Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks für die gründliche überholung, die Modernisierung und den Umbau gemacht worden sind, können auch nicht insoweit sofort abgezogen werden, als sie Schäden betreffen, die den Beteiligten bei Abschluß des Kaufvertrags nicht bekannt waren.

 

Normenkette

EStG §§ 7, 9, 21

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner ( Bg.) erwarb im Februar 1950 ein Grundstück mit einem Einheitswert von 6 240 DM für 15 000 DM. Auf dem Grundstück stand ein altes Bauernhaus mit Wohnräumen, Stallungen und Scheune. Alsbald nach dem Erwerb begann der Bg. das Grundstück mit einem Aufwand von 45 770,45 DM umzubauen und gründlich zu überholen. Am 1. November 1950 bezog er eine Wohnung in dem Haus; außer ihm sind darin noch zwei Mieter untergebracht. Der Bg. erkennt grundsätzlich an, daß die Umbau- und überholungskosten auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer des Gebäudes verteilt werden müssen. Er will aber einen Teilbetrag von 5.047,82 im Streitjahr 1950 sofort absetzen, weil dieser Betrag zur Beseitigung von Schäden aufgewandt worden sei, die den Vertragspartner beim Kaufabschluß nicht bekanntgewesen seien. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es hielt auf Grund seiner Ermittlungen für erwiesen, daß die vom Bg. behaupteten Schäden beim Kaufabschluß den Beteiligten nicht bekanntgewesen seien und deshalb bei der Preisbildung für das Grundstück nicht berücksichtigt sein könnten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde, mit der sich der Vorsteher des Finanzamts gegen die Rechtsauffassung des Finanzgerichts wendet, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

In dem Urteil I 176/54 U vom 25. Oktober 1955 (Slg. Bd. 61 S. 489, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 388) und IV 74/54 U vom 1. Dezember 1955 (Slg. Bd. 62 S. 108, BStBl 1956 III S. 41), die erst nach der angefochtenen Entscheidung ergangen sind, haben der I. und IV. Senat des Bundesfinanzhofs entschieden, daß Aufwendungen, die der Erwerber eines Grundstücks im Zusammenhang mit dem Erwerb für die gründliche überholung, die Modernisierung oder den Umbau des Gebäudes macht, im allgemeinen als nachträglicher Anschaffungsaufwand gemäß § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf die Nutzungsdauer des Gebäudes verteilt werden müßten. Die Rechtsprechung geht davon aus, daß in solchen Fällen der Grundstückserwerber von vornherein bereit gewesen sei, die Aufwendungen auf das Gebäude nach dem Erwerb zu machen, um ein für seine Zwecke geeignetes Grundstück zu haben. Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Erwerb und nachträglichem Aufwand ist im Urteil des Bundesfinanzhofs I 82/ 56 U vom 14. August 1956 (BStBl 1956 III S. 321) ausgeführt worden, es komme in erster Linie nicht auf den zeitlichen, sondern auf den sachlichen Zusammenhang an. Wenn der Erwerber verhältnismäßig kurz nach dem Erwerb größere Aufwendungen auf das Grundstück mache, so spreche das dafür, daß er von vornherein beim Erwerb den nachträglichen Aufwand einkalkulierte. Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Aufwand und dem Erwerb werde, um so sorgfältiger müsse geprüft werden, ob noch ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. In solchen Fällen sei oft der nachträgliche Aufwand auf Umstände zurückzuführen, die mit dem Erwerb keinen sachlichen Zusammenhang mehr hätten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 386/52 U vom 11. Dezember 1953 (Slg. Bd. 58 S. 424, BStBl 1954 III S. 74). Das Urteil I 86/56 U hält bei der Beurteilung des sachlichen Zusammenhangs auch für bedeutsam, ob die nachträglichen Aufwendungen im Verhältnis zum Kaufpreis erheblich sind. Das Urteil I 176/54 U spricht aus, daß der gesamte Aufwand, der im Zusammenhang mit dem Erwerb gemacht wird, einheitlich beurteilt werden müsse; es könne nicht etwa ein Teil der Aufwendungen als Kosten für Reparaturen, die beim Kauf des Grundstücks rückständig waren, sofort abgesetzt werden. Der erkennende Senat tritt diesen Rechtsgrundsätzen bei, die im übrigen auch mit der Verwaltungsübung übereinstimmen (vgl. z. B. Abschn. 157 Abs. 3 a. E. der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1955).

Das Finanzgericht geht von einer ähnlichen Rechtsauffassung aus, glaubt aber, Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden, die beim Kauf des Grundstücks vorhanden, aber den Beteiligten nicht bekannt waren, sofort abziehen zu können, weil solche Schäden sich bei der Bemessung des Kaufpreises nicht mindernd ausgewirkt haben könnten. Der Senat tritt dieser Auffassung nicht bei. Die Begriffe Anschaffungskosten und Herstellungskosten sind objektiv zu bestimmen. Sie umfassen den gesamten Aufwand, den ein Steuerpflichtiger zur Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes macht. Ihre Höhe hängt nicht davon ab, ob die Aufwendungen aus irgendwelchen in den äußeren Verhältnissen oder in der Person des Steuerpflichtigen begründeten Umständen höher sind als der Steuerpflichtige zunächst annahm oder wirtschaftlich vertretbar waren. Sind überhöhte Kosten entstanden, so kann eine Fehldisposition des Steuerpflichtigen vorliegen; der Teilwert oder der gemeine Wert des Wirtschaftsgutes kann dann unter dem Betrag der gemachten Aufwendungen liegen. Bei Gegenständen, die zu einem Betriebsvermögen gehören, kann das zu einer Abschreibung auf den niederen Teilwert (ß 6 Ziff. 1 und 2 EStG) führen. Bei Wirtschaftsgütern, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, gibt es eine solcher Abschreibungsmöglichkeit. Keinesfalls kann, wie das Finanzgericht anzunehmen scheint, überhöhter Anschaffungsaufwand aus Gründen, die in der Person des Erwerbers liegen, den Charakter von Reparaturaufwand (Instandsetzungskosten) annehmen.

Richtig ist, daß in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs verschiedentlich darauf hingewiesen worden ist, daß, wenn bei einem veräußerten Grundstück Reparaturen rückständig seien, erfahrungsgemäß der Kaufpreis entsprechend geringer bemessen würde; ein Veräußerer, der vorher die Reparaturen durchgeführt hätte, würde einen entsprechend höheren Kaufpreis gefordert haben. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß in jedem Fall festgestellt werden muß, ob und inwieweit wegen des tatsächlichen Zustandes beim Erwerb des Grundstücks der Preis herabgesetzt wurde, und daß nur in Höhe dieser Minderung zusätzlicher Anschaffungsaufwand vorliegen könne. Eine solche Auslegung würde, wie ausgeführt, dem Begriff Anschaffungskosten widersprechen. Sie wäre auch praktisch undurchführbar, weil sich nur selten einigermaßen zuverlässig feststellen läßt, wie ein Kaufpreis zustande gekommen ist und welche Umstände erhöhend oder mindernd auf den Kaufpreis gewirkt haben. Das Finanzamt würde jedenfalls im allgemeinen gezwungen sein, entsprechende Behauptungen der Steuerpflichtigen ohne eigene Prüfungsmöglichkeit hinzunehmen. Erfahrungsgemäß rechnet auch derjenige, der ein altes verfallenes Haus kauft, von vornherein damit, daß versteckte Schäden bei der Reparatur auftreten und zusätzlichen Aufwand verursachen. Solche Unsicherheiten werden im Wirtschaftsleben schon bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt.

Das Finanzgericht weist darauf hin, daß eine großzügige Berücksichtigung von Instandsetzungskosten bei verwahrlosten Gebäuden im volkswirtschaftlichen Interesse liege. Tatsächlich haben die Steuergesetzgebung (vgl. z. B. § 7b Abs. 2 EStG) und die Verwaltungsübung (vgl. z. B. Abschn. 165 Abs. 3 und Abs. 5 EStR 1950) diesem Gedanken in verschiedener Richtung Rechnung getragen. Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. das Urteil IV 8/53 U vom 9. Juli 1953, Slg. Bd. 57 S.631, BStBl 1953 III S. 245) hat den Begriff Erhaltungsaufwand, der sofort abgesetzt werden kann, wahrscheinlich aus ähnlichen Erwägungen weit gefaßt. Im gleichen Sinn wirkt es, wenn, wie oben erwähnt, das Urteil I 176/54 U nachträglichen Anschaffungsaufwand bei neu erworbenen Grundstücken nur annimmt, wenn der Aufwand im Verhältnis zum Kaufpreis erheblich ist. Die Rechtsprechung kann aber nicht einen erheblichen Aufwand, der einwandfrei zu den Anschaffungskosten für ein Gebäude rechnet, entgegen § 7 EStG als laufenden Aufwand absetzen lassen. Dazu bedürfte es einer entsprechenden gesetzlichen Bestimmung.

Im Streitfall hat der Steuerpflichtige den Aufwand, der mehr als das Dreifache des Kaufpreises ausmachte und deshalb als erheblich bezeichnet werden muß, unmittelbar nach Erwerb des Grundstücks gemacht. Der Aufwand muß deshalb, und zwar in vollem Umfange, als Anschaffungsaufwand behandelt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408645

BStBl III 1957, 36

BFHE 1957, 92

BFHE 64, 92

BB 1957, 103

DB 1957, 107

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