Entscheidungsstichwort (Thema)

Überschreitung des Klageantrags; Beteiligung an Bauherrenmodell

 

Leitsatz (NV)

1. Das FG geht über den Klageantrag hinaus, wenn es dem FA gemäß Art. 3 § 4 VGFGEntlG die Steuerberechnung überträgt und sich bei Berücksichtigung der vom FG festgelegten Besteuerungsgrund lagen eine Steuerfestsetzung ergäbe, die unter der vom Kläger begehrten liegt.

2. Aufwendungen eines Beteiligten an einem Bauherrenmodell, die auf den Erwerb eines Grundstücks mit bezugsfertigem Gebäude gerichtet sind, stellen grundsätzlich Anschaffungskosten dar.

 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 1 S. 2; VGFGEntlG Art. 3 § 4

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren (1977 und 1978) gemeinsam mit seiner früheren Ehefrau an einer Bauherrengemeinschaft beteiligt. Beide Ehegatten erwarben ein Grundstück, das mit einem Einfamilienhaus bebaut und anschließend vermietet werden sollte. In den Einkommensteuererklärungen 1977 und 1978 machten sie Aufwendungen aus der Beteiligung, die vornehmlich auf einem Bündel von Verträgen mit einem Treuhänder beruhten, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) lehnte den Abzug der Aufwendungen ab, da der Kläger und seine frühere Ehefrau sich an einem sog. Mietkaufmodell beteiligt hätten und deshalb keine Einkünfteerzielungsabsicht vorgelegen habe.

Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage beim Finanzgericht (FG). In der Klageschrift beantragte er, die Einkommensteuer 1977 auf 102 894 DM und die Einkommensteuer 1978 auf 122 220 DM herabzusetzen. Zum Klageantrag führte er ergänzend aus: "Sollte das Finanzgericht ... durch seine Entscheidung die Möglichkeit eröffnen, unter die vorstehende Steuerfestsetzung zu gehen, stelle ich den Antrag alternativ, die Steuer niedriger festzusetzen." In der münd lichen Verhandlung vor dem FG beantragte der Kläger, die Einkommensteuer 1977 auf 102 894 DM und die des Jahres 1978 auf 122 220 DM herabzusetzen. Das FG bejahte eine Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers und gab der Klage statt. Es änderte die angefochtenen Einkommensteuerbescheide dergestalt, daß zusätzliche Werbungskosten von 68 787 DM (1977) und 55 811 DM (1978) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anerkannt wurden. Die Berechnung der Steuer übertrug es gemäß Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit dem FA.

Gegen die Entscheidung richtet sich die Revision des FA, mit der es ausschließlich Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanz gerichtsordnung (FGO) rügt. Bei Abzug zusätzlicher Werbungskosten von 68 787 DM bzw. 55 811 DM ergäbe sich eine Einkommensteuer von 84 086 DM (1977) sowie 93 433 DM (1978). Das FG sei daher über den Klageantrag hinausgegangen.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 26. Mai 1992 für das Jahr 1978 einen Änderungsbescheid erlassen, in dem es die Einkommensteuer hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrags und des allgemeinen Tariffreibetrags für vorläufig erklärt hat (§ 165 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Der Kläger hat den Bescheid gemäß § 121 Satz 1, § 123 Satz 2 i. V. m. § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG ist zu Unrecht über den Antrag des Klägers hinausgegangen. Außerdem ist es von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen.

1. Das FG hat durch sein Urteil, in dem es zusätzliche Werbungskosten von 68 787 DM (1977) und 55 811 DM (1978) zum Abzug zugelassen und mit dem es die vom Kläger beantragte Steuerfestsetzung unterschritten hat, die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO verletzt. Danach darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Im Streitfall hatte der Kläger zwar in der Klageschrift den weitergehenden Antrag gestellt, ggf. die Steuer niedriger als die angegebenen Beträge festzusetzen. Laut Niederschrift über die mündliche Verhandlung hat er in dieser jedoch einen bezifferten Klageantrag gestellt. Einwände gegen die Richtigkeit des Protokolls wurden nicht erhoben (§ 94 FGO i. V. m. § 164 der Zivilprozeßordnung). Maßgebend ist damit dieser Antrag (vgl. § 92 Abs. 3 FGO), den auch der BFH als Revisionsgericht auslegen kann (BFH-Urteil vom 28. Juli 1987 VII R 14/84, BFH/NV 1988, 241). Er ist nicht dahin zu verstehen, daß der Kläger den Abzug der in den Einkommensteuer erklärungen 1977 und 1978 geltend gemachten Werbungskosten begehrt.

2. Darüber hinaus weicht das Urteil des FG von der Rechtsprechung des BFH zum Abzug von Werbungskosten aus der Beteiligung an Bauherrenmodellen ab. Der Kläger war nicht Bauherr, sondern nur Erwerber. Er hatte sich an dem Bauherrenmodell auf der Grundlage eines vorformulierten Vertragswerkes beteiligt und sich bei den damit zusammenhängenden Rechtsgeschäften durch einen Treuhänder vertreten lassen. Nach der Rechtsprechung des Senats stellen alle in diesem Zusammenhang an die Anbieterseite geleisteten Aufwendungen, die auf den Erwerb des Grundstücks mit dem bezugsfertigen Gebäude gerichtet sind, grundsätzlich Anschaffungskosten dar (BFH-Urteil vom 14. November 1989 IX R 197/84, BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299). Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Unrecht als Werbungskosten sofort zum Abzug zugelassen.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Aus den vom FG in Bezug genommenen Unterlagen ergibt sich zwar, daß die geltend gemachten Werbungskosten zum großen Teil auf einem Vertragsbündel mit einem Treuhänder im Sinne der genannten Senatsrechtsprechung beruhen, nicht aber, in welchem genauen Umfang und aus welchem Rechtsgrund die übrigen Aufwendungen (z. B. Schuldzinsen) angefallen sind und ob insoweit die Voraussetzungen für den Werbungskostenabzug vorliegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420018

BFH/NV 1995, 218

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