Leitsatz (amtlich)

Darf ein Arbeitgeber, der für seine Arbeitnehmer einen Gruppenlebensversicherungsvertrag abgeschlossen hat, Ausschüttungen aus der Gewinnreserve - außer zur Deckung von Verlusten - nur zur Erhöhung der Versicherungsleistungen oder zur Verrechnung mit fälligen Beiträgen verwenden, so liegt in dieser Verwendung kein Zufluß steuerpflichtigen Arbeitslohns an die Arbeitnehmer. Dies gilt auch, soweit der Gewinnreserve beim Ausscheiden von Arbeitnehmern, die die Wartezeiten nicht erfüllt hatten, die Rückkaufswerte beendeter Versicherungsverhältnisse zugewiesen worden sind.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1, § 19 Abs. 1; LStDV § 2 Abs. 3 Nr. 2, § 35b Abs. 1 Nr. 1a

 

Tatbestand

I. Sachverhalt und Entscheidung des FG.

1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), hat im Jahr 1959 mit der X-Lebensversicherungs-AG einen Gruppendirektversicherungsvertrag zur Zukunftsicherung ihrer Arbeitnehmer abgeschlossen. Nach dem Vertrag, der Gegenstand der Betriebsordnung ist, haben alle Werksangehörigen, sofern sie das 18. Lebensjahr erreicht und an dem für den Beginn des Versicherungsverhältnisses maßgeblichen Tag das 55. Lebensjahr nicht überschritten haben, aus dem Vertrag einen Anspruch auf Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenrente, wenn der Versicherungsfall nach Ablauf einer Wartezeit von 10 Jahren nach Beginn des Versicherungsverhältnisses eintritt. Hinsichtlich der Rechte aus dem Vertrag ist die Klägerin anspruchsberechtigt, soweit nicht Werksangehörige oder ihre Hinterbliebenen bezugsberechtigt sind. Unwiderruflich bezugsberechtigt ist für die Invalidenrente und Altersrente der Werksangehörige, für die Witwenrente oder Abfindung hierfür die Witwe oder ggf. die geschiedene Ehefrau und für die Waisenrente das Waisenkind. Die unwiderrufliche Bezugsberechtigung erlischt bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses. Das Versicherungsverhältnis mit den einzelnen Werksangehörigen endet mit Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Kägerin, es sei denn, daß nach dem Vertrag bereits eine Rente gezahlt wird oder das Versicherungsverhältnis wenigstens 10 Jahre bestanden und der Werksangehörige sein 50. Lebensjahr vollendet oder das Versicherungsverhältnis wenigstens 20 Jahre gedauert hat. Versicherungsbeiträge und die gesetzlichen Abgaben hierfür sind ausschließlich von der Klägerin zu entrichten. Diese ist verpflichtet, vor Ablauf der Wartezeit die schriftliche Einwilligungserkärung der Werksangehörigen zu dem Versicherungsverhältnis einzuholen.

Im Versicherungsvertrag ist vereinbart, daß dieser einen eigenen Gewinnverband bildet. Der Gewinn (Überschüsse durch Zinsen und Dividenden des angelegten Versicherungskapitals und durch aus Sicherheitsgründen zu hoch kalkulierte Prämie) wird zu mindestens 85 % der Gewinnreserve des Gewinnverbandes zugewiesen. Daneben werden die Zuweisungswerte der beendeten oder umgestellten Versicherungsverhältnisse (sog. Stornogewinne) der Gewinnreserve in voller Höhe zugewiesen. Aus der Gewinnreserve wird der zur Ausschüttung kommende Gewinn entnommen. Der ausgeschüttete Gewinn wird zur Erhöhung der Versicherungsleistungen verwandt oder mit den fällig gewordenen Beiträgen verrechnet, mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde könnte er zur Deckung außergewöhnlicher Verluste herangezogen werden.

Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung im Jahre 1969 stellte der Prüfer fest, daß die Klägerin die ausgeschütteten Gewinne tatsächlich in diesem Sinne verwandt, die Beträge jedoch nicht wie die eigentlichen Versicherungsprämien der vom Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) genehmigten pauschalen Lohnversteuerung nach § 35b LStDV (Abschn. 55 LStR) unterworfen hatte. Das FA forderte daraufhin von der Klägerin u. a. Lohnsteuern und Kirchensteuern für die Jahre 1958 bis 1968 in Höhe von insgesamt X DM nach.

2. Die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das FG führte u. a. aus: Die Prämien seien für die Klägerin Betriebsausgaben. Ihnen stünden die Gewinnausschüttungen als Betriebseinnahmen gegenüber. Diese könnten wirtschaftlich nicht der Gesamtheit der Arbeitnehmer zugerechnet werden, da die Klägerin sich das Verfügungsrecht darüber jedenfalls teilweise vorbehalten habe. Denn sie könne sie statt zur Verrechnung auch zur Erhöhung der Versicherungsleistungen, u. U. zur Deckung von außergewöhnlichen Verlusten einsetzen.

Prämien, die die Klägerin dadurch leiste, daß sie die Beträge mit den zur Ausschüttung kommenden Gewinnen verrechne, seien in gleicher Weise lohnsteuerpflichtig, als wenn die Klägerin die Prämien per Bank oder Postscheck an die Versicherung überweise. Verrechnung oder Überweisung seien nur bestimmte Zahlungsweisen. Sie setzten voraus, daß die Gewinne zuvor der Klägerin zugeflossen seien. Durch die Entrichtung von Lohnsteuer für die mit Gewinnen verrechneten Prämien entstehe keine ungerechtfertigte Doppelbesteuerung. Die Lohnsteuer werde nämlich nicht von der verrechneten Gewinnausschüttung, sondern von den mittels der Gewinnausschüttung gezahlten Prämien erhoben.

Die Grundsätze des Urteils des RFH vom 20. Dezember 1933 VI A 353/33 (RStBl 1934, 429) könnten auf den Streitfall nicht übertragen werden. Nach dieser Entscheidung seien Zinsen und Dividenden, die die Versicherungsgesellschaften an die Versicherten ausschütten, kein steuerpflichtiges Einkommen. Dies gelte indessen nur für Steuerpflichtige, die für sich privat eine Lebensversicherung abschlössen. Bei Gesellschaften seien Gewinne aus Versicherungsverträgen, wenn sie an sie als Versicherungsnehmerin und Prämienschuldnerin ausgeschüttet würden, stets Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Begriff der Betriebseinnahmen sei weiter gefaßt als der der Einkünfte nach §§ 20, 22 EStG.

Eine Betrachtung des Gruppenversicherungsvertrages als Zusammenfassung vieler Einzelversicherungsverträge führe zu keinem anderen Ergebnis. Den Arbeitnehmern sei es gleichgültig, wie die Klägerin ihrer Pflicht, die Beiträge zu entrichten, nachkomme, sei es durch Zahlung oder durch Verrechnung. Die an die Klägerin ausgeschütteten Gewinne seien auch keine rückgewährten Prämien, die einen Lohnsteuer-Erstattungsanspruch der Klägerin wegen der von ihr vorgenommenen Pauschalversteuerung begründen könnten.

II. Begründung der Revision.

Mit der Revision trägt die Klägerin u. a. vor: Der Versicherungsvertrag als Gesamtheit ergebe, daß sämtliche Früchte aus der Prämienzahlung des Arbeitgebers der versicherten Arbeitnehmergruppe insgesamt zugewachsen seien, so daß sich die Frage einer zusätzlichen Lohnsteuer nicht stellen könne. Es geschehe das gleiche wie bei einer Einzelversicherung, bei der die anfallenden Gewinnanteile zur Reserveerhöhung verwendet werden sollen. Bejahe man die Lohnsteuerpflicht der Bruttoprämienzahlung über die Fiktion, daß die Prämie den Arbeitnehmern durch die Klägerin gezahlt worden sei und diese sie wiederum bei der Versicherung eingezahlt hätten, so könne man bei der lohnsteuerrechtlichen Würdigung der zwangsläufig anfallenden Gewinnanteile dieselbe rückläufige Fiktion, nämlich daß das Versicherungsunternehmen die Gewinnanteile an die Arbeitnehmer auszahlt, diese sie wiederum ihrem Arbeitgeber zur Verfügung stellen, nicht außer acht lassen. Diese Erstattung der Gewinnanteile durch die Arbeitnehmer stehe in ursächlichem Zusammenhang mit ihrem Arbeitsverhältnis und müsse demzufolge zwangsläufig zu negativen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen. In den Fällen pauschaler Lohnversteuerung stehe der Erstattungsanspruch, der durch die Rückzahlung von pauschalversteuertem Arbeitslohn anfalle, dem Arbeitgeber zu.

 

Entscheidungsgründe

III. Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des Haftungsbescheids.

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Verwendung der Gewinne aus dem Gruppenversicherungsvertrag zur Erhöhung der Versicherungsleistungen oder zur Erbringung der Beitragsleistungen durch die Klägerin als lohnsteuerpflichtiger Zufluß der Arbeitnebmer zu beurteilen und der Pauschalversteuerung zu unterwerfen ist.

1. Für Einzelversicherungsverhältnisse hat die Rechtsprechung des BFH und des RFH seit jeher ausgesprochen, daß Gewinnbeteiligungen des Versicherungsnehmers, die auf dem Versicherungsverhältnis beruben, nicht zu steuerpflichtigen Einkünften im Sinne des Einkommensteuergesetzes führen (RFH-Urteil VI A 353/33; BFH-Urteile vom 20. Februar 1970 VI R 11/68, BFHE 98, 357, BStBl II 1970, 314, und vom 27. Februar 1970 VI R 314/67, BFHE 98, 412, BStBl II 1970, 422). Dabei ist die Bezeichnung, unter der die Gewinnbeteiligung gewährt wird (z. B. als Dividende, Bonus oder Beitragsermäßigung aus technischem Überschuß), gleichgültig. Es handelt sich um Leistungen innerhalb des als eine Einheit aufzufassenden Versicherungsverhältnisses, die mangels einer besonderen Bestimmung nicht der Besteuerung nach dem Einkommen unterliegen. Für den Fall, daß die Gewinnbeteiligung dem Versicherungsnehmer sofort zur Verfügung gestellt, insbesondere also ausgezahlt wird, hat die Rechtsprechung angenommen, daß die Beiträge zu der Versicherung in Höhe der Gewinnbeteiligung nicht als Sonderausgaben zum Abzug zugelassen sind. Denn insoweit ist der Versicherungsnehmer nicht belastet, so daß keine "Aufwendungen" im Sinne des § 10 Abs. 1 EStG vorliegen. Wenn die Gewinnbeteiligung dem Versicherungsnehmer jedoch nicht zur Verfügung steht, insbesondere wenn sie zur Erhöhung der Versicherungssumme oder zur Kapitalansammlung verwendet wird, ist eine steuerliche Auswirkung auch in Form einer Kürzung der als Sonderausgaben berücksichtigungsfähigen Versicherungsbeiträge nicht angenommen worden (RFH-Urteil VI A 353/33, ebenso die Verwaltung in Abschn. 88 Abs. 4 EStR). Es entspricht diesen Grundsätzen, daß eine zur Herabsetzung der laufenden Beiträge verwendete Gewinnbeteiligung sich in ihrer steuerlichen Auswirkung darin erschöpft, daß nur die ermäßigten Beiträge als Sonderausgaben geltend gemacht werden können.

2. Bei Aufwendungen eines Arbeitgebers zur Zukunftsicherung seiner Arbeitnehmer hat die Rechtsprechung des BFH anerkannt, daß die Aufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen Sonderausgaben des Arbeitnehmers sein können (z. B. Urteil vom 13. August 1971 VI R 171/68, BFHE 103, 350, BStBl II 1972, 57). Insofern besteht eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß Aufwendungen für eine begünstigte Versicherung nur von dem Versicherungsnehmer als Sonderausgaben geltend gemacht werden können (BFH-Urteile vom 20. November 1952 IV 6/52 U, BFHE 57, 91, BStBl III 1953, 36, und vom 9. Mai 1974 VI R 137/72, BFHE 112, 484, BStBl II 1974, 633). Diese Ausnahme gilt indessen nur dann, wenn die Aufwendungen beim Arbeitnehmer Arbeitslohn sind (so auch Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl. 1971, § 10 EStG Anm. 3). Diese grundsätzliche Beurteilung wird nicht dadurch berührt, daß der Arbeitgeber eine Pauschalversteuerung (§ 35b Abs. 1 Nr. 1a LStDV) durchführt und daß der pauschalversteuerte Arbeitslohn und die davon einbehaltene Lohnsteuer auf Anordnung des FA beim Lohnsteuer-Jahresausgleich und bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer außer Betracht bleiben. Sie wird ferner nicht berührt durch § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV, nach dem von Zukunftsicherungsaufwendungen im Kalenderjahr ein Betrag von 312 DM nicht zum Arbeitslohn zu rechnen ist mit der Folge, daß insoweit auch ein Sonderausgabenabzug entfällt (Urteil VI R 171/68).

3. Im Streitfall hat die Klägerin nicht für jeden einzelnen Arbeitnehmer einen besonderen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen, sondern eine Gruppenversicherung. Die Beurteilung des FG, daß es sich bei den laufenden Beitragsaufwendungen der Klägerin für diesen Vertrag grundsätzlich um Arbeitslohn der Arbeitnehmer handelt, für den die Lohnsteuer im Wege der Pauschalversteuerung entrichtet worden ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bestimmungen des Gruppenversicherungsvertrages erfüllen insbesondere auch die von der Rechtsprechung aufgestellte Voraussetzung, daß die Arbeitnehmer auf die Versicherungsleistung einen unentziehbaren Rechtsanspruch erhalten (z. B. BFH-Urteil vom 28. März 1958 VI 104/56 U, BFHE 66, 696, BStBl III 1958, 267).

Schon die Rechtsprechung des RFH hat klargestellt, daß die Voraussetzung eines unentziehbaren Rechtsanspruchs keineswegs erfordert, daß das Versicherungsunternehmen letztlich an den Arbeitnehmer auch eine Leistung erbringen muß. So hat der RFH im Urteil vom 9. Februar 1939 IV 64/37 (RStBl 1939, 777) Aufwendungen des Arbeitgebers für eine Lebensrisikoversicherung als Zukunftsicherungsaufwendungen angesehen, obwohl bei der Prämienzahlung keineswegs feststand, ob der Risikofall überhaupt eintreten und das Versicherungsunternehmen überhaupt eine Leistung zu erbringen haben würde. Des weiteren hat der RFH im Urteil vom 10. Februar 1939 IV 153/37 (RStBl 1939, 741) grundsätzlich ausgeführt, daß es nicht auf die größere oder geringere Aussicht eines Anfalls ankomme. Unsicherheiten nach verschiedenen Richtungen müßten nach der Art solcher Einrichtungen in Kauf genommen werden. Entscheidend sei, ob die Einrichtung insgesamt dem Arbeitnehmer oder den Arbeitnehmern diene und ob für die allseits unterstellte Regel die Versorgung gewährleistet sei. Es komme deshalb nicht in Betracht, ob größere oder geringere Wartezeiten bestimmt seien oder ob ein Arbeitnehmer bei vorzeitigem Ausscheiden u. U. leer ausgehe; auch für ihn sei bei regelmäßigem Ablauf die Versorgung bestimmt. An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.

Der Gruppenversicherungsvertrag sieht im Streitfall vor, daß das Versicherungsverhältnis mit den einzelnen Werksangehörigen mit Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr enden kann, wenn der Rentenfall eingetreten ist und eine Rente gezahlt wird oder das Versicherungsverhältnis wenigstens 10 Jahre bestanden und der Werksangehörige sein 50. Lebensjahr vollendet oder das Versicherungsverhältnis wenigstens 20 Jahre gedauert hat. Die Wartezeiten von 10 bzw. 20 Jahren berühren nicht die Tatsache, daß die Arbeitnehmer während dieser Zeit bereits einen unentziehbaren Rechtsanspruch auf die Versorgung nach Erfüllung der Wartezeiten haben.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht etwa deshalb geboten, weil der Anspruch auf die Versorgung bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor Erfüllung der Wartezeiten erlischt. Entscheidend ist, wie bereits der RFH (Urteil IV 153/37) betont hat, daß für diesen Fall nicht eine Art "Heimfallsrecht" für den Arbeitgeber vereinbart ist, daß also der Arbeitgeber über den Rückkaufswert der Versicherung der ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht frei verfügen kann. Im Streitfall ergibt sich aus den Vereinbarungen über die Gewinnbeteiligung, daß die Klägerin über die Zuweisungswerte der beendeten Versicherungsverhältnisse nicht frei verfügen kann, sondern daß diese der Gewinnreserve des Gewinnverbandes in voller Höhe zugewiesen werden. Der aus der Gewinnreserve zur Ausschüttung kommende Gewinn kann aber außer zur Deckung von Verlusten nur zur Erhöhung der Versicherungsleistungen verwandt oder mit den fällig gewordenen Beiträgen verrechnet werden. Die Klägerin hat also auch hinsichtlich dieser sogenannten Stornogewinne kein "Heimfallsrecht". Vielmehr dienen auch diese Gewinnteile weiterhin ausschließlich der Versorgung der Gesamtheit der Arbeitnehmer.

4. Der Senat mißt der Tatsache, daß der ausgeschüttete Gewinn nicht der Klägerin zur Verfügung steht, sondern für die Sammelversorgung vorbehalten bleibt, für die Entscheidung der im vorliegenden Fall streitigen Frage entscheidende Bedeutung bei. Wenn nach dem Versicherungsvertrage auch vereinbart ist, daß die Klägerin anspruchsberechtigt ist, soweit nicht Werksangehörige oder ihre Hinterbliebenen bezugsberechtigt sind, so bedeutet dies doch noch keine Verfügungsberechtigung für die Klägerin hinsichtlich der Gewinnbeteiligung. Denn sie kann ihre Anspruchsberechtigung nur dahin ausüben, daß - abgesehen von der Deckung von außergewöhnlichen Verlusten - die Versicherungsleistungen erhöht oder daß die Ausschüttungen mit den fällig gewordenen Beiträgen verrechnet werden. So wenig dieser Tatbestand dazu berechtigt, den regelmäßigen Beiträgen den Charakter als Arbeitslohn abzusprechen (siehe 3.), so wenig vermag er hinsichtlich des zur Ausschüttung kommenden Gewinns eine andere Beurteilung zu rechtfertigen, als sie bei Einzelversicherungen anerkannt ist (siehe 1.). Da Ausschüttungen, auch wenn sie wie im Streitfall u. a. zur Senkung der regelmäßigen Beiträge verwendet werden, bei einer Einzelversicherung nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen des Versicherten führen, kann dies auch bei einer Sammelversicherung nicht angenommen werden. Denn die Ausschüttungen aus der Gewinnreserve, die auf der Grundlage von bereits lohnversteuerten Beiträgen des Arbeitgebers gebildet worden ist, stehen durch die genannten Vereinbarungen von vornherein im wirtschaftlichen Sinne nicht der Klägerin, sondern der Gesamtheit der versicherten Arbeitnehmer zur Verfügung; sie können ihr also von der Klägerin nicht noch einmal im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zugewendet werden.

Dies gilt auch für die freigewordenen Deckungskapitalien beim Ausscheiden von Werksangehörigen vor Ablauf der Wartezeiten und den sich daraus ergebenden sogenannten Stornogewinnen. Denn auch die Stornogewinne stehen nicht etwa der Klägerin als Arbeitgeberin zur freien Verfügung, sondern bleiben der Gesamtheit der versicherten Werksangehörigen vorbehalten. Zwar kommen die Stornogewinne nicht mehr den Arbeitnehmern zugute, deren lohnversteuerte Beiträge zu ihrer Erzielung beigetragen haben. Vielmehr ermäßigen sich auf Grund der Verrechnung der Stornogewinne mit den regelmäßigen Beitragsleistungen die lohnzuversteuernden Beiträge anderer Arbeitnehmer oder es erhöhen sich die Versicherungsleistungen. Diese Erscheinung ist indessen eine unvermeidbare Eigenart von Gruppen- oder Sammelversicherungen, die den Gesamtcharakter dieser Versicherungsform nicht zu verändern vermag.

Die Entscheidung des RFH vom 15. Juli 1936 VI A 907/35 (RStBl 1936, 959) steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Dort ist entschieden worden, daß Prämienzahlungen eines Arbeitgebers für eine von ihm zugunsten eines Arbeitnehmers abgeschlossene Lebensversicherung auch dann Arbeitslohn sind, wenn bei vorzeitiger Beendigung des Dienstverhältnisses der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zwecks Aufrechterhaltung der Versicherung den Rückkaufswert im Zeitpunkt des Ausscheidens vergüten muß. Ferner ist ausgesprochen worden, daß die Zahlung dieser Vergütung Rückfluß früher gezahlten Arbeitslohns sei. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Versicherungsvertrag sah also anders als im Streitfall einen echten Rückfluß an den Arbeitgeber im Falle vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers vor. Dieser war lediglich berechtigt, sich seine versicherungsrechtliche Anwartschaft durch Zahlung des Rückkaufswerts an den Arbeitgeber zu erhalten. Schon aus diesem Grunde können aus der Entscheidung für den Streitfall keine Gesichtspunkte hergeleitet werden.

Im Streitfall ist hiernach die Erhöhung der Versicherungsleistungen und die Beitragsermäßigung, soweit sie auf eine Verrechnung mit Gewinnausschüttungen zurückzuführen ist, im wirtschaftlichen Ergebnis mit Mitteln bewirkt worden, die im Rahmen der Gruppenversicherung der Gesamtheit der versicherten Werksangehörigen bereits zur Verfügung standen. Es kann sich deshalb nicht um Arbeitslohn handeln, den der Arbeitgeber wirtschaftlich an den Arbeitnehmer zahlte. Für diese Beurteilung ist die Behandlung der Gewinnbeteiligung in der Buchführung der Klägerin unerheblich. Denn wie die Beteiligten übereinstimmend hervorheben, ist die Frage, ob ein geldwerter Vorteil für den Arbeitnehmer (und damit Arbeitslohn) vorliegt, in erster Linie aus der Sicht des Arbeitnehmers zu beurteilen. Die Entscheidung der Vorinstanz, die dies verkannt hat, war hiernach aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Da die zur Erhöhung der Versicherungsleistungen verwendeten oder auf die Beitragsleistungen verrechneten Gewinnausschüttungen keine Lohnsteuer auslösen, war der Haftungsbescheid des FA aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71264

BStBl II 1975, 275

BFHE 1975, 50

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