Entscheidungsstichwort (Thema)

Beendigung der persönlichen, aber nicht der sachlichen Gewerbesteuerpflicht bei Übernahme einer KG durch einen Gesellschafter

 

Leitsatz (NV)

1. Die persönliche Gewerbesteuerpflicht einer Personengesellschaft endet, wenn das von ihr betriebene Unternehmen von einem Einzelunternehmer übernommen wird, der an ihr beteiligt ist. Die bis zur Beendigung entstandene Steuerschuld der Personengesellschaft geht dabei auf den Übernehmer über, wenn die Personengesellschaft durch die Übernahme des Handelsgeschäfts ohne Liquidation beendet wird.

2. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht besteht fort bei einem Übergang eines Unternehmens von einer Personengesellschaft auf einen Einzelunternehmer, der Gesellschafter der Personengesellschaft war oder ist.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 45, 125 Abs. 1; GewStG § 2 Abs. 5, § 5 Abs. 1 S. 3, Abs. 2; GewStG a.F. § 10; HGB § 142

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Gesellschafter der A-KG (KG). Mit Wirkung vom 1. September 1977 übernahm er das von der KG betriebene Unternehmen und führte es als Einzelunternehmen im eigenen Namen fort. Für den Erhebungszeitraum 1977 (Streitjahr) gab der Kläger im Namen der KG eine Gewerbesteuererklärung ab, der er den von der KG im Zeitraum 1. Januar bis 31. August 1977 erzielten Gewerbeertrag in Höhe von 211661 DM zugrunde legte. Der Kläger selbst erklärte seinerseits für den Erhebungszeitraum 1978 einen vom 1. September 1977 bis zur Beendigung der Geschäftstätigkeit am 31. Januar 1978 angefallenen Gewerbeertrag der Einzelfirma in Höhe von 110719 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für das Streitjahr (1977) in einem an den Kläger adressierten Gewerbesteuermeßbescheid zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung entsprechend der eingereichten Erklärung fest. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung änderte das FA die Festsetzung durch einen ebenfalls an den Kläger gerichteten Bescheid. Es rechnete nunmehr den erklärten Gewerbeertrag der KG (211661 DM) nach § 10 Abs. 3 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes in der bis zum Inkrafttreten des Gewerbesteueränderungsgesetzes vom 19. Dezember 1985 geltenden Fassung (GewStG a.F.) auf einen Jahresbetrag von 317400 DM hoch (12/8 von 211661 DM), ohne eine entsprechende Kürzung nach § 11 Abs. 6 GewStG a.F. vorzunehmen. Nach Ansicht des FA handelt es sich bei der Übernahme des Betriebes der KG durch den Kläger nicht um einen Übergang des Gewerbebetriebes auf einen anderen Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 5 GewStG, sondern lediglich um eine Änderung des Wirtschaftsjahres.

Die nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob - über den Klageantrag hinausgehend - den geänderten Gewerbesteuermeßbescheid ersatzlos auf, da dieser Bescheid inhaltlich nicht hinreichend bestimmt sei. Es sei verfahrensrechtlich unzulässig, eine Personengesellschaft und einen Einzelunternehmer in einem gemeinsamen an den Einzelunternehmer gerichteten Gewerbesteuermeßbescheid zusammenzufassen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 2 Abs. 5 und 5 Abs. 1 GewStG a.F., sowie von § 184 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Außerdem beruhe die Vorentscheidung auf einem Verfahrensmangel, da das FG die KG - trotz entsprechenden Antrages des FA - nicht notwendig zum Verfahren vor dem FG beigeladen habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Der erkennende Senat vermag dem FG nicht darin zu folgen, daß der vom Kläger angegriffene Bescheid über die Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrages für das Streitjahr unwirksam sei. Nach § 125 Abs. 1 AO 1977 ist ein Verwaltungsakt nur nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzungen treffen auf den angegriffenen Bescheid nicht zu.

Entgegen der Auffassung des FG fehlt es dem Bescheid nicht an der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit. Der Bescheid ist gegen den Kläger gerichtet und an diesen adressiert. Er nennt die Art der Steuer, für die der Meßbetrag festgesetzt wird, und die Höhe dieses Meßbetrages. Es ist daher eindeutig, daß der Kläger für diesen Betrag in Anspruch genommen werden soll.

Unerheblich ist für die Frage der Nichtigkeit des Bescheides, daß der gegen den Kläger festgesetzte Meßbetrag auf einen Gewerbeertrag zurückgeht, den nicht der Kläger, sondern die KG erzielt hat. Im Streitfall geht es nicht um die Frage, ob ein Gewerbesteuermeßbescheid nach einer Betriebsumwandlung an die KG und den nachfolgenden Einzelunternehmer gemeinsam ergehen könnte und ob dann wegen des Bestimmtheitserfordernisses der jeweils auf die KG und den Einzelunternehmer entfallende Teil des Meßbetrages oder zumindest die Betriebsergebnisse gesondert ausgewiesen werden müßten (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 9. Dezember 1985 5 K 176/85, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 305). Denn das FA hat die KG nicht neben dem Kläger in Anspruch genommen, so daß unklar wäre, welchen Betrag die KG und welchen der Kläger schulden soll. Der Kläger ist vielmehr sowohl für das Betriebsergebnis der KG als auch für ein auf seine Einzelunternehmerschaft im Jahre 1977 (1. September bis 31. Dezember) entfallendes Betriebsergebnis in Anspruch genommen worden, wobei allerdings das Betriebsergebnis seiner Einzelunternehmerschaft im Jahre 1977 ebenfalls auf der Grundlage der Erträge der KG berechnet worden ist. Der angegriffene Steuerbescheid läßt also keinen Zweifel daran, daß das FA dem Kläger den gesamten Betrag zurechnen wollte. Ob dies zu Recht geschehen ist, ist keine Frage der Nichtigkeit aus formellen Gründen, sondern eine Frage der Rechtmäßigkeit des Gewerbesteuermeßbescheides.

2. Der angegriffene Gewerbesteuermeßbescheid ist aber auch rechtmäßig. Das FA hat den Kläger zu Recht für den festgesetzten Gewerbesteuermeßbetrag in Anspruch genommen.

a) Der Senat hat allerdings entschieden, daß bei Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft die persönliche Gewerbesteuerpflicht des Einzelunternehmers im Zeitpunkt der Einbringung aufgrund der Neufassung des § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG durch das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung 1977 vom 14. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3341) auch dann endet, wenn der Einzelunternehmer an der aufnehmenden Personengesellschaft beteiligt ist (Urteil vom 17. Februar 1989 III R 36/85, BFHE 156, 502, BStBl II 1989, 664). Im Streitfall geht es um die umgekehrte Gestaltung der Übernahme eines von einer Personengesellschaft betriebenen Unternehmens durch einen Einzelunternehmer, der an der Personengesellschaft beteiligt ist. Die Grundsätze des Senatsurteils in BFHE 156, 502, BStBl II 1989, 664 müssen auch für diese Fallgestaltung gelten. Es ist also davon auszugehen, daß die persönliche Steuerpflicht der KG gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 GewStG mit der Übernahme des Betriebs durch denKläger am 1. September 1977 geendet hat und ab diesem Zeitpunkt eine persönliche Steuerpflicht des Klägers für den Erhebungszeitraum 1977 entstanden ist. Der Kläger ist also jedenfalls Steuerschuldner der Gewerbesteuer für 1977, soweit sie auf die Zeit ab 1. September bis 31. Dezember entfällt. Ob der auf diese Zeit entfallende Gewerbeertrag durch die Hochrechnung des bis zum 31. August 1977 erzielten Betriebsergebnisses der KG richtig berechnet worden ist, kann hier zunächst dahinstehen (s. dazu unten unter 2. c).

b) Der Kläger ist aber auch Steuerschuldner für die auf die Zeit der persönlichen Steuerpflicht der KG entfallende Gewerbesteuer. Dies ergibt sich aus § 45 AO 1977, da der Kläger Gesamtrechtsnachfolger der KG geworden ist.

Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger das bisher als Kommanditgesellschaft betriebene Unternehmen übernommen. Der Senat geht daher davon aus, daß der Betrieb des Unternehmens, das der Kläger übernommen hat, der einzige Zweck der KG war. Die KG ist demgemäß mit Wirkung vom 1. September 1977 durch Übernahme des Handelsgeschäfts gemäß § 142 des Handelsgesetzbuches (HGB) ohne Liquidation beendet worden. Dadurch ist Gesamtrechtsnachfolge in der Person des Klägers eingetreten (vgl. Baumbach/Duden/ Hopt, Handelsgesetzbuch, 28. Aufl., 1989, § 142 Anm. 3 A; Schlegelberger/Karsten Schmidt, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., 1992, § 142 Rdnr. 28). Die aus der persönlichen Gewerbesteuerpflicht der KG für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. August 1977 entstandene Gewerbesteuerschuld ist folglich auf den Kläger übergegangen.

c) Das FA hat den für die Festsetzung des Steuermeßbetrages maßgeblichen Gewerbeertrag sowohl für die Zeit der persönlichen Steuerpflicht der KG als auch für die Zeit der persönlichen Steuerpflicht des Klägers richtig berechnet. Der von der KG bis zu ihrer Vollbeendigung erzielte Gewerbeertrag ist unbestritten. Der auf die Zeit der Einzelunternehmerschaft des Klägers in 1977 entfallende Gewerbeertrag errechnet sich nicht aus dem vom Kläger als Einzelunternehmer vom 1. September 1977 bis zur Betriebsbeendigung am 31. Januar 1978 erzielten Betriebsergebnis, sondern aus dem Gewerbeertrag der KG. Der dafür maßgebende § 10 Abs. 3 GewStG a.F. ist im Gesamtzusammenhang des § 10 GewStG a.F. zu sehen. Diese Vorschrift betrifft anders als § 5 GewStG nicht die persönliche Steuerpflicht, sondern die sachliche Steuerpflicht, die den Besteuerungsgegenstand des § 2 GewStG meint (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Mai 1972 I R 153/70, BFHE 106, 225, BStBl II 1972, 775, zu § 10 Abs. 2 Satz 2 GewStG a.F.). Das ergibt sich schon daraus, daß in § 10 Abs. 2 GewStG a.F. das Unternehmen als Bezugspunkt der Regelung genannt ist. Der BFH hat wiederholt entschieden, daß bei einem Übergang eines Unternehmens von einer Personenhandelsgesellschaft auf einen Einzelunternehmer die sachliche Steuerpflicht i.S. von § 2 Abs. 5 GewStG nicht endet (und nicht in der Person des Übernehmers neu beginnt), wenn der Übernehmer Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft war oder ist (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juli 1988 VIII R 220/79, BFH/NV 1989, 319, und VIII R 242/80, BFH/NV 1989, 320, m.w.N.). Da der Kläger Gesellschafter der mit der Übernahme des Betriebs voll beendeten KG war, hat die auf das Unternehmen bezogene sachliche Steuerpflicht auch nach der Übernahme des Unternehmens durch den Kläger fortbestanden. Das von dem Kläger mit der Übernahme begonnene neue Wirtschaftsjahr bedeutet daher im Ergebnis eine Umstellung des Wirtschaftsjahres i.S. von § 10 Abs. 3 GewStG a.F. Der von der KG bis zur Übernahme des Unternehmens durch den Kläger am 1. September 1977 erzielte Gewerbeertrag ist daher gemäß § 10 Abs. 3 GewStG a.F. auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dies ist in dem angegriffenen Steuerbescheid geschehen.

d) Da der Kläger Steuerschuldner sowohl für den Zeitraum der persönlichen Steuerpflicht der KG als auch für den Zeitraum seiner eigenen persönlichen Steuerpflicht ist, mußte das FA nicht den für den gesamten Erhebungszeitraum ermittelten einheitlichen Steuermeßbetrag zeitanteilig der KG und dem Kläger zurechnen. Die in der Senatsentscheidung in BFHE 156, 502, BStBl II 1989, 664 geforderte zeitanteilige Zurechnung bei einem Rechtsformwechsel während des Erhebungszeitraums hat im Fall der Übernahme eines von einer Personenhandelsgesellschaft betriebenen Unternehmens durch einen der Gesellschafter als Einzelunternehmer dann ihren Sinn, wenn - wie wohl im Regelfall - die Personenhandelsgesellschaft nach der Betriebsübernahme als Steuerschuldner fortbesteht (z.B. wegen noch anderer von ihr betriebener Handelsgeschäfte oder wegen Liquidation noch vorhandenen Vermögens). Dagegen ist die zeitanteilige Zurechnung in Fällen der Vollbeendigung der Gesellschaft ohne Liquidation wegen der dann eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge sinnlos. Sie würde wegen der Summierung der zeitanteilig zu berechnenden Beträge in der Person des Gesamtrechtsnachfolgers zu demselben Ergebnis führen wie vorher der für den gesamten Erhebungszeitraum ermittelte Steuermeßbetrag. Daß der Kläger die Gewerbesteuer zum einen als Gesamtrechtsnachfolger der KG und zum anderen als in eigener Person entstandene Steuerschuld schuldet, ist für das Ergebnis unerheblich und braucht daher nicht gesondert ausgewiesen zu werden. Durch die Berechnung des einheitlichen Steuermeßbetrages wird im übrigen deutlich, welcher Teil des insgesamt ermittelten Gewerbeertrages auf die KG und welcher Teil durch Hochrechnung des Gewerbeertrages der KG auf den Kläger entfällt. Unter diesen Umständen ist ausnahmsweise eine gesonderte Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge für die Zeit bis zum 31. August 1977 und für die Zeit danach bis zum 31. Dezember 1977 (s. dazu den BFH-Beschluß vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, unter C.III.9. g) nicht erforderlich, weil trotz Wechsels in der Steuerpflicht der Kläger die bis zum 31. August 1977 entstandene Gewerbesteuer als Gesamtrechtsnachfolger schuldet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419386

BFH/NV 1994, 263

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