Leitsatz (amtlich)

Ein Probenehmer für Erze, Metalle und Hüttenerzeugnisse übt keine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) übt seit 1925 den Beruf eines vereidigten Probenehmers für Metalle, Erze und Hüttenerzeugnisse selbständig aus. Er bezeichnete in den Einkommensteuererklärungen seine Gewinne als Einkünfte aus selbständiger Arbeit, weil er seine Tätigkeit als freiberufliche ansah.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) folgte dieser Ansicht nicht.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das FG ging davon aus, daß die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als vereidigter Probenehmer je nach Auftrag die Gewichtskontrolle, die Probenahme und häufig auch die Feuchtigkeitsbestimmung der zu prüfenden Materialien umfasse. Bei der Gewichtskontrolle habe der Steuerpflichtige das gewicht der betreffenden Partie (im Umfang bis zu einer Schiffsladung) zu überprüfen und jede Phase der Verwiegung (Brutto, Tara, Netto) zu kontrollieren und das Ergebnis in einem Protokoll niederzulegen. Die Probenahme geschehe in den meisten Fällen bei der Entlöschung des Materials. Bei Altmetallen müsse dabei eine Sortierung vorgenommen werden, die gründliche Kenntnisse der Zusammensetzungen und Legierungen erfordere. Zur Fertigstellung einer Durchschnittsprobe müsse der Steuerpflichtige die aussortierten Arten im genauen Gewichtsverhältnis zu einer Endprobe vereinigen und schmelzen. Aus den erkalteten Blöcken werde dann durch Bohren eine weitere Probe entnommen, die nach sieben und Mahlen und Entfernung des Eisens mittels Magnet wiederum zu einem Block geschmolzen werde, aus dem dann die Analysen-Probe entnommen werden könne.

Diese Tätigkeit des Steuerpflichtigen als vereidigter Probenehmer sei gewerblich. Sie sei weder dem in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Beruf des Handelschemikers ähnlich noch sei sie rein wissenschaftlich.

Eine Ähnlichkeit mit dem Beruf des Handelschemikers scheide zum einen deshalb aus, weil der Beruf des Probenehmers seine Wurzel im kaufmännischen oder gewerblichen Leben habe und seinem Ursprung nach nicht wissenschaftlich sei, während der Beruf des Handelschemikers auf wissenschaftlicher Grundlage basiere. Zum anderen erfordere der Beruf des Handelschemikers eine umfassende wissenschaftliche Vorbildung, während der Probenehmer die für die Ausübung seines Berufs notwendige Sachkenntnis besitze, wenn er eine mindestens fünfjährige praktische Tätigkeit auf dem Gebiet der Probenahme von Metallen, Erzen und Hüttenerzeugnissen nachgewiesen und eine Prüfung vor der bei der Handelskammer Hamburg gebildeten Prüfungskommission abgelegt habe.

Die Ähnlichkeit sei auch deshalb zu verneinen, weil der Probenehmer dem Chemiker zuarbeite, dessen Aufgabe es dann sei, die vorbereitete Probe zu analysieren.

Daß es sich bei einem Probenehmer um keine rein wissenschaftliche Tätigkeit handele, bedürfe keiner Erörterung.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Steuerpflichtigen ist unbegründet.

Mit dem FG ist davon auszugehen, daß ein vereidigter Probenehmer für Metalle, Erze und Hüttenerzeugnisse einen freien Beruf nur dann ausübt, wenn seine Tätigkeit einem im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Beruf ähnlich ist oder wenn er wissenschaftlich tätig wird.

Als wissenschaftliche Tätigkeit im engeren Sinne kann die Ausübung des Berufs eines Probenehmers nicht angesehen werden. Nach dem BFH-Urteil IV 53/63 vom 17. Dezember 1964 (HFR 1965, 267) kann eine Tätigkeit nur dann als wissenschaftlich gelten, wenn für ihre Ausübung wissenschaftliche Kenntnisse Voraussetzung sind und des weiteren eine hochstehende qualifizierte Tätigkeit entfaltet wird, die der Forschertätigkeit vergleichbar ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Ein "ähnlicher Beruf" im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG kann nach der Rechtsprechung des RFH und des BFH (vgl. zuletzt BFH-Urteile IV R 127/70 vom 5. November 1970, BFHE 101, 367, BStBl II 1971, 319, und IV 178/58 U vom 17. März 1960, BFHE 70, 561 BStBl III 1960, 209) nicht angenommen werden, wenn gewisse allgemeine Merkmale der freiberuflichen Tätigkeit vorliegen, sondern nur dann, wenn die ausgeübte Tätigkeit einem der im Gesetz genannten Berufe ähnlich ist. Das Gesetz führt in seinem Katalog die verschiedensten Berufe auf. Ein Teil von ihnen verlangt eine akademische Ausbildung, ein anderer Teil erfordert eine bestimmte Vorbildung nicht. Wenn der im Gesetz genannte Beruf eine akademische Ausbildung verlangt, muß der ähnliche Beruf auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen (vgl. BFH-Urteil I 1347/60 U vom 22. Juni 1965, BFHE 83, 256, BStBl III 1965, 593). Wenn dagegen für die im Gesetz genannte Vergleichstätigkeit eine bestimmte Vorbildung nicht erforderlich ist, kann für den "ähnlichen Beruf" eine bestimmte qualifizierte Ausbildung nicht verlangt werden. So ist es erklärlich, daß eine Reihe von Tätigkeiten (Fleischbeschauer, Hebamme, Kompaßkompensierer usw.) durch die Rechtsprechung den freien Berufen zugerechnet wurde, obwohl für sie eine akademische oder besonders qualifizierte Ausbildung nicht erforderlich ist.

Die Tätigkeit des Handelschemikers - diesen Beruf will der Steuerpflichtige als Vergleichsberuf in Anspruch nehmen - zielt ihrem Wesen nach auf die Darstellung qualitativer und quantitativer Analysen, d. h. die Erforschung von Stoffen aller Art und ihre chemische Zusammensetzung und ihr Verhalten, wobei nicht selten schon die Methode ernsthafter und schwieriger wissenschaftlicher Überlegungen bedarf, um eine vollständige Aufschlüsselung möglicherweise sogar unbekannter Stoffe zu erreichen. Der Handelschemiker ist daher auf wissenschaftlicher Grundlage tätig (so auch BFH-Urteil I 347/60 U vom 22. Juni 1965, a. a. O.). Ein ihm ähnlicher Beruf muß ebenfalls auf wissenschaftlicher Grundlage ausgeübt werden. Daß der Beruf des vereidigten Probenehmers für Metalle, Erze und Hüttenerzeugniss diese Voraussetzungen nicht erfüllt, hat das FG zutreffend festgestellt. Es konnte ohne Rechtsirrtum den Ausführungen des Steuerpflichtigen und den vorgelegten Materialien entnehmen, daß der Beruf des Probenehmers für Metalle, Erze und Hüttenerzeugnisse seine entscheidende Grundlage nicht in einer wissenschaftlichen Geistesdisziplin, sondern im kaufmännischen und gewerblichen Leben hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70293

BStBl II 1973, 183

BFHE 1973, 26

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