Leitsatz (amtlich)

Sind die Rechte der als Kommanditistinnen in das väterliche Unternehmen mit vom Vater geschenkten Einlagen aufgenommenen Töchter so unbedeutend, daß der Vater nach wie vor wie ein Alleinunternehmer schalten und walten kann und die Töchter die ihnen gutgeschriebenen Gewinnanteile nur mit Genehmigung des Vaters entnehmen dürfen, so kann einkommensteuerlich eine Mitunternehmerschaft oder eine stille Beteiligung der Töchter nicht anerkannt werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2, § 15 Nr. 2; StAnpG §§ 1, 5-6

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Töchter des Revisionsklägers (Steuerpflichtiger) im Jahre 1960 an der KG als Kommanditisten oder als stille Gesellschafterinnen beteiligt waren.

Durch den Gesellschaftsvertrag vom 15. März 1960 nahm die bis dahin aus dem Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau bestehende KG den minderjährigen Sohn und die vier minderjährigen Töchter mit Wirkung zum 1. Januar 1960 als Kommanditisten auf. Nach vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung des Vertrags in der Fassung vom 17. September 1960 wurden die Kinder als Kommanditisten im Januar 1961 ins Handelsregister eingetragen. An dem insgesamt vertraglich auf nominell 500 000 DM festgesetzten Gesellschaftskapital waren der Steuerpflichtige mit 300 000 DM, seine Ehefrau und sein Sohn mit je 50 000 DM und seine vier Töchter mit je 25 000 DM beteiligt. Die Einlagen erhielten die Kinder vom Vater mit Schenkungsvertrag vom 15. März 1960 geschenkt; die Schenkung wurde durch Abbuchung vom Kapitalkonto des Vaters vollzogen.

Nach § 8 des Gesellschaftsvertrags erhalten die Töchter je 5 v. H. des Gewinns nach Abzug einer 12 v. H. betragenden Vorabvergütung für den Vater sowie nach Verzinsung der auf Sonder- oder Darlehnskonten stehenden Beträge. Nach dem Verhältnis ihrer Kapitalanteile nehmen die Töchter auch am Verlust der Gesellschaft teil. Entnahmen bedürfen der Einwilligung des Vaters und sind grundsätzlich nur insoweit zulässig, als sie zur Bestreitung des angemessenen Lebensunterhalts, der Ausbildungskosten und der Entrichtung von Steuern und Abgaben notwendig sind. Beim Ausscheiden aus der Gesellschaft erhalten die Töchter lediglich den Buchwert ihrer Kapitalkonten. Im Fall der Liquidation sind sie an den stillen Reserven beteiligt. Vertretung und Geschäftsführung des Unternehmens liegen allein in den Händen des Vaters. Der Vater kann die Gesellschaft nach Ablauf einer bis zum 31. Dezember 1964 dauernden Kündigungssperre kündigen und hat das Recht, den Betrieb unter der bisherigen Firma ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven fortzuführen. Heiraten die Töchter, so scheiden sie automatisch als Kommanditisten aus und werden stille Gesellschafterinnen. Am Verlust sind sie dann nicht mehr und am Gewinn nur noch in Höhe von 2,5 v. H. des Restgewinns beteiligt.

In der Erklärung zur einheitlichen Feststellung des Gewinns für 1960 sahen die Beteiligten die Töchter als Mitunternehmerinnen an; es wurden ihnen Gewinnanteile von je rd. 34 000 DM zugerechnet. Dem folgte das FA nicht. Es behandelte die Töchter als stille Gesellschafterinnen und rechnete ihnen Gewinnanteile nur insoweit zu, als sie je 20 v. H. der Einlage nicht überstiegen. Das FA kürzte demgemäß den ohne Berücksichtigung der Gewinnanteile der Töchter unstreitig 756 003 DM betragenden Gewinn der KG um 20 v. H. der Einlagen der Töchter = insgesamt 20 000 DM und stellte den Gewinn der KG einheitlich auf 736 003 DM fest. Hiervon rechnete es dem Steuerpflichtigen 80 v. H. und dessen Ehefrau sowie dem Sohn je 10 v. H. zu.

Das FG gab dem Steuerpflichtigen insoweit recht, als es das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft der Töchter bejahte, folgte hinsichtlich der Höhe der Gewinnbeteiligungen der Töchter im wesentlichem dem FA und erhöhte die Gewinnanteile der Töchter von je 5 000 DM auf je 6 250 DM, indem es unter Berufung auf die Rechtsprechung des BFH eine Verzinsung von 25 v. H. der Einlagen als angemessen ansah.

Gegen das Urteil legten das FA und die KG Revision ein.

Das FA hält die Anerkennung der Töchter als Mitunternehmer für unrichtig und beanstandet die Bemessung der Gewinnanteile mit 25 v. H. der Einlage unter Berufung auf die Rechtsprechung des BFH (Urteile IV 335/61 U vom 7. November 1963, BFH 78, 155, BStBl III 1964, 61; IV 421/62 U vom 25. Juli 1963, BFH 76, 4, BStBl III 1964, 3; VI 339/61 U vom 13. Dezember 1963, BFH 76, 428, BStBl III 1964, 156). Hiernach sei höchstens eine Verzinsung von 20 v. H. der zu Beginn des Feststellungszeitraums vorhandenen Einlagen anzuerkennen. Das FA beantragt Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und Wiederherstellung des Feststellungsbescheids 1960.

Der Steuerpflichtige beantragt mit der Revision, unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils den einheitlich festzustellenden Gewinn von 756 003 DM nach Erhöhung der Vorabvergütung für den Steuerpflichtigen auf 20 v. H. mit 514 563 DM auf diesen, mit je 60 360 DM auf die Ehefrau und den Sohn und mit je 30 180 DM auf die Töchter zu verteilen. Es wird unrichtige Anwendung des § 15 Nr. 2 und § 12 Nr. 2 EStG sowie § 1 Abs. 3 StAnpG gerügt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revisionen führen zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Die handelsrechtlich einwandfreie Beteiligung an einer KG ist im allgemeinen als Mitunternehmerschaft anzusehen (BFH-Urteil I 139/54 S vom 22. November 1955, BFH 62, 9, BStBl III 1956, 4). Da der Kommanditist schon handelsrechtlich eine schwache Gesellschafterstellung hat, dürfen auch steuerlich keine allzuhohen Anforderungen an den Begriff des Mitunternehmers beim Kommanditisten gestellt werden. Er ist ein Unternehmer ohne persönliche Haftung über seine Einlage hinaus und ohne die Ausübung eigentlicher Unternehmerfunktionen. Die Vorinstanz weist zutreffend darauf hin, daß der Kommanditist außer im Fall der Liquidation nicht an den stillen Reserven des Betriebsvermögens beteiligt zu sein braucht und sein Ausscheiden mit seinem Buchkapital nicht unüblich ist.

Gleichwohl können die Töchter nicht als Mitunternehmerinnen angesehen werden. Insgesamt gesehen führte ihre Aufnahme als Kommanditistinnen nicht dazu, daß der Steuerpflichtige auch nur geringfügige Teile seiner wirtschaftlichen Alleinunternehmerstellung ihnen gegenüber aufgab oder dieses in auch steuerlich anzuerkennender Weise einleitete. Entscheidend für das sich hier ergebende Bild ist nicht eine Vertragsbestimmung für sich allein, sondern das Zusammen- und Ineinanderwirken einiger entscheidender Merkmale, die auch unter dem Gesichtspunkt der Kurzfristigkeit der Gesellschaftsbeteiligungen für einen überschaubaren Zeitraum (zunächst höchstens fünf Jahre) erkennen lassen, daß der Steuerpflichtige seine Alleinunternehmerschaft nicht aufgeben, die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Töchter hingegen aufs Äußerste verkümmern lassen wollte. In die genannte Richtung deutet vor allem, daß die Kommanditisten keinerlei Widerspruchsrechte gegen die Geschäftsführung des Vaters hatten, auch nicht, soweit die Handlungen des Geschäftsführers über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgingen (§ 164 HGB) sowie vor allem, daß sie in ihren Entnahmen von der Genehmigung des Vaters abhängig waren (§ 9 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags). Sie konnten nicht einmal die ihnen auf Sonderkonto gutgeschriebenen Gewinne ohne Genehmigung des Vaters entnehmen und damit für die Zeit ihrer Beteiligung nicht frei über diese verfügen. Damit verblieb auch insoweit, nämlich hinsichtlich der Entnahmen für die Töchter alles beim alten, der Vater bestimmte nach wie vor allein, was aus dem Betrieb entnommen werden durfte. Den Töchtern war durch die genannten Vorschriften so auch der letzte Rest einer ihnen vom Gesetzgeber eingeräumten minimalen Unternehmerstellung genommen, die Alleinunternehmerschaft des Vaters blieb durch die Aufnahme der Töchter als Kommanditistinnen ungeschmälert.

Was vielleicht noch für eine schwache Unternehmerstellung der Kommanditistinnen sprechen könnte, ist ihre Beteiligung am Verlust. Diese kann aber im Streitfall keine Rolle spielen; denn nach menschlichem Ermessen war jedenfalls für den Zeitraum, für den die Töchter nach dem Vertrage Kommanditistinnen sein würden, auch nicht im geringsten mit dem Eintreten von Verlusten zu rechnen.

An dieser Beurteilung ändert auch nichts, wenn der Steuerpflichtige zur Rechtfertigung der nach dem Nominalkapital bemessenen Gewinnbeteiligungen der Töchter in der Revision die Schenkung der Einlagen an seine Töchter dahin verstanden wissen will, er habe ihnen nicht feste Geldbeträge, sondern eine Unternehmensbeteiligung geschenkt. Denn diese Darstellung stimmt nicht mit dem Inhalt des Schenkungsvertrags vom 15. März 1960 überein, nach dem einwandfrei ganz bestimmte Geldbeträge geschenkt wurden. Lediglich der Vollzug der Schenkung wurde durch Abbuchung vom Kapitalkonto des Vaters vorgenommen. Wenn jedoch dieser Beurteilung gefolgt werden müßte, so würde dies erst recht gegen die Anerkennung der Kommanditbeteiligung der Töchter sprechen. Zwar könnten dann die Gewinnbeteiligungen der Töchter ggf. als angemessen angesehen werden, jedoch wäre es dann unverständlich, warum die Töchter beim Ausscheiden nur ihr Buchkapital erhalten sollten. Sie müßten die ihnen geschenkte Unternehmensbeteiligung einschließlich der darin enthaltenen stillen Reserven bekommen.

Eine andere Auffassung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Gesellschaftsvertrag, soweit er die Töchter betrifft, vormundschaftsgerichtlich genehmigt wurde. Für die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung kam es nur darauf an, die Töchter nicht über Gebühr hinsichtlich der ihnen vom Vater geschenkten Beträge zu benachteiligen. Das aber ist, auch ohne daß man sie als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Nr. 2 EStG ansehen müßte, nicht der Fall. Denn keinesfalls gefährdet der Vertrag die Einlage der Töchter. Er verspricht ihnen im Gegenteil, auch ohne Mitunternehmer zu sein, erhebliche Gewinne; die Verlustbeteiligung war, wie schon betont, wirtschaftlich nicht ernst zu nehmen.

Die vorangegangene Betrachtung beruht nicht auf einer Anwendung der §§ 5 oder 6 StAnpG. Es handelt sich um einen Anwendungsfall der auf § 1 Abs. 2, 3 StAnpG beruhenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die verlangt, daß eine Rechtsgestaltung nicht nach ihrer bürgerlich-rechtlichen Form, sondern nach dem dahintersteckenden wirtschaftlichen Kern beurteilt wird (vgl. BFH-Urteil I 268/61 U vom 8. Januar 1963, BFH 76, 373, BStBl III 1963, 138). Hiernach aber kann eine Mitunternehmerschaft der Töchter nicht anerkannt werden. Dabei sei noch betont, daß besondere betriebliche Gründe für die starke Einschränkung der Stellung der Töchter nicht erkennbar sind. Das gilt auch für Vorteile, die die Einschränkungen ausgleichen könnten. Auch solche sind nicht sichtbar.

2. Aus den nämlichen Gründen, aus denen unter 1. das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft der Töchter abzulehnen war, können auch stille Beteiligungen der Töchter nicht anerkannt werden. Entscheidend hierfür ist, daß die Töchter für die Dauer ihrer Gesellschaftsbeteiligung nicht frei, sondern nur mit Genehmigung des Unternehmers über ihre Gewinnanteile verfügen konnten. Irgendwelche betrieblichen Gründe hierfür sind nicht erkennbar. Einer so weitgehenden Einschränkung seines Gewinnentnahmerechtes würde sich ein fremder stiller Gesellschafter nicht unterwerfen.

Aber selbst wenn man an das Vorliegen einer stillen Beteiligung geringere Anforderungen stellt, so ergibt sich im Streitfall ihre Ablehnung im Zusammenhang mit der auch für eine Beteiligung als stiller Gesellschafter wirtschaftlich nicht vertretbaren hohen Gewinnbeteiligung. Es ist zwar im allgemeinen nicht zulässig, wegen einer unangemessenen Gewinnbeteiligung das Gesellschaftsverhältnis selbst in Frage zu stellen (vgl. Urteil des erkennenden Senats IV 246/50 S vom 22. August 1951, BFH 55, 449, BStBl III 1951, 181; auch Urteil IV R 139/67 vom 15. November 1967, BFH 90, 399, BStBl II 1968, 152). Dann ist die Gewinnbeteiligung entsprechend anzupassen. Dabei könnte, wenn eine stille Beteiligung als solche anzuerkennen wäre, die echte gewinnabhängige Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters nicht einfach in eine Höchstverzinsung seiner Einlage umgewandelt werden. Denn, wie der BFH im Urteil I R 188/67 vom 9. Juli 1969, BFH 96, 397, BStBl II 1969, 690 (auch schon Entscheidung I 132/59 U vom 2. Februar 1960, BFH 70, 285, BStBl III 1960, 106), in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Auffassung zutreffend zum Ausdruck bringt, ist die Gewinnabhängigkeit der Gewinnbeteiligung eine wesensnotwendige Eigenschaft der Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters, § 336 Abs. 2 Halbsatz 2 HGB. Soweit der Entscheidung des erkennenden Senats IV 335/61 U vom 7. November 1963, BFH 78, 155, BStBl III 1964, 61, etwas abweichendes zu entnehmen sein sollte, hält der Senat daran nicht fest. Im Streitfall rechtfertigt sich die Nichtanerkennung des Gesellschaftsverhältnisses selbst unter dem Gesichtspunkt unangemessener Gewinnbeteiligung jedoch in Verbindung mit den anderen, bereits dargelegten Umständen, insbesondere den Beschränkungen, denen die Töchter im Hinblick auf ihre freie Verfügungsmöglichkeit über den ihnen nach dem Vertrag zustehenden Gewinn unterliegen. Denn die KG, die auf die Zuführung zusätzlicher Mittel nicht angewiesen war, würde einem fremden Dritten nicht eine stille Beteiligung mit gewinnabhängigen Bezügen eingeräumt haben, ohne von diesem noch eine über die Geldanlage hinausgehende gehörige Mitarbeit im Unternehmen zu fordern.

3. Kommt hiernach eine Berücksichtigung der unter den Beteiligten vereinbarten Gewinnbeteiligung der Töchter einkommensteuerlich weder als Mitunternehmerinnen noch als stille Gesellschafterinnen, sondern allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Darlehnsverzinsung mit einem festen Vomhundertsatz des Nennbetrags der überlassenen Valuta in Betracht, so müßte grundsätzlich weiter geprüft werden, ob von den den Töchtern zugewendeten Beträgen überhaupt Teile als Betriebsausgaben bei der Gewinnermittlung der KG abgezogen werden können. Denn es spricht viel dafür, daß sich die gesamte Rechtsgestaltung nur aus familiären Gründen erklären läßt, so daß die Zuwendungen an die Töchter als nichtabziehbare private Vermögenszuwendungen anzusehen wären, vgl. Urteil des erkennenden Senats IV R 179/68 vom 25. September 1969 (BFH 97, 298). Die Frage braucht jedoch nicht abschließend entschieden zu werden. Denn wäre sie zu verneinen, so könnte der Senat gleichwohl wegen des Verbots der Abänderung des Verwaltungsaktes zum Nachteil des Steuerpflichtigen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) keine geringeren Beträge als die vom FA bereits zugebilligten als Betriebsausgaben absetzen. Bei Bejahung aber müßte ebenfalls höchstens von der vom FA anerkannten festen Verzinsung von 20 v. H. der Einlage = für jede Tochter je 5 000 DM ausgegangen werden. Es muß daher im Ergebnis beim Abzug dieser Beträge verbleiben. Dies führt zum Erfolg der Revision des FA und zur Zurückweisung der Revision des Steuerpflichtigen als unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68973

BStBl II 1970, 416

BFHE 1970, 405

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