Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer/Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an der Rechtsprechung fest, daß schachtelbegünstigte Einnahmen den abzugsfähigen Verlust mindern.

Führt die Gewährung eines zinslosen Darlehens durch die Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft bei der Tochtergesellschaft zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe angemessener Zinsen, so mindern die unterstellten Zinszahlungen den Gewinn der Muttergesellschaft auch dann, wenn die unterstellten Ausschüttungen nach § 9 Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben. Die Voraussetzungen des § 13 KStG liegen nicht vor. KStG § 6 Abs. 1, § 9 Abs. 1, §

 

Normenkette

KStG § 6/1, § 9 Abs. 1, § 13; EStG § 10d

 

Tatbestand

Streitig sind bei einer GmbH (Bfin.) die Berechnung der bei der Veranlagung 1957 vom Gewinn abzugsfähigen Verluste der Vorjahre und die Anerkennung einer sich aus einer verdeckten Gewinnausschüttung einer Tochtergesellschaft ergebenden fiktiven Betriebsausgabe.

Das Finanzamt kürzte die abzugsfähigen Verluste der Vorjahre um in den Vorjahren bezogene Schachteldividenden. Danach ergab sich für 1957 kein abzugsfähiger Verlust mehr.

Die Bfin. war der Auffassung, daß weder die im Jahr 1952 noch die im Jahr 1956 vereinnahmten Schachteldividenden bei der Berechnung der abzugsfähigen Verluste berücksichtigt werden dürften. Die auf das Urteil des Reichsfinanzhofs I A 104/31 vom 29. September 1931 (RStBl 1931 S. 862) zurückgehende, vom Bundesfinanzhof im Urteil I 46/50 U vom 16. Januar 1951 (BStBl 1951 III S. 63, Slg. Bd. 55 S. 166) bestätigte Rechtsprechung wonach steuerfreie Schachtelgewinne den in den folgenden Jahren abzugsfähigen Verlust minderten und in Verlustanrechnungsjahren von den aus den Vorjahren abzugsfähigen Verlusten abzuziehen seien, könne nach dem zur Behandlung der steuerfreien Zinsen ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs I 41/58 S vom 28. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 366, Slg. Bd. 69 S. 275) nicht mehr aufrecht erhalten werden. Sie widerspreche zudem dem Sinn und Zweck des Schachtelprivilegs. Außerdem hätte das Finanzamt, selbst wenn man von der bisherigen Rechtsprechung ausgehe, die Schachteldividende 1956 nicht mit den Verlustabzügen der Vorjahre verrechnen dürfen, weil die Bfin. bei der Veranlagung 1956 keinen Verlustabzug geltend gemacht habe. Aus der ab 1955 geltenden Fassung des § 10d EStG ergebe sich, daß der Steuerpflichtige ein Wahlrecht habe, in welchem Veranlagungszeitraum er einen Verlustabzug geltend machen wolle. Schließlich habe das Finanzamt nicht berücksichtigt, daß die Zinslosigkeit der ihr von ihrer Tochtergesellschaft gewährten Darlehen bei der Tochtergesellschaft zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung geführt habe und daß deshalb die bei der Tochtergesellschaft unterstellten fiktiven Zinseinnahmen bei ihr als Zinsaufwendungen den Gewinn minderten und den Verlust erhöhten. Daraus ergebe sich, daß die abzugsfähigen Verluste der Vorjahre nur um den Gewinn 1953 zu vermindern und um den Verlust 1956 sowie um die fingierten Zinsausgaben zu erhöhen seien. Da ihr Einkommen im Streitjahr 1957 niedriger als diese abzugsfähigen Verluste der Vorjahre sei, müsse die Körperschaftsteuer auf 0 DM festgesetzt werden.

Die Sprungberufung der Bfin. blieb erfolglos. Das Finanzgericht billigte die Berechnung des Finanzamts mit der folgenden Begründung. Daraus, daß das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl 1954 I S. 373, BStBl 1954 I S.575) die Berechnung und Geltendmachung eines Verlustabzugs mit Wirkung vom 1. Januar 1955 in der besonderen Vorschrift des § 10d EStG 1955 geregelt und dabei den Wortlaut der bisherigen Vorschrift dahin geändert habe, daß die Verluste der Vorjahre abgezogen werden "können" , dürfe nicht gefolgert werden, daß nunmehr entgegen der bisherigen Rechtsprechung dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht eingeräumt werde, in welchem der folgenden Veranlagungszeiträume er den Verlustabzug geltend machen wolle. Einer solchen Auslegung stünden Sinn und Zweck des Verlustabzugs und die von der Bundesregierung gegebene Begründung zum Gesetz zur Neuordnung von Steuern entgegen. Der Gesetzgeber habe eine änderung der bisherigen Rechtslage nicht beabsichtigt. Daraus folge, daß die Bfin. die Berücksichtigung der in den Veranlagungszeiträumen 1952, 1954 und 1955 entstandenen Verlustabzüge bei der Veranlagung 1956 nicht ausschließen könne. Aus der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs I 46/50 U) ergebe sich eindeutig, daß sowohl die im Entstehungsjahr des Verlustes vereinnahmten, außer Ansatz bleibenden Schachteldividenden den in den folgenden Jahren anrechnungsfähigen Verlustabzug minderten als auch die Verlustabzüge der Vorjahre durch im Anrechnungsjahr bezogene steuerfreie Schachteldividenden vermindert würden (vgl. auch KStR 1955 Abschn. 30 Abs. 2). An dieser Rechtsprechung sei festzuhalten. Daraus, daß bei der Tochtergesellschaft der Bfin. in der Unverzinslichkeit der Kreditgewährungen an die Bfin. verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe angemessener Zinsen gesehen worden seien, folge nicht, daß bei der Bfin. entsprechende Betriebsausgaben, nämlich die gleichen angemessenen Zinsen, unterstellt werden dürften. Im Steuerrecht seien nur tatsächliche Vorgänge der Besteuerung zugrunde zu legen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Bfin. ist nur insoweit begründet, als es sich um die Nichtberücksichtigung unterstellter Zinsausgaben handelt.

Die von der Bfin. angegriffene Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I A 104/31) und des Bundesfinanzhofs über die Auswirkungen steuerfreier Schachteleinnahmen im Entstehungsjahr und im Anrechnungsjahr eines Verlustes beruht auf einer Auslegung des § 9 KStG, insbesondere der Worte des Gesetzes, daß die bezeichneten Einnahmen "außer Ansatz bleiben". Die etwa 20 Jahre alte Rechtsprechung geht davon aus, daß Schachteleinnahmen nicht schlechthin steuerfrei sind, also nicht etwa so behandelt werden dürfen, als habe sie der Steuerpflichtige nicht bezogen, daß sie vielmehr nur im Jahre des Zuflusses "außer Ansatz bleiben" , sich also nur auf den steuerpflichtigen Gewinn des Jahres des Zuflusses auswirken dürfen. Bei dieser Auslegung des Gesetzes ist es folgerichtig, daß steuerfreie Schachteleinnahmen im Jahr des Zuflusses den in den nächsten Jahren abzugsfähigen Verlustabzug mindern, weil sich sonst ihr Außeransatzbleiben auch in den folgenden Jahren steuerlich auswirken würde. Aus dieser Behandlung der Schachteleinnahmen im Entstehungsjahr des Verlustabzugs zog die Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 46/50 U und die dort angegebenen Entscheidungen) die Folgerung, daß der in den Vorjahren entstandene abzugsfähige Verlust auch in den Anrechnungsjahren um die in diesen Jahren vereinnahmten Schachteldividenden vermindert werden muß. Es ist der Bfin. zuzugeben, daß sich gewichtige Einwendungen dagegen erheben lassen, daß die Schachteldividenden nicht schlechthin als für die Besteuerung unbeachtlich behandelt werden. Man muß auch anerkennen, daß es zweifelhaft ist, ob der Gesetzgeber wirklich nur eine Auswirkung der Steuerfreiheit der Schachteleinnahmen im Jahr des Zuflusses anordnen, im übrigen aber bei der Berechnung und Anrechnung von Verlustabzügen diese Einnahmen so behandeln wollte, als seien sie steuerpflichtig.

Der Senat hält aber die bisherige Auslegung des Gesetzes für möglich und sieht sich, ohne zu diesem Punkt auf den Streit der Meinungen näher einzugehen, insbesondere aus folgenden Gründen nicht in der Lage, die jahrzehntelange Rechtsprechung aufzugeben. Der Bundesfinanzhof ist der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs in Fällen nicht gefolgt, bei denen sich die wirtschaftliche Grundlage, auf der die Rechtsprechung beruhte, geändert hat. Deutlich kam dies z. B. bei der Besteuerung der Veräußerungsrenten zum Ausdruck (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 70/49 U vom 18. September 1952, BStBl 1952 III S. 290, Slg. Bd. 56 S. 754). Diese Voraussetzungen sind bei der Streitfrage nicht erfüllt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse und überlegungen, die seinerzeit zur Einführung des Schachtelprivilegs und zu der mit ihr verbundenen Rechtsprechung führten, haben sich seitdem und insbesondere in den letzten Jahren jedenfalls nicht in der Richtung geändert, daß eine Ausdehnung dieser der Konzentration förderlichen Vorschrift geboten erscheint. Es kommt hinzu, daß der Gesetzgeber schon bei den Beratungen des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 sich eingehend mit dem Umfang und den Auswirkungen des Schachtelprivilegs befaßte. Es wurden das bisher in der Durchführungsverordnung geregelte Schachtelprivileg für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit ins Gesetz übernommen und die Auswirkungen des Schachtelprivilegs im Zusammenhang mit der Begünstigung des Gewinnausschüttungen dahin geregelt, daß die Schachteleinnahmen einer sogenannten Nachsteuer unterworfen wurden. Spätestens bei dieser Gelegenheit hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen müssen, daß er die langjährige, die Auswirkungen des Schachtelprivilegs einschränkende Rechtsprechung nicht billige und die Schachteleinnahmen so behandelt haben wolle, als seien sie nicht zugeflossen. Der Senat muß deshalb davon ausgehen, daß der Gesetzgeber bei der überprüfung und Umgestaltung des § 9 KStG das Schachtelprivileg so, wie es die jahrzehntelange Rechtsprechung auffaßte, in seinen Willen aufnahm (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 13/57 U vom 1. August 1958, BStBl 1958 III III S. 390, Slg. Bd. 67 S. 300). Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 41/58 S vom 28. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 366, Slg. Bd. 69 S. 275), das eine Verrechnung der nach § 3 a EStG steuerfreien Zinseinnahmen mit einem abzugsfähigen Verlust ablehnte, können keine Schlußfolgerungen für die Auswirkungen von Schachteleinnahmen gezogen werden, weil dieses Urteil auf der Auffassung des Gerichts beruhte, daß Sinn und Zweck der erst durch das Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Förderung des Kapitalmarkts vom 15. Mai 1953 (BGBl 1953 I S. 190, BStBl 1953 I S. 114) eingeführten Steuerfreiheit bestimmter Zinsen einer Verrechnung mit abzugsfähigen Verlusten entgegensteht und dem vermutlichen Willen des Gesetzgebers nicht entspricht. Im § 3 a EStG 1953 wird auch allgemein die Steuerfreiheit dieser Zinsen ausgesprochen. Die Fassung des Gesetzes ist somit anders, und zwar bestimmter.

Dem Finanzgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die Verlustabzüge in den folgenden Veranlagungszeiträumen sobald als möglich berücksichtigt werden müssen und daß § 10d EStG 1955 insoweit gegenüber dem § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1953 keine änderung der Rechtslage gebracht hat. Die Herausnahme des Verlustabzugs aus den eigentlichen Sonderausgaben in eine besondere Vorschrift bedingte eine Neuformulierung. In dieser Neufassung heißt es nun anstelle des bisherigen Wortlauts, daß Sonderausgaben Verluste der vorangegangenen Veranlagungszeiträume "sind", daß die Verluste der vorangegangenen Veranlagungszeiträume "abgezogen werden können". Es kann nicht anerkannt werden, daß die Fassung des § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1953, wonach bestimmte Verluste Sonderausgaben "sind" , über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Wahlrechts mehr aussagte als § 10d EStG 1955. § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1953 äußerte sich vielmehr nicht darüber, in welchen Veranlagungszeiträumen der Verlustabzug geltend zu machen war. Aus der Formulierung, daß Verlustabzüge nur insoweit Sonderausgaben sind, als sie nicht in früheren Veranlagungszeiträumen abgezogen wurden, kann für ein Wahlrecht nichts entnommen werden. Bei dieser Sachlage besteht keine Veranlassung, die ebenfalls hinsichtlich eines Wahlrechts unklare Fassung des § 10d EStG 1955 nunmehr dahin auszulegen, daß dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht gegeben werden sollte. Wenn der Gesetzgeber eine so bedeutsame änderung der bisherigen Rechtsprechung hätte einführen wollen, so hätte er das deutlicher zum Ausdruck bringen müssen, da auch die bisherige Vorschrift die Frage des Wahlrechts nicht ausdrücklich regelte. Im übrigen kann von der Ausübung eines Wahlrechts nicht gesprochen werden, wenn im Anrechnungsjahr ohnehin kein steuerpflichtiges Einkommen vorliegt. Dem Finanzgericht kann darin nicht zugestimmt werden, daß sich die bei der Tochtergesellschaft angenommenen verdeckten Gewinnausschüttungen bei der Besteuerung der Bfin. nicht auswirken durften. Wenn die Gewinne der Tochtergesellschaft um angemessene Zinsbeträge erhöht wurden, so konnte das nur auf der Unterstellung beruhen, daß die Tochtergesellschaft angemessene Zinsen erhielt und als Gewinnausschüttungen wieder verausgabte. Diese Unterstellung bei der Tochtergesellschaft zwingt dazu, von der gleichen Unterstellung bei der Bfin. auszugehen, daß sie nämlich angemessene Zinsen tatsächlich gezahlt, die Zinsen aber im Wege der Gewinnausschüttung wieder zurückerhalten habe. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß bei einer solchen Unterstellung bei der Bfin. das Rechtsinstitut der verdeckten Gewinnausschüttung gegenstandslos werde, ist deshalb nicht zutreffend, weil bei dem Empfänger des Vorteils der Zinslosigkeit in der Regel sowohl eine abzugsfähige Betriebsausgabe als auch eine entsprechende steuerpflichtige Einnahme zu unterstellen ist, sein Einkommen also im Ergebnis nicht berührt wird. Im vorliegenden Fall hängt die Entscheidung, ob die Gewinne der Bfin. in der von ihr erstrebten Höhe vermindert werden dürfen, davon ab, ob die gleichzeitig zu unterstellenden Einnahmen die Steuerfreiheit des § 9 KStG genießen. Diese Frage ist zu bejahen.

Es ist nicht zweifelhaft, daß die steuerpflichtigen Gewinne der Bfin. um die als verdeckte Gewinnausschüttungen der Tochtergesellschaft behandelten Zinsen niedriger gewesen wären, wenn die Bfin. die Darlehen tatsächlich entsprechend verzinst und die Tochtergesellschaft in gleicher Höhe von der Darlehensgewährung unabhängige zusätzliche Gewinnausschüttungen vorgenommen hätte. Denn dann bestünde kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne des § 13 KStG zwischen der Zinszahlung und der Gewinnausschüttung, weil die Zinsen nicht zur Erzielung der Gewinnausschüttungen aufgewendet worden wären. Dieser Tatbestand unterscheidet sich von dem hier vorliegenden Sachverhalt lediglich dadurch, daß die verdeckte Gewinnausschüttung eine Folge der Unverzinslichkeit der Kredite ist. Das kann aber zu keinem anderen Ergebnis führen. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den unterstellten Zinszahlungen und den unterstellten Gewinnausschüttungen im Sinn des § 13 KStG kann nicht angenommen werden. Die Verknüpfung und Abhängigkeit von Aufwendungen und Erträgen ist nur zufällig und begründet keinen inneren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Darlehensgewährung und dem Ertrag aus der Beteiligung. Es ist auch nicht gerechtfertigt, die Bfin. ungünstiger zu stellen, als sie stehen würde, wenn sie das Darlehen laufend verzinst und laufend Gewinnausschüttungen erhalten hätte.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zur Entscheidung im Einspruchsverfahren zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409864

BStBl III 1961, 80

BFHE 1961, 210

BFHE 72, 210

DB 1961, 289

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