Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein vom Steuerpflichtigen errichtetes Hausgrundstück veräußert, dessen Grund und Boden der Steuerpflichtige vor mehr als zwei Jahren angeschafft hat, so ist ein Spekulationsgeschäft i. S. von § 23 Abs. 1 EStG nicht gegeben, auch wenn die Frist zwischen der Fertigstellung des Hauses und der Veräußerung des Hausgrundstücks weniger als zwei Jahre beträgt.

 

Normenkette

EStG § 22 Ziff. 2, § 23/1/1/a; StAnpG § 1 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat am 12. September 1952 ein Hausgrundstück für 60.000 DM veräußert, dessen Grund und Boden er am 24. Juli 1950 erworben hatte. Mit der Erstellung des Hauses wurde Anfang Juli 1950 begonnen; es war Ende 1950 bezugsfertig. Zum Bau des Hauses hat der Bf. einen ihm von seinem Arbeitgeber gegebenen Zuschuß von 25.000 DM verwendet, für den die Voraussetzungen des § 7 c des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorlagen. Der Bf. bezog das Haus zunächst selbst. Im Sommer 1952 kaufte er ein neues Grundstück, auf dem er unter Verwendung des aus dem Verkauf des Hausgrundstücks erzielten Erlöses ein neues Haus errichtete.

Das Finanzamt sah in der Veräußerung des Hausgrundstücks ein Spekulationsgeschäft im Sinne des § 22 Ziff. 2 in Verbindung mit § 23 EStG. Es hielt den Erwerb des Grundstücks und die Errichtung des Hauses für einen einheitlichen Vorgang und berechnete die Zweijahresfrist des § 23 EStG von der Fertigstellung des Hauses ab. Den Gewinn ermittelte es wie folgt:

Veräußerungserlös ------------------------------ 60.000 DM Anschaffungskosten ------------------ 56.310 DM ./. 7 c)- Zuschuß -------------------- 25.000 DM - 31.310 DM Veräußerungsgewinn ----------------------------- 28.690 DM.Die Sprungberufung hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht hielt die Zusammenfassung von Grundstückserwerb und Hauserrichtung zu einem einheitlichen Vorgang für nicht richtig. Es sah hinsichtlich des Grund und Bodens die Zweijahresfrist als überschritten an. Es bejahte aber das Vorliegen eines Spekulationsgeschäftes hinsichtlich des Gebäudes, weil die Errichtung eines Hauses der Anschaffung gleichgestellt werden müsse und zwischen der Errichtung, d. h. der Fertigstellung des Hauses, und der Veräußerung keine zwei Jahre verstrichen seien. Es ermittelte den Veräußerungsgewinn für das Gebäude wie folgt:

Veräußerungserlös für das gesamte Grundstück -------------------------- 60.000 DM Davon entfallen auf Grund und Boden (geschätzt) -------------------------- 9.300 DM - 50.700 DM Anschaffungskosten für Grund und Boden und Gebäude ------------------- 56.310 DM ./. Anschaffungspreis für den Grund und Boden ---------------------------- 6.833 DM 7 c)- Zuschuß ------------------------ 25.000 DM - 24.477 DM Veräußerungsgewinn für das Gebäude ------------- 26.223 DM.Auch das Finanzgericht rechnete den 7 c)- Zuschuß nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich der Bf. gegen die Rechtsauffassung des Finanzgerichts.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 1 EStG ist ein Spekulationsgeschäft nur gegeben, wenn ein angeschaffter Gegenstand veräußert wird. Die Veräußerung hergestellter Gegenstände fällt deshalb grundsätzlich nicht unter § 23 EStG. Im EStG wird stets zwischen Anschaffung und Herstellung klar geschieden. Es ist deshalb mit Sicherheit anzunehmen, daß, wenn im § 23 Abs. 1 nur die Anschaffung, nicht auch die Herstellung erwähnt wird, das bewußt geschehen ist. Das ergibt sich auch daraus, daß im § 23 Abs. 4 die Anschaffungs- und Herstellungskosten ausdrücklich nebeneinander erwähnt werden. An den klaren und eindeutigen Wortlaut des Gesetzes sind die Steuergerichte gebunden. Daß nur Anschaffungsgeschäfte Spekulationsgeschäfte sein können, ergibt sich auch aus der Entwicklungsgeschichte (vgl. Becker, Einkommensteuergesetz, Handkommentar der Reichssteuergesetze, Bd. II Teil 3, Bem. 8 zu § 42 Einkommensteuergesetz 1925, S. 1863, und Strutz, Kommentar des Einkommensteuergesetzes 1925, Aufl. 1929, Bem. 5 zu § 42, S. 716). Der Senat hält ein Spekulationsgeschäft für gegeben, wenn Hausbau und Veräußerung - gerechnet von der Anschaffung des Grundstücks - innerhalb der Zweijahresfrist liegen. Das ist hier nicht der Fall.

Wenn das Finanzgericht im Streitfall die Herstellung des Gebäudes der Anschaffung gleichgesetzt hat, so ist es offenbar davon ausgegangen, daß zwischen der Veräußerung eines gekauften und der Veräußerung eines erst gebauten Hauses wirtschaftlich kein Unterschied bestehe. Das Finanzgericht hielt es offenbar für richtig, den entstandenen Veräußerungsgewinn besonders deshalb zu erfassen, weil der Gewinn vor allem durch den 7 c)- Zuschuß entstanden war, den der Bf. kurz zuvor auf Grund von § 6 Ziff. 11 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung steuerfrei als Arbeitslohn erhalten hatte, und weil der Bf. durch die Sonderabschreibung nach § 7 b EStG auf den selbst aufgebrachten Teil der Herstellungskosten einen erheblichen steuerlichen Vorteil gehabt hatte. Wenn auch diese überlegungen des Finanzgerichts wirtschaftlich sinnvoll sind, so haben sie doch im Gesetz keinen Ausdruck gefunden. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob Gewinne, die bei Veräußerung von Grundstücken entstehen, für die eine steuerliche Vergünstigung nach § 7 b EStG oder § 7 c EStG gewährt worden war, erfaßt werden sollen. Verzichtet das Gesetz auf die Erfassung solcher Gewinne, so kann es nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein, durch eine Auslegung des § 23 Abs. 1 EStG entgegen seinem Wortlaut einen Steuertatbestand zu schaffen, den der Gesetzgeber offenbar nicht schaffen wollte. Bei einer solchen Auslegungsmethode würden die Steuergerichte ihre Vorstellungen von der Zweckmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung an die Stelle des erkennbaren gesetzgeberischen Willens setzen. Ein solches Verfahren widerspräche dem verfassungsmäßigen Grundsatz der Dreiteilung der Staatsgewalt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 44/54 U vom 16. Dezember 1954, Slg. Bd. 60 S. 115, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 45 und die dort angegebene weitere Rechtsprechung).

Die Vorentscheidung war demnach aufzuheben. Dem Senat erschien es zweckmäßig, die Sache unmittelbar an das Finanzamt zurückzuverweisen, das über die Sache nach den vorstehenden Grundsätzen im Einspruchsverfahren zu entscheiden hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408650

BStBl III 1957, 51

BFHE 1957, 133

BFHE 64, 133

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