlaut nach eindeutig ergeben müsse, daß nur die Bezahlung der geleisteten Arbeit verlangt wird. Eine solche Auslegung würde dazu führen, die steuerlich gut beratenen Steuerpflichtigen, die sich in der Fassung ihrer Rechnungen der Bestimmung anpassen, vor denjenigen zu begünstigen, die bei gleichem Wirtschaftstatbestand einen abweichenden Text benutzen. Die Bestimmung ist nicht zu vergleichen etwa mit derjenigen, die die Anwendung des ermäßigten Großhandelssatzes vom Buchnachweis abhängig macht. Für die letztere war die Erwägung maßgebend, daß ohne Buchnachweis eine sichere Grundlage für die Steuerberechnung nicht zu gewinnen ist. Hier aber liegt es so, daß trotz Ausstellung einer Werklohnrechnung die Parteien wirtschaftlich eine Werklieferung oder einen Kauf gewollt haben können, während umgekehrt trotz einer auf eine Werklieferung hindeutenden Rechnungsfassung wirtschaftlich eine Werkleistung beabsichtigt gewesen sein kann. Eine bestimmte Fassung der Rechnung ist also als Grundlage für die Steuerfestsetzung weder erforderlich noch ausreichend.

Entscheidend ist vielmehr, ob der Unternehmer auch den Stoff nach dem Willen der Parteien "liefern" sollte. Dies ist nach § 8 UStDB dann zu verneinen, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffes und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

So liegen aber die hier zu beurteilenden Fälle. Hätte der Silberpreis die Höhe des Rechnungsbetrages beeinflußt, so wäre nach der Erhöhung des amtlichen Höchstpreises der erhöhte Preis der Gutschrift auf dem Reichsmarkkonto der Kunden zugrunde gelegt worden. Umgekehrt wären auch von diesem Zeitpunkt an die Preise für die Silberwaren in die Höhe gegangen. Ein Kunde also, der vor Erhöhung des Silberpreises Silber einsandte und nach Erhöhung des Silberpreises Silberwaren bezog, hätte im Endergebnis für die Silberwaren mehr aufzuwenden gehabt als diejenigen Kunden, die entweder Silber erst nach Erhöhung des Silberpreises einsandten oder vor der Erhöhung des Silberpreises sowohl das Silber einsandten als auch die Silberwaren bezogen. Daß dies unbestritten nicht der Fall war, zeigt, daß der Silberpreis bei der Berechnung keine Rolle spielte und der Kunde im wirtschaftlichen Ergebnis nur für die Arbeit bezahlte.

Die Bfin. hat also Umsatzsteuer nur für den Werklohn zu entrichten und dieser ist gleich dem Unterschied zwischen dem Rechnungsbetrag und dem für das eingesandte Silber gutgeschriebenen Betrag.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich ohne weiteres, daß das Verlangen des Vorstehers des Finanzamts unbegründet ist. Insoweit ist die Vorentscheidung im Ergebnis richtig, wenn auch aus anderen Gründen.

Nach alledem war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Umsatzsteuerschuld ist erneut festzusetzen, und zwar auf der Grundlage des Unterschiedsbetrages zwischen den gezahlten Listenpreisen für die Silberwaren und den gutgebrachten Geldbeträgen für das zur Verfügung gestellte Silber. Zu diesem Zweck geht die Sache an das Finanzamt zurück.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407273

BStBl III 1952, 97

BFHE 1953, 246

BFHE 56, 246

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