Leitsatz (amtlich)

Es verstößt nicht gegen das verfassungsmäßige Rückwirkungsverbot, daß die Sechste Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetz vom 8. Juli 1970 (BGBl I, 1042) Fruchtsäfte in die Anteilsbesteuerung für Zucker einbezogen hat, ohne eine Übergangsregelung für Altkontrakte vorzusehen.

 

Normenkette

ZuckStG § 2; ZuckStDB § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. h i.d.F. der 6. ÄndVO

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat in den Jahren 1969 und 1970 größere Mengen Himbeer-, Kirsch- und Erdbeersirup von verschiedenen Handelsfirmen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gekauft und in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) verbracht.

Bei der Einfuhr der Ware erhob das ZA Zuckersteuer gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. h der Durchführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetz (ZuckStDB) i.d.F. der Sechsten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetz vom 8 Juli 1970 – 6. Änderungsverordnung – (BGBl I, 1042, BZBl 1970, 868), durch die die Einfuhr von zuckerhaltigen Fruchtsäften der eingeführten Art erstmals der Zuckersteuer unterworfen wurde.

Gegen die Erhebung der Zuckersteuer für die beiden Einfuhren wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch und mit der Klage an das Finanzgericht (FG). Sie machte geltend, die 6. Änderungsverordnung dürfe nicht auf Einfuhren in das Erhebungsgebiet angewandt werden wenn diese – wie hier – auf Verträgen beruhten, die vor dem 8. bzw. vor dem 15. Juli 1970 abgeschlossen worden seien. Die Anwendung der 6. Änderungsverordnung auf sog. Altkontrakte entwerte nachträglich die Rechtsposition, die sie, die Klägerin, bei Vertragsabschluß erlangt habe und auf deren Fortbestand sie habe vertrauen dürfen. Das sei ein Verstoß gegen das vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entwickelte Verbot der unechten Rückwirkung belastender Steuergesetze. Bei Abschluß des Kaufvertrages habe sie, die Klägerin, die Erhebung von Zuckersteuer, die den Kauf zu einem Verlustgeschäft mache, nicht einkalkuliert – und auch nicht einkalkulieren können; denn von der Ermächtigung nach § 2 des Zuckersteuergesetzes (ZuckStG), auf alle eingeführten Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren Zuckersteuer zu erheben, habe der Bundesminister der Finanzen (BdF) bis zur 6. Änderungsverordnung in ständiger Praxis nur für fünf im wesentlichen gleichbleibende Warengruppen Gebrauch gemacht. Auf Grund der 11 Jahre lang geübten Praxis habe sie, die Klägerin, darauf vertrauen dürfen, daß der Warenkatalog nicht kurzfristig auf neue W Warengruppen ausgedehnt werde.

Die gegen die Erhebung der Zuckersteuer gerichtete Klage wies das FG ab.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. h ZuckStDB i. d. F. der 6. Änderungsverordnung. Den Durchführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetz liegt ebenso wie der 6. Änderungsverordnung die Bestimmung des § 2 ZuckStG zugrunde, die den BdF ermächtigt, zu bestimmen, daß bei der Einfuhr von Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren in das Erhebungsgebiet außer dem Eingangszoll die Zuckersteuer von dem in den Waren enthaltenen Zucker zu erheben ist. Wenn auch diese Ermächtigungsnorm ihrem Wortlaut nach dem Verordnungsgeber einen breiten Spielraum einräumt, da eine nähere Konkretisierung, unter welchen besonderen Voraussetzungen Zuckerwaren oder zuckerhaltige Waren bei der Einfuhr der Zuckersteuer unterworfen werden können, fehlt, ist der Senat doch zu dem Ergebnis gekommen, daß sich die Bestimmung im Rahmen der in Art. 80 GG aus rechtsstaatlichen Gründen aufgestellten Schranken gesetzlicher Ermächtigungen hält.

Die Ermächtigung des § 2 ZuckStG stellt eine Ergänzung dar zu dem in § 1 des Gesetzes ausgesprochenen Grundsatz, daß Zucker, der in dem Erhebungsgebiet hergestellt oder in das Erhebungsgebiet eingeführt wird, der Zuckersteuer unterliegt, wobei die Zuckersteuer als Verbrauchsteuer gekennzeichnet ist. Aus dem Wesen der Zuckersteuer als Verbrauchsteuer ergibt sich, daß die durch § 1 ZuckStG geregelten Besteuerungstatbestände nur Erhebungsmodalitäten festlegen, daß aber der Besteuerungsgegenstand der Verbrauch des Zuckers im Inland ist. Dieser ist durch § 1 ZuckStG der Steuer unterworfen. Dabei ergibt sich jedoch eine Lücke hinsichtlich der Erhebung der Steuer für Zucker, der in verarbeiteter Form, d. h. in Form von Zuckerwaren oder zuckerhaltigen Waren, eingeführt wird. § 1 ZuckerStG läßt keinen Zweifel, daß auch dieser Zucker in die Verbrauchsbesteuerung einbezogen sein soll. Das ergibt sich auch aus § 8 ZuckStG, wo die näheren Bestimmungen für die Erhebung der Steuer bei der Einfuhr von Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren bereits geregelt sind. Allerdings begegnet die Erhebung der Steuer bei der Einfuhr von Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren besonderen Schwierigkeiten, da der in den Waren enthaltene Zuckeranteil nicht ohne weiteres feststellbar ist. Eine lückenlose Erhebung der Zuckersteuer bei der Einfuhr von Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren würde deshalb mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden sein, der durch das Ergebnis der Besteuerung bei Waren mit einem geringen Zuckeranteil oder bei Waren, deren Einfuhr gesamtwirtschaftlich unbeachtlich ist, nicht gerechtfertigt wäre.

In diesem Sinne ist die in § 2 ZuckStG getroffene Regelung zu verstehen, die den BdF ermächtigt, die Erhebung der Steuer bei der Einfuhr von Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren im Verordnungswege zu regeln. Der Verordnungsgeber sollte durch diese flexible Regelung in die Lage versetzt werden, von der Erhebung der Steuer in den Fällen abzusehen, in denen wegen der Geringfügigkeit der steuerlichen Auswirkungen kein Bedürfnis für die Besteuerung gegeben war. Andererseits enthält die Ermächtigung, wie sich aus dem Zusammenhang mit § 1 des Gesetzes ergibt, den Auftrag an den Verordnungsgeber, die Besteuerung anzuordnen, wenn die steuerlichen Auswirkungen, sei es wegen des Umfanges der Einfuhren, sei es wegen des Zuckergehaltes der Waren, erheblich werden und sich aus diesem Grunde ein wirtschaftliches Bedürfnis für die Besteuerung ergibt. Der gesetzliche Rahmen, in den die Ermächtigungsnorm des § 2 ZuckStG gestellt ist, läßt demnach das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, deutlich werden. Dem Verordnungsgeber ist durch die Ermächtigung ein Programm gesetzt, aus dem sich ergibt, was durch die Ermächtigung erreicht werden soll. Es ist voraussehbar, welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Damit ist dem rechtsstaatlichen Erfordernis der Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen genügt (vgl. Entscheidungen des BVerfG vom 15. Dezember 1959 2 BvL 73/58, BVerfGE 10, 251 [258]; vom 27. November 1962 2 BvL 13/61, BVerfGE 15, 153 [16]; vom 2. Juni 1964 2 BvL 23/62, BVerfGE 18, 52 [63]). Der Erhebung der Zuckersteuer bei der Einfuhr von Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren stehen somit aus Art. 80 GG hergeleitete Bedenken nicht entgegen. Auch die Klägerin hat ihre in dieser Hinsicht zunächst geäußerten Vorbehalte in der mündlichen Verhandlung fallen lassen.

Der Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. h ZuckStDB i. d. F. der 6. Änderungsverordnung, durch die die Einfuhr gezuckerter Fruchtsäfte der Zuckersteuer unterworfen wurde, steht auch das verfassungsmäßige Rückwirkungsverbot nicht entgegen.

Das BVerfG hat in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, daß belastende Gesetze, die in schon abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen und dadurch echte Rückwirkung entfalten, wegen Verstoßes gegen das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes regelmäßig verfassungswidrig sind (vgl. Entscheidung des BVerfG vom 23. März 1971 2 BvL 17/69, BStBl II 1971, 439 mit Hinweisen). Eine solche Rückwirkung ist im Streitfall nicht gegeben. Die 6. Änderungsverordnung ist im BGBl vom 15. Juli 1970 verkündet worden und erst am 1. August 1970, also nach ihrer Verkündung, in Kraft getreten. Sie erfaßt nur Einfuhren, die nach diesem Zeitpunkt durchgeführt werden, gilt also nur für zukünftige Steuertatbestände.

Eine echte Rückwirkung wird auch von der Klägerin selbst nicht angenommen. Sie ist vielmehr der Auffassung, daß die 6. Änderungsverordnung dadurch, daß sie eine Übergangsregelung für Altkontrakte nicht enthalten habe, eine unzulässige unechte Rückwirkung entfalte durch die ihr Vertrauen in den Fortbestand der langjährigen Steuerfreiheit für die Einfuhr gezuckerter Obstsäfte verletzt worden sei.

Eine Norm entfaltet nach der Rechtsprechung des BVerfG eine unechte Rückwirkung, wenn sie zwar nicht auf vergangene, aber auch nicht nur auf zukünftige, sondern auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich im ganzen entwertet. Das BVerfG mißt die Zulässigkeit einer solchen unechten Rückwirkung nicht nach den gleichen Grundsätzen, die für die echte Rückwirkung belastender Gesetze gelten (Beschluß 2 BvL 17/69). Es ist vielmehr in Fällen unechter Rückwirkung eine Abwägung zu treffen zwischen dem Vertrauen des einzelnen auf den Fortbestand der bisherigen Regelung und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit. Nur wenn diese Abwägung ergibt, daß das Vertrauen des Staatsbürgers auf den Fortbestand der bisherigen Lage den Vorrang verdient, ist die Rückwirkung unzulässig (Beschluß des BVerfG vom 9. März 1971 2 BvL 326/69 usw., BStBl II 1971, 433).

Die durch die 6. Änderungsverordnung herbeigeführte Entwertung der Altverträge stellt keinen unzulässigen Eingriff in die durch die Importverträge begründeten Rechtspositionen der Importeure dar, da nach der gegebenen rechtlichen Situation die betreffenden Importeure schon bei Abschluß der Verträge auf den Fortbestand der bisherigen Regelung nicht vertrauen durften. Ein Vertrauen in den Fortbestand der durch die Durchführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetz in der bis zum 1. August 1970 geltenden Fassung geschaffenen Rechtslage, wonach die Einfuhr gezuckerter Fruchtsäfte nur dann der Besteuerung unterlag, wenn es sich um einfache Mischungen von Fruchtsäften mit Zucker handelte, war schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil durch das Zuckersteuergesetz der Verbrauch von Zucker in dem Erhebungsgebiet allgemein der Zuckersteuer unterworfen worden war, und weil aus § 2 ZuckStG ersichtlich war, daß auch die Einfuhr von Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren durch Rechtsverordnung jederzeit in die Steuererhebung einbezogen werden konnte.

Zu Unrecht meint die Klägerin demgegenüber, daß sie mit der Einbeziehung der Fruchtsäfte in die Anteilsbesteuerung für Zucker nicht habe rechnen können, da es sich um die Einführung einer neuen Verbrauchsteuer bzw. um die Erstreckung der Steuer auf eine bisher nicht steuerpflichtige Ware gehandelt habe. Durch die Einbeziehung einer Ware in die gemäß § 2 ZuckStG aufgestellte Liste der Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren, für die bei der Einfuhr die Zuckersteuer erhoben wird, wird nicht eine bis dahin verbrauchsteuerfreie Ware der Verbrauchsteuer unterworfen. Die Ermächtigung des § 2 ZuckStG ist vielmehr zu sehen im Zusammenhang mit der in § 1 ZuckStG getroffenen Regelung, wonach der Verbrauch von Zucker im Inland der Besteuerung unterworfen werden sollte. Zur Durchführung dieser Besteuerung war es erforderlich, auch die Einfuhr von Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren der Besteuerung zu unterwerfen und die Zuckersteuer auf den in diesen Waren enthaltenen Zucker zu erheben, wie es in § 2 und § 8 des Gesetzes vorgesehen ist Die Erhebung der Zuckersteuer bei der Einfuhr von Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren entspricht somit der Systematik des Gesetzes Sie ist bereits in der Systematik des Gesetzes selbst begründet Durch die auf § 2 ZuckStG gegründete Einbeziehung einer zuckerhaltigen Ware in die Anteilsbesteuerung für Zucker wird deshalb der Kreis der verbrauchsteuerpflichtigen Waren nicht ausgedehnt oder eine bis dahin nicht steuerpflichtige Ware der Verbrauchsteuer unterworfen. Die Einbeziehung zuckerhaltiger Waren in die Anteilsbesteuerung für Zucker stellt vielmehr nur eine Konkretisierung der in dem Zuckersteuergesetz bereits festgelegten Steuerpflicht dar, mit der ein Importeur angesichts der in § 2 ZuckStG enthaltenen Ermächtigung jederzeit rechnen mußte.

Dem steht nicht entgegen, daß der Verordnungsgeber die Liste der Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren, die bei ihrer Einfuhr der Anteilsbesteuerung für Zucker unterliegen, jahrelang nicht wesentlich geändert hat und daß insbesondere zuckerhaltige Fruchtsäfte seit dem Jahre 1959 ohne Erhebung von Zuckersteuer in die Bundesrepublik eingeführt werden konnten. Auch wenn der Verordnungsgeber die ihm in § 2 ZuckStG erteilte Ermächtigung, Zuckerwaren und zuckerhaltige Waren bei ihrer Einfuhr der Anteilsbesteuerung für Zucker zu unterwerfen, bis dahin nicht auf die Einfuhr zuckerhaltiger Fruchtsäfte ausgedehnt hatte, so rechtfertigt das kein Vertrauen der Importeure in den Fortbestand dieser Handhabung, da eine Einbeziehung weiterer Zuckerwaren oder zuckerhaltiger Waren in die Anteilsbesteuerung für Zucker sich auch nachträglich wegen einer Änderung der technischen oder wirtschaftlichen Gegebenheiten als notwendig erweisen konnte. Gerade die Notwendigkeit, eine kurzfristige Anpassung der Regelung an die veränderten wirtschaftlichen oder technischen Gegebenheiten zu ermöglichen, rechtfertigt es, die Bestimmung der der Anteilsbesteuerung unterliegenden Zuckerwaren und zuckerhaltigen Waren dem Verordnungsgeber zu übertragen. Dabei kann ein wirtschaftliches Bedürfnis für die Einbeziehung einer Ware in die Anteilsbesteuerung für Zucker insbesondere dann gegeben sein wenn der zunehmende Umfang der Einfuhren dieser Ware einen Schutz der inländischen Wirtschaft vor Wettbewerbsnachteilen erforderlich macht. In einem solchen Fall ist ein Vertrauen der Importeure in den Fortbestand der bisherigen Regelung nicht gerechtfertigt. Der Normzweck des § 2 ZuckStG schließt einen Vertrauensschutz der Importeure in einem solchen Fall geradezu aus. Schon allgemein hat das BVerfG in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, daß ein Vertrauen in den Fortbestand steuerrechtlicher Regelungen und insbesondere steuerlicher Begünstigungen von der Verfassung nicht geschützt wird (vgl. Entscheidungen vom 10. Mai 1962 1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76 [104]; vom 28. Januar 1970 1 BvL 4/67 BVerfGE 27, 375 [383], und vom 24. Februar 1970 2 BvL 12/69 usw. BVerfGE 28, 66 [881]. Im vorliegenden Fall ist darüber hinaus durch die in § 2 ZuckStG enthaltene Ermächtigung noch besonders darauf hingewiesen worden, daß die Einfuhr zuckerhaltiger Waren durch eine Entscheidung des Verordnungsgebers jederzeit der Besteuerung unterworfen werden könne. Der Verordnungsgeber war deshalb nicht gehalten, bei der Einbeziehung der zuckerhaltigen Fruchtsäfte in die Anteilsbesteuerung eine Übergangsregelung zugunsten bereits bestehender Verträge vorzusehen. Das gilt um so mehr, als er seine Pläne zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetz schon im Februar 1970 den in Frage kommenden Interessenverbänden zugänglich gemacht hatte. Spätestens von diesem Zeitpunkt an waren demnach für die beteiligten Importkreise konkrete Anhaltspunkte gegeben, die gegen einen Fortbestand der bisherigen Regelung sprachen. Daß die Klägerin von diesen Plänen keine Kenntnis erhalten hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da im Rahmen der Prüfung der Gültigkeit einer von dem Verordnungsgeber getroffenen Regelung die persönlichen Verhältnisse und Kenntnisse der Klägerin nicht von Bedeutung sind. Entscheidend ist vielmehr, ob bei der gegebenen rechtlichen Situation für die von der Neuregelung betroffenen Kreise allgemein ein Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Regelung gerechtfertigt war. Das war aber, wie dargelegt, nicht der Fall.

War demnach schon bei Abschluß der Importverträge ein Vertrauen in den Fortbestand der geltenden Abgabenregelung nicht begründet, so oblag es der Klägerin, wie jedem Importeur, selbst das Risiko einer möglicherweise im Laufe der Vertragsdauer eintretenden Änderung der Eingangsabgabenbelastung abzufangen. Hierzu bot sich die Vereinbarung von Steuerüberwälzungsklauseln in den Verträgen mit der Abnehmerfirma an, die auch in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vorgesehen waren. Konnte die Klägerin diese Geschäftsbedingungen nicht durchsetzen, so war es eine Frage der kaufmännischen Kalkulation, die Verkaufspreise so festzusetzen, daß das Risiko einer zusätzlichen Zuckersteuerbelastung ausgeglichen wurde. Dagegen bestand keine Veranlassung, dieses mit der Vereinbarung langfristiger Lieferverträge im Importgeschäft verbundene Risiko der Allgemeinheit anzulasten. Der Importeur kann deshalb bei Abschluß langfristiger Lieferverträge keinen Vertrauensschutz gegenüber Änderungen der geltenden eingangsabgabenrechtlichen Bestimmungen geltend machen.

Es kann auch der Auffassung der Klägerin nicht zugestimmt werden, daß im Streitfalle ein Interesse des Gemeinwohls an einer kurzfristigen Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetz nicht bestanden habe. Die Einbeziehung der zuckerhaltigen Fruchtsäfte in die Anteilsbesteuerung für Zucker diente dem Ziel, Wettbewerbsbenachteiligungen der einheimischen Hersteller entgegenzuwirken und den Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung zu verwirklichen. Dieses sind wichtige, im allgemeinen Interesse liegende Anliegen, die einen unnötigen Aufschub grundsätzlich nicht zulassen.

Demgegenüber kann die Klägerin nicht geltend machen, der Grund, die Wettbewerbsnachteile der heimischen Hersteller zu beseitigen, könne keine Rolle spielen, da die Klägerin die Steuer wegen der vorher zustande gekommenen vertraglichen Bindungen nicht habe abwälzen können, denn dieser Einwand berührt nur die persönliche Situation der Klägerin und ist deshalb für die Prüfung der Frage, ob der Verordnungsgeber eine Übergangsregelung für Altverträge habe vorsehen müssen, unerheblich. Auch aus dem Wesen der Zuckersteuer als Verbrauchsteuer kann keine Verpflichtung des Verordnungsgebers hergeleitet werden, im Wege einer Übergangsregelung in den Fällen von der Erhebung der Steuer abzusehen, in denen eine Überwälzung der Steuer auf die Abnehmer nicht mehr möglich ist. Das Wesen einer Verbrauchsteuer verlangt nur die allgemeine Möglichkeit einer Überwälzung auf den Verbraucher (vgl. die zitierte Entscheidung des BVerfG 1 BvL 4/67). Es ist aber nicht erforderlich, daß die Überwälzung der Steuer auf den Verbraucher auch im Einzelfalle Erfolg hat. Das muß auch dann gelten, wenn die bei der Einfuhr erhobenen Verbrauchsteuersätze geändert werden und dem Importeur die Überwälzung der Steuer im Einzelfalle nicht gelingt, weil er es unterlassen hat, eine Steuerüberwälzungsklausel vorzusehen. Der Umstand, daß die Klägerin die bei der Einfuhr der Fruchtsäfte erhobene Zuckersteuer nicht auf ihren Abnehmer abwälzen konnte, rechtfertigt deshalb ebenfalls nicht eine Sonderregelung zugunsten bestehender Altkontrakte. Die nach der Rechtsprechung des BVerfG gebotene Abwägung des schutzwürdigen Vertrauens der Importeure auf den Fortbestand der bisherigen Regelung mit dem Interesse der Gemeinschaft an dem Inkrafttreten der Neuregelung führt also dazu, daß dem Gemeininteresse der Vorrang einzuräumen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510539

BFHE 1976, 119

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