Leitsatz (amtlich)

Wird der der geschiedenen Ehefrau im Rahmen einer Unterhaltsregelung zugesagte Nießbrauch an dem dem Ehemann gehörenden Einfamilienhaus nicht in das Grundbuch eingetragen, so liegt kein rechtswirksamer Nießbrauch vor. Der Nutzungswert des der unterhaltsberechtigten Ehefrau überlassenen Einfamilienhauses ist dann dem unterhaltsverpflichteten Ehemann zuzurechnen.

 

Normenkette

EStG § 12 Nr. 2, § 21 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) setzte sich in einem notariellen Vertrag mit seiner früheren, zwischenzeitlich geschiedenen Ehefrau dahin gehend auseinander, daß er ihr neben monatlichen Unterhaltszahlungen auf Lebensdauer den Nießbrauch an seinem Einfamilienhaus auf Lebenszeit bis zu seinem Ableben einräumte, wobei er zusätzlich noch die Zahlung der Zinsen und Tilgung der Grundpfandrechte, der Grundsteuer, des Ersatzes von Lastenausgleichzahlungen an die Voreigentümerin, der Brand- und Haftpflichtversicherung, des Wassergeldes und der Grundreparaturen mit Ausschluß der laufenden Reparaturen und der Gartengestaltung übernahm. Der Kläger behielt sich lediglich die unentgeltliche Nutzung der bisher zu beruflichen Zwecken verwendeten Räume vor, auch soweit diese nicht durch ihn unmittelbar benützt würden.

In dem notariellen Vertrag bewilligte der Kläger unwiderruflich die Eintragung des Nießbrauchs in das Grundbuch. Die Beteiligten kamen ergänzend hierzu überein, daß die Eintragung des Nießbrauchs in das Grundbuch nicht für erforderlich gehalten werde. In einem weiteren Abschnitt wurde vereinbart, daß der beurkundende Notar oder die geschiedene Ehefrau jederzeit ohne Anhörung des Klägers die Eintragung des Nießbrauchs in das Grundbuch verlangen könne. Der Kläger verpflichtete sich außerdem, das Hausgrundstück ohne Einwilligung seiner geschiedenen Ehefrau weder zu belasten noch zu veräußern.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen in Höhe von 2 246,84 DM geltend.

Demgegenüber errechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) unter Anwendung der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 (EinfHaus-VO) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten von 949,03 DM.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG ist der Ansicht: Nach der Rechtsprechung des BFH seien die aus einem Grundstück auf Grund eines bürgerlichrechtlich wirksam eingeräumten Nießbrauchsrechts gezogenen Nutzungen als Einkünfte dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen, selbst wenn ihm Unterhaltsansprüche gegen den Nießbrauchsverpflichteten und Eigentümer des Grundstücks ohne Gegenleistung zustünden; also auch, wenn es sich hierbei um Unterhaltsregelungen geschiedener Ehegatten handelte (Hinweis auf das Urteil vom 6. Juli 1966 VI 111/65, BFHE 86, 674). Voraussetzung hierfür sei jedoch, daß aus der Nießbrauchsbestellung alle steuer- und bürgerlich-rechtlichen Folgerungen gezogen worden seien, daß nämlich der Nießbrauchsberechtigte die Nutzungen tatsächlich ziehe, das Grundstück in Besitz genommen habe und es auch verwalte. Diese Rechtsprechung könne jedoch auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden, weil der im notariellen Vertrag der geschiedenen Ehefrau zugesagte Nießbrauch an dem Einfamilienhaus mangels Eintragung in das Grundbuch (§ 873 BGB) bürgerlich-rechtlich nicht wirksam bestellt worden sei. Hieran ändere sich auch nichts dadurch, daß sowohl die Ehefrau als auch der beurkundende Notar jederzeit die Eintragung ins Grundbuch verlangen könnten und daß der Kläger das Grundstück ohne Zustimmung seiner geschiedenen Ehefrau weder belasten noch veräußern dürfe.

Das FA habe auch in zutreffender Weise die Mieteinkünfte unter Anwendung der Verordnung vom 26. Januar 1937 ermittelt. Da der Vorgang so anzusehen sei, daß der Kläger die ihm zustehenden Nutzungen zöge und diese erst dann seiner geschiedenen Ehefrau zuwende, sei die Anwendung der Verordnung vom 26. Januar 1937 nicht zu beanstanden.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, daß der Nießbrauch in einer notariellen Urkunde eingeräumt und grundbucheintragungsreif bewilligt und beantragt worden sei. Außerdem habe er sich verpflichtet, das Grundstück ohne Zustimmung seiner geschiedenen Ehefrau weder zu belasten noch zu veräußern. Die Beteiligten hätten auch alle Folgerungen aus der Nießbrauchsbestellung gezogen, denn seine geschiedene Ehefrau habe das Grundstück im Besitz, ziehe die Nutzungen und verwalte es auch. Aus diesem Grunde müßten die Einkünfte aus dem Grundstück der Nießbraucherin zugerechnet werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die Vorentscheidung ist insoweit nicht zu beanstanden, als sie davon ausging, daß die Überlassung des Einfamilienhauses an die geschiedene Ehefrau des Klägers Unterhaltsleistungen darstellen, deren Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 12 Nr. 2 EStG ausgeschlossen ist. Zutreffend hat das FG auch darauf hingewiesen, daß in einem solchen Fall § 12 Nr. 2 EStG nur dann nicht anzuwenden sei, wenn die Nutzungen vom Berechtigten originär aufgrund eines rechtswirksam bestellten dinglichen Rechts gezogen werden und daß diese Voraussetzungen hier nicht gegeben sind, weil der zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau vereinbarte Nießbrauch an dem Einfamilienhaus mangels Eintragung im Grundbuch (§ 873 BGB) nicht rechtswirksam zur Entstehung gelangt ist. Diese Ansicht entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, der bei unterhaltsberechtigten Personen immer verlangt hat, daß das bürgerlich-rechtliche Rechtsgeschäft formgerecht abgeschlossen und wirtschaftlich vollzogen sein muß. Der Kläger irrt, wenn er glaubt, es käme bei der Bestellung eines dinglichen Rechts nur auf die vertragliche Vereinbarung und nicht auch auf die Eintragung in das Grundbuch an. Der BFH ist in seinen Entscheidungen, bei denen er sich mit der Bedeutung des Nießbrauchs im Einkommensteuerrecht befaßt hat, immer davon ausgegangen, daß die einkommensteuerrechtlichen Folgen aus einem Nießbrauch an einem Grundstück nur dann gezogen werden können, wenn dieser unter Beachtung der Formvorschriften bürgerlich-rechtlich wirksam eingeräumt oder bürgerlich-rechtlich wirksam begründet worden ist (Urteile vom 6. Juli 1966 VI 124/65, BFHE 86, 578, BStBl III 1966, 584, und VI 111/65). Zur wirksamen Einräumung eines Nießbrauchs an einem Grundstück gehört aber, wie sich aus § 873 BGB ergibt, auch die Eintragung des dinglichen Rechts in das Grundbuch. Da diese Eintragung nicht vorgenommen worden ist, liegt ein rechtswirksamer Nießbrauch nicht vor. Der Hinweis des Klägers auf § 14 des Beurkundungsgesetzes geht daher insoweit fehl.

Die von dem Kläger gewünschten Rechtsfolgen können auch nicht mit dem Hinweis auf § 5 StAnpG herbeigeführt werden. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung bürgerlich-rechtliche Vereinbarungen unter nahen Angehörigen nur anerkannt, wenn sie unter Beachtung der Formvorschriften auch rechtswirksam zustande gekommen sind. Mit Rücksicht auf die hier vorhandenen engeren Bindungen kann eine ungültige Vereinbarung mit Rücksicht auf § 5 Abs. 3 StAnpG steuerlich nicht als wirksam anerkannt werden (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juli 1968 IV 136/63, BFHE 92, 474, BStBl II 1968, 671, und vom 20. November 1973 VIII R 256/72, BFHE 110, 561, BStBl II 1974, 163).

Ist hiernach davon auszugehen, daß die geschiedene Ehefrau das Einfamilienhaus nicht aufgrund eines dinglichen Rechts nutzt, so ist der Nutzungswert dem Kläger zuzurechnen. Der erkennende Senat hat sich in seinem Urteil VIII R 256/72 erneut dafür ausgesprochen, daß § 12 Nr. 2 EStG gegenüber § 21 Abs. 2 EStG der Vorrang einzuräumen sei. Auf dieses Urteil wird insoweit verwiesen.

Die Vorentscheidung konnte indessen keinen Bestand haben, soweit dort die Ansicht vertreten wird, es sei für die Ermittlung der Mieteinkünfte bei dem Kläger die Verordnung vom 26. Januar 1937 anzuwenden. Der VI. Senat hat in seinem Urteil vom 14. November 1969 VI R 72/68 (BFHE 97, 537, BStBl II 1970, 207) ausgesprochen, daß sich der Nutzungswert eines einem Unterhaltsberechtigten unentgeltlich überlassenen Einfamilienhauses nicht nach der Verordnung vom 26. Januar 1937, sondern nach dem unter Berücksichtigung der üblichen Mittelpreise des Verbrauchsorts anzusetzenden Wert bestimmt. Der erkennende Senat schließt sich dieser Ansicht an.

Da die Vorentscheidung in dieser Hinsicht keine Feststellungen enthält, mußte sie aufgehoben werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70845

BStBl II 1974, 351

BFHE 1974, 472

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