Leitsatz (amtlich)

Wer von einer Wohnanlage 34 Eigentumswohnungen an verschiedene Erwerber veräußert, begründet einen Gewerbebetrieb und überschreitet die Grenzen der Vermögensverwaltung auch dann, wenn ursprünglich die Errichtung von Mietwohnungen beabsichtigt war, diese Absicht aber wegen Auftretens von Finanzierungsschwierigkeiten später aufgegeben wurde.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 3 Nr. 2, § 15; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen) haben mit notariellem Vertrag vom 1. März 1962 zu gleichen Anteilen das Grundstück K.-Straße 13-19 in M. erworben. Sie errichteten hierauf unter anderem eine Wohnanlage mit 48 Wohnungen. Nach der vom Revisionskläger (FA) unbestrittenen Darstellung war zunächst beabsichtigt, Mietwohnungen zu bauen und das Objekt als Vermögensanlage zu verwerten. Die Grundstücke waren von den Schreinermeistern Gl. und G. erworben worden, die zunächst beabsichtigt hatten, selbst zu bauen, hiervon aber aus finanziellen Gründen Abstand nahmen. Bei der Veräußerung an die Steuerpflichtigen verpflichteten sich diese u. a. auf ihre Kosten einen Rohbau für ein Werkstattgebäude mit einer Werkswohnung zu erstellen und den Veräußerern hieran Wohnungs- und Teileigentum einzuräumen. Nachdem sich die Veräußerer zunächst statt dessen mit der Einräumung von eigentumsähnlichen Dauerwohn- und Nutzungsrechten einverstanden erklärt hatten, verlangten sie später die Erfüllung des ursprünglichen Vertrages. Die hiernach erforderliche Schaffung von Wohnungs- und Teileigentum für die Veräußerer hatte zur Folge, daß bereits eingeplante Finanzierungsmittel ausfielen und ein Fehlbetrag in der Finanzierung des Gesamtprojektes entstand. Nach ihrer Darstellung entschlossen sich die Steuerpflichtigen aus diesem Grund erhebliche Zeit nach Baubeginn, teilweise nach Bezugsfertigkeit der Wohnungen und Einzug der Mieter, die weitere Vermietung zu stoppen und die einzelnen Einheiten in Eigentumswohnungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz umzuwandeln. In den Jahren 1963 und 1964 wurden von den 48 Wohnungen 34 als Eigentumswohnungen verkauft.

Das FA sah in der Veräußerung der Eigentumswohnungen eine gewerbliche Betätigung. Es stellte für das Streitjahr in der Einspruchsentscheidung einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 137 202 DM fest.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG führte in dem in den EFG 1968, 354 veröffentlichten Urteil u. a. aus: Die Errichtung von Gebäuden zum Zwecke der Vermietung oder Verpachtung liege grundsätzlich auf dem Gebiet der Vermögensanlage. Sie werde nach der neueren Rechtsprechung (Urteil des BFH IV 136/61 S vom 12. März 1964, BFH 79, 366, BStBl III 1964, 364) selbst dann noch nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit, wenn ein Architekt, ein Bauunternehmer oder sonst eine mit der Gebäudebranche beruflich befaßte Person Bauherr sei. Zur einkommensteuerfreien Vermögensanlage und -verwaltung gehöre grundsätzlich auch die Veräußerung dieses Vermögens. Mehr als eine solche Vermögensveräußerung liege bei den Steuerpflichtigen nicht vor. Sie hätten insbesondere nicht ähnlich einem Wohnungsbauunternehmen die Gebäude "in der Absicht" errichtet, die Eigentumswohnungen zu veräußern (so BFH-Urteil IV R 153/66 vom 16. Februar 1967, BFH 88, 207, BStBl III 1967, 337). Insoweit unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt grundsätzlich von dem des genannten Urteils, in dem der Entschluß ("Absicht") zur Errichtung der Eigentumswohnungen schon vor "Baubeginn" gefaßt worden sei. Werde dagegen, wie im Streitfall, die Absicht, Eigentumswohnungen zu errichten und zu verkaufen, erst nach Bezugsfertigkeit des größten Teils der Gebäude, die teilweise von den Grundvoreigentümern und von anderen Mietern bereits bewohnt gewesen seien, gefaßt, dann seien die Gebäude nicht in Verkaufs-, sondern in Vermietungs "absicht" errichtet worden. In diesen Fällen sei die Grenze der Vermögensverwaltung noch nicht überschritten.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von Bundesrecht und beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einspruchsentscheidung wiederherzustellen. Zur Begründung wird u. a. ausgeführt: Die Steuerpflichtigen hätten mehrere Möglichkeiten gehabt, der durch die Forderungen der Herren Gl. und G entstandenen finanziellen Situation zu entgehen. Sie hätten, nachdem ursprünglich keine Eigentumswohnungen geplant gewesen seien, entweder die gesamte Anlage geschlossen oder doch zumindest in einzelnen Hausnummern als Einheit verkaufen können. Nachdem sie aber zum Zweck der Erzielung höherer Gewinne das Objekt in Eigentumswohnungen aufgeteilt und von diesen 34 im Laufe von zwei Jahren veräußert hätten, hätten sie die Grenzen einer normalen Grundstücksverwertung im Rahmen der Vermögensverwaltung überschritten und seien unternehmerisch tätig geworden.

Die Steuerpflichtigen beantragen, die Revision zurückzuweisen. Es handele sich im Streitfall um die Errichtung von Häusern oder Wohnblocks zum Zwecke späterer Vermietung, die, auch wenn sie in großem Umfang und unter Einsatz erheblicher Fremdmittel erfolge, nach dem BFH-Urteil IV 136/61 S (a. a. O.) keine gewerbliche Betätigung darstelle. Für die Annahme der Nachhaltigkeit fehle die Absicht, bei sich bietender Gelegenheit weitere Geschäfte der in Frage kommenden Art abzuschließen; denn sie hätten, lediglich um die Finanzierungslücken zu schließen, 34 Eigentumseinheiten veräußern müssen. Es habe eine Zwangssituation vorgelegen. Der gesamte sogenannte Gewinn aus der Veräußerung der 34 Einheiten sei durch Verpflichtungen aus dem Bauvorhaben aufgesogen worden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Das FA hat zu Recht das Vorliegen einer gewerblichen Betätigung (§ 15 EStG, § 1 GewStDV) angenommen. Den gegenteiligen Ausführungen des FG kann nicht zugestimmt werden.

Die Errichtung von Häusern zum Zweck späterer Vermietung stellt allerdings regelmäßig keine gewerbliche Tätigkeit dar. Andererseits begründet derjenige, der eine Wohnanlage mit einer Vielzahl von Eigentumswohnungen in der Absicht errichtet, sie an verschiedene Erwerber zu veräußern, einen Gewerbebetrieb; er überschreitet die Grenzen der Vermögensverwaltung (BFH-Urteil IV R 153/66, a. a. O.). Dasselbe gilt dann, wenn ein Wohngebäude mit 18 Wohnungen in der Absicht errichtet wird, die Wohnungen als Eigentumswohnungen zu verkaufen (vgl. BFH-Urteil IV R 214/66 vom 13. Juli 1967, BFH 89, 421, BStBl III 1967, 690). Wie der BFH im Urteil IV R 153/66 (a. a. O.) ausführt, muß sich der Bauherr zum Verkauf von 41 Eigentumswohnungen erfahrungsgemäß wiederholt mit Werbemaßnahmen an die Öffentlichkeit wenden, z. B. durch Anzeigen und Prospekte. Hieran schlössen sich viele Verkaufsverhandlungen an, von denen in der Regel nur ein Teil zu Vertragsabschlüssen führe. Es handele sich um die für den Verkauf notwendigen, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden zielbewußten Handlungen. Bei Veräußerung von 41 Eigentumswohnungen sei die Nachhaltigkeit und die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gegeben. Diese Voraussetzungen hätten die Steuerpflichtigen dadurch erfüllt, daß sie Wohnungen über längere Zeit einer größeren Zahl von Interessenten zum Verkauf angeboten hätten.

In den vom BFH in den Urteilen IV R 153/66 (a. a. O.) und IV R 214/66 (a. a. O.) entschiedenen Fällen war allerdings die Wohnanlage in der Absicht errichtet worden, Eigentumswohnungen an verschiedene Erwerber zu veräußern. Daraus kann indes nicht hergeleitet werden, daß ein erst nach Erstellung der Wohnanlage gefaßter Entschluß, die zunächst beabsichtigte Vermietung von Wohnungen aufzugeben und die Wohnungen als Eigentumswohnungen zu veräußern, eine gewerbliche Tätigkeit ausschließt. Was einer Betätigung in solchen Fällen das Gepräge eines Gewerbebetriebs verleiht, ist nicht so sehr der Bau der Wohnanlage als vielmehr die Verwertung der Wohnungen durch Verkauf. Mit den damit zusammenhängenden Handlungen nimmt der Veräußerer nachhaltig am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. Wenn der BFH im Urteil IV R 153/66 (a. a. O.) hervorhebt, daß sich der Bauherr zum Verkauf von 41 Eigentumswohnungen erfahrungsgemäß wiederholt an die Öffentlichkeit wenden müsse, und wenn er weiter auf die vielen Verkaufsverhandlungen hinweist, so wird deutlich, daß auch der IV. Senat in den Vordergrund seiner Erwägungen nicht die Errichtung der Wohnanlage mit von vornherein bestehender Verkaufsabsicht, sondern die Veräußerungsvorgänge als solche stellt.

Nach diesen Grundsätzen liegt in der Veräußerung der 34 Eigentumswohnungen durch die Steuerpflichtigen eine gewerbliche Betätigung. Selbständigkeit der Betätigung, Nachhaltigkeit der Betätigung und Beteiligung am allgemeinen Wirtschaftsverkehr sind gegeben.

Die Nachhaltigkeit ist um so eher zu bejahen, als sich der Verkauf nicht - wie im Urteil IV R 153/66 (a. a. O.) - über 1/2 Jahr, sondern über zwei Jahre erstreckt hat. Auch hier sind die Wohnungen nach Lage der Sache einer größeren Zahl von Interessenten zum Verkauf angeboten worden. Daß diesem Bauvorhaben möglicherweise keine weiteren Bauvorhaben mit Verkäufen folgen, nimmt den Verkaufsvorgängen nicht die Nachhaltigkeit. Auch der Umstand, daß die Verkaufsabsicht nicht von Anfang an bestanden hat, sondern erst im Lauf des Fortschritts des Bauvorhabens gefaßt wurde, ist nach den obigen Ausführungen unerheblich. Der Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung wurde im Streitfall überschritten, indem die Steuerpflichtigen zum Zweck der Erzielung eines möglichst günstigen wirtschaftlichen Ergebnisses die Häuser in Eigentumswohnungen aufteilten und sich damit an einen größeren Kreis von Interessenten wandten.

Entgegen der Ansicht der Steuerpflichtigen ist auch die Gewinnerzielungsabsicht zu bejahen. Diese liegt vor, weil die Steuerpflichtigen gezielte Maßnahmen zur Erzielung eines möglichst günstigen wirtschaftlichen Ergebnissen ergriffen. Jede Tätigkeit, aus der ein Ertrag fließen soll, wird mit Gewinnabsicht vorgenommen (BFH-Urteil IV 139/63 vom 11. Juli 1968, BFH 93, 281, BStBl II 1968, 775). Daß die Steuerpflichtigen hierzu durch unerwartet auftretende Schwierigkeiten in der Finanzierung veranlaßt wurden, nimmt ihrer Tätigkeit nicht die Gewinnerzielungsabsicht. Das Motiv, das zum Anstreben von Gewinnen führt, ist unerheblich, ebenso sind es die Gründe, die einen Steuerpflichtigen bewogen haben, ein Grundstück in der von ihm gewählten Weise zu verwerten (BFH-Entscheidung I 417/61 vom 15. Juni 1965, HFR 1965, 510). Daß die aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen erzielten Einnahmen nach Darstellung der Steuerpflichtigen voll zur Tilgung von Bauschulden für die ihnen verbleibenden Häuser und zur Erfüllung der Verträge mit Gl. und G. verwendet wurden, ist gleichfalls ohne Bedeutung. Für die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht ist es unwesentlich, was mit den erzielten Gewinnen geschieht, ob sie zur freien Verfügung der Steuerpflichtigen bleiben oder ob sie in irgendeiner Form finanziell oder wirtschaftlich gebunden sind. Durch die Durchführung der Maßnahmen in der Form, wie es geschehen ist, erreichten die Steuerpflichtigen in jedem Fall, daß das gesamte Bauvorhaben durchgeführt werden konnte, was wegen Finanzierungsschwierigkeiten zeitweise in Frage gestellt war.

Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist als unbegründet abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413088

BStBl II 1972, 279

BFHE 1972, 77

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