Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Mißbrauchs von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts bei der Gewährung eines Pensionsanspruchs.

 

Normenkette

StAnpG § 6 Abs. 1

 

Tatbestand

Das FA setzte bei der Vermögensteuerveranlagung des Erblassers und Ehemanns der Revisionsklägerin auf den 1. Januar 1959 im sonstigen Vermögen den Kapitalwert einer Rente an. Diese Rente beruhte auf einem Pensionsvertrag, den der Erblasser und seine Ehefrau mit einer Kommanditgesellschaft (im folgenden: KG II) am 16. Juni 1958 abgeschlossen hatten. Dieser Pensionsvertrag stand im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Klägers aus einer anderen KG (im folgenden: KG I) zum 30. Juni 1958, an der der Erblasser als persönlich haftender Gesellschafter und die KG II als Kommanditistin beteiligt waren. Der Erblasser hatte in einem Ausscheidungsvertrag vom 16. Juni 1958 in Nr. 4 "für sich und seine Rechtsnachfolger zeitlich unbeschränkt" die Verpflichtung übernommen, den beiden KG "in keiner Weise Konkurrenz zu machen oder durch Dritte machen zu lassen". In Abs. 2 der Nr. 4 dieses Vertrages hieß es: "Als Gegenleistung für die endgültige Ausschaltung des ... (Erblasser) aus der Branche im obigen Sinne erhält ... (Erblasser) und seine Ehefrau von der ... (KG II) eine Pensionszahlung gemäß gesondertem Pensionsvertrag". In Nr. 1 des Pensionsvertrages verpflichtete sich die KG II ab dem 1. Juli 1958 zur Zahlung von Pensionsbezügen an den Erblasser und seine Ehefrau. Die Pensionszahlungen erfolgten nach Nr. 2 des Pensionsvertrages in der Weise, daß der Erblasser für die Zeit vom 1. Juli 1958 bis einschließlich 31. Mai 1968 die Bruttobezüge eines Regierungsrats nach Besoldungsgruppe 13 in der Dienstaltersstufe 9 erhielt. Diese wurden mit 1 015 DM monatlich brutto angegeben. Nach Nr. 3 des Pensionsvertrages sollte der Erblasser ab dem 1. Juli 1968 auf Lebensdauer die Bezüge eines Obersekretärs der Besoldungsgruppe 7 des Besoldungsgesetzes in der Dienstaltersstufe 9 erhalten, die mit 504 DM monatlich brutto angegeben wurden. Nach Nr. 4 des Pensionsvertrages sollte die Ehefrau des Erblassers im Falle seines Ablebens 60 v. H. der für ihn festgelegten Bezüge erhalten.

Mit der Sprungberufung, die vom FA als Einspruch behandelt wurde, begehrte der Erblasser, daß die Rentenansprüche außer Ansatz gelassen würden. Er war der Auffassung, daß es sich um zwei Rentenstammrechte handle, nämlich 1. einen Anspruch auf monatlich 1 015 DM, befristet auf die Zeit vom 1. Juli 1958 bis 31. Mai 1968, und 2. einen Anspruch auf monatlich 504 DM von der Vollendung seines 65. Lebensjahres (21. Dezember 1968) an auf Lebenszeit. Die erste Rente sei nach § 67 Nr. 4 BewG nicht anzusetzen, weil sie nur auf die Dauer von neun Jahren und elf Monaten, also weniger als auf zehn Jahre, vereinbart sei. Die zweite Rente sei nach § 4 BewG als aufschiebend bedingt außer Ansatz zu lassen, weil sie davon abhänge, daß er das 65. Lebensjahr erreiche. Sie sei außerdem nach § 68 Nr. 3 BewG steuerfrei, weil sie auf eine Pensionszusage der KG I vom 16. Dezember 1955 zurückgehe und von der KG II übernommen worden sei.

Der Einspruch hatte in diesem Punkt keinen Erfolg. Auch die Klage wurde in diesem Punkt abgewiesen.

Das FG lehnte die Trennung der Pensionszahlungen in eine aus dem Kaufvertrag herrührende Zeitrente und in eine auf einer früheren Festlegung beruhenden Altersrente ab. Die laufenden Zahlungen beruhten rechtlich und wirtschaftlich auf einem einheitlichen Vorgang und seien einheitlich zu betrachten. Ihre rechtliche Grundlage sei der Pensionsvertrag vom 16. Juni 1958. Für die rechtliche Einheit der Pensionszusage spreche die unter Nr. 4 des Ausscheidungsvertrages getroffene Regelung, wonach bei einem Verstoß gegen das vereinbarte Konkurrenzverbot durch den Erblasser oder auch durch seine Ehefrau die KG II berechtigt sei, die Pensionszahlungen schlechthin einzustellen. Aus dieser Regelung sei auch das wirtschaftliche Ziel eindeutig erkennbar: Die Pension habe als Gegenleistung für die endgültige Ausschaltung aus der Branche bezahlt werden sollen. Die Zahlungen bis zum 31. Mai 1968 rührten auch nicht aus dem Kaufvertrag vom 22. Juli 1958 her. Denn bei diesem Vertrag sei als Kaufpreis lediglich ein Betrag von 200 000 DM aufgeführt. Die ab dem 1. Juli 1968 zu zahlende Pension habe nichts mit der früheren Pensionszusage der KG I zu tun. Ihr eindeutiger Grund sei die Gegenleistung des Erblassers und seiner Ehefrau gewesen, ein für allemal aus der Branche auszuscheiden. Sie sei auch nicht an ein früheres Arbeits- oder Dienstverhältnis geknüpft und hänge nicht mit der Erreichung des 65. Lebensjahres zusammen.

Der Erblasser hat mit der Revision beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Sache an das FG zurückzuverweisen. Es werden mangelnde Sachaufklärung, Verstoß gegen die Denkgesetze und gegen die §§ 1 StAnpG, 4, 8, 67 Nr. 4, 68 Nr. 3 BewG gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Das FG verstoße gegen § 1 StAnpG, wenn es von einem einheitlichen Rentenanspruch ausgehe. Denn die Vertragsparteien hätten ausdrücklich und unmißverständlich bürgerlich-rechtlich unanfechtbar die Übernahme einer Schuldverpflichtung und die Begründung einer zweiten Schuldverpflichtung vereinbart. Diese Vereinbarungen seien auch für das Steuerrecht maßgebend. Das FG habe die gesetzlichen Auslegungsregeln nicht beachtet. Es habe auch seine Sachaufklärungspflicht verletzt, weil es, obwohl die Einkommensteuerakten des Erblassers vorgelegen hätten, in seinem Urteil die Tatsache, daß der alte Pensionsvertrag vom 16. Dezember 1955 von der KG I mit einer versicherungsmäßigen Rückdeckung ausgestattet gewesen sei, die von der KG II mitübernommen worden sei, völlig unerwähnt gelassen habe. Der Verstoß gegen die Denkgesetze liege darin, daß das FG rechtlich voneinander abweichende Verträge zu einer Einheit zusammengefaßt habe, nämlich den alten Pensionsvertrag vom 16. Dezember 1955 und den neuen Pensionsvertrag, der erst 1958 abgeschlossen worden sei. Den alten Pensionsvertrag habe die KG II durch eine echte Schuldübernahme im Sinne des § 414 BGB übernommen. Durch den neuen Pensionsvertrag sei eine Verpflichtung der KG II neu entstanden. Durch die Zusammenfassung zu einem einheitlichen Rentenanspruch habe das FG schließlich gegen die §§ 4, 8, 67 Nr. 4 und 68 Nr. 3 BewG verstoßen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es hält die Vorentscheidung für zutreffend. Nach seiner Auffassung ist die Feststellung des FG, daß es sich bei den Nrn. 2 und 3 des Pensionsvertrages vom 16. Juni 1958 um eine Einheit handle, eine tatsächliche Feststellung, an die der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist im Ergebnis unbegründet:

1. Die Einwendungen, die die Revisionsklägerin dagegen erhebt, daß das FG die frühere und die neue Pensionszusage als einen einheitlichen Vorgang behandelt hat, sind nicht berechtigt. Diese beiden Zusagen sind vom FG nicht zu einer Einheit zusammengefaßt worden. Das FG hat es vielmehr zu Recht abgelehnt, die Zusage in dem Pensionsvertrag vom 16. Juni 1958 mit der Pensionszusage der KG I im Schreiben vom 16. Dezember 1955 gleichzusetzen. Aus dem Ausscheidungsvertrag ergibt sich eindeutig, daß die Ansprüche des Erblassers nach seinem Ausscheiden neu geregelt werden sollten. Der Erblasser ist in seiner Revisionsbegründung selbst davon ausgegangen, daß der Pensionsvertrag vom 16. Juni 1958 "eine neu entstandene Verpflichtung" der KG II ihm gegenüber sei. Das zeigt sich auch darin, daß die in Nr. 3 des Pensionsvertrages vom 16. Juni 1958 zugesagte Rente nicht mehr wie die im Schreiben vom 16. Dezember 1955 zugesagte Rente erst von der Vollendung des 65. Lebensjahres des Erblassers an gezahlt werden sollte und daß auch ihre Höhe in der Weise geändert wurde, daß sie den Bezügen eines Obersekretärs angeglichen wurde. Die Neuregelung konnte ohne Rücksicht darauf getroffen werden, daß die KG II als Rechtsnachfolgerin der KG I in die aus der Pensionszusage vom 16. Dezember 1955 erwachsenen Verpflichtungen eingetreten und auch die Rückdeckung zur Sicherung übernommen hatte. Deshalb ist auch die Rüge der mangelnden Sachaufklärung unbegründet.

2. Der Senat stimmt dem FG auch darin zu, daß der Pensionsvertrag vom 16. Juni 1958 rechtlich und wirtschaftlich ein einheitlicher Vorgang ist. Der Senat teilt zwar nicht die Auffassung des FA, daß es sich insoweit um tatsächliche Feststellungen des FG handle. Er ist jedoch der Meinung, daß das FG bei dieser Auslegung des Vertrags weder die Denkgesetze noch sonstige Auslegungsregeln verletzt hat. Der Vertrag sollte in seiner Gesamtheit der Altersversorgung des Erblassers und seiner Ehefrau nach dem Ausscheiden aus der KG I dienen. Er enthält dementsprechend in Nr. 1 eine einheitliche Verpflichtung der KG II zur Zahlung von Pensionsbezügen an den Erblasser und seine Ehefrau ab dem 1. Juli 1958. Er war, wie sich aus Nr. 4 des Ausscheidungsvertrages klar und eindeutig ergibt, und wie auch von der Revisionsklägerin nicht bestritten wird, als eine Gegenleistung für das endgültige Ausscheiden des Erblassers und seiner Ehefrau aus der Branche gedacht. Das zeigt die Regelung in Nr. 4 des Ausscheidungsvertrages, wonach bei einer Verletzung des Wettbewerbsverbots "die Pensionszahlungen" einzustellen waren. Der Senat hat jedoch Bedenken, dem FG auch darin zu folgen, daß in dem Pensionsvertrag vom 16. Juni 1958 dem Erblasser und seiner Ehefrau nur eine Rente zugesagt worden sei. Er stimmt dem FG allerdings darin zu, daß sich das Vorliegen zweier Renten, einer Zeitrente in Nr. 2 des Vertrages und einer Lebensrente in Nr. 3 des Vertrages nicht daraus ergibt, daß die Zeitrente ein zusätzliches Entgelt für die vom Erblasser an die KG II verkauften Wirtschaftsgüter und die Lebensrente die Übernahme der alten Pensionszusage der KG I seien. Daß die in Nr. 2 zugesagte Pensionszahlung kein Teil des Kaufpreises sein sollte, geht aus Nr. XI des notariellen Kaufvertrages vom 22. Juli 1958 eindeutig hervor. Dort heißt es ausdrücklich, daß die mit dem Grundbesitz mitverkauften Maschinen, Materialien, Hilfsstoffe und anderen Wirtschaftsgüter "im Kaufpreis inbegriffen sind". Der Kaufpreis beträgt aber nach Nr. III des Vertrages 200 000 DM. Von einer Rente als zusätzlichem Kaufpreis ist in dem Vertrag an keiner Stelle die Rede. Daß die Lebensrente in Nr. 3 nicht mit der alten Pensionszusage der KG I gleichzusetzen ist, wurde bereits oben zu 1. dargetan. Der Auffassung des FG, daß es sich um eine einheitliche Rente handle, steht aber die Tatsache entgegen, daß die Pensionszahlungen nach Nrn. 2 und 3 des Vertrages nicht zeitlich unmittelbar aufeinander folgen. Die Zahlungen nach Nr. 2 sollten vom 1. Juli 1958 bis zum 31. Mai 1968 laufen, die Zahlungen nach Nr. 3 aber erst am 1. Juli 1968 beginnen. Für den Monat Juni 1968 war keine Pensionszahlung vereinbart. Aus dem Vorbringen des Erblassers ergibt sich, daß es sich insoweit nicht etwa um ein Versehen gehandelt hat, sondern daß es der Wille der Beteiligten war, die Pensionszahlungen in dieser Weise zu regeln. Ist das aber der Fall, so kann dieser Wille der Vertragspartner nicht durch eine Auslegung des Vertragsinhalts beiseite geschoben werden. Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß die Beteiligten tatsächlich bürgerlich-rechtlich eine Zeitrente vom 1. Juli 1958 bis 31. Mai 1968 und eine Lebensrente ab dem 1. Juli 1968 vereinbaren wollten.

3. Dem FG ist aber trotz der Ausführungen zu 2. im Ergbenis darin zuzustimmen, daß die in Nrn. 2 und 3 des Pensionsvertrages vereinbarten Pensionszahlungen steuerlich als ein einheitlicher Pensionsanspruch zu behandeln sind. Das folgt aus § 6 Abs. 1 und 2 StAnpG. Nach § 6 Abs. 1 StAnpG kann die Steuerpflicht durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts nicht umgangen oder gemindert werden. Im Streitfall würde durch die bürgerlich-rechtliche Gestaltung, nämlich durch die Zusage zweier zeitlich nicht lückenlos aufeinanderfolgende Rentenansprüche, die Steuerpflicht gemindert werden. Denn die Zeitrente wäre nach § 67 Nr. 4 BewG nicht anzusetzen, weil ihre Gesamtlaufzeit nicht zehn Jahre beträgt. Die Vorschrift des § 6 StAnpG kann allerdings nur angewendet werden, wenn die Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts "mißbraucht" worden sind. Aus § 6 Abs. 2 StAnpG ist zu entnehmen, daß unter Mißbrauch in diesem Sinne die Wahl einer bürgerlich-rechtlichen Gestaltung zu verstehen ist, die den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen nicht angemessen ist. Es muß sich also um eine Gestaltung handeln, die vernünftige Beteiligte bei Würdigung aller Umstände des Falles, insbesondere des mit der Regelung erstrebten wirtschaftlichen Zieles, nicht wählen würden. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nach Auffassung des Senats eindeutig erfüllt. Es kann nicht als angemessen bezeichnet werden, daß man einen Vertrag, der dem Lebensunterhalt eines aus einer KG ausscheidenden Gesellschafters und seiner Ehefrau dient, die sich noch dazu verpflichtet haben, sich jeder Konkurrenztätigkeit in der betreffenden Branche zu enthalten, so gestaltet, daß die Rentenzahlungen in einem Monat entfallen. Es gibt keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund für eine solche Regelung. Sie ist unangemessen im Sinne des § 6 Abs. 2 StAnpG. Die Vermögensteuer ist deshalb nach dieser Vorschrift so zu erheben, wie sie bei einer angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wäre. Angemessen wäre nach Auffassung des Senats eine ab dem 1. Juli 1958 durchgehende Rentenzahlung, deren Kapitalwert allerdings wegen der verschiedenen Höhe der Zahlungen in der Zeit bis 30. Juni 1968 und ab 1. Juli 1968 getrennt zu berechnen wäre. Es würde sich dabei ein etwas höherer Kapitalwert ergeben, als ihn das FA errechnet und das FG bestätigt haben. Da eine Verböserung ausgeschlossen ist, war die Revision jedoch lediglich als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413152

BStBl II 1972, 480

BFHE 1972, 155

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