Leitsatz (amtlich)

Die im Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven werden durch den Übergang von der Gewinnermittlung nach § 5 EStG zu der nach § 4 Abs. 3 EStG im Jahre des Übergangs nicht erfaßt.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 4 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei Wechsel der Gewinnermittlungsart von § 5 EStG nach § 4 Abs. 3 EStG die stillen Reserven eines zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücks aufzudecken sind.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ging zum 1. Januar 1965 von der Gewinnermittlung nach § 5 EStG über zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) vertrat die Ansicht, daß die in dem zum Betriebsvermögen gehörenden Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven wegen des Wechsels der Gewinnermittlung als Entnahmegewinn zu versteuern seien. Es erhöhte daher den Gewinn aus Gewerbebetrieb von 6 065 um 15 644 auf 21 709 DM.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG vertrat in seiner in den EFG 1970, 329 veröffentlichten Entscheidung die Ansicht, daß der Übergang vom Betriebsvermögensvergleich zur Einnahme-Überschußrechnung nicht zur Aufdeckung der im Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven führe, weil keine Entnahme im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG vorliege. Der BFH habe zwar in verschiedenen Entscheidungen zu erkennen gegeben, daß er den Entnahmebegriff final verstehe und daß er den Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG in der Erfassung aller stiller Reserven erblicke. Aus dem Grunde nehme er auch eine gewinnrealisierende Entnahme u. a. dann an, wenn bei Wechsel der Einkunfts- oder Gewinnermittlungsart die Erfassung der stillen Reserven nicht in gleichem Umfang wie bisher gewährleistet sei. Nach Ansicht des FG dürfe aber der Entnahmebegriff nicht über Gebühr ausgedehnt werden, da er dann im Gesetz keine Stütze mehr finde. Wenn die Erfassung der stillen Reserven anderweitig sichergestellt sei, so sollten diese nicht vorzeitig erfaßt werden. Die stillen Reserven könnten aber nach dem Übergang zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG immer noch erfaßt werden, wenn das Grundstück veräußert oder entnommen werde.

Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich das FA mit seiner Revision. Es ist der Ansicht, dem FG könne nicht gefolgt werden, weil dann bei einer Veräußerung oder Entnahme des Grundstücks die in diesem enthaltenen stillen Reserven einkommensteuerrechtlich nicht mehr erfaßt würden, da nach dem auch für § 4 Abs. 3 EStG geltenden § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG der Wert des Grund und Bodens außer Ansatz bleibe. In einem solchen Fall müßten nach dem vom BFH entwickelten Entnahmebegriff die stillen Reserven auch dann erfaßt werden, wenn das Wirtschaftsgut im Bereich der gleichen Einkunftsart verbleibe. Diesem Ergebnis lägen die gleichen Überlegungen zugrunde, von denen die Rechtsprechung beim Wechsel der Gewinnermittlungsmethoden ausgehe (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 28. Mai 1968 IV R 202/67, BFHE 92, 555, BStBl II 1968, 650). Diese Regelung beruhe auf denselben Grundgedanken wie der Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs. Im übrigen sei kein Grund zu erkennen, die Gewinnrealisierung der stillen Reserven des Grund und Bodens anders zu behandeln als die Gewinnkorrekturen nach Abschnitt 19 der EStR.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Mit der Vorentscheidung ist davon auszugehen, daß der Wechsel der Gewinnermittlungsart vom Betriebsvermögensvergleich (§ 5 EStG) zur Einnahme-Überschußrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) nicht zur Realisierung der in dem Wirtschaftsgut Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven führt. In zutreffender Weise hat es die Vorinstanz abgelehnt, in dem Wechsel der Gewinnermittlungsart eine Entnahme zu erblicken.

Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG). Die Rechtsprechung des BFH hat in diesem Zusammenhang den Entnahmebegriff nach seinem Sinn und Zweck dahin ausgelegt, daß hierdurch auch die gewinnmäßige Erfassung der stillen Reserven eines zum Betrieb gehörenden Wirtschaftsgutes gewährleistet werden solle. Aus diesem Grund ist vom BFH eine Entnahme im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG auch dann angenommen worden, wenn ein Steuerpflichtiger einen landwirtschaftlichen Betrieb aus einem gewerblichen Betriebsvermögen ausgliedert (Urteile vom 16. März 1967 IV 72/65, BFHE 88, 129, BStBl III 1967, 318, und vom 14. April 1967 VI 9/65, BFHE 88, 331, BStBl III 1967, 391) oder wenn er Wirtschaftsgüter aus einem inländischen Betrieb in eine ausländische Betriebstätte überführt (Urteile vom 16. Juli 1969 I 266/65, BFHE 97, 342, BStBl II 1970, 175, und vom 30. Mai 1972 VIII R 111/69, BFHE 106, 198, BStBl II 1972, 760). Andererseits hat der BFH eine Entnahme dann nicht angenommen, wenn ein Wirtschaftsgut von einem freiberuflichen Betriebsvermögen in das Betriebsvermögen eines bilanzierenden Gewerbetreibenden desselben Steuerpflichtigen überführt wird (Urteil vom 17. August 1972 IV R 26/69, BFHE 107, 27, BStBl II 1972, 903). Unterschiedlich beurteilt werden indessen die Fälle, bei denen durch eine Strukturänderung des Betriebes dieser nicht mehr als gewerblicher, sondern als landwirtschaftlicher Betrieb anzusehen ist (Urteil vom 10. Februar 1972 I R 205/66, BFHE 105, 15, BStBl II 1972, 455, [560] und Beschluß vom 21. Februar 1973 IV R 128/71, BFHE 108, 356, BStBl II 1973, 313). In allen Fällen hat jedoch der BFH für die Annahme einer Entnahme das Vorliegen einer eindeutigen Entnahmehandlung gefordert (Urteil vom 7. Oktober 1965 IV 346/61 U, BFHE 83, 462, BStBl III 1965, 666), wobei ein schlüssiges Verhalten des Steuerpflichtigen ausreichen kann, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsgutes mit dem Betrieb gelöst wird (Urteil vom 12. November 1964 IV 99/63 S, BFHE 81, 128, BStBl III 1965, 46). An einem entsprechenden Verhalten des Klägers im Sinne dieser Rechtsprechung fehlt es aber im vorliegenden Fall. Der Übergang von der Gewinnermittlung nach § 5 EStG zu der nach § 4 Abs. 3 EStG ist zwar ein betrieblicher Vorgang; er beeinträchtigt indessen in keiner Weise die betriebliche Verknüpfung des Wirtschaftsgutes Grund und Boden im Betrieb des Klägers. Der Wechsel der Gewinnermittlungsart wirkt nicht auf das Wirtschaftsgut Grund und Boden ein. Dieser gehört nach wie vor zum notwendigen Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs des Klägers. Da nach dem oben Gesagten eine Entnahmehandlung im Streitjahr nicht vorliegt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, wie die stillen Reserven dereinst zu erfassen sind. Mit dieser Auffassung befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit der Entscheidung des I. Senats vom 21. November 1973 I R 252/71 (BStBl II 1974, 314).

Eine Erfassung der im Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven ergibt sich auch nicht aus der Anwendung von Abschnitt 19 EStR. Der BFH hat zwar in ständiger Rechtsprechung diese Verwaltungsanordnung ohne Vorliegen einer gesetzlichen Regelung als Rechtens angesehen und deren Sinn darin erblickt, zu verhindern, daß durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart Gewinne endgültig der Besteuerung als laufende Einkünfte entgehen und umgekehrt, daß sich Betriebsausgaben nicht mehr bei der Ermittlung des laufenden Gewinns auswirken können (Urteil IV R 202/67, BFHE 92, 555, BStBl II 1968, 650). Diese Regelung will jedoch nur bestimmte Betriebsvorgänge erfassen, die wegen der unterschiedlichen Systematik des Bestandsvergleichs und der Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben nicht erfaßt würden. Eine Aufdeckung von den in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven wird jedoch durch Abschnitt 19 EStR nicht ausgelöst.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70822

BStBl II 1974, 315

BFHE 1974, 404

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