Leitsatz (amtlich)

1. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist Unternehmer nur im Rahmen derjenigen innerhalb ihrer Verwaltung organisatorisch abgegrenzten, nicht der Land- und Forstwirtschaft dienenden wirtschaftlichen Einrichtungen, die sich nach den Einnahmen im Verhältnis zum Gesamthaushalt der Körperschaft herausheben (Betriebe gewerblicher Art). Es entspricht nicht den gesetzlichen Erfordernissen, die wirtschaftliche Bedeutung solcher Einrichtungen unterschiedslos nach einem fest bestimmten Betrag der jährlichen Einnahmen oder Gewinne zu beurteilen.

2. Öffnet eine Gemeinde eine Schulschwimmhalle zu unterrichtsfreien Zeiten dem allgemeinen Badeverkehr und trifft sie hierfür die erforderlichen organisatorischen und personellen Vorkehrungen, so ist nur insoweit ein Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1967 gegeben.

 

Normenkette

UStG 1967 § 2 Abs. 3; KStG 1968 § 1 Abs. 1 Nr. 6; KStDV 1968 § 1 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine niedersächsische Gemeinde. Sie hat auf ihrem Schulgrundstück als Teil einer einheitlichen Bauanlage, zu der noch zwei Schulgebäude, eine Turnhalle und zwei kleinere Nebengebäude gehören, eine Schwimmhalle mit einem Schwimmbecken von 8 x 16 m errichtet. Die am 20. Juni 1969 in Betrieb genommene Schwimmhalle dient dem Schulschwimmen und ist außerdem dem öffentlichen Badebetrieb zugänglich gemacht.

Den Schwimmunterricht halten in der Schwimmhalle sieben Schulen der Klägerin und umliegender Gemeinden wöchentlich montags bis samstags in der Zeit von 8.00 Uhr bis 13.30 Uhr ab. Während der Schulferien bleibt die Halle vormittags geschlossen. Für die Teilnahme am Schwimmunterricht zahlten die Schüler jährlich einen Unkostenbeitrag von 7 DM. Die Nachbargemeinden entrichteten aus ihren Haushaltsmitteln Zuschüsse nach Maßgabe der Schwimmhallennutzung. Der Schwimmunterricht wickelte sich in der Weise ab, daß der Hausmeister der Schule die Schwimmhalle am Morgen öffnete und die jeweiligen unterrichtenden Sportlehrer in der Schwimmhalle die Aufsicht führten. Sie sammelten auch den Unkostenbeitrag der Schüler ein.

An den Nachmittagen der Werktage sowie an weiteren festbestimmten Stunden wurde die Schwimmhalle der Bevölkerung und Sportvereinen gegen Entgelt zugänglich gemacht. Von den Sportvereinen wurden Pauschalen gezahlt. Die Klägerin hat für den öffentlichen Badebetrieb einen Bademeister, eine Kassiererin und eine Reinigungskraft angestellt. Während der Öffnungszeiten für den öffentlichen Badebetrieb sind auch eine Sauna und ein von der Klägerin verpachteter Erfrischungsstand in Betrieb.

In den Jahren 1969 und 1970 erzielte die Klägerin aus dem Betrieb der Schwimmhalle folgende Einnahmen: ...

1969 1970

Schulschwimmen

Unkostenbeiträge

der Schüler 2 849,40 DM 4 430,20 DM

Zuschüsse der

Nachbargemeinden 4 896,30 DM 7 572,70 DM

7 745,70 DM 12 002,90 DM

Öffentlicher Badebetrieb

Einnahmen aus Eintrittskarten 12 197,- DM 21 014,50 DM

Pauschalzahlungen der Vereine 110,- DM 1 060,- DM

12 307,- DM 22 074,50 DM

Im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens für die Jahre 1969 und 1970 nahm das Finanzamt (Beklagter) den Rechtsstandpunkt ein, die Klägerin unterhalte mit der Schwimmhalle einen Betrieb gewerblicher Art i. S. des § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1967 (UStG 1967). Dabei rechnete das Finanzamt zu den von dem Betrieb gewerblicher Art vereinnahmten Entgelten jedoch nicht die Unkostenbeiträge der Schüler, die Zuschüsse der Nachbargemeinden und die Pauschalzahlungen der Sportvereine. Dazu veranlaßte es die Erwägung, die Klägerin entfalte, soweit sie die Schwimmhalle Schulen oder Sportvereinen zur Verfügung stelle, eine hoheitliche Tätigkeit. Insoweit hielt das Finanzamt aber den Steuertatbestand des Eigenverbrauchs für erfüllt. Der Anteil des Eigenverbrauchs wurde vom Finanzamt geschätzt und eine geschätzte Bemessungsgrundlage von 34 000 DM jährlich der Eigenverbrauchsbesteuerung zugrunde gelegt. Es behandelte die Klägerin antragsgemäß als Kleinunternehmerin i. S. des § 19 Abs. 1 UStG 1967 und gewährte bei den Steuerberechnungen den ungekürzten Freibetrag nach § 19 Abs. 2 UStG 1967. Die festgesetzten Steuern beliefen sich für das Jahr 1969 auf 687,85 DM und für das Jahr 1970 auf 2 081,15 DM (Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1972).

Mit der zum Finanzgericht erhobenen Klage hat die Klägerin begehrt, die Umsatzsteuerbescheide 1969 und 1970 sowie die Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1972 ersatzlos aufzuheben. Das Finanzgericht hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben: Die Bereitstellung der Schwimmhalle für den Schulunterricht liege im Bereich des hoheitlichen Handelns als Schulträger. Dagegen sei die Öffnung der Schwimmhalle für den öffentlichen Badebetrieb eine wirtschaftliche Tätigkeit, die sich vom Bereich hoheitlichen Handelns eindeutig abgrenze. Gleichwohl sei ein Betrieb gewerblicher Art nicht gegeben, da sich der öffentliche Badebetrieb innerhalb der Gesamtbetätigung der Gebietskörperschaft wirtschaftlich nicht heraushebe (§ 1 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes - KStDV. 1968 -). Der nachhaltig erzielbare Jahresumsatz von höchstens 20 000 DM überschreite zwar den Betrag von 12 000 DM, den der Bundesminister der Finanzen im Erlaß vom 3. Januar 1968 (BStBl I 1968, 182, USt-Kartei § 2 S 7 106, Karte 1) als maßgeblich angesehen habe; er sei jedoch in seiner absoluten Höhe unbedeutend. Hinzu komme, daß auch im öffentlichen Badebetrieb keine kostendeckenden Preise verlangt werden können. Der öffentliche Badebetrieb würde mit Sicherheit einer Privatperson keine bescheidene Existenz ermöglichen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. Februar 1957 I 327/56 U, BFHE 64, 391, BStBl III 1957, 146).

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen.

Mit der Revision hat das beklagte Finanzamt Verletzung der § 1 Abs. 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 1 und 3 UStG 1967 gerügt.

Nach Ergehen des durch den Antrag des Finanzamts auf mündliche Verhandlung wirkungslos gewordenen Vorbescheids des Bundesfinanzhofs vom 2. Februar 1978 ist der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren beigetreten.

In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat der Beklagte den zunächst gestellten Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, unter Bezugnahme auf die Ausführungen des beigetretenen Bundsministers der Finanzen eingeschränkt und die Rüge aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 fallengelassen. Er hat zuletzt beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und unter teilweiser Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide für 1969 und 1970 vom 15. Februar 1972 sowie der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1972 die Umsatzsteuer für das Jahr 1969 auf 31,95 DM und für das Jahr 1970 auf 438,20 DM festzusetzen sowie die Klage in diesem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für richtig: Ein Betrieb gewerblicher Art sei nicht gegeben, weil das Schwimmbad überwiegend den hoheitlichen Zwecken der Schulen und, soweit es dem allgemeinen Publikum zur Verfügung gestellt werde, der der Gemeinde obliegenden Daseinsvorsorge diene. Zudem seien die Tätigkeiten zur Erfüllung dieser beiden Zwecke - bedingt durch die Verwendung desselben Gebäudes und durch dessen einheitliche Wartung und Pflege - ineinander verzahnt. Es bestehe deshalb keine Möglichkeit, die Einrichtung in zweierlei Betriebe zu scheiden. Schließlich fehle es am erforderlichen wirtschaftlichen Gewicht des Badebetriebs im Verhältnis zur Gesamtbetätigung der Klägerin, da dieser Betrieb einer einzelnen Person keine auch nur bescheidene Existenzgrundlage bieten könne.

Der Bundesminister der Finanzen hat keinen Antrag gestellt. Er ist der Auffassung, die Klägerin sei dem letzten Antrag des Finanzamts entsprechend, mit ihren Umsätzen aus dem allgemein zugänglichen Badebetrieb (einschließlich der Überlassung der Schwimmhalle an die Sportvereine) und nur mit diesen zur Umsatzsteuer heranzuziehen. Er lehnt jedoch sowohl die vom Finanzgericht vertretene als auch insbesondere die im Vorbescheid des Bundesfinanzhofs vom 2. Februar 1978 niedergelegte (nur im Ergebnis mit dem Finanzgericht übereinstimmende) Rechtsauffassung ab, daß die Steuerpflicht der Klägerin aus ihrer Tätigkeit im Rahmen des allgemein zugänglichen Badebetriebs unabhängig von der im Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 3. Januar 1968 (BStBl I 1968, 182) angegebenen Höhe des Jahresgewinns (2 000 DM) oder des Jahresumsatzes (12 000 DM) als ein Betrieb gewerblicher Art zu beurteilen sei: Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 UStG 1967 sei der dort gebrauchte Begriff des Betriebs gewerblicher Art dem Körperschaftsteuerrecht entnommen und habe daher nur den Inhalt, der ihm nach den Normen dieses Rechtsgebietes zukomme. Voraussetzung für die Steuerpflicht einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sei deshalb, daß sich die Körperschaft mit einer zur Erzielung von Einnahmen dienenden Einrichtung nachhaltig wirtschaftlich betätige und die Einrichtung sich innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft "wirtschaftlich heraushebe" (§ 1 Abs. 1 und § 2 KStDV 1968). Dieser gesetzlichen Definition entspreche die Festlegung - wenn nicht einer Gewinngrenze - so jedenfalls einer Umsatzgrenze. Davon sei schon der Reichsfinanzhof ausgegangen, der Bundesfinanzhof sei ihm darin zunächst gefolgt, habe aber in späteren Entscheidungen der Festlegung einer Gewinngrenze den Vorzug gegeben. Eine allgemein gleich hohe Umsatzgrenze für alle Körperschaften des öffentlichen Rechts, bei deren Überschreitung die unbeschränkte Steuerpflicht eintrete (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 5. August 1975, BStBl I 1975, 934), garantiere die Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Auf den Umfang der Gesamtbetätigung der Körperschaft und deren Größe komme es nicht an, weil mit der Einbeziehung der Betriebe in die Besteuerung die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung gewahrt werden solle. Dies sei auch der Grund für die dem Betrag nach relativ niedrige Grenzziehung. Aus diesen Gesichtspunkten müsse die Finanzverwaltung auch in Zukunft berechtigt sein, das Gewicht der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts grundsätzlich nach einer einheitlich fest bestimmten Umsatzgrenze zu bemessen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist im Umfang des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags im Ergebnis begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur anderweiten Festsetzung der Steuer.

1. Gemäß § 2 Abs. 3 UStG 1967 sind Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes 1968 - KStG 1968 -) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Die Klägerin ist eine Gebietskörperschaft und gehört damit zum Kreis der von § 2 Abs. 3 UStG 1967 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG 1968 (in der für die Jahre 1969 und 1970 maßgeblichen Fassung) erfaßten Körperschaften des öffentlichen Rechts (vgl. Urteil vom 13. März 1974 I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391). Die Körperschaften öffentlichen Rechts sind, soweit sie im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art gewerblich oder beruflich tätig werden, Unternehmer i. S. des Umsatzsteuerrechts und Steuerschuldner der Umsatzsteuer (ebenso für das Körperschaftsteuerrecht Urteil vom 13. März 1974 I R 7/71), und zwar mit einem alle ihre Betriebe gewerblicher Art umfassenden Unternehmen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967; deshalb wegen der Besonderheiten des Körperschaftsteuerrechts insoweit abweichend das Urteil vom 13. März 1974 I R 7/71).

2. Die Klägerin ist mit der Errichtung einer Schwimmhalle auf dem Schulgrundstück in Ausübung öffentlicher Gewalt tätig geworden. Sie ist als Gemeinde der Schulträger der Grundschule (vgl. § 2 des Niedersächsischen Schulverwaltungsgesetzes vom 19. Mai 1954 in der ab 1. April 1962 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 28. März 1962 Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1962 S. 37 - Nieders.GVBl 1962, 37 -). Die vom Landesgesetzgeber gesetzlich festgelegten Aufgaben im Bereich des Schulwesens sind insoweit Aufgaben des kommunalen Schulträgers und gehören zu seinem eigenen Wirkungskreis. Daraus folgt auch die Pflicht des Schulträgers, die erforderlichen Schulanlagen zu errichten (§ 11 des Schulverwaltungsgesetzes 1962 sowie §§ 82, 88 des Niedersächsischen Schulgesetzes vom 30. Mai 1974, Nieders.GVBl 1974, 289). Auf die Errichtung dieser Schulanlagen hat in Niedersachsen gemäß § 13 des Schulverwaltungsgesetzes 1962 der Niedersächsische Kultusminister Einfluß genommen. In den Schulbaurichtlinien vom 3. Oktober 1969 (Niedersächsisches Ministerialblatt 1969 S. 1109) ist u. a. die Errichtung von Schwimmstätten vorgesehen. Schwimmhallen sollen so angelegt werden, daß sie für den Schwimmunterricht sowie für die Allgemeinheit und für Turn- und Sportvereine geeignet sind. Ergänzend dazu hatte der Niedersächsische Kultusminister bereits früher Richtlinien für den Schwimmunterricht in der Schule erlassen (vgl. Runderlaß vom 13. November 1963, Niedersächsisches Ministerialblatt 1963 S. 979) und darin den Schwimmunterricht als wesentlichen Teil des Sportunterrichts bezeichnet.

Die Klägerin bewegt sich mit der Errichtung und dem Betreiben der Schwimmhalle zu Unterrichtszwecken im Bereich der gesetzlich zugewiesenen Aufgaben des Schulwesens. Ausübung öffentlicher Gewalt liegt auch vor soweit sie den Nachbargemeinden die Schwimmhalle zur Erfüllung der ihnen obliegenden Erziehungsaufgaben zur Verfügung stellt. Hier ist Amtshilfe durch Schulträger für Schulträger gegeben. Es bleibt der Klägerin aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht unbenommen, für die Inanspruchnahme ihrer Einrichtungen aus Anlaß schulischer Benutzung Gebühren von Schülern und Gemeinden zu erheben (vgl. § 17 des Niedersächsischen Schulgesetzes 1974).

3. Mit der Öffnung der Schulschwimmhalle für den allgemein zugänglichen Badebetrieb (einschließlich der Benutzung durch Sportvereine) hat die Klägerin den Bereich ihres Tätigwerdens als Schulträger verlassen. Dieser öffentliche Badebetrieb ist entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1967.

Zur Abgrenzung dieses Teilbereichs der Gesamtbetätigung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat der Bundesfinanzhof in zwei neueren Entscheidungen (Urteile vom 13. März 1974 I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974 391, und vom 22. September 1976 I R 102/74, BFHE 120, 53, BStBl II 1976, 793) auf das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 22. Oktober 1929 I Aa 644/29 (RStBl 1929, 666) zurückgegriffen. Der Reichsfinanzhof hatte den Betrieb gewerblicher Art definiert als einen Inbegriff fortdauernder wirtschaftlicher Verrichtungen, die unter einem einheitlichen Willen auf ein bestimmtes sachliches Ziel gerichtet sind, dadurch in sich wirtschaftlich zusammenhängen und eine funktionelle Einheit bilden, sich aber innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft des öffentlichen Rechts als etwas Besonderes herausheben. An diese Definition knüpft die Umschreibung des Betriebs gewerblicher Art in § 1 KStDV 1968 an (Urteil vom 13. März 1974 I R 7/71). Es entspricht dem noch heute relevanten Willen des Gesetzgebers, alle diejenigen Betriebe der öffentlichen Hand der Körperschaftsteuer zu unterwerfen, die das äußere Bild eines Gewerbebetriebs bieten (Urteil vom 22. September 1976 I R 102/74). Im Lichte dieser historischen Entwicklung ist die Bestimmung des § 1 KStDV 1968 und ihre Auswirkung im umsatzsteuerrechtlichen Bereich zu sehen.

Die Klägerin hat mit dem öffentlichen Badebetrieb durch Bereitstellung der Schwimmhalle zur allgemeinen entgeltlichen Benutzung eine nachhaltig auf Einnahmeerzielung gerichtete Tätigkeit entfaltet. Sie hat dieses wirtschaftliche Ziel in einer Einrichtung verwirklicht, die neben dem hoheitlichen Bereich der Schule steht und sich von diesem als eine funktionelle Einheit mit wirtschaftlicher Selbständigkeit abhebt. Darauf weisen die getroffenen organisatorischen Vorkehrungen (Öffnungszeiten) und die gesonderte personelle Ausstattung hin (vgl. Urteil vom 20. Januar 1942 I 77/41 RStBl 1942, 405). Daß die Klägerin ihre gewerbliche Tätigkeit mit sächlichen Mitteln verwirklicht, die als Schulbauten unverrückbar zum hoheitlichen Bereich gehören und die daher nur für bestimmte Zeiten dem hoheitlichen Bereich "entliehen" werden können, ist unwesentlich. In dem Urteil vom 13. März 1974 I R 7/71 (Fernsehturm betreffend), dem ein Fall der gleichzeitigen Zuordnung von Anlagen zum hoheitlichen und gewerblichen Bereich (und nicht nur ein zeitliches Nebeneinander wie im vorliegenden Fall) zugrunde lag, hat der Bundesfinanzhof zur Körperschaftsteuer erkannt, daß dieser Umstand für sich genommen weder für noch gegen das Vorliegen eines Betriebes gewerblicher Art ins Feld geführt werden kann. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an (vgl. auch Nr. 3 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen vom 5. August 1975, BStBl I 1975, 934).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist unerheblich, daß die Bereitstellung der Schwimmhalle für den allgemein zugänglichen Badebetrieb der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung dient. Denn dieser Umstand schließt, wie § 2 KStDV 1968 zeigt, die Beurteilung einer selbständigen Einrichtung der öffentlichen Hand als Betrieb gewerblicher Art nicht aus.

4. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Finanzgerichts ist davon auszugehen, daß sich die selbständige Einrichtung innerhalb der Gesamtbetätigung der Klägerin wirtschaftlich herausgehoben und damit die weitere gemäß § 1 Abs. 2 KStDV 1968 erforderliche Voraussetzung für ihre Beurteilung als Betrieb gewerblicher Art erfüllt hat.

Die Erwägung des Finanzgerichts, der durchschnittliche Jahresumsatz von 20 000 DM sei unbedeutend und höhere Umsatzzahlen seien wegen der niedrig gehaltenen Eintrittspreise nicht zu erwarten, kann nicht seine Auffassung rechtfertigen, der Einrichtung fehle deshalb die wirtschaftliche Selbständigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 KStDV 1968. Denn das Kriterium für die wirtschaftliche Bedeutung einer selbständigen Einrichtung kann - was das Finanzgericht verkannt hat - nur für den Einzelfall durch eine vergleichende Betrachtung mit dem Umfang der Gesamtverwaltung der Körperschaft gewonnen werden.

Statt dessen hat das Finanzgericht eine verengende Bewertung allein nach der absoluten Höhe der Umsätze und deren mangelnder Rentabilität gesetzt. Ein derartiger Maßstab kann aber weder das Gewicht der Einrichtung im Verhältnis zur Gesamttätigkeit der Körperschaft kennzeichnen noch die Gleichmäßigkeit der Besteuerung noch den Ausschluß von Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu privaten Unternehmen gewährleisten. So kann eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit einer kleinen Gemeinde den Wettbewerb empfindlich stören, während die gleiche Tätigkeit im selben Umfang im Gebiet einer Großstadt für die privatwirtschaftliche Konkurrenz bedeutungslos ist. Der Maßstab einer festen Umsatzgrenze vernachlässigt auch den für die Wettbewerbslage wesentlichen Umstand, daß die Preisgestaltung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sozialen Rücksichten unterliegen und deshalb regelmäßig von einer Zurückhaltung geprägt ist, die einem privaten Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar wäre. Aus niedrigen Jahresumsätzen der wirtschaftlichen Einrichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts kann deshalb kein zuverlässiger Schluß auf das Ausmaß der Marktbeeinflussung gezogen werden.

Wäre die Beurteilung einer wirtschaftlichen Einrichtung als Betrieb gewerblicher Art von einer festen Umsatzgrenze abhängig, ergäben sich bei der Steuerberechnung und insbesondere bei der Preiskalkulation erhebliche praktische Schwierigkeiten, wenn die Körperschaft eine Mehrzahl solcher Einrichtungen betreibt, deren jeweiliger Jahresumsatz nur wenig über oder unter dieser Umsatzgrenze liegt. Da nämlich einerseits die Körperschaft einheitlich mit allen ihren Betrieben gewerblicher Art zur Umsatzsteuer heranzuziehen ist, andererseits aber nur mit diesen und ihren land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben (§ 2 Abs. 3 UStG 1967), ließe sich im angenommenen Fall nicht vorausberechnen, ob ihre wirtschaftlichen Einrichtungen und gegebenenfalls welche im laufenden Veranlagungszeitraum Betriebe gewerblicher Art sind, und wie weit das Unternehmen reicht, mit dessen Umsätzen sie der Umsatzsteuer unterliegt. Die Körperschaft kann demzufolge (im Beispielsfall mehrerer wirtschaftlicher Einrichtungen die jeweils an der Umsatzgrenze liegen) nicht vorhersagen, für welche wirtschaftlichen Leistungen sie mit Umsatzsteuer belastet wird und ob sie ihre Umsätze nach § 12 oder nach § 19 Abs. 1 bis 3 UStG 1967 zu versteuern hat, ob sie vom Vorsteuerabzug Gebrauch machen kann und ob sie Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis ausstellen darf. Dagegen führt eine Einschätzung der wirtschaftlichen Einrichtungen nach ihrer Bedeutung im Verhältnis zur Gesamtbetätigung der Körperschaft des öffentlichen Rechts auf lange Sicht zu konstanten Verhältnissen.

5. Unabhängig von diesen Erwägungen verletzt die Beurteilung einer wirtschaftlichen Einrichtung als Betrieb gewerblicher Art, die unterschiedslos von einer fest bestimmten Umsatz- oder Gewinnhöhe ausgeht, § 1 KStDV 1968 aus folgenden Gründen:

Nach der zu § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG 1968 ergangenen Durchführungsbestimmung hat die Körperschaftsteuerpflicht und - mit Rücksicht auf die Verweisung in § 2 Abs. 3 UStG 1967 auf die bezeichnete Vorschrift - die Steuerbarkeit der Umsätze einer solchen Einrichtung u. a. zur Voraussetzung, daß die Einrichtung sich innerhalb der Körperschaft "wirtschaftlich heraushebt" (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KStDV 1968). Bei diesem Merkmal handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, für dessen Ausfüllung nach Satz 2 dieser Vorschrift Kriterien maßgebend sind, die auf eine selbständige Einheit innerhalb der Gesamtverwaltung hindeuten (besondere Leitung, geschlossener Geschäftskreis u. ä.). Das erforderliche wirtschaftliche Gewicht der Einrichtung wird jedoch - entsprechend allgemeiner Auffassung - nicht allein durch diese Faktoren bestimmt. Vielmehr muß, da die Einrichtung nach § 1 Abs. 1 KStDV 1968 der nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen zu "dienen" bestimmt ist, auch der Umfang ihrer Einnahmen im Verhältnis zum Gesamthaushalt der Körperschaft zur Beurteilung ihres wirtschaftlichen Gewichts herangezogen werden.

Mit einem unbestimmten Rechtsbegriff erfaßt der Gesetz- oder Verordnungsgeber regelmäßig Lebenssachverhalte, die einander im Rahmen des Begriffsinhalts ähnlich, deren mögliche Grundlagen aber vielfältig, im Einzelfall verschieden und insgesamt nicht überschaubar sind. Bei solchen Sachverhalten kann der Grundsatz der gleichen steuerlichen Belastung und damit der Steuergerechtigkeit eher verwirklicht werden, "wenn Verwaltung und Finanzgerichte den Besonderheiten des Einzelfalles durch Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs gerecht werden können, als wenn sie gezwungen werden, jeden Fall in eine starre enumerativ kasuistische Form zu pressen" (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 1961, BVerfGE 13, 153, 162). Zur Ausfüllung eines solchen Merkmals ist deshalb stets eine qualitative und quantitative Wertung der Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage "durchschnittlicher sozialer, wirtschaftlicher und technischer Anschauungen" (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 1955, BVerwGE 2, 313, 314) vorzunehmen und zu prüfen, ob das gewonnene Gesamtbild in den durch das Tatbestandsmerkmal abgesteckten Rahmen paßt.

Diese rechtlichen Anforderungen eines normativ umschriebenen Tatbestandes werden verletzt, wenn an Stelle wertender Beurteilung nach der Gesamtheit der Merkmale eine Beurteilung ausschließlich nach fest bestimmten Umsatz- oder Gewinnzahlen tritt und sich an Verwaltungsanweisungen ausrichtet, nach denen die wirtschaftliche Selbständigkeit grundsätzlich anzunehmen ist in den Besteuerungszeiträumen 1968 bis 1975 bei einem durchschnittlichen Jahresumsatz von über 12 000 DM und ab 1. Januar 1976 bei einem solchen von mehr als 60 000 DM (vgl. Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 3. Januar 1968 BStBl I 1968, 182, sowie Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 5. August 1975, BStBl I 1975, 934, und vom 13. April 1976, BStBl I 1976, 292, USt-Kartei § 2 S 7106, Karte 11). Denn diese absoluten Beträge lassen sich aus dem Gesetz nicht ableiten.

6. Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin als Kleinunternehmer mit ihren Einnahmen aus dem öffentlichen Badebetrieb, die jährlich durchschnittlich 20 000 DM betragen haben, zur Umsatzsteuer heranzuziehen.

7. Die Klägerin ist - wie das Finanzgericht zutreffend erkannt hat - nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 umsatzsteuerpflichtig. Nicht der hoheitliche, sondern der gewerbliche Bereich verwirklicht seine Tätigkeit mit sächlichen Mitteln des anderen. Der hoheitliche Bereich überläßt, wie bereits oben ausgeführt die Schwimmhalle nur für bestimmte Zeiten an den gewerblichen Bereich. Nach deren Ablauf ist die Halle der Substanz und der Nutzung nach nur ein Schulschwimmbad. Sie verbleibt wenn in ihr Schwimmunterricht erteilt wird, nicht im unternehmerischen Bereich und kann somit nicht für Zwecke außerhalb dieses Bereichs überlassen werden.

8. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1969 und 1970 vom 15. Februar 1972 und der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1972 sowie unter Abweisung der Klage im übrigen wird die Umsatzsteuer für die Besteuerungszeiträume 1969 und 1970 wie folgt festgesetzt:

1969 1970

Gesamtbetrag

der Entgelte 12 307,- DM 22 074,- DM

darauf entfallende

Umsatzsteuer 492,- DM 882,- DM

12 799,- DM 22 956,- DM

./. Freibetrag nach § 19

Abs. 2 UStG 1967 (für 1969

beträgt der umgerechnete

Jahresgesamtumsatz 21 941 DM) 12 000,- DM 12 000,- DM

steuerpflichtig 799,- DM 10 956,- DM

4 v. H. Umsatzsteuer 31,96 DM 438,24 DM

Umsatzsteuerschuld (abgerundet) 31,95 DM 438,20 DM

 

Fundstellen

Haufe-Index 73262

BStBl II 1979, 746

BFHE 1979, 83

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge