Leitsatz (amtlich)

Zur Abschreibung des Geschäftswerts einer Apotheke auf den niedrigeren Teilwert.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Der im März 1969 verstorbene Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb ab Mitte 1956 eine zuvor erworbene Apotheke. Nach seinem Tode führte die Klägerin die Apotheke zunächst ein Jahr selbst weiter und verpachtete sie ab 1. April 1970. In der Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1956 war das (entgeltlich erworbene) Apothekenbetriebsrecht mit 180 000 DM ausgewiesen. In der Bilanz auf den 30. Juni 1957 wurde dieser Betrag im Wege der Teilwertabschreibung auf 60 910 DM vermindert. Streitig ist, ob die Klägerin in der Bilanz zum 31. März 1970 eine weitere Teilwertabschreibung von 30 910 DM vornehmen kann.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat die Teilwertabschreibung für den Veranlagungszeitraum 1970 nicht anerkannt. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren beim FG erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte zur Begründung seiner Entscheidung u. a. aus: Die höchstrichterliche Rechtsprechung, die beim Erwerb einer freiberuflichen Praxis eine regelmäßige AfA auf den für den Praxiswert gezahlten Betrag zulasse (Urteil des BFH vom 15. April 1958 161/57 U, BFHE 67, 151, BStBl III 1958, 330), könne auf Apotheken nicht angewandt werden. Auch eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert sei im Streitfall nicht gerechtfertigt. Denn konkrete Umstände, daß der Geschäftswert in der Zeit von 1956 bis 1970 unter den Betrag von 60 910 DM gesunken sei, habe die Klägerin nicht dartun können. Daß der Umsatz der Apotheke seit 1956 nicht in gleichem Maße gestiegen sei wie der Durchschnittsumsatz der Apotheken im Bundesgebiet, könne eine Teilwertabschreibung nicht rechtfertigen. Für die Schätzung des Geschäftswerts sei die Ertragslage des Unternehmens entscheidend. Für den Geschäftswert eines Unternehmens könne ein Abweichen von einer allgemein positiven Umsatzentwicklung eines Gewerbezweiges allenfalls dann von Bedeutung sein, wenn sich innerhalb dieser Branche auch das Verhältnis zwischen Umsatz und Ertrag allgemein verschoben habe, die Unternehmen also höhere Umsätze erzielen müßten, um den gleichen Ertrag zu erwirtschaften. Für die Annahme, daß eine solche Entwicklung bei den Apotheken eingetreten sein könne, spreche die Auskunft der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz vom 26. September 1972, wonach seit Ende 1969 der Geschäftswert von Apotheken bei Verkäufen und Erbauseinandersetzungen in der Regel nur noch mit etwa 10 v. H. des Jahresumsatzes angenommen werde. Bei der Apotheke der Klägerin sei aber eine ähnliche Entwicklung nicht zu beobachten. Vielmehr sei nicht nur der Umsatz, sondern auch der Ertrag der Apotheke seit dem Erwerb im Jahre 1956 bis zur Verpachtung in etwa gleich geblieben.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung macht sie geltend: Sie räume ein, daß das monopolartige Apothekenprivileg ab Einführung der Niederlassungsfreiheit für Apotheker zunächst noch als eine Art imaginärer Wert habe fortwirken können. Das habe aber sein Ende gefunden, als die finanzielle Lage und die zunehmende Behebung des Raummangels die freie Konkurrenz spürbar habe aufkommen lassen. Zumindest damit sei die frühere Monopolstellung, die sich ein Erwerber seinerzeit habe etwas kosten lassen, wertlos geworden. Es dürfe nicht darauf abgestellt werden, ob sich "die Ertragslage nachweisbar erheblich verschlechtert" habe, vielmehr müsse bei Apothekenunternehmen gefragt werden, ob das Unternehmen an dem allgemein zu verzeichnenden wirtschaftlichen Aufschwung habe teilnehmen können. Gerade dies sei nicht der Fall. Sie habe im finanzgerichtlichen Verfahren neben der sprunghaften Umsatzentwicklung auf die Offenkundigkeit außerordentlich verstärkter Konkurrenz der Apotheken untereinander hingewiesen. Durch das sachverständige Gutachten der Landesapothekerkammer sei hinreichend bewiesen worden, daß sich der Teilwert des Geschäftswertes der Apotheke zum fraglichen Bilanzstichtag tatsächlich allenfalls um den Betrag von 30 000 DM gehalten habe. Es könne nicht darauf ankommen, ob zahlenmäßig Umsatz und Ertrag - auch in der Relation zueinander - gleich geblieben seien, sondern man müsse von der gegenüber anderen Konkurrenzbetrieben bei ihr ganz erheblich abgeklungenen Umsatz- und Ertragslage ausgehen. Dazu habe sie im Klageverfahren auf die betriebswirtschaftliche Entwicklung der Apotheken in den hier in Betracht kommenden Jahren hingewiesen sowie auf die Steigerung des Gesamtumsatzes der Apotheken im Bundesgebiet von u. a. 15 DM pro Einwohner im Jahre 1970 auf 159 DM im Jahre 1972 (Erhöhung um das Zehnfache). Demgegenüber sei ihre Apotheke gänzlich abgefallen. Die Apothekerkammer habe besonders auch darauf hingewiesen, daß bei dem im gegebenen Fall erzielten Umsatz um 300 000 DM der Inhaber der Apotheke nicht erheblich mehr mit seiner Apotheke für sich verdienen könne, als er an Einkommen als Mitarbeiter einer Apotheke zu erzielen vermöchte (etwa 40 000 DM). - Ihr vorsorgliches Begehren, auf einen vermeintlichen Geschäftswert regelmäßige Abschreibungen unter dem Gesichtspunkt des Berufsbilds eines Apothekers wie bei den Praxiswerten der freien Berufe anzuerkennen, habe das FG nicht mit durchschlagenden Gründen abgelehnt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 17. Januar 1973 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1970 vom 1. September 1972 dahin abzuändern, daß die begehrte Teilwertabschreibung auf 30 000 DM anerkannt und die Einkommensteuer demgemäß anderweitig festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es folgt der Rechtsauffassung des FG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Zu Recht hat das FG allerdings die Ansicht abgelehnt, auf den Geschäftswert einer Apotheke seien die für die Absetzung des Werts einer freiberuflichen Praxis geltenden Grundsätze anzuwenden.

Ein erworbener Geschäftswert kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG nur auf den niedrigeren Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) abgeschrieben werden (BFH-Urteile vom 18. Januar 1967 I 77/64, BFHE 88, 198, BStBl III 1967, 334, und vom 2. Februar 1972 I R 96/70, BFHE 104, 442, BStBl II 1972, 381). Die Rechtsprechung läßt eine Absetzung nur bei Praxiswerten freier Berufe zu, weil die freiberufliche Praxis ausschließlich personenbezogen ist und in der Regel nur aus der Summe der Beziehungen, Aussichten und Möglichkeiten besteht, die in entscheidendem Maße auf dem Vertrauen des einzelnen Auftraggebers zum Praxisinhaber beruhen und daher eng mit der Person des Freiberuflers verbunden sind. Demgegenüber steht bei Gewerbetreibenden grundsätzlich die Leistungsfähigkeit des Betriebs im Vordergrund, die durch sachliche Maßnahmen und Aufwendungen (z. B. Organisation, Rationalisierung) besonders gesteigert wird, wobei die Person des Inhabers oder deren Wechsel nur eine untergeordnete Rolle spielt (vgl. BFH-Urteil I 61/57 U mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des RFH). Die Würdigung des FG, daß zwischen einem Apotheker und seinen Kunden ein anderes, weit weniger intensives Verhältnis bestehe wie zwischen dem freiberuflichen Praxisinhaber und seinen Mandanten bzw. Patienten, ist rechtsfehlerfrei zustande gekommen. Die Feststellung des FG ist daher für den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend. Dabei ist das FG davon ausgegangen, daß sich - wie die Klägerin unter Darlegung des Berufsbildes des Apothekers ausführt - der Apothekenkunde häufig fachlich beraten lasse und dadurch ein Vertrauensverhältnis bestehen könne. Das FG hat dies allerdings zu Recht in Übereinstimmung mit der allgemeinen Lebenserfahrung nicht als die Regel angesehen. Der Apothekenkunde wird in aller Regel bei solchen Apotheken einkaufen, die wegen ihrer örtlichen Lage - etwa durch ihre Nähe zur Praxis des rezeptierenden Arztes oder zur Wohnung bzw. zum Arbeitsplatz des Kunden - besonders leicht zu erreichen sind. Daneben wird vor allem die Vollständigkeit des Warensortiments und der reibungslose Ablauf des Verkaufs für den Kunden ins Gewicht fallen. Soweit daneben die Fachkenntnis des Inhabers der Apotheke in Anspruch genommen wird, brauchte das FG diesem Umstand auch schon deshalb nicht die entscheidende Bedeutung beizumessen, weil insoweit nichts anderes gilt als für andere Gewerbetreibende (z. B. Juweliere, Kunsthändler und ähnliches).

2. Die Folgerung der Vorinstanz, im Streitfall seien keine konkreten Umstände erkennbar, daß der Geschäftswert der Apotheke in der Zeit von 1956 bis 1970 unter den Betrag von 60 910 DM gesunken sei, ist nicht frei von Rechtsirrtum. Für die Beurteilung dieser Frage ist von den Grundsätzen auszugehen, die der BFH in seiner neueren Rechtsprechung über die Abschreibung eines Geschäftswerts auf den niedrigeren Teilwert ausgesprochen hat (vgl. BFH-Urteile vom 28. Oktober 1976 IV R 76/72, BFHE 120, 245, BStBl II 1977, 73; vom 8. Dezember 1976 I R 215/73, BFHE 121, 402, BStBl II 1977, 409; vom 9. Februar 1977 I R 130/74, BFHE 121, 436, BStBl II 1977, 412; und vom 20. April 1977 I R 234/75, BFHE 122, 268, BStBl II 1977, 607; zur Frage der Teilwertabschreibung auf ein entgeltlich erworbenes Apothekenbetriebsrecht vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 24. März 1970 I R 102/68, BFHE 99, 29, BStBl II 1970, 516).

a) Die Rechtsprechung des BFH hat es gebilligt, die Anschaffungskosten für ein entgeltlich angeschafftes Apothekenbetriebsrecht auf den in ihm ruhenden Geschäftswert herabzusetzen. Der Betrag, mit dem dieser Geschäftswert angesetzt wurde, beruhte jeweils auf einer Schätzung, war also nicht unmittelbar durch den Markt bestätigt. Der Schätzung lag die Erwägung zugrunde, daß dem Wettbewerbsvorteil bestehender Apotheken auch nach Eintritt der Niederlassungsfreiheit noch ein gewisser Wert beizumessen sei (BFH-Urteil vom 26. September 1963 IV 372/60 S, BFHE 77, 669, BStBl III 1963, 565). Bei der Schätzung wurden die Erfahrungen der Arbeitsgemeinschaft der Berufsvertretungen Deutscher Apotheker mitberücksichtigt. Trifft dies aber zu, so können die für spätere Bilanzstichtage vorliegenden, auf die zunehmende Konkurrenz in diesem gewerblichen Sektor zurückzuführenden veränderten Erfahrungen über die Geschäftswerte von Apotheken ein wichtiges Indiz dafür sein, daß der Geschäftswert einer Apotheke entweder gesunken oder völlig geschwunden ist. Entscheidend sind aber letztlich die Verhältnisse, wie sie sich im einzelnen Apothekenbetrieb entwickelt haben. Dieser kann von der zunehmenden Konkurrenz mehr oder weniger betroffen sein.

b) Das FG hat die Auskunft der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz über das Absinken der Geschäftswerte bei Apotheken berücksichtigt. Es hat auch zutreffend dargelegt, daß letztlich entscheidend nicht der Umsatzrückgang ist, sondern die Entwicklung der Ertragslage in der einzelnen Apotheke (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1963 VI 325/60 U, BFHE 81, 620, BStBl III 1965, 223). Indessen hält die Schlußfolgerung des FG, daß sich - obwohl die Umsätze seit 1956 nicht im gleichen Maße gestiegen seien wie der Durchschnittsumsatz der Apotheken im Bundesgebiet - die Ertragslage nicht verschlechtert habe, einer Nachprüfung aus mehreren Gründen nicht stand. Das FG hat ausgeführt, die Erträge seien in der Apotheke der Klägerin seit dem Jahre 1956 bis zur Verpachtung "in etwa gleich geblieben". Zum einen hat das FG diese Feststellung nicht durch Zahlen belegt, so daß sie revisionsrechtlich nicht überprüft werden kann. Zum anderen läßt sich aus gleichbleibenden Erträgen nicht folgern, die Ertragslage eines Unternehmens habe sich nicht verschlechtert. Dem wäre nur dann zuzustimmen, wenn die aus der Apotheke der Klägerin erzielten Erträge seit 1956 mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung (dem Ansteigen der Preise und der Einkommen) Schritt gehalten hätten (siehe BFH-Urteil IV R 76/72). Dabei ist zu berücksichtigen, daß der BFH in seiner neueren Rechtsprechung bei der Beurteilung der Ertragslage eines Unternehmens den der allgemeinen Einkommensentwicklung entsprechend steigenden Unternehmerlohn als Unkostenfaktor anerkannt hat, und zwar auch dann, wenn man den Geschäftswert nach der modifizierten indirekten Methode errechnet (BFH-Urteil I R 215/73). Die Methoden zur Errechnung des Geschäftswerts haben zwar nur die Bedeutung von Kontrollrechnungen, können also das Absinken des Geschäftswerts für sich allein nicht belegen. Sie können aber hilfsweise mitherangezogen werden. Daß das FG diese Grundsätze beachtet hat, ist seiner Entscheidung nicht zu entnehmen.

3. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache geht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72627

BStBl II 1978, 103

BFHE 1978, 564

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