Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die durch § 4 in Verbindung mit § 3 Ziff. 3 Buchst. a des Einkommen- und Körperschaftsteueränderungsgesetzes 1951 mit Wirkung vom 1. Januar 1951 vorgenommene Erhöhung der Körperschaftsteuer von 50 auf 60 % verstößt nicht gegen Art. 2 des Grundgesetzes.

Zur Frage der Rückwirkung von Steuergesetzen. GG Art. 2, Art. 97 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1; ESt und

 

Normenkette

GG Art. 2, 97/1, Art. 100/1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat beantragt, nach der vorläufigen Körperschaftsteuererklärung 1951 vom 28. Januar 1952 veranlagt zu werden, da sie die Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes von 50 auf 60 v. H. des Einkommens, die in § 3 Ziff. 3 Buchst. a des Gesetzes zur änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt. und KörpSt.ändG 1951) vom 27. Juni 1951 angeordnet und nach § 4 a. a. O. erstmals bei der Durchführung der Veranlagung für den Veranlagungszeitraum 1951 anzuwenden ist, wegen der Rückwirkung anfechten wolle. Das Gesetz tritt nach § 6 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft; es ist im Bundesgesetzblatt I Nr. 31 vom 30. Juni 1951 S. 411 bekanntgemacht worden. In Kraft getreten ist es somit am 1. Juli 1951. Die Körperschaftsteuererhöhung nach § 3 Ziff. 3 Buchst. a wirkt jedoch auch auf die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1951.

Das Finanzamt hat die Bfin. mit Bescheid vom 12. Februar 1952 vorläufig zur Körperschaftsteuer 1951 entsprechend dem Gesetz zur änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes 1951 veranlagt. Die Bfin. hat unter dem 29. Februar 1952 eine Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht, da durch die rückwirkende Erhöhung der Körperschaftsteuer auf die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1951 das Grundrecht des Art. 2 des Grundgesetzes verletzt sei (ß 90 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951, Bundesgesetzblatt I S. 243 ff.). Sie hat beantragt, die Unwirksamkeit des § 4 ESt. und KörpSt.ändG 1951 insoweit festzustellen, als darin die Tariferhöhung nach § 3 Ziff. 3 Buchst. a rückwirkend ab 1. Januar 1951 angeordnet werde. Die Bfin. hat weiter beantragt, daß das Bundesverfassungsgericht schon vor der Erschöpfung des Rechtsweges entscheide, da die Verfassungsbeschwerde von allgemeiner Bedeutung sei.

Das Bundesverfassungsgericht hat der Bfin. mitgeteilt, daß es zunächst nicht über die Verfassungsbeschwerde entscheiden könne, und ihr empfohlen, den Rechtsweg zu erschöpfen, um zugleich auch dem Bundesfinanzhof Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Das Finanzgericht wies in einer Begründung, die sich eingehend mit dem Problem der Rückwirkung befaßt, die Berufung als unbegründet zurück. Auszugsweise wird die Begründung in der Rechts- und Wirtschaftspraxis 14 Steuer-R D Rückwirkung II B 3 Einzelfragen sowie in der "Wirtschaftsprüfung" 1952 S. 544 wiedergegeben. Zur Verkürzung der Darstellung wird auf diese Veröffentlichungen verwiesen. Im Ergebnis kam das Finanzgericht zu der Auffassung, daß eine sogenannte Zeitabschnittsregelung vorliege, die keine eigentliche Rückwirkung darstelle.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde (Rb.) ergibt folgendes:

Die Frage, ob der Gesetzgeber in der Lage ist, rechtswirksam gesetzliche Vorschriften mit rückwirkender Kraft auszustatten, war in den letzten Jahren Gegenstand lebhafter Erörterungen in der Literatur. Es sei hierzu im einzelnen auf die Zusammenstellungen S. 6 der Abhandlung von Klein über die Zulässigkeit und Schranken der Rückwirkung von Steuergesetzen (Institut "Finanz und Steuern") und den Aufsatz von Groß, Der Betriebs-Berater 1953 S. 93 verwiesen. Neuerdings weitere Aufsätze siehe Steuer und Wirtschaft 1953 Spalte 114, 305, 311; Der Betriebs-Berater 1953 S. 421; Rechts- und Wirtschaftspraxis 14 Steuer-R D Rückwirkung I. Auch die Rechtsprechung hat sich mit dem Problem in einer Reihe von Urteilen befaßt. Siehe die von Groß, Der Betriebs-Berater 1953 S. 93 gegebene übersicht. Der Bundesfinanzhof hat in der Entscheidung V 84/51 S vom 4. Dezember 1952 / 30. April 1953, Bundessteuerblatt III S. 183, die auch die Rechtsprechung des Obersten Finanzgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs wiedergibt, die Frage erneut behandelt. Eine geschichtliche Darstellung des Rechtsproblems enthalten der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 28. Februar 1952 II 453/51, Juristen-Zeitung 1952 S. 416 und die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 9. Januar 1952 IV OVG A 463/51, Neue Juristische Wochenschrift 1952 S. 1230.

Nach Art. 97 des Grundgesetzes sind die Richter dem Gesetz unterworfen und damit auch einer gesetzlichen Vorschrift, die die Rückwirkung ausspricht. Die Gerichte sind jedoch nach Art. 100 des Grundgesetzes verpflichtet dort, wo sie ein Gesetz für verfassungswidrig halten, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, die Entscheidung des zuständigen Verfassungsgerichts einzuholen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Urteil vom 30. April 1952 - 1 BvR 14,25 167/52, Neue Juristische Wochenschrift 1952 S. 865 folgende Grundsätze ausgesprochen: "Es ist richtig, daß es für die - an sich zulässige - Rückwirkung von Gesetzen Grenzen gibt. Sie könnten etwa dort gesehen werden, wo ein Gesetz rückwirkende Eingriffe in Rechte oder Rechtslagen des Staatsbürgers vornimmt, mit denen dieser in dem Zeitpunkt, von dem ab sie nun gelten sollen, nicht rechnen konnte und die er also bei einer verständigen Vorausschau im privaten und beruflichen Bereich nicht zu berücksichtigen brauchte." Der Bayer. Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 31. Juli 1952, Vf 112, 156, 190 - VII - 50 (Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland, Becksche Verlagsbuchhandlung 5. Band Nr. 50) ausgesprochen, es sei begrifflich unmöglich, die geschichtliche Tatsache der Aufhebung einer Norm kraft einer Fiktion zurückzuverlegen. Eine solche Rückwirkung würde auch dem rechtsstaatlichen Prinzip widersprechen. Der Verfassungsgerichtshof habe bereits in früheren Entscheidungen auf die Grenzen hingewiesen, die sich für die Rückwirkung eines Gesetzes aus dem rechtsstaatlichen Prinzip (der Rechtssicherheit) oder einer begrifflichen Unmöglichkeit der Rückwirkung ergeben könnten (vgl. Entscheidung vom 17. November 1950, Gesetz- und Verordnungsblatt S. 263; Entscheidung vom 8. Juni 1951, Gesetz- und Verordnungsblatt S. 113). Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluß vom 24. April 1953 1 BvR 102/51 (Der Betriebs-Berater 1953 S. 496, Neue Juristische Wochenschrift 1953 S. 1017) erneut zu dem Rechtsproblem Stellung genommen. Es hat hierbei grundsätzlich an der bisher herrschenden Rechtsprechung festgehalten, daß der Gesetzgeber nicht gehindert sei, seinen Gesetzen - außerhalb des Strafrechtes - rückwirkende Kraft beizulegen.

Umstritten ist die Frage, inwieweit über die aus dem Wesen des demokratischen Rechtsstaates sich ergebenden Normen hinaus weitere überpositivrechtliche Normen bestehen, die für die Rückwirkung von Bedeutung sind. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Urteil vom 23. Oktober 1951 - 2 BvG 1/51 (Beilage zu Nr. 215 des Bundesanzeigers vom 6. November 1951) unter Abschnitt E Ziffer 16 die Bedeutung derartiger überpositivrechtlicher Normen für eine verfassungsgebende Versammlung hervorgehoben, in dem Urteil vom 24. April 1953 I BvR 102/51 jedoch eine überpositivrechtliche Norm, die jede Rückwirkung ausschließe, nicht anerkannt. Der Senat folgt dieser Rechtsauffassung. Er ist insbesondere der Auffassung, daß es nicht zulässig wäre, auf dem Wege über vermeintliche überpositivrechtliche Normen das verfassungsrechtlich festgelegte Verhältnis von Rechtsprechung und Gesetzgebung zu verschieben. Der Bundesfinanzhof hat stets die verfassungsmäßige Grenzen, die der Rechtsprechung gegenüber der Verwaltung gesetzt sind, in seinen Urteilen betont. Er hat ausgesprochen, daß die Gerichte in einem Verfahren nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes nur über streitige Rechtsansprüche zu befinden haben, nicht aber Ermessensentscheidungen treffen dürfen, die der Gesetzgeber ausschließlich der Verwaltung übertragen hat. Sie sind also zuständig, wo ein Verstoß der öffentlichen Gewalt gegen Art. 2, Art. 3 des Grundgesetzes, § 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) behauptet wird, sie sind aber nicht zuständig für die Stundung, für den Erlaß von Steuern usw. (siehe Rechtssatz 5 des Gutachtens Großer Senat D 1/51 S vom 17. April 1951, Bundessteuerblatt III S. 107). Des weiteren hat die Rechtsprechung stets, insbesondere neuerdings Urteil des Bundesfinanzhofs I 113/52 U vom 10. Februar 1953, Bundessteuerblatt III S. 102, das Recht und die Pflicht der Verwaltung, die Gesetze selbst pflichtgemäß auszulegen, anerkannt (Art. 20 Abs. 3, Art. 56, Art. 97 des Grundgesetzes). Die Ordnung des demokratischen Rechtsstaates erfordert es hierbei, daß die Verwaltung im Rahmen ihrer eigenen pflichtgemäßen Auslegung des Gesetzes der Rechtsauffassung der Gerichte Rechnung trägt. Die auf diese Weise herbeigeführte gegenseitige Kontrolle von Rechtsprechung und Verwaltung gründet sich auf die Dreiteilung der Gewalten. Sie gewährleistet das Recht im demokratischen Rechtsstaat. Eine Sonderregelung für Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist in § 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht getroffen (bindende Wirkung der Entscheidungen für Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung. Gesetzeskraft eines Teiles der Entscheidungen). Auch hierdurch kommt die andersartige Rechtslage bei den Entscheidungen der übrigen Gerichte zum Ausdruck.

In gleicher Weise müssen durch die Gerichte und die Verwaltung die Grenzen zur Gesetzgebung sorgfältig beachtet werden, da andernfalls gegen verfassungsmäßige Grundlagen des Staates verstoßen würde. Der Bundesfinanzhof hat deshalb in der Entscheidung IV 119/52 S vom 16. April 1953, Bundessteuerblatt III S. 192 mit Nachdruck auf die Grenzen der Ermächtigung des § 131 der Reichsabgabenordnung (AO) für die Verwaltung hingewiesen.

Auch die ordentlichen Gerichte befassen sich zur Zeit in Verbindung mit Art. 117 Abs. 1 des Grundgesetzes mit der schwierigen Frage der Abgrenzung von Rechtsprechung und Gesetzgebung (siehe Der Betriebs-Berater 1953 S. 402, 512). Das Oberlandesgericht Frankfurt hat hierbei in dem Beschluß vom 22. April 1953 - 3 U 51/53 (Neue Juristische Wochenschrift 1953 S. 746) in der "Rechtssicherheit" eine Verfassungsnorm höheren Ranges gesehen. Die Rechtssicherheit beruht darauf, daß die ordnungsmäßig erlassenen Gesetze entsprechend dem Willen des Gesetzgebers auch durchgeführt werden. Der Bürger vertraut darauf, daß der in den Gesetzen ausgedrückte Wille des Staates Recht geworden ist. Ein Abweichen vom Gesetzesbefehl setzt gewichtige Gesichtspunkte voraus, soll die Rechtssicherheit nicht gefährdet werden.

Der Senat sieht mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit der Fälle, die im öffentlichen und privaten Recht auftreten können, davon ab, über diese Erörterung hinaus allgemein zu dem Rechtsproblem der Rückwirkung von Gesetzen weiter Stellung zu nehmen und beschränkt sich ausschließlich auf die vorliegende Streitsache.

Die Körperschaftsteuer ist ebenso wie die Einkommensteuer eine Personalsteuer. Durch die beiden Steuern sollen die Bürger des Staates Abgaben an die öffentliche Hand entrichten, die nach ihrer Leistungsfähigkeit bemessen werden. Der Steuerpflichtige hat die Abgabe selbst zu tragen. Die Rechtslage ist anders bei der Umsatzsteuer, die auf den Verbraucher abgewälzt werden soll, bei Steuern, die das Handeln des Bürgers beeinflussen sollen, wie es bei der Hundesteuer der Fall sein kann, sie ist insbesondere anders bei Gebühren, wo ihre Zahlung eine Gegenleistung der Verwaltung gegenübersteht (ß 1 Abs. 1 AO). Es ist deshalb verständlich, wenn in § 7 Abs. 1 des Preußischen Kommunalabgabegesetzes vom 14. Juli 1893 (Gesetzessammlung S. 152) die Gebühren "im voraus nach festen Normen und Sätzen zu bestimmen sind". Es ist denkbar, daß Probleme der letztgenannten Art auch innerhalb der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer eine Rolle spielen können, so bei Vergünstigungen, die das Gesetz gewährt. Aber auch diese Frage ist im Streitfalle nicht von Bedeutung.

Die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen kann auch nach Tatbeständen bemessen werden, die in der Vergangenheit liegen. In großem Umfange geschieht dies bei der Vermögensbesteuerung. Der Gesetzgeber geht hierbei allerdings davon aus, daß die von ihm angenommene Leistungsfähigkeit in der Zukunft weiter besteht. Bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer bildet das Einkommen bzw. der Gewinn die Grundlage für die Bemessung der Leistungsfähigkeit. Es soll, grundsätzlich betrachtet, nicht das Gewinnstreben gemindert werden. Eine überhöhung der Steuersätze kann allerdings in dieser Richtung wirken. Eine Festsetzung von Steuern dieser Art für die Zukunft, ebenso wie die Erhöhung der Tarife unter Anknüpfung an Tatbestände der Vergangenheit stellt keine Rückwirkung im engeren Sinne dar. Es soll lediglich für die Zukunft eine höhere steuerliche Leistung gefordert werden. Die Verknüpfung mit dem Tatbestand aus der Vergangenheit ist nur eine mittelbare. Der Tatbestand der Vergangenheit soll durch die Steuer nicht beeinflußt werden, er dient lediglich als Bemessungsgrundlage für die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, mag es auch für den Steuerpflichtigen erwünscht sein, bereits bei Verwirklichung des Tatbestandes über die steuerliche Auswirkung im vollen Umfang unterrichtet zu sein, also auch hinsichtlich der Personalsteuern.

Das Finanzgericht hat in vorliegendem Falle eine schädliche Rückwirkung deshalb nicht angenommen, weil es sich um eine sogenannte "Zeitabschnittregelung" handle. Diese Auffassung wird in der Literatur in weitem Umfang vertreten, auch in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 9. Januar 1952.

Die Rb. wendet sich gegen diese Auffassung. Es werde auf diese Weise ein Begriff des formalen Steuerrechtes in die Betrachtung eingeführt, der hier nichts zu suchen habe. Eine rückwirkende Erhöhung der Lohnsteuer stelle wirtschaftlich betrachtet eine echte Rückwirkung dar. Dies gelte auch für die Körperschaftsteuerpflichtigen, deren Leiter sich nach monatlichen Zwischenbilanzen die jeweilige Körperschaftsteuer errechneten und über den verbleibenden Restbetrag verfügten. Für die gesetzliche Vorschrift könne auch nicht geltend gemacht werden, daß durch den Verzicht auf die rückwirkende Erhöhung der Steuer der Haushalt des Bundes oder eines Landes ernsthaft in Gefahr gebracht worden wäre.

Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob eine Maßnahme der umstrittenen Art zweckmäßig ist, sondern lediglich, ob der Gesetzgeber die ihm gestellten Grenzen überschritten hat. Es müssen somit Normen geltend gemacht werden, die der gesetzlichen Regelung entgegenstehen. Wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt ausgesprochen hat, besteht weder eine überpositivrechtliche Norm noch ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, der allgemein die Rückwirkung verbietet. In der Rb., wie in der Literatur wird für Steuern das Verbot der Rückwirkung insbesondere auf Art. 2 des Grundgesetzes gestützt. Es wird hierbei die Auffassung vertreten, daß es für die freie Entfaltung der Persönlichkeit eine unzulässige Einengung bedeute, wenn ein Steuerpflichtiger mit der Möglichkeit derartiger rückwirkender Steuererhöhungen rechnen müsse.

In dem vorliegenden Fall wird man einen Verstoß des Gesetzgebers gegen Art. 2 des Grundgesetzes nicht erblicken können.

Der Rb. mag darin beizupflichten sein, daß Gesichtspunkte, die gegen die Rückwirkung von Steuererhöhungen auf zurückliegende Steuerabschnitte geltend gemacht werden, in gewissen Grenzen auch für die sogenannte Zeitabschnittsregelung gelten. Dies wird man insbesondere bei der Umsatzsteuer, bei Steuern wie der Hundesteuer annehmen müssen.

Die Erhöhung der Umsatzsteuer für einen abgerechneten Geschäftsvorfall des laufenden Wirtschaftsjahres oder eines Vorjahres hat für den Kaufmann das gleiche Ergebnis. Er wird die erhöhte Umsatzsteuer meist nicht abwälzen können. In beiden Fällen liegt somit eine echte Rückwirkung vor. Wie bereits ausgeführt, ist aber die Rechtsnatur der Körperschaftsteuer anders. Des weiteren darf nicht übersehen werden, daß eine Körperschaftsteuererhöhung für das laufende Jahr - das ausschließliche Problem dieser Entscheidung - sich anders auswirkt wie eine Körperschaftsteuererhöhung für abgelaufene Wirtschaftsjahre. Im ersteren Fall bieten sich für den Körperschaftsteuerpflichtigen in weitem Umfang noch Möglichkeiten, die im letzteren Falle nicht gegeben sind. Der steuerpflichtige Jahresgewinn kann im weiteren Verlauf des Wirtschaftsjahres noch weitgehend beeinflußt werden. Es besteht insbesondere die Möglichkeit, bei Aufstellung der Bilanzen im nächsten Jahr von den gesetzlich zugelassenen Vergünstigungen, wie sie insbesondere hinsichtlich der Bewertung gegeben sind, in vollem Umfange Gebrauch zu machen.

Auch dem Gesichtspunkt, daß die Körperschaftsteuererhöhung bei den bereits getätigten Geschäften nicht mehr berücksichtigt werden kann, vermag der Senat für den vorliegenden Fall mit seiner verhältnismäßig geringen zeitlichen Rückwirkung nicht die Bedeutung zuzumessen, wie dies in der Rb. geschieht. Bei Körperschaften wird sich vielfach der Ablauf der Geschäfte auf eine längere Zeitperiode verteilen. Die schwebenden Geschäfte spielen insbesondere bei den größeren Firmen eine wesentliche Rolle. Würde Art. 2 des Grundgesetzes zur Folge haben, daß der Gesetzgeber im allgemeinen nicht in der Lage wäre, steuerlich die in einem erworbenen Gegenstand enthaltene stille Rücklage oder den mit einem schwebenden Geschäft verbundenen Gewinn höher zu belasten, als es bei Erwerb des Gegenstandes oder bei Abschluß des Vertrages für das schwebende Geschäft der Fall war, so wäre es auch nicht möglich, die Körperschaftsteuer für noch nicht begonnene Steuerabschnitte zu erhöhen. Die Gewinnrealisierungen z. B. 1951 können in erheblichem Umfange auf stille Reserven von im Jahre 1950 und noch früher erworbenen Gütern zurückgehen. Die am Bilanzstichtag schwebenden Geschäfte dehnen sich auch auf die neuen Steuerabschnitte aus. Besonders deutlich tritt dies bei Baufirmen in Erscheinung. Der Bürger eines Staates muß damit rechnen, daß Veränderungen im Steuersystem oder in den Tarifbestimmungen zur Folge haben, daß die ursprüngliche wirtschaftliche Beurteilung eines Geschäftes sich nachträglich als verfehlt erweist. Dies gilt für das gesamte Wirtschaftsleben, von dem die Steuer nur einen Teil darstellt. Die Unruhe, die die Weltwirtschaft gegenwärtig beherrscht, läßt stabile Verhältnisse in den Grenzen der Zeit vor 1914 nicht zu und erschwert zuverlässige Berechnungen für die Zukunft. Dieser Tatsache hat der Bundesfinanzhof bei der Bewertung von Wirtschaftsgütern, so in der neueren Rechtsprechung zu § 6 Ziff. 5 des Einkommensteuergesetzes und bei der Frage der Gewinnrealisierung (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 4/52 vom 17. Mai 1952, Slg. Bd. 52 S. 536, Bundessteuerblatt III S. 208) große Bedeutung beigemessen.

Der Senat vermag aber der Ansicht nicht beizupflichten, daß Art. 2 des Grundgesetzes dem Gesetzgeber allgemein Erhöhungen der Einkommen- und Körperschaftsteuer verbiete, die sich auf bereits schwebende Geschäfte und die Gewinne bereits durchgeführter Geschäfte (stille Reserven des Betriebes) auswirken. Es kann dahingestellt bleiben, ob Art. 2 des Grundgesetzes Steuererhöhungen für die abgelaufenen Steuerabschnitte auch bei der Körperschaftsteuer entgegensteht. Für die sogenannte Zeitabschnittsregelung ist der Senat bei der Körperschaftsteuer der Auffassung, daß eine Rückwirkung, wie sie der Gesetzgeber im vorliegenden Falle vorgeschrieben hat, den Bestimmungen des Art. 2 des Grundgesetzes nicht widerspricht. Ob eine derartige gesetzliche Maßnahme zweckmäßig ist, hat der Senat, wie bereits ausgeführt, nicht zu entscheiden. Er hat lediglich zu prüfen, ob Rechtsnormen höherer Art der gesetzlichen Vorschrift entgegenstehen. Da er dies im vorliegenden Falle verneint, besteht keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 23. März 1952 - I BvL 12/51 (Juristen-Zeitung 1952 S. 289) ausgesprochen, daß die Einholung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes nur zulässig ist, wenn das vorlegende Gericht das Gesetz für verfassungswidrig hält. Blosse Bedenken reichten nicht aus. Diese Voraussetzungen sind im Streitfalle nicht erfüllt.

Die Rb. muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407686

BStBl III 1953, 250

BFHE 57, 654

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