Entscheidungsstichwort (Thema)

(Notwendiges Sonderbetriebsvermögen auch bei Weitervermietung der überlassenen Wirtschaftsgüter durch die Gesellschaft - Gesellschaftergrundstück als gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen - gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG - Wertansatz bei Erwerb von Gesamthandsvermögen als Sonderbetriebsvermögen durch den Gesellschafter)

 

Leitsatz (amtlich)

Wirtschaftsgüter, die einer Personengesellschaft von ihrem Gesellschafter zur Nutzung überlassen werden, stellen auch dann notwendiges Sonderbetriebsvermögen dar, wenn die Gesellschaft die Wirtschaftsgüter nicht für eigenbetriebliche Zwecke, sondern zur Untervermietung nutzt.

 

Orientierungssatz

1. Ist ein einem Gesellschafter gehörendes Grundstück lediglich als Tauschfläche oder Vorratsfläche für die Personengesellschaft vorgesehen, kommt allenfalls die Annahme gewillkürten Sonderbetriebsvermögens in Betracht. Es fehlt an einer Überlassung zur Nutzung i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG (vgl. BFH-Rechtsprechung). Aus dem BFH-Urteil vom 21.10.1976 IV R 71/73 folgt nichts anderes.

2. Gewerbliche Einkünfte sind nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat. Eine gewerblich tätige Gesellschaft erzielt aber auch dann Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn sie neben bereits ihrer Natur nach gewerblichen Tätigkeiten wie Produktion und Handel Nutzungen aus der Überlassung von Kapital oder Grundstücken zieht (BFH-Rechtsprechung).

3. NV: Nach Tz. 33 des sog. Mitunternehmererlasses (Schreiben des BMF vom 20.12.1977 IV B 2 - S 2241 - 231/77, BStBl I 1978, 8, 12) besteht für den Mitgesellschafter, der von der Gesellschaft Gesamthandsvermögen als Sonderbetriebsvermögen erwirbt, die Möglichkeit, das erworbene Wirtschaftsgut statt mit dem Buchwert mit einem höheren Wert, höchstens dem Teilwert, anzusetzen. Im Streitfall konnte dahinstehen, ob diese Auffassung mit dem Gesetz vereinbar ist.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine OHG, unterhielt einen Holzhandel. Sie wurde 1970 gegründet; zu ihren beiden Gesellschaftern gehörte der Beigeladene. Im Jahre 1974 erwarb sie ein Grundstück, auf dem sie eine Lagerhalle für Betriebszwecke errichtete. In der Folgezeit stellte sie ihr Unternehmen auf das Streckengeschäft um, für das sie die Halle nicht mehr benötigte. Im Jahre 1977 vermietete sie sie an einen Dritten. Als Gesellschaftszweck waren im Gesellschaftsvertrag nunmehr der Holzhandel und die Vermietung von Immobilien bezeichnet.

Zum 31.Dezember 1978 übertrug die Klägerin das Hallengrundstück auf ihre beiden Gesellschafter zu Miteigentum. Der eine Gesellschafter übertrug seinen Hälfteanteil sofort auf seine Ehefrau; der Beigeladene tat dies erst im Dezember 1980. Nachdem das Grundstück aus dem Gesellschaftsvermögen ausgeschieden war, wurde es von den neuen Eigentümern an die OHG vermietet. Diese hielt das Mietverhältnis gegenüber dem Dritten aufrecht.

Die Klägerin sah in der Übertragung des Grundstücks auf die Gesellschafter eine Entnahme und löste die stillen Reserven gewinnerhöhend zum 31.Dezember 1978 auf. Auf den Beigeladenen entfielen 64 070 DM.

Nach einer Betriebsprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) demgegenüber davon aus, das Grundstück sei gewinneutral an die Gesellschafter übertragen worden; der Beigeladene habe seinen Grundstücksanteil erst im Jahre 1980 entnommen. Das FA erfaßte den auf den Beigeladenen entfallenden Mietzins der OHG in den Jahren 1979 und 1980 als gewerbliche Einkünfte und setzte für 1980 einen Entnahmegewinn in Höhe von 140 920 DM an.

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg.

Hiergegen richtet sich die vom Senat gemäß § 115 Abs.2 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassene Revision des FA.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Klageabweisung.

Das FA ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Anteil des Beigeladenen an dem mit der Lagerhalle bebauten Grundstück bis zur Übertragung an seine Ehefrau im Dezember 1980 zu seinem notwendigen Sonderbetriebsvermögen gehört hat.

I. Sonderbetriebsvermögen liegt vor, wenn ein Mitunternehmer ihm gehörende Wirtschaftsgüter seiner Personengesellschaft zur Nutzung überläßt (Sonderbetriebsvermögen I) oder wenn Wirtschaftsgüter, die einem Mitunternehmer gehören, zur Begründung oder Stärkung seiner Beteiligung an der Personengesellschaft dienen (Sonderbetriebsvermögen II - ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 11.Dezember 1990 VIII R 122/86, BFHE 163, 346).

1. Zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen I gehören alle Wirtschaftsgüter oder Anteile an Wirtschaftsgütern eines Mitunternehmers, die unmittelbar dem Betrieb der Personengesellschaft zu dienen bestimmt sind, insbesondere weil sie der Personengesellschaft zur Nutzung überlassen sind und von ihr auch tatsächlich für betriebliche Zwecke genutzt werden (BFH-Urteil vom 6.Mai 1986 VIII R 160/85, BFHE 147, 313, BStBl II 1986, 838). Das folgt daraus, daß nach § 4 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Wirtschaftsgüter, die ein Steuerpflichtiger zur Erzielung gewerblicher Einkünfte einsetzt, grundsätzlich Betriebsvermögen sind. Gewerbliche Einkünfte sind nach § 15 Abs.1 Nr.2 EStG auch die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat (BFH-Urteile vom 2.Dezember 1982 IV R 72/79, BFHE 137, 323, BStBl II 1983, 215; vom 26.März 1987 IV R 23/85, BFH/NV 1987, 507).

2. Eine gewerblich tätige Gesellschaft erzielt aber auch dann Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn sie neben bereits ihrer Natur nach gewerblichen Tätigkeiten wie Produktion und Handel Nutzungen aus der Überlassung von Kapital oder Grundstücken zieht (BFH-Urteil vom 11.März 1982 IV R 46/79, BFHE 135, 457, BStBl II 1982, 542; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 10.Aufl., § 15 Anm.76). Daraus folgt, daß notwendiges Sonderbetriebsvermögen I auch dann vorliegt, wenn eine Personenhandelsgesellschaft das überlassene Wirtschaftsgut an Dritte weitervermietet.

3. Im Gegensatz zur Auffassung des FG ist notwendiges Sonderbetriebsvermögen nicht nur dann anzunehmen, wenn die der Gesellschaft vom Gesellschafter überlassenen Wirtschaftsgüter für die Zwecke der Gesellschaft "nötig" sind. Derartige Anforderungen werden nicht einmal an das notwendige Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens gestellt (BFH-Urteil vom 23.Juli 1975 I R 6/73, BFHE 117, 141, BStBl II 1976, 179). Allerdings kann ein Einzelunternehmer in gewissen Grenzen wählen, ob er die Nutzung von Kapital oder Grundstücken dem privaten oder dem betrieblichen Bereich zuordnen will (vgl. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Anm.32 c). Einer Personengesellschaft steht ein solches Wahlrecht jedoch ―wie oben unter 2. dargestellt― nicht zu. Ihre Betätigungen sind stets gewerblich, es sei denn, daß sie ohne Gewinnerzielungsabsicht, etwa zur Befriedigung privater Interessen ihrer Gesellschafter, vorgenommen werden (Schmidt, a.a.O., § 15 Anm.77 a).

4. Etwas anderes hat die Rechtsprechung dann angenommen, wenn ein einem Gesellschafter gehörendes Grundstück lediglich als Tausch- oder Vorratsfläche für die Gesellschaft vorgesehen ist. In diesen Fällen kommt allenfalls die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens in Betracht (BFH-Urteile vom 21.Oktober 1976 IV R 71/73, BFHE 120, 374, BStBl II 1977, 150; vom 19.März 1981 IV R 39/78, BFHE 133, 513, BStBl II 1981, 731; in BFHE 147, 313, BStBl II 1986, 838). Es fehlt an einer Überlassung zur Nutzung i.S. des § 15 Abs.1 Nr.2 EStG (vgl. BFH-Urteil in BFHE 147, 313, BStBl II 1986, 838).

5. Der Senat bestätigt damit die Auffassung, die er in Übereinstimmung mit Woerner (Betriebs-Berater ―BB― 1976, 220, 223) bereits in seinem Urteil vom 15.Januar 1981 IV R 76/77 (BFHE 132, 289, BStBl II 1981, 314, unter 2.) vertreten hat (zustimmend: Schmidt, a.a.O., § 15 Anm.79 a; Söffing in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Rdnr.349). Aus dem Senatsurteil in BFHE 120, 374, BStBl II 1977, 150 folgt nichts anderes. In jenem Fall war das den Gesellschaftern gehörende Grundstück zwar als "Lagerplatz", später als "Tauschfeld" in der Bilanz der Gesellschaft enthalten, es wurde jedoch nicht von der Gesellschaft, sondern von den Gesellschaftern (landwirtschaftlich) genutzt.

II. Im Streitfall hat das FG für den Senat bindend (§ 118 Abs.2 FGO) festgestellt, daß die Klägerin in den Streitjahren für die Vermietung der Halle Mietzinsen in Höhe von jeweils 39 468 DM erzielt hat. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe die Halle ohne Gewinnerzielungsabsicht vermietet, weil der gesamte Mietzins an die Grundstückseigentümer weitergeleitet worden sei. Der Rechtsstreit betrifft nur den Grundstücksanteil, der im Eigentum eines Gesellschafters der Klägerin, dem Beigeladenen, stand. Zwar stellen Mietzinszahlungen an den Gesellschafter bei der Gesellschaft in der Steuerbilanz erster Stufe Betriebsausgaben dar. In einer weiteren Stufe der Gewinnermittlung werden sie dem Gesellschaftsgewinn jedoch nach § 15 Abs.1 Nr.2 EStG wieder hinzugerechnet (vgl. Schmidt, a.a.O., § 15 Anm.65; Uelner/Dankmeyer in Handbuch der Unternehmensbesteuerung, Kapitel C, Rdnr.350 ff.). Die Gewinnerzielungsabsicht bezieht sich stets auf den auf der letzten Stufe zu ermittelnden Gesamtgewinn; denn bei einer Personengesellschaft sind es stets nur die Gesellschafter, denen die Gewinne aus der Tätigkeit der Gesellschaft zum Zwecke der Besteuerung zugerechnet werden können (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 763).

III. Auch die Höhe des vom FA angenommenen Entnahmegewinns ist nicht zu beanstanden.

++/ Allerdings besteht nach Tz. 33 des sog. Mitunternehmererlasses (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 20. Dezember 1977 IV B 2 - S 2241 - 231/77, BStBl I 1978, 8, 12) für den Mitgesellschafter, der von der Gesellschaft Gesamthandsvermögen als Sonderbetriebsvermögen erwirbt, die Möglichkeit, das erworbene Wirtschaftsgut statt mit dem Buchwert mit einem höheren Wert, höchstens den Teilwert, anzusetzen. Wäre der Beigeladene im Jahre 1978 so verfahren, würde das nach der Verwaltungsauffassung den im Jahre 1980 entstandenen Entnahmegewinn mindern. Es kann indessen dahinstehen, ob diese Auffassung mit dem Gesetz vereinbar ist. Daraus, daß die Klägerin das Grundstück bereits im Jahre 1978 als entnommen angesehen hat, kann nämlich nicht gefolgert werden, für den Fall, daß das Grundstück Sonderbetriebsvermögen bleiben würde, solle es mit einem höheren Wert als dem bisherigen Buchwert angesetzt werden. Denn die steuerlichen Folgen ―und mithin auch die Interessen des Steuerpflichtigen― bei der Entnahme einerseits und der Überführung in das Sonderbetriebsvermögen zum Teilwert andererseits sind unterschiedlich. Insbesondere führt die Übernahme in das Sonderbetriebsvermögen nicht dazu, daß die Versteuerung stiller Reserven in Zukunft ausgeschlossen ist. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Beigeladene nunmehr rückwirkend die Überführung in das Sonderbetriebsvermögen zum Anlaß für eine (teilweise) Aufdeckung stiller Reserven nehmen will. Er und die Klägerin haben die Höhe des Entnahmegewinns im Rechtsbehelfsverfahren nicht mehr angegriffen, nachdem sie insofern zunächst ―allerdings nicht konkretisierte― Zweifel angemeldet hatten. Der aufgrund der Betriebsprüfung geänderte Gewinnfeststellungsbescheid 1978, in dem der ursprünglich erklärte Entnahmegewinn des Beigeladenen nicht mehr berücksichtigt wurde, ist bestandskräftig geworden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63966

BFH/NV 1991, 68

BStBl II 1991, 800

BFHE 164, 540

BFHE 1992, 540

BB 1991, 1897

BB 1991, 1897-1898 (LT)

DStR 1991, 1244 (KT)

DStZ 1992, 91 (KT)

HFR 1991, 705 (LT)

StE 1991, 330 (K)

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