Leitsatz (amtlich)

Zahlungen, die ein Unternehmen dem Berechtigten für die Entlassung aus einem langfristigen, im Ergebnis benachteiligenden Erbbaurechts-Verpflichtungsvertrag leistet, sind nicht aktivierungspflichtig.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nrn. 1-2; KStG § 6 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige, eine AG, verpflichtete sich im Jahre 1961 gegenüber einer KG zur Einräumung eines Erbbaurechts an einer größeren Grundstücksfläche zum Zwecke der Errichtung von Betriebsgebäuden für die Dauer von 99 Jahren. Für die Übergangszeit bis 1963 pachtete die KG das Grundstück, allerdings ohne es zu nutzen. Anfang 1963 drängte sie auf die Eintragung des Erbbaurechts und verlangte wahlweise den Verkauf der Fläche an sie. Am 19. April 1963 erkannte die AG an, daß sie aus einem seit Jahren bestehenden Kreditverhältnis der KG 500 000 DM und als Ablösungssumme für den Erbbaurechtsvertrag 190 000 DM schulde. Zur Sicherung dieser Forderungen der KG bestellte die AG eine Grundschuld. Am 24. Mai 1963 wurde ein Kaufvertrag abgeschlossen, da die Beteiligten an der Bestellung eines Erbbaurechts nicht mehr interessiert waren. Die AG trat aber noch im Laufe des Jahres 1963 von dem Vertrage zurück. Das Recht dazu war ihr unter der Bedingung eingeräumt worden, daß sie die bestehenden Kreditverpflichtungen gegenüber der KG abdecke und alle der KG seit 1961 entstandenen Kosten und Zinsen erstatte. Die AG leistete eine Abfindungszahlung in Höhe von insgesamt 207 302 DM. Darin war auch die Rückzahlung empfangener Pachtzinsen enthalten.

Das FA sah den Abfindungsbetrag nicht als abzugsfähige Betriebsausgabe, sondern als aktivierungspflichtige Kosten eines Wirtschaftsguts an, die auf die Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages zu verteilen seien.

Die Sprungklage der AG blieb ohne Erfolg. Das FG führte in seinem in EFG 1971, 278 veröffentlichten Urteil aus, daß die Zahlung der Ablösungssumme im wesentlichen den Ersatz des negativen Interesses der KG darstelle. Durch sie habe die AG das Grundstück zur freien Nutzung und Verfügung zurückerlangt. Der Wert ihres Unternehmens sei damit gegenüber dem vorherigen, von der AG als nachteilig bezeichneten Zustand - auch unter Berücksichtigung des Wegfalls der jährlichen Erbbauzinseinnahmen in Höhe von 42 000 DM - gestiegen. Die Höhe der Abfindungsleistung entspreche dem Wert des betrieblichen Vorteils. Die AG habe durch die Leistung ein abnutzbares Wirtschaftsgut erlangt. Die dafür aufgewendeten Kosten seien auf 99 Jahre zu verteilen. Denn die Aufwendungen müßten grundsätzlich den Jahren zugerechnet werden, zu denen sie wirtschaftlich gehörten und auf deren Ertrag sie sich auswirkten. Ein Erwerber des Unternehmens würde den erlangten Vorteil bei der Bemessung des Kaufpreises entsprechend veranschlagen. Der langfristige Wegfall von Besitz und Nutzung eines großen Grundstücksteils ohne, wie die AG geltend mache, ausreichende Gegenleistung hätte den Wert des Unternehmens für einen Erwerber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erheblich gemindert. Diese Wertminderung des Unternehmens sei durch die Zahlung wieder weggefallen. - Für die Bildung eines gleichhohen Passivpostens, wie ihn die AG begehre, sei kein Raum, da die AG nach Auflösung aller vertraglichen Bindungen zu der KG keine Verluste oder Belastungen mehr zu erwarten gehabt habe. Der Umstand, daß die AG den Abschluß des Erbbaurechts-Verpflichtungsvertrages vom Jahre 1961 später als Fehlmaßnahme wertete, habe weder für das Jahr 1961 noch für ein späteres Jahr den Ansatz eines solchen Passivpostens gerechtfertigt. Bei einem Dauerrechtsverhältnis, wie z. B. einem langjährigen Pachtvertrag oder Erbbaurechtsvertrag, könne nicht schon deshalb eine Rückstellung gebildet werden, weil man nachträglich feststelle, daß andere günstigere Nutzungsverträge hätten geschlossen werden können.

Die AG beantragt mit ihrer Revision, die Vorentscheidung aufzuheben und die Entschädigung von 207 302 DM für den Verzicht auf die vereinbarte Bestellung eines Erbbaurechts als Betriebsausgabe anzuerkennen. Sie führt aus, daß die Zahlung der Entschädigung nicht nur zur Wiedererlangung der freien Nutzung auf 99 Jahre geführt habe, sondern daß hierdurch auch der sich aus dem Vertrag im Laufe von 99 Jahren infolge der Unausgeglichenheit der Werte von Leistung und Gegenleistung ergebende Verlust realisiert worden sei. Daher sei die Einstellung eines die Aktivierung ausgleichenden Passivpostens geboten.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet.

Die von der AG an die KG geleisteten Beträge haben die wirtschaftliche Bedeutung einer Abstandszahlung. Für die hier zu treffende Entscheidung kann es auf sich beruhen, auf Grund welcher Erwägungen im einzelnen die Beteiligten die Summe in der vom FG festgestellten Höhe vereinbart hatten. In der Regel erlangt der Eigentümer eines verpachteten Grundstücks - Gleiches muß bei Überlassung mit der Verpflichtung, ein Erbbaurecht einzuräumen, gelten - durch Abstandszahlungen an den Pächter, die nicht mehr dem Erwerb des Grundstücks dienen, sondern die nur bestimmt sind, die eigengewerbliche Nutzung des Grundstücks vor Ablauf des Pachtverhältnisses zu ermöglichen, einen Vorteil, den er als selbständig bewertbares Wirtschaftsgut zu aktivieren und im Zeitraum zwischen dem vereinbarten Räumungstermin und dem im ursprünglichen Pachtvertrag vereinbarten Ablauf des Pachtverhältnisses in gleichmäßigen Beträgen abzuschreiben hat (Beschluß des BFH Gr. S. 1/69 vom 2. März 1970, BFH 98, 360, BStBl II 1970, 382). Ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut war indessen im Streitfall aus zwei Gründen nicht gegeben:

1. Während in der Entscheidung des BFH Gr. S. 1/69 (a. a. O.) der erlangte Vorteil in einer vorzeitigen, einen Zeitraum von nur wenigen Jahren betreffenden Nutzung bestand, handelte es sich im Urteil des erkennenden Senats I 130/65 vom 29. Juli 1970 (BFH 100, 32, BStBl II 1970, 810) um die Erlangung eines langfristigen Vorteils. Dieser bestand darin, daß der Eigentümer die Möglichkeit erhielt, ein Fabrikgebäude zu errichten. Das Urteil wandte wegen der andersartigen wirtschaftlichen Zweckbestimmung der Abstandszahlung nicht die Grundsätze der Entscheidung des Großen Senats Gr. S. 1/69 an, sondern entschied, daß die Abstandssumme zu den Herstellungskosten des Fabrikgebäudes rechne. Auch im Streitfall geht es um die bilanzmäßige Behandlung einer Abstandssumme, die für die Erlangung eines langfristigen Vorteils gezahlt wurde. Der Unterschied zu dem Fall des Urteils I 130/65 (a. a. O.) liegt aber darin, daß sich der Vorteil nicht in einem einzelnen Wirtschaftsgut verkörpert. Der Vorteil der freien Verfügbarkeit über die Betriebsgrundstücke, an denen das Erbbaurecht hätte bestellt werden sollen, kann weder als eine Steigerung des Wertes dieser Grundstücke gedeutet noch mit bestimmten Vorhaben in einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang gebracht werden. Vielmehr handelte es sich wegen des engen Zusammenhangs der Ausnutzung dieser Grundstücke mit dem betrieblichen Gesamtgeschehen um die Erwartung einer langfristigen Verbesserung der Gewinnchancen des Unternehmens im ganzen. Diese finden ihren Ausdruck nur im allgemeinen Geschäftswert (vgl. BFH-Urteil I R 180/66 vom 5. August 1970, BFH 100, 89, BStBl II 1970, 804). Aufwendungen aber, die im Geschäftswert aufgehen, sind nicht aktivierungsfähig, viel weniger aktivierungspflichtig (vgl. BFH-Urteil I 27/57 U vom 15. April 1958, BFH 66, 677, BStBl III 1958, 260).

2. Hinzu kommt, daß der Abschluß des Vertrages von 1961, der die Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts enthielt, eine betriebliche Fehlmaßnahme darstellte. Die Vorentscheidung ist nämlich entsprechend der übereinstimmenden Ansicht der Beteiligten selbst davon ausgegangen, daß ein Erwerber des Unternehmens nach Ablösung der Erbbaurechtsverpflichtung einen höheren Kaufpreis als noch zu der Zeit gezahlt hätte, da das Unternehmen mit jener Verpflichtung belastet war. Normalerweise wäre der Nachteil, der sich daraus ergab, daß die AG die bezeichneten Grundstücksflächen fremder Nutzung überließ, durch den Vorteil aufgewogen worden, der in dem Anspruch auf die Zahlung der Erbbauzinsen während der Vertragsdauer gelegen hätte. Die Bedeutung des Vertrages von 1961 lag darin, daß die AG an einer vorteilhafteren Ausnutzung der Grundstücke gehindert war; seine Wirkung bestand nicht in einer Minderung des Wertes einzelner Wirtschaftsgüter, sondern in einer Verringerung der allgemeinen Ertragsaussichten und damit des Geschäftswertes der AG. Die im Jahre 1963 (Streitjahr) gezahlte Abfindung bezweckte, die entstandene Minderung des Geschäftswertes durch Beendigung des sie verursachenden Vertrages zu beseitigen. Der nachteilige Vertrag von 1961 und seine zwei Jahre später zustande gebrachte Aufhebung stehen in einem so engen zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, daß die Abfindungszahlung nicht der Schaffung eines für sich zu sehenden betrieblichen Vorteils, sondern der Beseitigung eines durch eine Fehlmaßnahme entstandenen und unvermindert fortwirkenden Nachteils diente. Daher fehlte es schon begrifflich an der Entstehung eines Wirtschaftsguts. Es ist in der Rechtsprechung wiederholt zum Ausdruck gebracht worden, daß es sich bei einem Wirtschaftsgut um einen selbständig bewertbaren Vorteil handeln muß (vgl. BFH-Beschluß Gr. S. 1/69, a. a. O.). Deshalb ist im Ergebnis der Revisionsklägerin darin recht zu geben, daß sich der durch die Fehlmaßnahme im Jahre 1961 entstandene Verlust im Streitjahr in der diesen Zustand beseitigenden Abfindungszahlung konkretisiert hat. Diese Zahlung muß daher im Streitjahr als Betriebsausgabe zum Abzug zugelassen werden. Da eine Aktivierung dieses Betrages nicht in Betracht kommt, erledigt sich das Begehren der AG, die Bildung eines entsprechenden Passivpostens zuzulassen.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Die Körperschaftsteuer 1963 wird in Abänderung des vorläufigen Körperschaftsteuerbescheids vom 26. August 1966 auf Null DM festgesetzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69697

BStBl II 1972, 34

BFHE 1972, 187

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