Leitsatz (amtlich)

Den maßgeblichen Einfluß auf die Betriebsgesellschaft, den die Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung fordert, gewährt einem Gesellschafter auch eine mittelbare Beteiligung jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - der Inhaber des Besitzunternehmens an einer Kapitalgesellschaft mit 99,95 v. H. der Anteile und diese Kapitalgesellschaft an der Betriebsgesellschaft mit 99 v. H. der Anteile beteiligt ist.

 

Normenkette

GewStG § 2 Nr. 1; GewStDV § 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) gründete zusammen mit seinem Vater am 7. Dezember 1961 in der Schweiz die G/Z. Er war an dieser GmbH zunächst mit 99,95 v. H., seit 23. Arpil 1963, nach dem Erwerb des Anteils des Vaters, allein beteiligt. Die G/Z gründete zusammen mit der Ehefrau des Klägers am 22. Dezember 1961 im Inland die G-GmbH G/E. Sie übernahm Anteile von 99 v. H., die Ehefrau des Klägers einen Anteil von 1 v. H. Vom 2. Januar 1962 bis 2. Januar 1963 verpachtete der Kläger sein Unternehmen an die G/E. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) behandelte den Kläger für diese Zeit als gewerbesteuerpflichtig, weil eine Betriebsaufspaltung vorgelegen habe. Der Kläger erhob gegen die Gewerbesteuermeßbescheide für 1962 und 1963, die auf dieser Auffassung des FA beruhten, Klage beim FG.

Das FG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Eine Betriebsaufspaltung setze voraus, daß am Besitzunternehmen und am Betriebsunternehmen im wesentlichen dieselben Personen beteiligt seien. Daraus folge gleichzeitig, daß die mittelbare Beherrschung der G/E über die G/Z durch den Kläger die Betriebsaufspaltung nicht nach sich ziehen könne. Die Zwischenschaltung der G/Z sei nicht rechtsmißbräuchlich im Sinne des § 6 StAnpG.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung von Bundesrecht gerügt wird. Das FA vertritt einmal die Auffassung, bei der Gründung der G/Z handle es sich um einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 6 StAnpG. In diesem Zusammenhang rügt das FA mangelhafte Sachaufklärung. Selbst wenn aber die Gründung der G/Z den Mißbrauchstatbestand nicht erfülle, beherrsche der Kläger die G/E über die G/Z wie bei einer Betriebsaufspaltung.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der BdF ist dem Verfahren beigetreten. Er hält die Gründung der G/Z für einen Rechtsmißbrauch (§ 6 StAnpG).

Der BdF beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung für den Fall der Betriebsaufspaltung aufgestellt hat, unterlag der Kläger in der Zeit vom 2. Januar 1962 bis 2. Januar 1963 der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 GewStG, § 1 GewStDV).

Das FG hat seine Entscheidung auf die frühere Rechtsprechung des erkennenden Senats gestützt, nach der Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung sei, daß am Besitzunternehmen und am Betriebsunternehmen im wesentlichen dieselben Personen beteiligt seien (Urteil des BFH vom 24. Januar 1968 I 76/64, BFHE 91, 368, BStBl II 1968, 354). Diese Rechtsprechung ist jedoch überholt durch den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71 (BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Nach diesem Beschluß ist es für die Annahme einer Betriebsaufspaltung ausreichend, aber auch erforderlich, daß die Person oder die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, in der Lage sind, auch im Betriebsunternehmen ihren Willen durchzusetzen. In diesem Fall stellt die Vermietung oder Verpachtung der wesentlichen Betriebsanlagen in Verbindung mit der Beherrschung des Betriebsunternehmens die Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit des Besitzunternehmens dar.

Die Beherrschung einer Gesellschaft im Sinne der Betriebsaufspaltung, die nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH GrS 2/71 hinter den beiden Unternehmen "einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen" zutage treten läßt, setzt voraus, daß die Gesellschafter einen maßgeblichen Einfluß auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung haben. Diesen maßgeblichen Einfluß gewährt einem Gesellschafter aber auch eine mittelbare Beteiligung an der Gesellschaft jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - der Inhaber des Besitzunternehmens an einer Kapitalgesellschaft mit 99,95 v. H. der Anteile und diese Kapitalgesellschaft an der Betriebsgesellschaft mit 99 v. H. der Anteile beteiligt sind. Denn der Kläger ist in der Lage, auf die laufende Geschäftsführung und auf die Beschlüsse der G/Z und auf diese Weise auch auf die laufende Geschäftsführung und die Beschlüsse der G/E maßgeblich einzuwirken (§§ 45 ff., 53 ff. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Art. 808, 784 ff. Schweizerisches Obligationenrecht).

Art. 3 Abs. 4 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 i. d. F. des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 (BStBl I 1959, 1006) steht der Annahme einer Gewerbesteuerpflicht des Klägers auf Grund einer Betriebsaufspaltung nicht entgegen. Diese Vorschrift entzieht nur die Beteiligung an einer Gesellschaft und Einkünfte daraus der deutschen Besteuerung, soweit sich die Betriebstätte in der Schweiz befindet. Im Streitfall geht es nicht um die Besteuerung von Einkünften des Klägers aus seiner Beteiligung an der G/Z, sondern um die Einordnung und die Besteuerung von Einkünften des Klägers aus der Verpachtung seines Unternehmens an die G/E.

Bei dieser Sach- und Rechtslage bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob die G/Z steuerrechtlich anzuerkennen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71184

BStBl II 1975, 112

BFHE 1975, 98

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