Leitsatz (amtlich)

Der Auftrag des Finanzamts an die Betriebsprüfungsstelle zur Vornahme einer Betriebsprüfung bei einem bestimmten Steuerpflichtigen stellt eine die Verjährung unterbrechende Handlung im Sinne des § 147 der Reichsabgabenordnung dar.

 

Normenkette

AO § 147

 

Tatbestand

Der Ehemann der Beschwerdeführerin (Bfin.) ist durch Bescheid vom 25. Juni 1951 entsprechend seiner Erklärung zur Umsatzsteuer für II/1948 und für 1949 rechtskräftig veranlagt worden. Am 8. Dezember 1955 beauftragte das Finanzamt die Betriebsprüfungsstelle mit einer Betriebsprüfung für alle Steuerarten aus der Zeit ab 20. Juni 1948 bei der Bfin., auf die inzwischen der Betrieb des verstorbenen Ehemannes übergegangen war. Die Prüfung hat vom 30. Januar bis 2. Februar 1956 stattgefunden. Auf Grund der dabei getroffenen Feststellungen wurde die Umsatzsteuer für II/1948 und für 1949 erhöht. Die Bfin. legte hiergegen Einspruch ein, weil die Mehrsteuern bereits verjährt seien. Der Einspruch war erfolglos, ebenso die Berufung.

 

Entscheidungsgründe

Auch der Rechtsbeschwerde kann nicht stattgegeben werden.

Die streitigen Ansprüche verjähren gemäß §§ 144, 145 der Reichsabgabenordnung (AO) in fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem der Steueranspruch entstanden ist, also für II/1948 mit dem 31. Dezember 1953 und für 1949 mit dem 31. Dezember 1954, vorausgesetzt, daß die Verjährung nicht unterbrochen ist. Gemäß § 147 Abs. 1 AO wird die Verjährung unterbrochen u. a. durch jede Handlung, die das zuständige Finanzamt zur Feststellung des Anspruchs ... vornimmt. Nach Feststellung des Finanzgerichts ist die Verjährung für beide Jahre erstmals durch die Aufforderung zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung im Jahre 1950 unterbrochen worden, so daß eine neue Verjährungsfrist von fünf Jahren vom 1. Januar 1951 bis 31. Dezember 1955 zu laufen begann. Die Bfin. bestreitet, daß die Erteilung des Prüfungsauftrags am 8. Dezember 1955 eine diese Verjährungsfrist unterbrechende Handlung des Finanzamts darstelle. Diese Auffassung vermag der Senat nicht zu teilen.

Der Reichsfinanzhof und der Oberste Finanzgerichtshof haben mehrmals ausgesprochen, daß ein Auftrag des Finanzamts nach § 162 Abs. 10 AO zur Vornahme einer Betriebsprüfung die Verjährung unterbricht, weil er eine Handlung des Finanzamts zum Zwecke der Feststellung des Steueranspruchs darstellt (Entscheidung des Reichsfinanzhofs III 14/39 vom 27. Juni 1939, Slg. Bd. 47 S. 119 = Reichssteuerblatt 1939 S. 842).... Auch der Oberste Finanzgerichtshof hat in der Entscheidung I 18/48 vom 7. Dezember 1949 ausgesprochen, er trete der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs bei, daß der Prüfungsauftrag an den Betriebsprüfer eine Handlung des Finanzamts zur Feststellung des Steueranspruchs sei und somit die Verjährung unterbreche (Finanz-Rundschau 1950 S. 56 Rechtsspruch 115). Nicht jede innerdienstliche Handlung sei zwar geeignet, die Verjährung zu unterbrechen, sondern nur solche Handlungen des Finanzamts, die nach außen wirken; dazu gehöre aber der Auftrag zur Vornahme einer Betriebsprüfung. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an; sie wird auch in der Literatur von Hübschmann-Hepp-Spitaler (AO § 147 Anm. III, 2b) und Berger (Reichsabgabenordnung nach ihren Schwerpunkten für die Praxis § 147 Anm. 2b, ff.) vertreten. Die Bfin. beruft sich zu Unrecht auf die Entscheidung des I. Senats des Reichsfinanzhofs I A-96/32 vom 14. Dezember 1932, Reichssteuerblatt 1933 S. 7. Dort hatte der I. Senat ausgesprochen, daß eine im Dezember 1930 der damaligen Beschwerdeführerin zugegangene Mitteilung, daß in nächster Zeit bei ihr eine Betriebsprüfung stattfinden werde, noch keine der Feststellung eines Steueranspruchs dienende Maßnahme sei. Jene Entscheidung lag anders als der jetzige Streitfall, weil in jenem Falle noch gar keine Betriebsprüfung angeordnet worden war; die Mitteilung allein von einer bevorstehenden Anordnung einer Betriebsprüfung ist noch keine Handlung des Finanzamts zur Feststellung eines Steueranspruchs. Im Streitfall war die Betriebsprüfung für die streitigen Zeitabschnitte und Steuerarten am 8. Dezember 1955 angeordnet und damit die vom 1. Januar 1951 bis 31. Dezember 1955 laufende Verjährungsfrist schon mit der Anordnung der Betriebsprüfung am 8. Dezember 1955, also rechtzeitig, nicht erst durch den Beginn der Prüfung am 30. Januar 1956 unterbrochen worden. Die mit der Berichtigungsveranlagung vom 24. Mai 1956 für II/1948 und 1949 nachgeforderten Mehrsteuern waren demnach noch nicht verjährt.

Die Auffassung der Bfin. kann nicht geteilt werden, daß die Verjährung des Steueranspruchs durch Anordnung der Betriebsprüfung ebensowenig unterbrochen werde wie im Zivilrecht die Verjährung des Klageanspruchs durch die Ankündigung einer beabsichtigten Klage, da nur durch die Klage erhebung die Unterbrechung eintrete. Im Steuerrecht gelten für die Verjährung, über die Vorschriften des BGB hinausgehend, die besonderen Vorschriften der AO, wonach gemäß § 147 Abs. 1 jede Handlung des Finanzamts zur Feststellung eines Steueranspruchs die Verjährung unterbricht.

Die Rechtsbeschwerde war hiernach als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409024

BStBl III 1958, 433

BFHE 1959, 421

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