Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine ordnungsgemäße Revisionsbegründung bei Bezugnahme auf ein Rechtsgutachten

 

Leitsatz (NV)

1. Die bloße Bezugnahme eines Prozeßbevollmächtigten auf ein Rechtsgutachten eines Dritten reicht als Revisionsbegründung nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn das Gutachten für sich genommen den Anforderungen des §120 Abs. 2 Satz 2 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG genügen würde und der Prozeßbevollmächtigte es sich zu eigen macht.

2. Die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist setzt einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag voraus.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), die seit dem 1. September 1993 in der ... -Produktion tätig ist. Ihre Gesellschafter sind die Eheleute A und B, die bis zu ihrer Ausweisung aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am ... 1989 in X (neue Bundesländer) wohnten. Im Zuge der Reprivatisierung erwarben sie eine ... -Fabrik in Y (neue Bundesländer) und nahmen am 1. Oktober 1990 die Produktion auf.

Mit Antrag vom 9. März 1994 beantragte die Klägerin für Investitionen im Jahre 1993 (Streitjahr) die erhöhte Investitionszulage von 20 v. H. gemäß §5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1993.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) gewährte lediglich eine Investitionszulage in Höhe von 8 v. H. der Bemessungsgrundlage nach §5 Abs. 1 Nr. 2 InvZulG 1993.

Die hiergegen erhobene Sprungklage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: §5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b InvZulG 1993 sei im Streitfall nicht einschlägig, da die Gesellschafter der Klägerin am 9. November 1989 ihren Wohnsitz nicht im Beitrittsgebiet, sondern in der Bundesrepublik gehabt hätten. Eine analoge Anwendung scheide mangels einer Gesetzeslücke aus. Der Gesetzgeber habe nur Personen begünstigen wollen, die am 9. November 1989 einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet gehabt hätten. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege nicht vor. Der Gesetzgeber habe zur Erreichung des Ziels, Investoren aus den neuen Ländern zu fördern, eine zeitliche Grenze ziehen müssen. Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Maueröffnung sei nicht sachwidrig. Es handele sich um eine zulässige gesetzliche Typisierung.

Hiergegen legte die Klägerin, vertreten durch ihren Steuerberater, Revision ein. Sie wies darauf hin, sie habe für die Revisionsbegründung ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben und bitte deshalb, die Revisionsbegründungsfrist auf vier Monate zu verlängern. Die Frist zur Revisionsbegründung wurde dementsprechend bis 18. Juli 1996 verlängert. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 1996 reichte die Klägerin zur Revisionsbegründung ein Gutachten des ... e. V. ein, das auf mögliche Rechtsverletzungen durch das FG hinweist, der Klägerin bestimmte Vorgehensweisen anheimstellt und schließlich eine Fortführung der Revision befürwortet, da u. a. verfassungsrechtliche Bedenken gegen §5 Abs. 2 InvZulG 1993 bestünden. Die Klägerin führte lediglich ergänzend an, ihre Gesellschafter wohnten noch in Z (alte Bundesländer), beabsichtigten jedoch, an den Betriebssitz nach Y zu ziehen.

Auf den Einwand des FA im Schriftsatz vom 1. August 1996, der Klägerin übersandt am 8. August 1996, die Bezugnahme auf das Gutachten stelle keine ausreichende Revisionsbegründung dar, wies die Klägerin unter dem 29. August 1996 darauf hin, sie habe in ihrer Revisionsschrift die Vorlage eines Gutachtens angekündigt und dieses eingereicht. Dagegen habe der Senat keine Einwendungen erhoben. Sie bitte um die Auffassung des Senats dazu und erforderlichenfalls erneut um die Einräumung einer Frist für die Revisionsbegründung. Vom Inhalt her werde sich die erneute Begründung allerdings mit dem eingereichten Gutachten decken.

Unter dem 30. August 1996 teilte der Vorsitzende des erkennenden Senats der Klägerin mit, die verlängerte Revisionsbegründungsfrist sei am 18. Juli 1996 abgelaufen. Eine weitere Verlängerung komme nicht mehr in Betracht. Auch eine erneute Einräumung einer Revisionsbegründungsfrist sei nicht möglich. Vorsorglich werde auf §56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Die Klägerin hat die Revision nicht in der gemäß §120 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) erforderlichen Weise begründet.

Die ordnungsgemäße Begründung der Revision gehört zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen (§120 Abs. 1 Satz 1 FGO). Eine hinreichende Begründung liegt nicht vor, wenn sich der -- postulationsbefugte -- Prozeßbevollmächtigte zur Begründung seines Rechtsmittels auf die Bezugnahme auf eine nicht von ihm selbst gefertigte gutachter liche Stellungnahme beschränkt. Die Revisionsbegründung muß von dem Prozeßbevollmächtigten selbst stammen (vgl. dazu Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470). Eine Bezugnahme auf ein fremdes Schriftstück genügt nicht, selbst wenn es sich dabei um ein Rechtsgutachten handelt, das für sich genommen den Anforderungen des §120 Abs. 2 Satz 2 FGO -- ggf. i. V. m. Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG -- genügen würde. Denn die Bezugnahme auf ein schriftliches Gutachten kann die geforderte eigene verantwortliche Stellungnahme des postulationsbefugten Prozeßbevollmächtigten zur Würdigung des Streitstoffes in der Revisionsinstanz nicht ersetzen. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Prozeßbevollmächtigte die fremde Begründung zu eigen macht (BFH-Beschluß vom 26. November 1985 IX R 80/84, BFH/NV 1987, 305).

Hiervon ausgehend, hat die Klägerin innerhalb der -- verlängerten -- Revisionsbegründungsfrist keine den Zulässigkeitserfordernissen gerecht werdende Begründung ihres Rechtsmittels eingereicht. Ihr Hinweis darauf, daß eine erneute Revisionsbegründung sich inhaltlich mit dem Gutachten decken würde, führt zu keiner anderen Beurteilung. Es fehlt jedenfalls an einer eigenen verantwortlichen Stellungnahme des postulationsbefugten Prozeßbevollmächtigten zur Würdigung des Streitstoffes in dem angefochtenen Urteil, ohne die die Revisions instanz nicht in die Lage versetzt wird, sich möglichst schnell, sicher und umfassend über die Streitsache zu unterrichten (BFH- Beschluß in BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470). Das zeigt sich hier besonders deutlich daran, daß das vorgelegte Gutachten an mehreren Stellen lediglich Überlegungen für die Formulierung einer endgültigen Revisionsbegründung oder sogar nur Empfehlungen an die Klägerin enthält, die diese erst noch hätte umsetzen müssen. So ist in dem Gutachten z. B. in Erwägung gezogen, u. a. auch die Rüge mangelnder Sachaufklärung zu erheben; die "entscheidenden Umstände wären aber (ggf. von der Klägerin) zu benennen" gewesen.

Wie der Vorsitzende des erkennenden Senats der Klägerin mitgeteilt hat, scheidet nach Ablauf der verlängerten Revisionsbegründungsfrist eine -- weitere -- Verlängerung der Frist aus, da nach §120 Abs. 1 Satz 2 FGO eine Fristverlängerung einen vor Fristablauf gestellten Fristverlängerungsantrag voraussetzt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §120 Anm. 25, m. w. N.). Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Verhinderung an der Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist (§56 FGO) sind nicht dargetan und auch aus den Akten nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66739

BFH/NV 1998, 332

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