Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Mehrere Jahre vor der Ehe geschlossene Verträge unter Ehegatten sind steuerlich in der Regel anzuerkennen, wenn sie nach der Heirat in gleicher Form vollzogen werden wie vorher.

Zuführungen zu vor der Ehe gebildeten Pensionsrückstellungen für einen Ehegatten sind während der Ehe nicht mehr zulässig.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, §§ 6, 6a, 12 Nr. 1, §§ 26, 26a/1/2

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist bei den Einkommensteuerveranlagungen 1956 und 1957, ob von dem im Betrieb der Ehefrau tätigen Ehemann stehengelassene Gehaltsteile als Betriebsschulden und für ihn gebildete Pensionsrückstellungen anerkannt werden können.

Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -) war alleinige Inhaberin des Unternehmens. Im Jahr 1955 heiratete sie den Leiter der Verkaufsabteilung, der bereits seit 1948 ihr Angestellter war und im Jahre 1954 Einzelprokura erhalten hatte. Als Geschäftsführer waren ihm der Leiter der Produktion und die Leiterin der Finanzabteilung unterstellt. Durch die Heirat änderte sich an der Tätigkeit des Ehemannes im Unternehmen nichts.

Von Anfang 1956 bis Ende Juli 1958 erhielt der Ehemann ein festes Gehalt von 1500 DM monatlich. Außerdem bezog er wie schon vor der Eheschließung und wie auch andere Angestellte eine Tantieme (etwa 1000 DM monatlich). Die Tantieme wurde auf Grund der Jahresbilanzen von Jahr zu Jahr für die einzelnen Berechtigten festgestellt. Der Ehemann ließ sich Gehalt und Tantieme nicht regelmäßig auszahlen. Ein erheblicher Teil verblieb zinslos im Unternehmen. Für die Jahre 1956 und 1957 ergibt sich folgendes Bild:

ausgezahlt - - - - - - - 1956: DM 11.410,63 1967: DM 20.745,27 nicht ausgezahlt - - - - 1956: DM 19.089,37 1967: DM 7.454,73 stehengelassene Beträge am Jahresende - - - - - 1956: DM 49.267,91 1967: DM 56.722,65.Auch in den Jahren vor der Heirat (ab 1951) beließ der Ehemann Gehaltsteile zwischen rund 9000 DM und rund 16 000 DM jährlich im Betriebe. Bis Ende 1962 entnahm er die im Laufe der Jahre stehengelassenen Beträge. Im Jahre 1954 wurde ihm und anderen Angestellten eine Pensionszusage gegeben.

Das Finanzamt (FA) erkannte die für den Ehemann nach der Eheschließung gebildeten Pensionsrückstellungen nicht an. Der Einspruch der Stpfl. führte zu einer Steuererhöhung, weil das FA nur noch die tatsächlichen ausgezahlten Gehaltsbeträge zum Abzug als Betriebsausgaben zuließ.

Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) schloß sich der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), auf die sich das FA in der Einspruchsentscheidung gestützt hatte, nicht an. Es meinte in einer umfangreichen kritischen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BFH, es sei Sache des Ehemannes, wie er seinen Arbeitslohn verwende. Auch die Pensionsrückstellungen für den Ehemann hätte das FA anerkennen müssen. Ersetze der Ehegatte im Betrieb einen fremden Arbeitnehmer und sei die Pensionsrückstellung der Höhe nach angemessen, so verstoße es gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), wenn die Pensionsrückstellung als ein Akt privater Fürsorge für den Ehegatten angesehen werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des FA ist nach Inkrafttreten der FGO (1. Januar 1966) als Revision zu behandeln. Hinsichtlich der stehengelassenen Gehaltsteile folgt der Senat im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung dem angefochtenen Urteil. Aufzuheben ist die Vorentscheidung, soweit sie die Pensionsrückstellung betrifft. Da der Sachverhalt ausreichend geklärt ist, entscheidet der Senat nach § 126 Abs. 3 Ziff. 1 FGO selbst.

Stehengelassene Gehaltsteile Es handelt sich insoweit um echte Betriebsschulden. Der BFH erkennt seit 1962 Arbeitsverträge unter Ehegatten in vollem Umfang steuerlich an (siehe Senatsurteil IV 165/60 U vom 8. März 1962, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 74 S. 584 - BFH 74, 584 -, BStBl III 1962, 217, mit dem die sogenannte "Chef- Chefin-Theorie" aufgegeben wurde). An den Nachweis von Verträgen unter Ehegatten stellt der BFH jedoch strenge Anforderungen und verlangt, daß Abschluß sowie tatsächliche Durchführung klar und eindeutig nachgewiesen werden (siehe letztes veröffentlichtes BFH- Urteil IV 138/64 vom 6. August 1965, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1966, Heft 2 S. 69). Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht in der strengen Nachweispflicht keinen Verstoß gegen das GG (Beschluß vom 14. April 1959 1 BvL 23/57, 34/57, BStBl I 1959 S. 204, Abschnitt C II). Es ist dem FA zuzugeben, daß der BFH im Rahmen dieser Nachweispflicht im allgemeinen zur Nichtanerkennung des Arbeitsverhältnisses unter Ehegatten gelangt, wenn der Arbeitslohn nicht wie bei fremden Arbeitnehmern laufend ausgezahlt wird, sondern im Unternehmen des Ehegatten stehen bleibt. Dieser Sachverhalt kann aber dann nicht als ein entscheidendes Indiz für die mangelnde Ernstlichkeit der Vereinbarung und die fehlende Durchführung angesehen werden, wenn das Arbeitsverhältnis schon vor der Ehe bestand, sich mit der Eheschließung in der Tätigkeit des Ehegatten nichts änderte und auch die Auszahlung des Lohns und die Durchführung des Vertrages vor und nach der Ehe in gleicher Weise gehandhabt werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn der Ehemann stand seit 1948 auf Grund eines eindeutigen und offenbar von steuerlichen überlegungen unbeeinflußten Arbeitsvertrages im Dienst des Unternehmens der Stpfl. und arbeitete voll mit. Seit 1951 ließ er Teile des Gehalts im Unternehmen stehen, die in ihrer Höhe etwa den in den Jahren 1956 und 1957 stehengelassenen Beträgen entsprechen. Außerdem bestand das Arbeitsverhältnis zur Zeit der Heirat bereits etwa sieben Jahre. Deshalb ist es im vorliegenden Falle nicht gerechtfertigt, bei sonst gleichgebliebenen tatsächlichen Verhältnissen allein wegen der Eheschließung die Auswirkungen des vorher jahrelang in gleicher Weise durchgeführten Arbeitsvertrages steuerlich nicht mehr anzuerkennen.

Pensionsrückstellung Das angefochtene Urteil war aufzuheben, soweit es die Bildung von Pensionsrückstellungen für den Ehemann anerkennt. Wegen der Begründung wird auf das ausführliche Senatsurteil IV 47/64 vom 17. Februar 1966 (BFH 85, 97, BStBl III 1966, 247) verwiesen. Die Tatsache, daß dem Ehemann die Pensionszusage schon ein Jahr vor der Heirat erteilt wurde, kann zu keiner anderen Entscheidung führen. Der Senat erkannte die Bildung von Pensionsrückstellungen für einen im Betriebe tätigen Ehegatten nicht an, weil sich die Verpflichtung zur Versorgung im Alter aus dem Wesen der Ehe ergibt und nicht auf den Betrieb verlagert werden darf. Wenn bereits vor der Heirat für einen im Betriebe tätigen Ehegatten zulässigerweise Pensionsrückstellungen gebildet wurden, entfällt mit der Eheschließung die auf den Betrieb zukommende Last einer späteren Altersversorgung. Für weitere Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen besteht kein Grund mehr. Die Frage, wie vor der Heirat gebildete Pensionsrückstellungen nachher steuerlich zu behandeln sind, ist hier nicht zu entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412326

BStBl III 1967, 22

BFHE 1967, 82

BFHE 86, 82

BB 1967, 21

DB 1967, 21

DStR 1967, 101

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