Entscheidungsstichwort (Thema)

Überbesetzung eines Senats des BFH mit sechs Richtern - senatsinterner Geschäftsverteilungsplan - Anwendung geänderter Rechtsprechung - gesetzlicher Richter i.S.v. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG - Ansatz des Anspruchs auf Übereignung eines Grundstücks

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die "Überbesetzung" eines Senats des Bundesfinanzhofs mit sechs Richtern verstößt in bezug auf Urteilssachen nicht gegen Art.101 Abs.1 Satz 2 GG.

2. Zu den Anforderungen an einen senatsinternen Geschäftsverteilungsplan.

3. Die Anwendung geänderter Rechtsprechung auf einen weiteren Fall begegnet keinen Bedenken.

 

Orientierungssatz

1. Gesetzlicher Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht nur das Gericht als organisatorische Einheit oder das erkennende Gericht als Spruchkörper, vor dem verhandelt und von dem die einzelne Sache entschieden wird, sondern sind auch die zur Entscheidung im Einzelfall berufenen Richter (vgl. BVerfG-Rechtsprechung).

2. Der sich aus einem gegenseitigen Vertrag ergebende Sachleistungsanspruch auf die Übertragung eines Grundstücks ist nicht mit dem (ggfs. nach § 121a Satz 1 BewG um 40 v.H. erhöhten) Einheitswert des zu übertragenden Grundstücks, sondern --im sonstigen Vermögen-- mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Dabei entspricht der gemeine Wert regelmäßig dem Betrag, der für den Erwerb des Grundstücks im gewöhnlichen Geschäftsverkehr aufgewendet werden muß.

 

Normenkette

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; FGO §§ 4, 10 Abs. 3; GVG § 21g Abs. 2; BewG 1974 §§ 9, 110 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster (Entscheidung vom 02.03.1989; Aktenzeichen III 5095/84 VSt)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der mit seiner Ehefrau zusammen zur Vermögensteuer veranlagt wird, erwarb mit Vertrag vom 9.Dezember 1980 ein Forstgut gegen einen Kaufpreis von X Mio DM. Nutzungen und Lasten gingen mit dem 10.Januar 1981 auf den Käufer über. Eine erste Kaufpreisrate in Höhe des halben Kaufpreises wurde im Januar 1981 gezahlt, der Rest im Laufe des Jahres 1981. Die notwendige Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz wurde ebenfalls im Januar 1981 erteilt. Die Grundstücke wurden auf den Kläger zum 1.Januar 1982 fortgeschrieben.

Bei der Vermögensteuerveranlagung 1981 lehnte es der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt--FA--) mit Bescheid vom 13.Januar 1983 ab, die Kaufpreisschuld in Höhe von X Mio DM vom Rohvermögen als Verbindlichkeit abzuziehen. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat den Verkäufer des Kaufobjekts auf Antrag des FA beigeladen. Es hat der Klage stattgegeben und die Vermögensteuer auf ... DM herabgesetzt.

Auf die Revision des FA, mit der Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, hat der erkennende Senat durch Vorbescheid vom 25.September 1991 --antragsgemäß-- die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach Zustellung des Vorbescheides haben die Kläger --rechtzeitig-- mündliche Verhandlung beantragt (§ 90 Abs.3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), die am 11.Dezember 1991 stattgefunden hat.

Das FA beantragt weiterhin, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage gegen den Vermögensteuerbescheid 1981 vom 13.Januar 1983 abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Insbesondere rügen sie, daß der erkennende Senat, so wie er in der mündlichen Verhandlung zusammengesetzt ist, nicht den verfassungsrechtlichen sowie den gerichtsverfassungsrechtlichen Erfordernissen (Art.101 Abs.1 des Grundgesetzes --GG-; § 21g Abs.2 des Gerichtsverfassungsgesetzes --GVG--) entspreche. Weder der Geschäftsverteilungsplan des Bundesfinanzhofs (BFH) --insbesondere wegen der schematischen Überbesetzung aller 11 Senate-- noch der senatsinterne Geschäftsverteilungsplan entspreche den Anforderungen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Der erkennende Senat ist nicht wegen seiner Besetzung an der Entscheidung der Streitsache gehindert. Seine Besetzung im konkreten Fall verstößt weder gegen Art.101 Abs.1 Satz 2 GG noch gegen § 4 FGO i.V.m. § 21g Abs.2 GVG.

Nach Art.101 Abs.1 Satz 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Gesetzlicher Richter im Sinne dieser Vorschrift ist nicht nur das Gericht als organisatorische Einheit oder das erkennende Gericht als Spruchkörper, vor dem verhandelt und von dem die einzelne Sache entschieden wird, sondern sind auch die zur Entscheidung im Einzelfall berufenen Richter (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 24.März 1964 2 BvR 42, 83, 89/63, BVerfGE 17, 294, 298 f., und vom 3.Februar 1965 2 BvR 166/64, BVerfGE 18, 344, 349).

a) Das Präsidium des BFH hat durch Geschäftsverteilungsplan 1991 mit Änderungen allen elf Senaten des Gerichts (und damit auch dem II.Senat) mit Wirkung ab Dienstantritt der im Juni 1991 neu gewählten Richter neben dem jeweiligen Vorsitzenden fünf weitere Richter zugewiesen. Da die Senate nach § 10 Abs.3 erste Alternative FGO in der Besetzung von fünf Richtern zu entscheiden haben, sind somit alle Senate "überbesetzt". Diese Überbesetzung verstößt nicht gegen Art.101 Abs.1 Satz 2 GG.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. in BVerfGE 17, 294, 298 f. und in BVerfGE 18, 344, 349 f.) ist die Überbesetzung eines Spruchkörpers, die unvermeidbar ist, um eine geordnete Rechtsprechung zu gewährleisten, mit Art.101 Abs.1 Satz 2 GG grundsätzlich vereinbar, sofern durch sie nicht ermöglicht wird, daß der Spruchkörper in zwei personell voneinander verschiedenen Sitzgruppen Recht spricht oder der Vorsitzende drei Spruchkörper mit je verschiedenen Beisitzern bilden kann. Diese Schranken sind durch Zuweisung von insgesamt sechs Richtern (einschließlich des Vorsitzenden) nicht überschritten.

aa) Der Senat hat keinen Anlaß anzunehmen, daß das Präsidium des BFH insoweit den Begriff der Unvermeidbarkeit verkannt habe, als es entsprechend der im Haushaltsplan ausgewiesenen Richterstellen allen Senaten neben dem jeweiligen Vorsitzenden fünf weitere Richter zugewiesen hat. Es hat dabei nicht nur den allgemeinen Umständen, die nach der oben angeführten Rechtsprechung des BVerfG zur Gewährleistung einer geordneten Rechtsprechung eine begrenzte Überbesetzung der Senate des Gerichts rechtfertigen (z.B. Krankheit oder Urlaub eines Richters oder Ausschließung eines Richters von der Ausübung seines Amtes gemäß § 51 Abs.1 Satz 1 FGO i.V.m. § 41 der Zivilprozeßordnung --ZPO-- bzw. § 51 Abs.2 FGO), Rechnung getragen, sondern auch der Geschäftslage des Gerichts. Nach dem Jahresbericht des BFH für 1990 betrug die durchschnittliche Verfahrensdauer für Revisionen mit Sachentscheidung 38 Monate. Bei einer Besetzung der Senate mit jeweils nur insgesamt fünf Richtern hätte sich die Verfahrensdauer entsprechend noch weiter erhöht. Die Besetzung aller Senate des BFH mit insgesamt sechs Richtern ist daher erkennbar geprägt von dem Bemühen, durch diese, auch die Besonderheiten des zweistufigen Finanzgerichtswegs berücksichtigende personelle Ausstattung des obersten Steuergerichts einen effektiven Rechtsschutz i.S. des Art.19 Abs.4 GG gegen die Akte der Finanzverwaltung zu gewährleisten. Für die Prüfung der Frage, ob die getroffene Besetzungsregelung mit Art.101 Abs.1 Satz 2 GG vereinbar ist, kann es keine Rolle spielen, ob sie die einzige zweckmäßige oder die zweckmäßigste Maßnahme darstellt.

bb) Hinsichtlich der Besetzung des II.Senats des BFH liegt in bezug auf die Geschäftsbelastung keine Besonderheit vor. Ins Leere geht insoweit der Hinweis der Kläger darauf, daß bei diesem Senat die Überbesetzung schon deshalb vermeidbar gewesen wäre, weil --wie sie meinen-- der II.Senat eine besonders große Zahl von Revisionen erledigt habe. Abgesehen davon, daß damit nicht die allgemeinen Umstände angesprochen sind, die eine begrenzte Überbesetzung rechtfertigen, läßt die Zahl von Erledigungen keinen Rückschluß auf die Geschäftslage eines Senates zu.

b) Da dem II.Senat neben der Vorsitzenden fünf weitere Richter sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des Vorbescheides, der nach § 90 Abs.3 Satz 3 FGO wegen rechtzeitig beantragter mündlicher Verhandlung als nicht ergangen gilt, als auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung der Streitsache durch Urteil zugewiesen waren, mußte notwendig im Hinblick auf § 10 Abs.3 erste Alternative FGO einer der fünf weiteren Richter ausscheiden.

aa) Welche Richter innerhalb eines überbesetzten Senats an den einzelnen Verfahren mitwirken, braucht nach Art.101 Abs.1 Satz 2 GG nicht im voraus festgelegt zu werden (Beschluß des BVerfG vom 15.Januar 1985 2 BvR 128/84, BVerfGE 69, 112, 120 f.). Die an der Entscheidung mitwirkenden Richter werden durch die vom Vorsitzenden zu treffende Entscheidung zum gesetzlichen Richter berufen (Beschluß des BVerfG vom 25.Juli 1967 2 BvR 586/63, BVerfGE 22, 282, 286). Daß die Vorsitzende das ihr insoweit eingeräumte Ermessen nicht willkürfrei ausgeübt und demgemäß gegen Art.101 Abs.1 Satz 2 GG verstoßen habe, haben die Kläger nicht gerügt. Sie haben diesbezüglich nur ausgeführt, es würden "nicht die individuellen Entscheidungen des (der) Vorsitzenden mißbilligt, sondern das dem Mitwirkungsplan immanente System". Sachfremde Einflüsse, die in die Entscheidung der Vorsitzenden eingeflossen sind, sind nicht erkennbar, zumal eine Anordnung der Vorsitzenden des II.Senats über die Mitwirkung der Mitglieder dieses Senats an den Verfahren bestanden hat, die mit der Regelung des § 4 FGO i.V.m. §21g Abs.2 GVG vereinbar ist (vgl. unten bb).

bb) Nach § 4 FGO i.V.m. § 21g Abs.2 GVG bestimmt der Vorsitzende vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer bzw. nach einem Richterwechsel von diesem an für die restliche Dauer des Geschäftsjahres, nach welchen Grundsätzen die Mitglieder des Spruchkörpers an dem Verfahren mitwirken. § 21g Abs.2 GVG will verhindern, daß der Vorsitzende die Richterbank nach persönlichem Belieben zusammensetzen und so möglicherweise die Entscheidung sachwidrig beeinflussen kann (so auch Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 15.Juni 1967 1 StR 516/66, BGHSt 21, 250, 255; Manfred Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Gerichtszweige, 6.Aufl. 1987, S.149; Kleinknecht/Meyer, Strafprozeßordnung, Kommentar, 40.Aufl. 1991, Rdnr.2 zu § 21g GVG; Rohwer-Kahlmann, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, Rdnr.83 zu § 6). Offenbleiben kann, ob § 21g Abs.2 GVG über Art.101 GG hinausgehende Anforderungen aufstellt. Denn jedenfalls wurden die dem einfachen Gesetz (allenfalls) zu entnehmenden Anforderungen eingehalten und entspricht der für die konkrete Zusammensetzung des erkennenden Senats maßgebliche spruchkörperinterne Geschäftsverteilungsplan (Mitwirkungsplan) der Zielsetzung des § 21g Abs.2 GVG.

Danach wirken in Urteilssachen die Vorsitzende Richterin, die regelmäßig von der Vorsitzenden zum Berichterstatter bzw. Mitberichterstatter bestimmten Richter und zwei der drei weiteren Mitglieder des Senates mit, die sich --ohne weiteres-- daraus ergeben, daß jeweils einer der drei weiteren Richter nach dem Dienstalter in der Reihenfolge der Sitzungen ausscheidet. Entsprechend der mündlichen Ergänzung des Mitwirkungsplans (Anweisung an die Senatsgeschäftsstelle) der Vorsitzenden (zur Wirksamkeit mündlicher Bestimmungen nach § 21g Abs.2 GVG, insbesondere einfacher Anordnungen, die sich auch auf andere Weise zuverlässig feststellen lassen, vgl. BGH in BGHSt 21, 250, 253 f.;Kissel, Gerichtsverfassungsgesetz, Kommentar, 1981, Rdnr.10 zu § 21g; Mayr in Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, 2.Aufl. 1987, Rdnr.4 zu § 21g GVG; so auch Beschluß des Dreierausschusses des BVerfG vom 19.Juni 1970 2 BvR 254/70, Deutsche Richterzeitung --DRiZ-- 1970, 269) werden alle Sachen, die --nach Erstellung der Entscheidungsvorschläge durch Berichterstatter und Mitberichterstatter-- bis Donnerstag Mittag bei der Geschäftsstelle eingehen, auf die Tagesordnung der jeweils nächsten Sitzung gesetzt, an der nicht nach dem Turnusplan Berichterstatter oder Mitberichterstatter ausscheiden.

Die konkrete Zusammensetzung des Spruchkörpers im Einzelfall ist daher grundsätzlich ungewiß und von der Vorsitzenden nicht weiter beeinflußbar. Mit der nach pflichtgemäßem, d.h. unter Berücksichtigung von Spezialkenntnissen, der Arbeitsbelastung und der Leistungsfähigkeit den einzelnen Mitglieder ausgeübten Ermessen erfolgenden Bestimmungen des Berichterstatters und des Mitberichterstatters wird daher allenfalls mittelbar (Dienstanwesenheit aller Senatsmitglieder und deren Nichtausschluß von der Ausübung des Richteramts im konkreten Fall in der auf das Vorliegen der Entscheidungsvorschläge folgenden Sitzung vorausgesetzt) das Ausscheiden eines anderen Senatsmitglieds bewirkt, dessen Person im Zeitpunkt der Zuschreibung aber nicht feststeht, sondern von den Mechanismen des spruchkörperinternen Geschäftsverteilungsplanes bestimmt wird.

Hinsichtlich der Besetzung der Richterbank nach Ergehen eines Vorbescheides und rechtzeitigem Antrag auf mündliche Verhandlung bestimmt der spruchkörperinterne Mitwirkungsplan eindeutig, daß diese regelmäßig mit derjenigen bei Erlaß des Vorbescheides übereinstimmt.

Die Auffassung des Senats steht auch nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 8.November 1967 IV C 154/65 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1968, 811). In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall wurde aus einem mit sieben Richtern überbesetzten Senat der aus drei Personen bestehende Spruchkörper dadurch gebildet, daß der Vorsitzende den Berichterstatter bestimmte und damit nach der internen Geschäftsverteilung automatisch einen bestimmten weiteren Richter des Senats als drittes Mitglied der Richterbank. Dies ist in mehrfacher Hinsicht mit der Konstellation im Streitfall nicht vergleichbar.

2.a) Das Urteil des FG wird aufgehoben, weil das FG den Sachleistungsanspruch nur in Höhe des Einheitswerts des Grundstücks angesetzt hat. Die Entscheidung des FG stützt sich zwar auf das Urteil des BFH vom 3.März 1978 III R 7/76 (BFHE 125, 75, BStBl II 1978, 398). Die darin zum Ausdruck kommende Rechtsmeinung hat der erkennende Senat aber durch die Urteile vom 10.April 1991 II R 118/86 (BFHE 164, 448,BStBl II 1991, 620 betreffend das Betriebsvermögen) und vom 26.Juni 1991 II R 117/87 (BFHE 164, 464, BStBl II 1991, 749 betreffend das sonstige Vermögen) aufgegeben. Danach ist der sich aus einem gegenseitigen Vertrag ergebende Sachleistungsanspruch auf die Übertragung eines Grundstücks nicht mit dem (ggfs. nach § 121a Satz 1 des Bewertungsgesetzes --BewG-- um 40 v.H. erhöhten) Einheitswert des zu übertragenden Grundstücks, sondern --im sonstigen Vermögen-- mit dem gemeinen Wert anzusetzen.

2.b) Die Sache ist spruchreif. Die Klage gegen den Vermögensteuerbescheid auf den 1.Januar 1981 und die diesen bestätigende Einspruchsentscheidung wird abgewiesen.

Bei Anwendung der unter 2.a) dargestellten --dem FG bei seiner Entscheidung noch nicht bekannten-- Grundsätze steht dem Sachleistungsanspruch des Klägers die noch zu entrichtende Kaufpreisverpflichtung in gleicher Höhe gegenüber.

Der Sachleistungsanspruch ist gemäß den §§ 9, 17 Abs.3 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen, der regelmäßig dem Betrag entspricht, der für den Erwerb des Gegenstandes im gewöhnlichen Geschäftsverkehr aufgewendet werden muß, im Streitfall somit mit dem im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis. Diesem steht zum Veranlagungsstichtag 1.Januar 1981 die mit dem Nennwert (§ 12 BewG) zu bewertende Kaufpreisverpflichtung des Klägers in Höhe von X Mio DM gegenüber, da er bis zum Stichtag noch keine Zahlungen auf die Kaufpreisschuld entrichtet hatte. Da die Kläger im übrigen keine Einwendungen gegen die Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens und der Vermögensteuer erhoben haben und Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berechnung nicht erkennbar sind, verbleibt es bei der vom FA im angegriffenen Bescheid festgesetzten Vermögensteuer.

3. Der erkennende Senat schließt sich nicht der Auffassung der Kläger an, daß die oben zu 2.a) dargestellte Rechtsprechungsänderung aus verfassungsrechtlichen Gründen im Streitfall keine Auswirkung haben dürfe, weil die Sachverhaltsgestaltung von den Klägern bewußt nach der damals bestehenden Rechtslage aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommen worden sei. Es gibt keinen Grundsatz, der es gebietet, eine von der bisherigen Rechtsauffassung der obersten Gerichte abweichende Rechtsprechung nur auf künftige Fälle, nicht aber auf zeitlich zurückliegende Sachverhalte anzuwenden (BFH-Urteil vom 19.November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289). Zu berücksichtigen ist dabei auch, daß der BFH nach Aufhebung des angefochtenen Urteils lediglich die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung durch das FA überprüft (§ 100 Abs.1 Satz 1 FGO) und nur für den Fall, daß der angefochtene Verwaltungsakt teilweise rechtswidrig ist, innerhalb des Klagebegehrens (§ 96 Abs.1 Satz 2 FGO) einen anderen -niedrigeren- Betrag festsetzt (§ 100 Abs.2 Satz 1 FGO). Auch § 176 Abs.1 Satz 1 Nr.3 der Abgabenordnung (AO 1977) geht davon aus, daß eine Änderung der Rechtsprechung des BFH auf die Beurteilung von Sachverhalten anzuwenden ist, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben. Lediglich bei der Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden darf die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht berücksichtigt werden (vgl. auch BFH-Beschluß vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405 --431--, BStBl II 1984, 751 --764--). Von den Klägern ist im übrigen nicht geltend gemacht worden, daß die Änderung der Rechtsprechung durch die Urteile vom 10.April und 26.Juni 1991 willkürlich erfolgt sei (vgl. Beschluß des BVerfG vom 11.November 1964 1 BvR 488/62, 1 BvR 562/63, 1 BvR 216/64, BVerfGE 18, 224, 240); vielmehr haben sie den "Ansatz des Gegenstandes" anstelle des "vorübergehenden Geldanspruchs" auch im Hinblick auf die Besteuerung des Vertragspartners (des im Streitfall Beigeladenen) als "einleuchtend" bezeichnet (zur Begründung der Rechtsprechungsänderung s. die zitierten Urteile in BFHE 164, 448, BStBl II 1991, 620, und in BFHE 164, 464, BStBl II 1991, 749).

Für eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art.100 Abs.1 GG zur Problematik der Besteuerung nach Einheits- und Verkehrswerten sieht der Senat im Streitfall keine Veranlassung (s. auch Beschluß der Ersten Kammer des Ersten Senats des BVerfG vom 15.November 1989 1 BvR 171/89, BStBl II 1990, 103).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418173

BFH/NV 1992, 23

BStBl II 1992, 260

BFHE 165, 492

BFHE 1992, 492

BB 1992, 254

BB 1992, 254-256 (LT)

DB 1992, 661-663 (LT)

DStR 1992, 217 (KT)

HFR 1992, 247 (LT)

StE 1992, 104 (K)

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