Leitsatz (amtlich)

Mietvorauszahlungen, die an den Voreigentümer eines Grundstücks geleistet wurden und die der Ersteigerer gegen sich gelten lassen muß, zählen auch dann zu den Anschaffungskosten, wenn sie im Zuschlagbeschluß nicht aufgeführt waren.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Ersteigerer eines Grundstücks Mietvorauszahlungen, die an den Voreigentümer geleistet wurden, als Anschaffungskosten behandeln und aktivieren muß.

Die Revisionsklägerin, eine OHG, erwarb 1957 (damals noch als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) in der Zwangsversteigerung zur Rettung einer eigenen Forderung zwei nebeneinanderliegende Häuser mit insgesamt etwa 30 Wohnungen. Die Mieter dieser Wohnungen hatten an die Voreigentümerin - neben verlorenen Baukostenzuschüssen - verschieden hohe Mietvorauszahlungen geleistet, die bei der Übertragung des Grundstücks am 1. August 1957 in Höhe von 50 612 DM noch nicht abgewohnt waren. Das FA ging davon aus, die Mietvorauszahlungen seien zinslose Darlehen der Mieter an den Vermieter, die dieser nach und nach dadurch tilge, daß er die Mieter billiger wohnen lasse. Die Mietvorauszahlungen seien eine Schuld des Voreigentümers gegenüber den Mietern gewesen, die der Ersteigerer neben der Zahlung des Ersteigerungsbetrages übernommen habe. Die noch nicht abgewohnten Mietvorauszahlungen seien daher als Anschaffungskosten zu aktivieren, die Schuld gegenüber den Mietern zu passivieren. Das FA erhöhte die Gewinne der Jahre 1957 bis 1959 um die Teile der Mietvorauszahlungen, die in den betreffenden Veranlagungszeiträumen abgewohnt waren, und ließ andererseits die AfA von den höheren Anschaffungskosten zu.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde begehrt die OHG erneut, die Mietvorauszahlungen nicht als Anschaffungskosten der von ihr ersteigerten Grundstücke zu behandeln.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Die ersteigerten Häuser sind Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen. Sie sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Zu den Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts gehören alle Aufwendungen, die gemacht werden, um das Wirtschaftsgut zu erwerben und es erstmals betrieblich nutzen zu können (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 13. Aufl., § 6 EStG Anm. 38; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl. § 6 Rdnr. 34; Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., Bd. I § 6 Anm. 9). Dazu gehören bei einem Erwerb im Zwangsversteigerungsverfahren nicht nur die Beträge, die bei der Ersteigerung im Zuschlagbeschluß aufgeführt werden (vgl. auch Urteil des RFH I A 242/37 vom 31. August 1937, RStBl 1937, 1136), sondern alle Verpflichtungen, die der Ersteigerer gegenüber dem Schuldner oder Dritten übernimmt. Der Ersteigerer muß hier die Mietvorauszahlungen, die die Mieter an die Voreigentümerin zahlten, gegen sich gelten lassen (vgl. Zeller, Zwangsversteigerungsgesetz, 7. Aufl., 1967, § 57b Anm. 19 und § 57c Anm. 7). Die Voreigentümerin mußte Mieter, die Mietvorauszahlungen geleistet hatten, entsprechend diesen Zahlungen billiger wohnen lassen als Mieter, denen Wohnungen ohne Mietvorauszahlungen überlassen waren. Von dieser Verpflichtung befreite sie der Ersteigerer. Die Übernahme dieser Verpflichtung gehört daher zu den Anschaffungskosten der ersteigerten Häuser (vgl. auch Hartmann-Böttcher-Grass, Großkommentar zur Einkommensteuer, § 6 Anm. 18c - 2 -). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob dem Ersteigerer bewußt war, welche Verpflichtungen in welcher Höhe er übernahm. Denn es kommt für die Höhe der Anschaffungskosten nicht auf seine Vorstellungen über die von ihm übernommenen Verpflichtungen, sondern nur darauf an, welche Verpflichtungen er tatsächlich übernahm. Zu Recht aktivierte daher das FA die Mietvorauszahlungen als Anschaffungskosten, passivierte die Verpflichtung des Ersteigerers gegenüber den Mietern und berücksichtigte gewinnerhöhend in den einzelnen Veranlagungszeiträumen die in diesen Zeiträumen eingetretene Minderung des Passivpostens "Verpflichtung gegenüber den Mietern".

 

Fundstellen

Haufe-Index 69408

BStBl II 1971, 325

BFHE 1971, 379

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