Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtgegenleistung bei Kauf eines Grundstücks und weiterer Gegenstände

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Gesamtgegenleistung ist im Falle des einheitlichen Verkaufs mehrerer Sachen dann anzunehmen, wenn für diese ein Gesamtpreis gebildet wurde, aus dem sich kein genauer Einsatzpreis für einzelne verkaufte Sachen ergibt, die Vertragsbeteiligten somit bewußt darauf verzichten, den verkauften Einzelstücken jeweils einen konkreten Preis zuzuordnen und die Folgen hieraus in Kauf nehmen (§ 469, § 471, § 472 BGB).

2. Für das Vorliegen einer Gesamtgegenleistung ist es nicht erforderlich, daß an jedem der abgeschlossenen Rechtsgeschäfte jeweils dieselben Parteien beteiligt sind.

 

Normenkette

GrEStG Bln § 21 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG Bln § 21 Abs. 3 Nr. 2 (= GrEStG 1983 § 9 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG Bln § 21 Abs. 2 Nr. 4)

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Klägerin kaufte durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 5. Oktober 1977 ein in Berlin gelegenes Grundstück ,,nebst allen Bestandteilen" zu einem Kaufpreis von . . . DM. Antragsgemäß gewährte das beklagte Finanzamt (FA) Steuerbefreiung nach dem damals geltenden § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) und setzte . . . DM Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von . . . DM gegen die Klägerin fest. Die Klägerin verkaufte das Grundstück am 15. Dezember 1977 zu einem Kaufpreis von . . . DM weiter. Daraufhin setzte das FA wegen des steuerfrei gestellten Kaufpreisteiles von . . . DM weitere . . . DM Grunderwerbsteuer fest.

Später wurde dem FA durch eine Steuerfahndungsprüfung bekannt, daß der Ehemann der Klägerin mit der Grundstücksverkäuferin gleichzeitig mit dem Abschluß des Kaufvertrages vom 5. Oktober 1977 einen Kaufvertrag über ,,nicht zum Grundstück gehörende Baulichkeiten, Gegenstände und Einrichtungen" unter Vereinbarung eines Kaufpreises von . . . DM abgeschlossen hatte. Durch Änderungsvereinbarung vom 21. Dezember 1977 wurde dieser Kaufpreis gemindert, während durch weiteren Vertrag ebenfalls vom 21. Dezember 1977 noch andere Gegenstände zu einem Kaufpreis von . . . DM erworben wurden. Danach betrug der Gesamtaufwand des Ehemannes der Klägerin . . . DM.

Das FA bezog die vom Ehemann der Klägerin zu erbringende Leistung zum Teil, nämlich in Höhe von . . . DM in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ein und setzte unter Aufrechterhaltung des Nachversteuerungsbescheides über . . . DM mit der Einspruchsentscheidung die Grunderwerbsteuer auf . . . DM gegen die Klägerin fest. Hierbei ging das FA davon aus, daß es sich bei den von der Klägerin sowie ihrem Ehemann erbrachten Kaufpreisen um eine Gesamtgegenleistung für das Grundstück nebst Inventar handelte. Es berechnete die Steuer nach der Aufteilungsformel:

Gesamtkaufpreis x gemeimer Wert des Grundstücks

gemeiner Wert des Inventars + gemeiner Wert des Grundstücks.

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat den Wert des vom Ehemann der Klägerin übernommenen Inventars mit . . . DM entsprechend einem vorgelegten Taxat festgestellt und den Verkehrswert des Grundstücks mit . . . DM angenommen. Es hat das Vorliegen eines Gesamtkaufpreises verneint, die Leistungen des Ehemannes der Klägerin mit nur . . . DM berücksichtigt und die Steuer auf . . . DM ermäßigt.

Mit der Revision, die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen wurde, beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Es liege bei den Verträgen vom 5. Oktober 1977 ein einheitliches Vertragswerk mit einer Gesamtkaufpreisvereinbarung vor. Die Gesamtgegenleistung sei entsprechend der von der Rechtsprechung entwickelten Formel auf das Grundstück nebst Gebäude und Inventar aufzuteilen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG-Urteil beruht auf der Rechtsansicht, bei Verträgen, an denen mehr als zwei Personen auf einer Vertragsseite beteiligt sind, könne keine ,,Gesamtgegenleistung" vorliegen, weil die Vereinbarung eines ,,Gesamtkaufpreises" auf den übereinstimmenden Willenserklärungen zweier Vertragspartner, des Veräußerers und des Erwerbers, beruhe. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen.

Eine Gesamtgegenleistung ist im Falle des einheitlichen Verkaufs mehrerer Sachen dann anzunehmen, wenn für diese ein Gesamtpreis gebildet wurde, aus dem sich kein genauer Einsatzpreis für einzelne verkaufte Sachen ergibt, die Vertragsbeteiligten somit bewußt darauf verzichten, den verkauften Einzelstücken jeweils einen konkreten Preis zuzuordnen und die Folgen hieraus in Kauf nehmen (vgl. § 469, § 471, § 472 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Ob in diesem Sinne ein Gesamtkaufpreis vereinbart ist, ist durch Auslegung der abgeschlossenen Verträge (§ 133, § 157 BGB) unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere ihres Zustandekommens und der durch die Vereinbarung erkennbar gewordenen Interessen der Vertragsschließenden zu ermitteln.

Der Annahme eines einheitlichen Verkaufs mehrerer Sachen zu einem Gesamtpreis steht es dabei nicht entgegen, daß über den Verkauf mehrere Vertragsurkunden errichtet werden (vgl. zum sog. einheitlichen Vertrag das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juli 1979 II R 105/77, BFHE 128, 544, BStBl II 1980, 11, 13), wenn auf Grund der in diesen Verträgen getroffenen Preisvereinbarungen eine Zuordnung der Preise zu einzelnen verkauften Sachen nicht möglich und auch nicht ernstlich gewollt ist.

Ferner ist es für das Vorliegen einer Gesamtgegenleistung nicht erforderlich, daß an jedem der abgeschlossenen Rechtsgeschäfte jeweils dieselben Parteien beteiligt sind. Denn wenn der Verkaufsgegenstand (Kaufsache) trotz Vorliegens mehrerer Verträge und unterschiedlicher Vertragsparteien ein einheitlicher sein kann (vgl. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1981 II R 124/79, BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330 mit Hinweisen auf die zivilrechtliche Rechtsprechung), können auch umgekehrt die in den Einzelverträgen vereinbarten Kaufpreise eine einheitliche Gesamtgegenleistung darstellen, wenn die abgegebenen Willenserklärungen sämtlich auf die Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises gerichtet sind.

Die Sache ist spruchreif.

Daß die Klägerin und ihr Ehemann einerseits und die Verkäuferin des Grundstücks andererseits bei Abschluß der Verträge vom 5. Oktober 1977 eine Gesamtkaufpreisvereinbarung hinsichtlich des Grundstücks mit Gebäude einschließlich des Inventars getroffen haben, ergibt sich bereits aus den Feststellungen des FG. Die Klage ist deshalb unbegründet und abzuweisen.

Alle drei Vertragsschließenden hatten das übereinstimmende Interesse, Grundstück, Gebäude und Inventar insgesamt und einheitlich zum Vertragsgegenstand zu machen und hierfür einen - später reduzierten - Gesamtkaufpreis zu vereinbaren. Das zeigt der Umstand, daß beide Verträge am selben Tage und offensichtlich in einem Zuge abgeschlossen wurden und insoweit gegenseitig inhaltlich voneinander abhängig sind, als die Kaufpreisvereinbarung im Grundstückskaufvertrag unvollständig ist und durch den im Vertrag über das ,,Inventar" vereinbarten Kaufpreis, der zum überwiegenden Teil für die Übereignung des Grundstücks nebst wesentlichen Bestandteilen an die Klägerin gezahlt werden sollte, ergänzt wird. Denn von einer ernstgemeinten Preisabsprache hinsichtlich des Kaufpreises für das Inventar einerseits und das Grundstück und Gebäude andererseits kann keine Rede sein, wenn sich die in den Verträgen getroffenen Einzelpreisvereinbarungen als an dem Ziel der Steuerumgehung orientiert und somit willkürlich darstellen. Dies folgt vor allem daraus, daß der überwiegende Teil des vom Ehemann der Klägerin für das ,,Inventar" vereinbarten Kaufpreises auf das Grundstück nebst seinen wesentlichen Bestandteilen entfiel und schon deshalb der Klägerin zuzurechnen ist (vgl. § 21 Abs. 3 Nr. 2 des früheren Berliner Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG -).

Liegt aber eine ernstgemeinte und damit wirksame Einzelpreisvereinbarung nicht vor, bleibt im Streitfall nur die Annahme der Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises, der sich aus der Summe der in den beiden Verträgen vereinbarten Gegenleistungen ergibt.

Ist die Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises für Grundstück und Gebäude nebst Inventar anzunehmen, ist dieser entsprechend der vom Senat anerkannten Verhältnisrechnung (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 1968 II 150/64, BFHE 91, 494) auf das Grundstück nebst Gebäude einerseits und das übernommene Inventar andererseits aufzuteilen. Die insoweit vom FA vorgenommene Berechnung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416280

BFH/NV 1990, 392

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