Leitsatz (amtlich)

Bei der Ermittlung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Haus ist grundsätzlich von der Marktmiete auszugehen. Der Senat hält an der Rechtsmeinung nicht mehr fest, daß der anhand der Kostenmiete zu ermittelnde Nutzungswert im allgemeinen auch maßgeblich ist, sofern er den aus der Marktmiete abgeleiteten Nutzungswert übersteigt (Urteil des BFH vom 10. August 1972 VIII R 82/71, BFHE 106, 543, BStBl II 1972, 883).

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Nutzungswertes der Wohnung der Kläger und Revisionskläger (Kläger) im eigenen Zweifamilienhaus.

Der Kläger ist Komplementär einer KG. Im Jahre 1970 errichtete er auf einem in Außenbereich eines Industriegebietes belegenen Grundstück ein Zweifamilienhaus. Die Baugenehmigung wurde dem Kläger nur mit Rücksicht auf den dort befindlichen Betrieb der KG erteilt. Das Haus ist am 10. August 1970 bezugsfertig geworden. Die Baukosten betrugen 273 370,20 DM. Für den Erwerb des Grund und Bodens einschließlich aller Nebenkosten hat der Kläger 30 433 DM aufgewendet. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) hat das Haus als Zweifamilienhaus bewertet. Das Haus wird allein vom Kläger mit seiner Familie bewohnt.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1971 gaben die Kläger den Mietwert ihrer 213 qm großen Wohnung unter Zugrundelegung eines Quadratmeterpreises von 3 DM pro qm Wohnfläche mit 7 668 DM an.

Das FA errechnete demgegenüber den Nutzungswert unter Hinweis auf die Urteile des BFH vom 10. August 1972 VIII R 80/69 (BFHE 107, 199, BStBl II 1973, 10) und vom 10. August 1972 VIII R 82/71 (BFHE 106, 543, BStBl II 1972, 883) nach der Kostenmiete. Es vertrat die Meinung, daß nach dieser Rechtsprechung bei der Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus nach § 21 Abs. 2 EStG die Kostenmiete im allgemeinen auch dann anzusetzen sei, wenn sie höher sei als die Marktmiete. Unter Anwendung der Zweiten Berechnungsverordnung vom 17. Oktober 1957 - II. BVO - (BGBl I 1957, 1719) gelangte das FA zu einer Kostenmiete in Höhe von 19 489 DM pro Jahr.

Der Einspruch der Kläger hatte nur hinsichtlich der beantragten Sonderabschreibung nach § 7 b EStG Erfolg. Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es ist der Ansicht, daß das FA den von den Klägern nach § 21 Abs. 2 EStG zu versteuernden Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus zu Recht unter Berücksichtigung der Kostenmiete ermittelt habe. Dieser Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus müsse nach § 217 AO geschätzt werden. Im Rahmen dieser Schätzung seien der Bruttonutzungswert und die tatsächlichen Werbungskosten gegenüberzustellen. Dabei sei als Bruttonutzungswert grundsätzlich die mutmaßliche Rohmiete (Marktmiete) anzusetzen.

Dieser Grundsatz gelte jedoch nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 25. April 1972 VIII R 138/70, BFHE 106, 57, BStBl II 1972, 759) und der Urteile VIII R 80/69 und VIII R 82/71 dann nicht, wenn die anhand des Anschaffungs- und Herstellungsaufwands und der Unterhaltskosten ermittelte Miete (Kostenmiete) höher sei als die aus Vergleichsobjekten abgeleitete Marktmiete. In diesen Fällen sei nach Ansicht des BFH zur Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung die Kostenmiete anzusetzen, weil das Wohnen im eigenen Haus dem Nutzenden diesen höheren Aufwand wert sei. Hierin liege nach Meinung des BFH keine Schlechterstellung gegenüber der Vermietung des Grundstücks zur mutmaßlichen niedrigeren Marktmiete. Denn besonders aufwendig errichtete oder sonst auf die persönlichen Wünsche und Bedürfnisse der Steuerpflichtigen zugeschnittene Wohnhäuser seien erfahrungsgemäß nicht zur Vermietung, sondern zur Eigennutzung bestimmt.

Mit der Revision wird unrichtige Anwendung des § 21 Abs. 2 EStG i. V. m. § 217 AO gerügt.

Die Kläger wenden sich insbesondere gegen die Ausführungen in den BFH-Urteilen VIII R 80/69 und VIII R 82/72, soweit dort der Ansatz der Kostenmiete damit begründet wird, daß das Wohnen im eigenen Haus dem Nutzenden dann dieser höhere Aufwand wert sei. Sie sind der Meinung, daß diese Rechtsprechung zur Kostenmiete dem System der Einkommensbesteuerung widerspreche.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkommensteuer für 1971 auf 79 914 DM zuzüglich 2 397 DM Ergänzungsabgabe festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält zwar nunmehr den grundsätzlichen Ansatz der Marktmiete ebenfalls für geboten, meint aber, es müsse in den Fällen der vorliegenden Art geprüft werden, ob nicht die BFH-Rechtsprechung zur Liebhaberei oder die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 11. Dezember 1959 VI 230/58 U (BFHE 70, 182, BStBl III 1960, 67) anzuwenden seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.

§ 21 Abs. 2 EStG erfaßt bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch den Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus. Der nach § 217 AO zu schätzende Nutzungswert ist seit dem Urteil des BFH vom 3. Mai 1963 VI 140/61 U (BFHE 77, 127, BStBl III 1963, 364), durch das die bisherige Rechtsauffassung des Ansatzes des Nettomietwerts aufgegeben wurde, durch Gegenüberstellung der zu schätzenden Rohmiete und der nachgewiesenen Werbungskosten zu errechnen (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1965 VI 292/64 U, BFHE 84, 37, BStBl III 1966, 13). Da es sich bei dem Ansatz des Mietwerts nach § 21 Abs. 2 EStG um eine gedachte Mieteinnahme handelt (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1969 VI R 17/67, BFHE 97, 117, BStBl II 1970, 60), hat die Rechtsprechung des BFH den § 8 Abs. 2 EStG sinngemäß angewendet (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile vom 3. Mai 1963 VI 21/63 U, BFHE 77, 45, BStBl III 1963, 334; VI R 17/67 und vom 30. Januar 1974 IV R 105/72, BFHE 112, 35, BStBl II 1974, 608). Der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus bestimmt sich demzufolge nach der ortsüblichen mittleren Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung.

Der erkennende Senat hat in seinen Urteilen VIII R 80/69, VIII R 138/70 und VIII R 82/71 ohne ausdrückliche Erwähnung des § 8 Abs. 2 EStG diese Rechtsmeinung übernommen und ausgeführt, daß als Bruttonutzungswert die mutmaßliche Rohmiete (Marktmiete) anzusetzen sei. Dabei istnach Meinung des Senats nicht nur auf Vergleichsobjekte in der näheren Umgebung abzustellen; es ist vielmehr der überregionale Wohnungsmarkt heranzuziehen. Nur wenn sich die Marktmiete nicht oder nur unter verhältnismäßigen Schwierigkeiten feststellen läßt, kann der Nutzungswert anhand der Kostenmiete ermittelt werden. Diese Berechnungsmethode ist, wie sich aus den oben angeführten Urteilen des Senats ergibt, nur mehr hilfsweise heranzuziehen.

In diesen Entscheidungen ist aber außerdem noch ausgeführt worden, daß die Kostenmiete bei der Ermittlung des Nutzungswertes im allgemeinen auch dann maßgeblich sei, wenn sie den aus der Marktmiete abgeleiteten Nutzungswert übersteige, weil dem Nutzenden das Wohnen im eigenen Hause diesen Aufwand wert sei. Diese Ansicht ist in der Literatur nicht gebilligt (vgl. Brunk, FR 1973, 155; Diebold, BB 1976, 32; Horschitz, DB 1976, 983) oder im Wege einer Auslegung abzuklären versucht worden (vgl. Anmerkungen in HFR 1972, 632 und 1973, 52; Grube, StuW 1974, 211). In der Finanzverwaltung hat sie zu unterschiedlichen Reaktionen geführt (vgl. Diebold, a. a. O., und den Erlaß des BdF vom 24. Juli 1975 IV B 1 - S 2253 - 110/75, BStBl I 1975, 934).

Nach nochmaliger Prüfung der Rechtslage möchte der erkennende Senat seine in den oben angeführten Urteilen vertretene Rechtsmeinung in dem Sinn verstanden wissen, daß bei der Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus in jedem Fall der Ansatz der Marktmiete der Vorrang gebührt und daß der Ansatz der Kostenmiete grundsätzlich nur auf die Fälle beschränkt bleiben muß, bei denen sich eine Marktmiete nicht oder nur unverhältnismäßig schwer feststellen läßt. Aber auch für die nach der Zweiten Berechnungsverordnung ermittelte Kostenmiete darf der Markt nicht gänzlich außer acht gelassen werden. Wie sich aus der Begründung unten ergibt, kann der Ansatz der Kostenmiete nicht nur auf Renditeerwägungen gegründet werden, sondern muß die Einzelheiten des Falles berücksichtigen, die unter Umständen allerdings auch zu einer Minderung der Werbungskosten führen können, wenn nicht alle Kosten der Herstellung zu berücksichtigen sind.

Bei dem Ansatz der Marktmiete ist nicht nur, wie in den oben angeführten Urteilen dargetan, auf den überregionalen Wohnungsmarkt abzustellen, sondern es sind auch noch andere Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen, wie z. B. die Heranziehung eines Gutachters oder Sachverständigen. Der Ansatz der Kostenmiete muß auch wegen der Beachtung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung die Ausnahme bleiben. Ob Besonderheiten gelten, wenn es sich um eine besondere aufwendige Bauweise handelt oder wenn den besonderen Repräsentationswünschen Rechnung getragen worden ist (vgl. insoweit die Ausführungen im BFH-Urteil VIII R 80/69, sechstletzter Absatz), muß von Fall zu Fall entschieden werden.

Zu der gegenüber der früheren Ansicht eingeschränkten Rechtsmeinung gelangt der Senat aufgrund folgender Überlegungen. Wendet man nach der ständigen Rechtsprechung des BFH den § 8 Abs. 2 EStG bei der Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus entsprechend an, so ist auf die ortsübliche mittlere Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung abzustellen. Geht man weiter davon aus, daß durch § 21 Abs. 2 EStG eine gedachte Mieteinnahme erfaßt werden soll, so kann sich die Ermittlung dieses Werts nur daran orientieren, was bei einer Vermietung der Wohnung an Mietzins erzielt werden könnte und nicht, was aufgrund von Rentabilitätserwägungen unter Einsatz eines bestimmten Kapitals erzielt werden müßte. Diesem Gedanken wird man aber nur dadurch gerecht, wenn man auf den Mietzins abstellt, der sich am vorhandenen Markt orientiert. Hierdurch wird dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck am ehesten Genüge getan, der darauf abstellt, bei dem im eigenen Haus wohnenden Mieter einen Ausgleich dafür zu schaffen, daß die Miete bei den Fremdmietern zu den Lebenshaltungskosten gehört und daher bei der Ermittlung des Einkommens, in dem sich die steuerliche Leistungsfähigkeit ausdrückt, unberücksichtigt bleibt. Der Ansatz der Marktmiete würde diesem Gedanken am besten Rechnung tragen. Bei einer Verknappung von Wohnungen mit der Folge einer Verteuerung der Mieten auf dem Wohnungsmarkt trüge die Marktmiete diesem Umstand auch bei dem im eigenen Haus Wohnenden Rechnung. Andererseits würde aber auch berücksichtigt, daß bei einem Überangebot von Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt die Mietpreise sinken und unter Umständen der Fall eintreten würde, daß bei einer Vermietung keine Rendite erzielt wird. Gleiches würde für den Fall gelten, daß es sich um Wohnungen handelt, die nur schwer vermietbar sind.

Legt man diese Rechtsauffassung der Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Hause zugrunde, so bleibt für eine Aussage in dem Sinn, daß dem Nutzenden der höhere Aufwand für das Wohnen im eigenen Haus wert sei, nur ein sehr geringer Raum. Diese Aussage ist zudem auch in dieser absoluten Form nicht frei von Bedenken. Denn die Gründe für ein besonders starkes finanzielles Engagement bei der Befriedigung des Wunsches, im eigenen Haus zu wohnen, können mannigfache Ursachen haben. Sie können z. B. darin liegen, daß besondere, nicht in den Vorstellungen des Eigentümers liegende Umstände die Baukosten in die Höhe getrieben haben. Daß es in diesem Zusammenhang besonders gelagerte Fälle geben kann, die eine andere rechtliche und tatsächliche Beurteilung erfordern, hat der Senat bereits oben ausgeführt.

Die Vorentscheidung mußte hiernach aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, damit es zunächst prüft, ob sich für das hier in Frage stehende Zweifamilienhaus eine Marktmiete ermitteln läßt. Welchen Weg es hierfür wählt, steht dem FG frei. Es kann sich an der Miete vergleichbarer Objekte orientieren; es kann aber auch durch einen Gutachter die mögliche erzielbare Miete ermitteln lassen. Von der ermittelten Rohmiete wird es dann die Werbungskosten abziehen. Dabei wird es auch prüfen müssen, ob diese in voller Höhe von den fiktiven Mieteinnahmen abgesetzt werden können. Die Vorentscheidung enthält keine tatsächlichen Feststellungen, aus denen entnommen werden könnte, ob es sich bei dem Bauwerk der Kläger um ein solches besonders aufwendiger Bauweise handelt, ob besonderen Repräsentationswünschen Rechnung getragen wurde oder ob es teilweise der Vermögensanlage diente. Aus diesem Grunde enthält sich der erkennende Senat einer Äußerung, ob die Entscheidungen des BFH VI 230/58 U und vom 26. November 1974 VIII R 266/72 (BFHE 114, 229, BStBl II 1975, 331) oder die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze der Liebhaberei auf Fälle der vorliegenden Art anwendbar sind, da nicht absehbar ist, inwieweit sie im vorliegenden Fall entscheidungserheblich sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72489

BStBl II 1977, 860

BFHE 1978, 347

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