Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat tritt der vom Reichsfinanzhof in seinem Urteil VI A 646/33 vom 28. Juni 1933 (RStBl 1933 S. 753) vertretenen Auffassung bei, daß als Beteiligter zum Verfahren nicht hinzugezogen werden kann, wer ein den Belangen des Steuerpflichtigen entgegengesetztes Interesse am Ausgang des Steuerrechtsstreits hat.

 

Normenkette

AO § 241 Abs. 2, § 241/1

 

Tatbestand

Das Hauptzollamt M. nahm die Fa. E. durch Steuerbescheid vom 15. Oktober 1952 für Mineralölsteuer in Anspruch. Die Steuerforderung wurde damit begründet, daß die Steuerschuld für das auf Grund eines Erlaubnisscheins an den Beschwerdeführer (Bf.) gelieferte Mineralöl nicht auf diesen übergegangen, sondern für die E. unbedingt entstanden sei.

Der Einspruch der E. gegen den Steuerbescheid blieb erfolglos. Die gegen die Einspruchentscheidung der E. gerichtete Berufung führte zur Aufhebung des Steuerbescheids und der Einspruchsentscheidung und zur Freistellung der E. Der Vorsteher des Hauptzollamts wandte sich gegen die Berufungsentscheidung mit der Rechtsbeschwerde (Rb.). Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.

Der Bf., der bis zum Erlaß des Berufungsurteils an dem Verfahren gegen die E. nicht beteiligt war und an den als Erlaubnisscheininhaber das Mineralöl von der E. verkauft worden war, erbat nach Erlaß des Urteils des Finanzgerichts die Zustellung des Urteils auch an sich, um die Möglichkeit zu haben, zu dem Urteil Stellung zu nehmen und eventuell sich gegen das Urteil mit einem Rechtsmittel zu wenden. Das Finanzgericht hat ihm daraufhin durch Schreiben vom 21. Juni 1956 eine Urteilsausfertigung zugestellt - laut Postzustellungsurkunde am 22. Juni 1956 zugestellt - und ihn gleichzeitig als Beteiligten zum Verfahren zugezogen, da sein Interesse nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werde. Es belehrte ihn über die Möglichkeit, Rb. gegen das Urteil einzulegen. Durch Schreiben vom 14. Juli 1956 - eingegangen beim Finanzgericht am 17. Juli 1956 - schloß sich der Bf. der Rb. des Hauptzollamts, die inzwischen bereits eingelegt worden war, an. Auf seine Ausführungen in seinen Schriftsätzen vom 14. Juli, 28. September, 31. Dezember 1956, 7. Januar, 20. Februar, 8. April 1957 nebst Anlage wird Bezug genommen.

Auf den Vortrag der E. im Schriftsatz vom 27. November 1956 wird verwiesen.

Der Senat hat die Bf. von dem Verfahren über die Rb. des Vorstehers des Hauptzollamts in Sachen der E. getrennt und sie in diesem besonderen Rechtsbeschwerdeverfahren behandelt, da der Bf. zur Wahrung des Steuergeheimnisses in das Steuerverfahren, das gegen die E. geführt wird, nicht hineingezogen werden darf, wie weiter unten noch dargelegt werden wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unzulässig.

Das Finanzgericht hat den Bf. gemäß § 241 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) am 21. Juni 1956 als Beteiligten zugezogen, weil sein Interesse nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt wird. Der Bf. hat daraufhin Rb. eingelegt und diese als Anschlußbeschwerde bezeichnet. Eine Anschlußbeschwerde konnte der Bf. im Hinblick auf §§ 247, 238 AO nicht einlegen, da das Urteil des Finanzgerichts nicht gegen ihn ergangen war und er deshalb nicht befugt war, ein Rechtsmittel einzulegen; einem von anderer Seite eingelegten Rechtsmittel kann sich aber nur derjenige anschließen, der berechtigt ist, ein Rechtsmittel selbst einzulegen.

Die unzutreffende Bezeichnung als Anschlußbeschwerde schadet nach § 249 Abs. 1 letzter Satz AO nicht. Der Bf. hat als nach § 241 Abs. 2 AO zum Verfahren Zugezogener eine eigene Rb. eingelegt. Auch diese ist unzulässig. Nach § 241 Abs. 2 AO kann als Beteiligter zugezogen werden, wessen Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden. Der Reichsfinanzhof hat durch Urteil VI A 646/33 vom 28. Juni 1933 (Reichssteuerblatt 1933 S. 753) entschieden: "Beteiligter im Sinne des § 241 Abs. 2 AO kann nur sein, wer ein eigenes steuerliches Interesse daran hat, daß der Steuerpflichtige selbst mit seiner Auffassung durchdringt, wer steuerliche Nachteile vom Steuerpflichtigen in eigenem Interesse abwehren will und muß, aber nicht, wer zum eigenen Vorteil eine steuerliche Benachteiligung des Steuerpflichtigen erstrebt."

Dieser Auffassung tritt der Senat bei. Gerade der Umstand, daß der Bf. ein der steuerpflichtigen E. entgegenstehendes Interesse hat, schließt die Möglichkeit seiner Beteiligung aus. Nur die gemeinsame Wahrung der Belange der in gleicher Richtung wirkenden Steuerpflichtigen soll durch § 241 Abs. 2 AO ermöglicht werden. Der Bf. hat kein Recht, entgegen den Bestrebungen der E. in deren Steuersache und deren Steuergeheimnis einzudringen (vgl. das oben zitierte Urteil vom 28. Juni 1933).

Der Bf. durfte deshalb nicht als Beteiligter zum Verfahren zugezogen werden. Seine Hinzuziehung war unzulässig und rechtsunwirksam. Ihm stehen deshalb auch nicht die Rechte nach § 241 Abs. 3 AO zu.

Der Bf. ist durch diese Rechtslage auch nicht benachteiligt. Das angegriffene Urteil des Finanzgerichts kommt zwar zu einem für ihn insofern ungünstigen Ergebnis, als danach die Steuerschuld für die E. nicht unbedingt geworden ist. Eine Inanspruchnahme des Bf. ergibt sich aber nicht aus dem angegriffenen Urteil. Es bedarf vielmehr noch eines ihn in Anspruch nehmenden Bescheids, gegen den ihm alle Möglichkeiten der Gegenwehr erhalten sind. Erst wenn er selbst in Anspruch genommen wird, hat er die Möglichkeit, sich mit Rechtsmitteln dagegen zu wehren.

Hiernach war die Rb. mit der Kostenfolge aus § 307 AO als unzulässig zu verwerfen. Im Hinblick auf die unzutreffende Sachbehandlung und Belehrung durch das Finanzgericht werden die Rechtsmittelgebühren und Auslagen dieser Rb. gemäß § 314 AO nicht erhoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409051

BStBl III 1958, 283

BFHE 1959, 29

BFHE 67, 29

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