Leitsatz (amtlich)

Die Bewertungsfreiheit des § 14 BHG 1959 wird durch das dreijährige Verbleiben des Wirtschaftsguts im Anlagevermögen einer Westberliner Betriebstätte bedingt. Das Wirtschaftsgut wird Umlaufvermögen, wenn der Unternehmer den Entschluß faßt, es zu veräußern, und es dementsprechend seinem bisherigen Wirkungskreis entzieht, indem er es einem Händler zur Veräußerung übergibt oder an ihn veräußert.

 

Normenkette

BHG 1959 § 14 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Revisionsbeklagte (FA) eine dem Revisionskläger (Steuerpflichtiger) nach § 14 BHG zugebilligte Sonder-AfA rückwirkend wieder versagen durfte.

Der Steuerpflichtige erwarb Anfang 1960 einen Lastkraftwagen (LKW) für sein Güterverkehrsunternehmen zum Preise von 54 984 DM und nahm die erhöhte AfA des § 14 BHG zunächst in Höhe von 50 v. H., dann von 60 v. H. des Kaufpreises in Anspruch, die ihm das FA auch gewährte. Am 27. September 1962 gab der Steuerpflichtige den Kraftwagen einem Kraftfahrzeughändler in Zahlung. Dieser bot den Wagen in seinem Unternehmen zum Verkauf feil und verkaufte ihn am 28. November einem Westberliner Unternehmer. Das FA gelangte zu der Ansicht, daß die Bedingungen für die Gewährung der Sonder-AfA weggefallen seien, weil der LKW nicht während dreier Jahre im Anlagevermögen eines Westberliner Unternehmers verblieben sei, sondern vor Ablauf dieses Zeitraums während einer - wenn auch kurzen - Zeit dem Umlaufvermögen des Händlers angehört habe. Er änderte daher den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1960 nach § 4 Abs. 2 StAnpG, indem er statt der Sonder-AfA die normale AfA nach § 7 EStG berücksichtigte. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG gab folgende Begründung: Bedingung für die Gewährung der Sonder-AfA sei nach § 14 Abs. 2 BHG gewesen, daß der LKW als bewegliches Wirtschaftsgut nach seiner Anschaffung mindestens drei Jahre im Anlagevermögen eines Westberliner Betriebes verblieb. Diese Bedingung habe der Steuerpflichtige nicht erfüllt, denn der LKW sei vor Ablauf der drei Jahre in das Umlaufvermögen des Kraftfahrzeughändlers gelangt.

Hiergegen richtet sich die Revision mit folgender Begründung: Sei es unschädlich, das durch § 14 BHG begünstigte Wirtschaftsgut auf ein anderes Westberliner Unternehmen zu übertragen, dann müsse auch der für die Übertragung gewählte, wirtschaftlich normale Weg unschädlich sein. Einem Beförderungsunternehmen könne nicht die volkswirtschaftlich und kaufmännisch völlig sachfremde Aufgabe aufgebürdet werden, selbst den Erwerber eines LKW ausfindig zu machen. Daß der Lastwagen während seiner kurzen Zugehörigkeit zum Umlaufvermögen des Händlers nicht genutzt werden konnte, könne nicht entscheidend sein, weil Lastwagen auch in der Zeit ihrer Zugehörigkeit zum Anlagevermögen ungenutzt bleiben, wenn sie repariert werden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision hat keinen Erfolg.

Die vom Steuerpflichtigen in Anspruch genommene Bewertungsfreiheit des § 14 BHG hat nach Abs. 2 Nr. 2 dieser Bestimmung zur Bedingung, daß das Wirtschaftsgut, das frei bewertet werden soll, mindestens drei Jahre nach seiner Anschaffung oder Herstellung in einer in Berlin (West) belegenen Betriebstätte verbleiben muß, wenn es zum beweglichen Anlagevermögen gehört. Nach Ansicht des Senats ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmung eindeutig, daß das betreffende Wirtschaftsgut drei Jahre lang nach der Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen einer Westberliner Betriebstätte gehören muß. Zum gleichen Ergebnis ist der VI. Senat des BFH bei der Auslegung des § 21 Abs. 2 BHG 1962 gelangt, der zwar im Wortlaut geringfügig vom § 14 Abs. 2 BHG abweicht, dem Sinne nach jedoch identisch ist (Entscheidung VI R 46/68 vom 24. Mai 1968, BFH 92, 396, BStBl II 1968, 573). Der Lastwagen mußte demnach als bewegliches Wirtschaftsgut drei Jahre lang im Anlagevermögen einer Westberliner Betriebstätte verbleiben. Dies ist nicht geschehen, weil der Lastwagen in das Umlaufvermögen verbracht worden ist. Wann ein Wirtschaftsgut dem Anlagevermögen oder dem Umlaufvermögen angehört, richtet sich danach, welchem Zweck der Unternehmer das Wirtschaftsgut widmet. Zum Anlagevermögen gehört es, wenn es für die Dauer dazu bestimmt ist, dem Betrieb zu dienen, zum Umlaufvermögen, wenn es zum Verbrauch oder zum Verkauf bestimmt ist (§ 152 Abs. 1 AktG). Gehört das Wirtschaftsgut hiernach zum Anlagevermögen, so reicht der Entschluß des Unternehmers allein, es zu verbrauchen oder zu veräußern, in aller Regel nicht aus, um es bereits dem Umlaufvermögen zuzuordnen, vor allem dann nicht, wenn es trotz des Entschlusses weiterhin in der bisherigen Weise genutzt wird. Zu dem Entschluß müssen vielmehr noch Maßnahmen hinzutreten, die die anderweitige Widmung eindeutig erkennen lassen (vgl. BFH-Entscheidung IV 119/58 U vom 3. September 1959, BFH 69, 431, BStBl III 1959, 423). Diese Maßnahmen können verschiedenartig sein. Im allgemeinen wird die Überführung des Wirtschaftsguts aus dem Anlage- ins Umlaufvermögen dadurch verwirklicht, daß es seinem bisherigen Wirkungskreis entzogen wird, um es - falls es verkauft werden soll - zum Verkauf herzurichten und auszustellen oder einem Händler zum Verkauf zu übergeben. Im letzten Falle ist es ohne Bedeutung, ob das Wirtschaftsgut dem Händler veräußert oder in Kommission gegeben wird. Denn im einen Fall gehört das Wirtschaftsgut zum Umlaufvermögen des Händlers, im anderen Falle zum Umlaufvermögen des Unternehmers. Da der Steuerpflichtige unbestritten den Entschluß gefaßt hatte, den Lastwagen vor Ablauf der Dreijahresfrist zu veräußern und diesen Entschluß durch die Hingabe des Lastwagens an den Händler auch verwirklichte, ist der Lastwagen nicht bis zum Ablauf der Dreijahresfrist im Anlagevermögen einer Westberliner Betriebstätte verblieben, so daß die Bedingung des § 14 Abs. 2 BHG nicht erfüllt ist.

Der Einwand des Steuerpflichtigen, es könne ihm nicht zugemutet werden und sei unwirtschaftlich, den Wagen selbst zu veräußern, liegt neben der Sache. Von Bedeutung ist allein, daß der Steuerpflichtige den Entschluß faßte, den Wagen zu veräußern und diesen Entschluß dadurch verwirklichte, daß er den Wagen seinem bisherigen Wirkungskreis entzog.

Die Entnahme aus dem Anlagevermögen vor Ablauf der Dreijahresfrist stellt eine Bedingung dar, unter der die Vergünstigung der Bewertungsfreiheit des § 14 BHG wegfällt, so daß das FA den die Bewertungsfreiheit berücksichtigenden Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1960 nach § 4 Abs. 2 StAnpG ändern konnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413144

BStBl II 1972, 528

BFHE 1972, 227

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