Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Auch ein in vollem Umfang verpachtetes gewerbliches Unternehmen einer OHG stellt Betriebsvermögen derselben dar. Dies gilt grundsätzlich bis zu dem Zeitpunkt, in dem die gesellschaftliche Bindung der verpachteten Gegenstände durch Liquidation der Gesellschaft oder auf andere Weise durch Umwandlung des Gesamthandseigentums in freies Eigentum der Gesellschafter erloschen ist.

 

Normenkette

BewG §§ 54, 95, 56 Abs. 1 Ziff. 7, § 97/1/5

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist unter der Firma Z als OHG im Handelsregister eingetragen. Den Gegenstand ihres Unternehmens bildete der Betrieb einer Bierbrauerei, deren Einheitswert zum 1. Januar 1946 durch einen berichtigten Bescheid des Finanzamts vom 5. Februar 1948 auf 173.000 RM festgestellt worden war. Der Bescheid hatte nach Zurücknahme eines zunächst eingelegten Einspruchs Rechtskraft erlangt.

Am 28. Dezember 1949 stellte die Bfin. einen schriftlichen Antrag auf Wertfortschreibung zum 1. Januar 1948, mit dem sie zunächst nur eine Herabsetzung des festgestellten Einheitswerts abstrebte, dann aber seine völlige Aufhebung mit der Begründung verlangte, daß ein Gewerbebetrieb der OHG nicht mehr bestehe, nachdem durch einen Pachtvertrag vom 17. April 1947 das gesamte Unternehmen verpachtet worden sei. Da es seit dem Zeitpunkt der Verpachtung bei ihr, der Bfin., am Betrieb eines Handelsgewerbes fehle, seien damit die Voraussetzungen für ihren Weiterbestand als OHG im Sinne des Handelsrechts in Wegfall gekommen. Wenn auch die Löschung der Firma bisher noch nicht im Handelsregister vermerkt sei, so müßten doch die steuerlichen Folgerungen schon allein aus der Tatsache der Einstellung des Handelsgewerbes gezogen werden, da mit dem Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß den §§ 1 und 2 HGB das Handelsgewerbe handelsrechtlich und steuerrechtlich nicht mehr als existent zu betrachten sei. Auf die Durchführung einer formalen Liquidation könne es in ihrem Falle nicht ankommen, da alle Verpflichtungen der OHG erfüllt seien. Im übrigen werde die Auflösung der Gesellschaft im Wege einer stillen Liquidation in der Weise durchgeführt, daß ihre Gesellschafter das Eigentum an den Grundstücken und sonstigen Vermögenswerten als persönliches Bruchteilseigentum übernähmen.

Das Finanzamt wies den Antrag zurück, weil die Wertminderung des Betriebsvermögens das vorgeschriebene Mindestmaß der Wertabweichung nicht erreiche, im übrigen deshalb, weil die Verpachtung eines Gewerbebetriebs mit allen wesentlichen Betriebsgegenständen nicht als Aufgabe des Gewerbebetriebs zu betrachten sei. Steuerlich gelte eine OHG auch nach Beendigung ihrer eigentlichen gewerblichen Tätigkeit noch als fortbestehend, solange sie als OHG nach außen hin auftrete und solange sie ihr Betriebsvermögen nicht liquidiert habe.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt die Bfin. Verletzung des geltenden Rechts, wobei sie insbesondere hervorhebt, daß die Pächterin in dem gepachteten Betriebe kein Bier mehr herstelle, sondern nur noch Limonade, und daß man deshalb von einer Fortführung des bestehenden Gewerbebetriebs nicht sprechen könne.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Das Finanzgericht geht in der angefochtenen Entscheidung davon aus, daß die Bfin. auch nach der Verpachtung ihres Betriebes eine OHG darstelle, weil sie kraft Gesetzes bis zur endgültigen Verteilung des Vermögens als fortbestehend zu gelten habe. Es kann indessen dahingestellt bleiben, ob man dieser Ansicht beitreten oder der im handelsrechtlichen Schrifttum vertretenen Auffassung den Vorzug geben will, nach der eine OHG durch die Verpachtung ihres Betriebs zwar den Charakter als OHG verliert, deshalb aber nicht der Auflösung verfällt, sondern als Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehen bleibt (vgl. Düringer-Hachenburg, Kommentar zum HGB 3. Auflage 1932 Band II 2, Vorbemerkung zum 4. Titel Anmerkung 5; Reichsgerichtsräte zum HGB Band 2 von Weipert Anmerkung 17 zu § 131 HGB). Denn auch Gesellschaften des bürgerlichen Rechts gehören, wie die Vorentscheidung mit Recht hervorhebt, zu denjenigen Gesellschaften, deren Wirtschaftsgüter in ihrer Gesamtheit einen gewerblichen Betrieb darstellen, solange die Gesellschaft als solche besteht und ein Gewerbe betreibt.

Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung ist die Verpachtung eines eingerichteten Gewerbebetriebs als gewerbliche Tätigkeit anzusehen. Zu einer Abweichung von dieser bisherigen Rechtsprechung besteht besonders in Anbetracht der näheren Umstände des vorliegenden Falles keine Veranlassung. Denn laut Inhalt des Pachtvertrages ist dem Pächter nicht allein das gesamt betrieblich genutzte Grundvermögen sowie das gesamte betriebliche Inventar nebst den zur Brauerei gehörigen Kontingentsrechten überlassen worden, sondern darüber hinaus auch die Brauereikundschaft, deren Pflege und Erweiterung sich Verpächter und Pächter nach vertraglicher Abrede gemeinsam widmen sollen. Ob auch in Fällen, in denen die gewerbliche Zweckwidmung der an ein gewerbliches Unternehmen verpachteten Gegenstände weniger deutlich in Erscheinung tritt, an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist, braucht im vorliegenden Falle nicht entschieden zu werden. Hier kann es nach den vorstehenden Ausführungen nur darauf ankommen, ob das Gesellschaftsvermögen der Bfin. am 1. Januar 1948 noch vorhanden oder ob es im Wege der von der Bfin. behaupteten "stillen Liquidation" bereits als Bruchteilseigentum auf die einzelnen Gesellschafter übergegangen war. Der Bfin. ist insoweit zwar zuzugeben, daß selbst die handelsrechtlichen Vorschriften über die Liquidation (ß 145 HGB) keine Vorschriften zwingenden Rechts darstellen, und daß insbesondere dann, wenn keine Gesellschaftsschulden mehr zu berichtigen sind, statt des formellen Abwicklungsverfahrens eine schlichte Aufteilung des Gesellschaftsvermögens im Wege der Naturalteilung vereinbart werden kann (vgl. Reichsgerichtsräte zum HGB Band 2 von Weipert Anmerkung 17 zu § 145 HGB; Düringer-Hachenburg 3. Auflage 1932 Band II 2, Anmerkung 12 zu § 145 HGB). Die tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falles sprechen jedoch in ihrer Gesamtheit nicht dafür, daß eine solche "stille Liquidation" wirklich stattgefunden hat bzw. überhaupt stattfinden konnte. Denn wenn die Aufteilung des Gesellschaftsvermögens in der von der Bfin. behaupteten Form tatsächlich durchgeführt worden wäre, so hätte es einer formellen Liquidation, die auch von der Bfin. zugegeben wird und deren Beginn, wenn auch vielleicht verspätet, am 20. Januar 1950 in das Handelsregister eingetragen worden ist, nicht mehr bedurft. Im übrigen hätte sich die Naturalteilung der vorhandenen Gesellschaftsgrundstücke und die Umwandlung des an ihnen bestehenden gesellschaftlichen Eigentums in Bruchteilseigentum der bisherigen Gesellschafter in den Formen des § 313 BGB vollziehen müssen. Weder die Akten noch das eigene Vorbringen der Bfin. lassen indessen erkennen, daß bezüglich der Gesellschaftsgrundstücke eine dieser Form entsprechende Vereinbarung getroffen worden ist. Sie würde übrigens auch im Widerspruch stehen zu dem Inhalt des am 17. April 1947 geschlossenen Pachtvertrages, wonach die Firma Z OHG selbst als Verpächterin auftritt und den gesamten Grundbesitz etc. (die gesamte Brauerei-, Wirtschafts- und Geschäftseinrichtung sowie auch die Ausübung der mit der Brauerei verbundenen Kontingentsrechte) der Pächterin gegen Zahlung des vereinbarten Pachtpreises überläßt. Wenn unter solchen Umständen die Vorinstanzen den Pachtgegenstand als gewerbliches Betriebsvermögen der Bfin. angesehen und ihr dementsprechend auch zugerechnet haben, so ist dies weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Beziehung zu beanstanden. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Pächterin den von der Bfin. gepachteten Betrieb gegenwärtig ausschließlich zur Herstellung von Limonaden verwendet. Abgesehen davon, daß eine vorübergehende vertragswidrige Verwendung des Pachtgegenstandes, die vom Verpächter nicht einmal geduldet zu werden brauchte, nicht ohne weiteres den Charakter des Pachtgegenstandes für die Dauer zu ändern vermöchte, ist auch die "Zweckentfremdung" im vorliegenden Falle nicht so erheblich, daß deswegen die Fortführung des Gewerbebetriebs der Bfin. überhaupt in Frage gestellt wäre.

Da wegen der Höhe des festgestellten Einheitswertes in der Rb. keine Einwendungen mehr erhoben werden, so ist die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407666

BStBl III 1953, 194

BFHE 1954, 503

BFHE 57, 503

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