Entscheidungsstichwort (Thema)

Konkurs- und Vergleichsverwaltung keine berufstypisch freiberufliche Tätigkeit eines sog. beratenden Betriebswirts

 

Leitsatz (NV)

Ein sog. beratender Betriebswirt ist zwar Angehöriger eines freien Berufs i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, seine Konkurs- und Vergleichsverwaltertätigkeit rechnet aber nicht zu den von § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 begünstigten Leistungen aus der sog. berufstypischen Tätigkeit, die zum Berufsbild eines freien Berufs i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehört.

 

Normenkette

UStG 1967 § 12 Abs. 2 Nr. 5; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1968 bis 1971 als beratender Betriebswirt tätig. Den weitaus überwiegenden Teil seiner Einnahmen erzielte er aus der Tätigkeit als Konkurs- oder Vergleichsverwalter.

Für diese Umsätze machte der Kläger den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) i. V. m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Für die Jahre 1968 bis 1970 wurde er jeweils vorläufig gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) seinen Erklärungen entsprechend veranlagt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) vertrat nach einer Betriebsprüfung die Auffassung, § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 begünstige nur die charakteristische Berufstätigkeit der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Angehörigen eines freien Berufs. Dazu gehörten aber nicht die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG genannten Tätigkeiten, weil diese in der Regel auch von Personen anderer Berufsgruppen wahrgenommen würden. Aufgrund dieser Beurteilung ergingen geänderte Umsatzsteuerbescheide für 1968 bis 1970 und der Umsatzsteuerbescheid 1971.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 und § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor:

Er sei beratender Betriebswirt i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, vgl. Urteile vom 12. August 1965 IV 61 u. 100/61, 336/64 U, BFHE 83, 237, BStBl III 1965, 586, und vom 16. Januar 1974 I R 106/72, BFHE 111, 316, BStBl II 1974, 293). Er habe sein Studium als ,,Diplom-Sozialwirt" abgeschlossen. Die Ausbildung sei der des Diplom-Kaufmanns oder Diplom- Volkswirts ähnlich; allerdings sei die Ausbildung in den Studienfächern Wirtschafts- und Sozialrecht umfassender.

In der Gebührenordnung der Vereinigung beratender Betriebs- und Volkswirte (VBV) e. V., aufgestellt in Gemeinschaft mit dem Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte (BBV) e. V., würden die einzelnen Tätigkeiten der beratenden Betriebswirte bezeichnet. Diese Gebührenordnung könne sinngemäß als ein Berufsbild für den Beruf des beratenden Betriebswirts angesehen werden. In den §§ 18 und 19 der genannten Gebührordnung würden die Honorare bei Vergleichs- und Konkursverfahren geregelt. Die Tätigkeit als Konkurs- und Vergleichsverwalter gehöre damit eindeutig - wie bei einem Rechtsanwalt - zu den Aufgaben eines beratenden Betriebswirts.

Er, der Kläger, werde aufgrund seiner umfangreichen betriebswirtschaftlichen Ausbildung und Tätigkeit gerade als Vergleichs- und Konkursverwalter für Verfahren eingesetzt, bei denen schwierige betriebswirtschaftliche Probleme zu lösen seien. Nicht rechtliche, sondern betriebswirtschaftliche Probleme führten zu den finanziellen Zusammenbrüchen von Unternehmen.

Das Finanzgericht (FG) verkenne die Aufgaben des beratenden Betriebswirts als Konkurs- und Vergleichsverwalter. An den Konkursverwalter würden heute andere Anforderungen gestellt als bei Schaffung der Konkursordnung (KO) um die Jahrhundertwende.

Es sei nicht Aufgabe des Konkursverwalters, einen Betrieb zu zerstören und die Masse an die Gläubiger zu verteilen. Er werde in erster Linie bestrebt sein, den Betrieb und die Arbeitsplätze zu erhalten. Das setze voraus, daß der Konkursverwalter unter Anwendung betriebswirtschaftlicher Grundsätze die einzelnen Betriebsabläufe untersuche, um zu einer umfassenden Beurteilung des Betriebs zu kommen. Die Tätigkeiten als Vergleichsverwalter und als Konkursverwalter bildeten - entgegen der Annahme des FG - keine Einheit. Das Vergleichsverfahren sei nicht Vorstufe zum Konkurs, sein Zweck sei vielmehr die Abwendung des Konkurses. Beim Vergleichsverwalter überwiege die beratende Tätigkeit. Durch seine Beratung erarbeite der Vergleichsverwalter das Konzept für die Betriebsweiterführung. Aufgrund der sich ständig wechselnden wirtschaftlichen und konjunkturellen Gegebenheiten werde der Vergleichsverwalter zwangsläufig gezwungen, seine Beratungstätigkeit fortzuführen. Ohne fundierte betriebswirtschaftliche Beratung durch den Vergleichsverwalter sei die Durchführung eines erfolgreichen Vergleichsverfahrens heute nicht mehr möglich. Er (der Kläger) sei nach den Ermittlungen der Betriebsprüfung in den Streitjahren überwiegend als Vergleichsverwalter tätig gewesen.

Schließlich habe das FG das BFH-Urteil vom 5. Juli 1973 IV R 127/69 (BFHE 110, 140, BStBl II 1973, 730) nicht ausreichend beachtet. Danach entscheide das typische Berufsbild ohne Rücksicht darauf, ob auch - und oft in größerem Umfang - Handlungen vorgenommen würden, die dieses Berufsbild weniger bestimmten. Als Angehöriger eines freien Berufs i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG könne er aus der Tätigkeit als Konkurs- und Vergleichsverwalter den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 anwenden.

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer erklärungsgemäß festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 ermäßigt sich die Steuer auf die Hälfte des allgemeinen Steuersatzes für die Lieferungen und sonstigen Leistungen sowie den Eigenverbrauch aus der Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufes i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats setzt die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 einerseits voraus, daß der Unternehmer Angehöriger eines der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezeichneten Berufe ist und anderseits, daß der begünstigte jeweilige Umsatz als sog. berufstypische Tätigkeit ausgeführt wird (vgl. Beschluß vom 19. Februar 1981 V B 50/79, BFHE 132, 351, BStBl II 1981, 412, mit Nachweisen).

Als sog. beratender Betriebswirt ist der Kläger zwar Angehöriger eines freien Berufs i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG. Die Konkurs- und Vergleichsverwaltertätigkeit rechnet jedoch nicht zu den von § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 begünstigten Leistungen aus der sog. berufstypischen Tätigkeit, die zum Berufsbild eines freien Berufs i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehört.

Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß es kein ausgeprägtes Berufsbild des beratenden Betriebswirts gibt (vgl. Urteile vom 11. Dezember 1985 I R 285/82, BFHE 146, 121, BStBl II 1986, 484, und vom 18. Juli 1985 IV R 59/83, BFHE 144, 233, BStBl II 1985, 655). In enger Anlehnung an den Gesetzeswortlaut wird danach der Beruf gekennzeichnet durch die betriebswirtschaftliche Beratung. Diese erstreckt sich auf alle Fragen der Unternehmensberatung, die üblicherweise Gegenstand eines betriebswirtschaftlichen Studiums sind (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 1974 I R 106/72, BFHE 111, 316, BStBl II 1974, 293).

Zu diesen beratenden Tätigkeiten gehört die Tätigkeit als Konkurs- und Vergleichsverwalter nicht.

Der BFH hat bereits entschieden, daß die Tätigkeit als Konkurs- und Vergleichsverwalter als vermögensverwaltende Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG anzusehen ist, die nicht zu den berufstypischen Tätigkeiten z. B. eines Rechtsanwalts, Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers rechnet (vgl. Urteile vom 3. Oktober 1985 V R 106/78, BFHE 145, 248, BStBl II 1986, 213, und vom 2. Oktober 1986 V R 99/78, BFHE 148, 184, BStBl II 1987, 147). Auf diese Entscheidungen nimmt der Senat Bezug. So gehört insbesondere bei einem Wirtschaftsprüfer die Mitwirkung an Entscheidungsprozessen, bei denen er die Entscheidung allein übernimmt oder mitträgt, nicht zur berufstypischen wirtschaftlichen Beratung, sondern zur Teilhabe an der Geschäftsführung und Wahrnehmung von Vermögensverwaltung (BFHE 148, 184, BStBl II 1987, 147, unter III 2. c mit Nachweisen). Nicht anders verhält es sich mit der Konkurs- und Vergleichsverwaltung durch einen sog. beratenden Betriebswirt (vgl. das Urteil des Senats vom 19. Dezember 1985 V R 126/78, BFH/NV 1986, 309, zu einem Erlaßverfahren eines beratenden Betriebswirts hinsichtlich der von ihm nicht an seine Kunden überwälzten Umsatzsteuer nach dem vollen Steuersatz; auch hat der IV. Senat in der Ertragsteuersache - 1971 - die Revision des Klägers als unbegründet nach Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs mit Beschluß vom 17. April 1986 IV R 112/83 zurückgewiesen).

Da der Kläger nach den Feststellungen des FG ,,weitaus überwiegend" als Konkurs- oder Vergleichsverwalter tätig war, entfällt die Möglichkeit, daß diese verwaltenden Tätigkeiten mit seinen sonstigen betriebsberatenden Tätigkeiten etwa unlöslich und nach der Verkehrsanschauung nicht trennbar verbunden gewesen seien, so daß sie deshalb ertragssteuerrechtlich u. U. noch unter die freiberuflichen Tätigkeiten des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG hätten gerechnet werden müssen. Damit kann auch offenbleiben, ob § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 mit seiner begrenzten Tatbestandsverweisung auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch die Auslegung dieser Vorschrift nach ertragsteuerrechtlichen Gesetzeszwecken umfaßt, oder ob das auf die einzelne Leistung bezogene Umsatzsteuerrecht insoweit eine eigenständige Auslegung verlangt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415842

BFH/NV 1989, 132

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